Wenn die Fähigkeiten des Spielers nicht die des Charakters sind: die Immersion am Spieltisch

  • Durch die aktuelle Diskussion um Crossgender-Faden wurde ich auf die Überlegung gebracht, weil es ein Argument war, wenn die Stimme von Spieler/Spielerin nicht der des Charakters entspricht, würde dies die eigene Immersion stören, und ein Gegenargument war, wie im Falle der zweistimmigen Stimme eines Elfischen Charakters (oder NSC) verfahren werden würde. Und ich stellte mir die Frage: wenn man beispielsweise mit der Brumbassbärenstimme eines Mannes einen SC im Bariton und mit Wohlklang spricht; oder die Frau mit höherer Stimme einen weiblichen Charakter mit rauchiger Altstimme hat; oder ein Spieler/Spielerin mit ganz normaler Stimme einen Charakter mit unangenehmer Stimme spricht; oder jemand einen Achaz als SC nimmt und nicht die ganze Zeit die Ssss-Laute zischelt; oder der/die Tulamide nicht ununterbrochen mit blumigen Vergleichen um sich wirft und auch keineswegs mit merklichem Akzent spricht, weil der Garethi-Wert nicht so hoch ist; und der dicke Typ/die dicke Typin die grazile Elfe spielt; und das dünne Hemd den muskelbepackten Barbaren in Fellhose; der Magier einen kleinen Funkeldrachen auf der Schulter sitzen hat, der auch ganz anders spricht (also ganz andere Stimme und Stimmlage hat) als der Charakter; und überhaupt, alle da in Jeans und Hemd/Bluse/T-shirt sitzen, Chips mümmeln und überhaupt nichts am Tisch aventurisch daher kommt ....*

    Kurz: es gibt so vieles, das stimmlich oder optisch nicht übereinstimmt. Weiter ginge es bei den umwerfend gut aussehenden Charakteren bei Spielern/Spielerinnen, die das nicht sind; bei den ausstrahlungsstarken Charakteren, deren Spieler/Spielerinnen das nicht sind; bei den redegwandten SC, deren Spieler/Spielerinnen das nicht sind ...

    *[Das sind recht willkürlich überlegte Beispiele]

    Was also, individuell betrachtet, passt für euch noch mit der eigenen Immersion, und was nicht?

    Ich schalte auf "Innenkino" und dann kann jeder klingen und aussehen, wie es halt der Fall ist, und vor meinem inneren Auge läuft quasi ein Film (ein Tonfilm) ab.

    P&P ist nun mal ein Spiel, dass in jeder Hinsicht ein Spiel der eigenen Fantasie ist und mit der eigenen Fantasie, und der Fantasie anderer. Alles, einfach alles, findet in der Fantasie statt. Nicht nur der eigene SC oder die anderen, auch die vielleicht nur teilweise grob skizzierten NSC, die gesamte Umgebung, Stein für Stein und Pflanze um Pflanze, jede Handlung und jede Begebenheit gibt es nur verbal beschrieben und muss in der eigenen Vorstellungskraft und der gegenseitig mündlich (im FAB auch schriftlich) beschriebenen Handlungen zum Leben erweckt werden.

    Was hält drin, was wirft raus, gerade auch auf der Metaebene von Spielern und SL, die da gemeinsam sitzen und in und mit ihrer Fantasie spielen?

  • Ich seh' hier auch keine Bringschuld von Spielern. Klar, es ist schön wenn ein Dialekt kommt, wenn ein sozial sehr aktiver Charakter auch mit viel Verve und Charme gespielt wird. Wie auch der grummlige Zwerg oder der bosparanisierende Magier.

    Aber wenn das nicht da ist, kann man sich auch arrangieren. Dann gibt's halt ein paar Würfe mehr und weniger direkte Rede, aber daran scheitert jetzt meine Immersion nicht.

    Ich hab' meine Grenzen, aber die sind dann weniger darstellerisch. Ich kann z.B. KL-Proben um auf etwas zu kommen oder etwas zu unterlassen nicht so wirklich leiden. Klar, mein KL 18 Meister-Intrigant mag da jetzt auf ganz andere Gedanken kommen, aber irgendwo sitze halt auch ich am Steuer.

  • Ich sag mal so: Am Spieltisch geht alles, was inneraventurisch zu rechtfertigen ist und womit die Gruppe im Ganzen leben kann. Körperliche Voraussetzungen von Spieler*innen haben meiner Erfahrung nach für den Spaß an der Sache noch nie eine Rolle gespielt (auf Schattenkatzes Beispiele bezogen).

    Problematisch wird es mMn erst, wenn eine Person mit dem eigenen Charakter in einer Art und Weise handelt, die nicht zum allgemeinen Konsens über die Welt passt, also z.B. der mit Fremdwörtern um sich werdende Ork, der auf dem Blatt KL 6 und Garethi 4 hat, oder jemand bringt irdische Dinge nach Aventurien, die es da eigentlich nicht gibt, wie man es anscheinend gerne bei D&D mal macht (magisches Fantasy-Twitter oder so).

    Eine Sonderstellung nimmt dabei aber irgendwie immer der Einsatz von gesellschaftliche Talenten ein. Wenn der/die Spieler*in total schlecht darin ist, jemanden zu überreden/betören/überzeugen etc., der Charakter aber einen hohen TaW hat, dann ist das zwar irgendwie wenig immersiv, das mit einer Probe abzuhandeln, aber das macht es noch lange nicht zu einem No-Go, als "socially awkward nerd" einen Charmeur vor dem Herrn zu spielen.

    'Are you deliberately collecting animated heads, Johannes?' he asked. Cabal frowned, then accepted the point. 'Not deliberately. It just happens.'

    [quote]

    The Brothers Cabal, Jonathan L. Howard

    Einmal editiert, zuletzt von RiverStyx (21. Februar 2022 um 17:05)

  • Ich schalte auf "Innenkino" und dann kann jeder klingen und aussehen, wie es halt der Fall ist, und vor meinem inneren Auge läuft quasi ein Film (ein Tonfilm) ab.

    Geht mir ähnlich. Ist für mich wie Bücher lesen. ALLE am Tisch sind nur Erzähler. Da mach ich auch null Unterschied zwischen SL und Mitspielenden.

    Wobei mir neulich beim FAB-Spielen aufgefallen ist, dass ich mir alle Charaktere optisch so vorstelle, wie es für mich zu ihrem Verhalten passt. Höfliche, liebenswürdige Charaktere stelle ich mir tendentiell als gutaussehend vor, auch wenn ich weiß, dass sie den Vorteil gar nicht haben. Umgekehrt hab ich auch schon FABs gelesen, in denen eine Person explizit als gutaussehend bezeichnet wurde, in meinem Kopf aber trotzdem irgendwie ... nicht hübsch aussah, weil das Benehmen einfach so unsympathisch war, dass ich mir da irgendwie immer mindestens einen verschlagenen Blick, einen harten Zug um den Mund, irgendwas in die Richtung vorgestellt habe.

    Wenn also etwas meine Immersion stört, dann am ehesten, wenn das de facto Verhalten eines Charakters nicht passt. Hat meist weniger mit Fähigkeit als mit Wollen zu tun.

    Wer im Reallife super schüchtern ist, aber gern einen Casanova mit Betören 20 spielen will, kann beim Spielen ja selbstsicherer werden, und die Gruppe hilft sicher auch gern mit Vorschlägen aus, wie er die Stadtwächterin dazu becircen könnte, die Gruppe nach Sonnenuntergang noch in die Stadt zu lassen. Schlimmstenfalls stammelt er schüchtern ein Kompliment und der SL erklärt, dass diese besondere Stadtwächterin eine totale Schwäche für unschuldige Jünglinge hat und ihm jetzt aus der Hand frisst.

    Wenn hingegen jemand drauf besteht, dass sein ehrenhafter Krieger sich ins Lager der Räuber schleicht, das Essen vergiftet, und den letzten Überlebenden mit einer Armbrust aus dem Hinterhalt erledigt, und das völlig okay ist, weil Straßenräuber ja eh vogelfrei sind ... dann wird er damit leben müssen, dass sein strahlender, edler Held vor meinem inneren Auge eine abgerissene Söldnersau ist.

  • Ich kann mich da Artemis500 nur anschließen. Technisch gesehen weiß ich, dass ein gutaussehender/herausragend aussehender Charakter in gesellschaftlichen Situationen öfter Erfolg mit seinem/ihren Anliegen hat, weil es auf die Proben dem Vorteil entsprechend Erleichterung gibt. Praktisch verhält es sich für mich aber meist so: Wenn jemand ein A****loch spielt, bleibt der Char ein A****loch, auch wenn er/sie körperlich attraktiv ist. Ist dann eben ein hübsches A****loch, arschiges Verhalten hat aber trotzdem Auswirkungen.

    'Are you deliberately collecting animated heads, Johannes?' he asked. Cabal frowned, then accepted the point. 'Not deliberately. It just happens.'

    [quote]

    The Brothers Cabal, Jonathan L. Howard

  • Ich schalte auf "Innenkino" und dann kann jeder klingen und aussehen, wie es halt der Fall ist, und vor meinem inneren Auge läuft quasi ein Film (ein Tonfilm) ab.

    So ähnlich geht es mir auch. Wobei es mir bei der Runde am heimischen Tisch tatsächlich leichter fällt das Kopfkino anzuschmeißen, wenn es ausgeprägte Unterschiede zwischen Spieler und Charakter gibt. Mich kann es tatsächlich aus der Immersion reißen, wenn sich Spieler und Charakter zu ähnlich sind und dann mal eine Bemerkung kommt bei der nicht ganz klar ist ob die OT oder IT ist.

  • Ich habe weder Stimm-, noch Schauspielausbildung genossen und mag es dennoch in fremde Charaktäre zu schluepfen, um deren Agendas zu verfolgen und fuer wenige Stunden durch deren Augen in eine fremde Welt zu blicken. Dazu versuche ich deren Fähigkeiten anzuwenden, auch wenn das Ergebnis manchmal bestenfalls Mittelmass ist. Meine Mitspieler zeigen Akzpetanz ob meiner Schwächen, so wie ich die ihren akzeptiere. Schliesslich erzählen und erleben wir gemeinsam eine Geschichte, deren Fluss besser ist, wenn man ueber Unlänglichkeiten hinwegsieht.

    Das Kopfkino spielt dabei, so wie hier von meinen Vorpostern mehrmals erwähnt, die Hauptrolle. Innerhalb einer Szene passiert es durchaus, dass der SL aus der Erzählerperspektive heraus eine Beschreibung der Umgebung oder die Handlung eines NPCs beschreibt, während er darauf folgend direkt als NPC an die Spieler spricht. Manchmal muss man die Szene in der Fantasie korrigieren, wenn neue Elemente hinzukommen etcetera. Eines meiner kleinen Hilfsmittel ist es, die Augen kurz zu schliessen und sie vor meinem inneren Auge zu visualisieren. Besonders hilfreich ist es dem Bild noch einen Geruch oder ein Hintergrundgeräusch hinzuzufuegen, zum Beispiel Stimmemgemurmel und Brotgeruch auf einem Wochenmarkt.

    Immersionsstörend sind fuer mich, wenn am Tisch gegessen oder gar mit halbvollem Mund gesprochen wird - daher befuerworte ich kleinere Pausen, in denen man dann kurz abschaltet, Smalltalk fuehrt und, gegebenenfalls, etwas isst.

  • Natürlich ist das sehr stimmungsvoll, wenn der Spieler des Barden klimpert und trällert und das auch richtig gut kann.

    Aber wenn der real life Musiker lieber einen grummelnden Drachentöter-Zwerg spielen will, weil ein anderer zu sein eben das reizende am Rollenspiel ist, soll es mir genauso recht sein. Zur Not entscheidet eben eine Probe.

    Ich sehe auch eher ein Problem, wenn Spielerwissen zu Charakterwissen wird. Das ist blöd.

  • Ich hatte mal einen Spieler - weiterhin ein guter Freund! - der konnte einfach nicht in die Haut seines Hledne schlüfen, und sagte daher immer: "Er macht etc."

    Damit mußten wir anderen leben - auch wenn es merkwürdig klang. Es geht.

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Wobei mir neulich beim FAB-Spielen aufgefallen ist, dass ich mir alle Charaktere optisch so vorstelle, wie es für mich zu ihrem Verhalten passt. Höfliche, liebenswürdige Charaktere stelle ich mir tendentiell als gutaussehend vor, auch wenn ich weiß, dass sie den Vorteil gar nicht haben. Umgekehrt hab ich auch schon FABs gelesen, in denen eine Person explizit als gutaussehend bezeichnet wurde, in meinem Kopf aber trotzdem irgendwie ... nicht hübsch aussah, weil das Benehmen einfach so unsympathisch war, dass ich mir da irgendwie immer mindestens einen verschlagenen Blick, einen harten Zug um den Mund, irgendwas in die Richtung vorgestellt habe.

    Ja, das war auch laaaange Zeit mein Problem.

    Dann hab ich angefangen mir jeden SC als auch NSC wirklich ausführlich beschrieben zu lassen (erstmal rein äußerlich).

    Details über Menschenkenntnis sichtbar zu machen und den Charisma Wert mit einzubinden. (Wobei ein niedriger CH-Wert nicht gleich bedeutet, dass der Charakter seltsam wirkt.)

    All dies halte ich sowohl als Meister als auch als Spieler dann schriftlich fest (wobei ich als Meister halt häufig improvisieren muss). Damit ich später darauf eingehen kann.

    (Charakter wirkt ungepflegter als beim ersten Treffen. Nach dem Kennenlernen wirkt Person X plötzlich distanzierter. Usw.)

    Je genauer ich Beschreibungen mache oder fordere, desto klarer zeichnet sich das äußere in meinem Kopf ab und wird gerade am Anfang, noch nicht durch den "Charakter des Charakters" verfälscht.

    Aber subjektive Wahrnehmung ist ja durchaus etwas, das auch in der Realität stattfindet.

    Häufig können wir nicht erklären warum wir uns zu Personentyp A oberflächlich mehr hingezogen fühlen als zu Personentyp B.

    Bei manchen ist diese Diversität sehr wichtig, andere können sie komplett ignorieren wenn es darum geht einen Menschen kennen zu lernen.

    Edit:

    Spaßig wird es dann wenn die Gruppe aus mir (als Rheinländer) einem Bayern, einem Sachsen, einem Wiener und einem Schweizer bestehen. Die alle ihren persönlichen Akzent ins Hochdeutsche einbringen aber alle Charaktere angeblich Garethi auf MS haben und somit ja "Dialektfrei" zu sprechen im Stande sein sollten.

    Oder wie ich mich aktuell an einem "fake" polnischen Akzent versuche um den bornischen Dialekt meines 'Bruder des Blutes' zu honorieren.

    Mein Dialekt ist sicher alles andere als authentisch 😆

    Nerdismus trifft auf Boomer trifft auf Flachwitz-Humor

    Ergebnis 'Ich'

    Einmal editiert, zuletzt von Sturmkind (22. Februar 2022 um 07:46)

  • Seit einigen Jahren sehen bei mir Charaktererschaffungen immer folgender Maßen aus: Ich gucke mir Bilder von Figuren an, dann, wenn mir zu einem Bild direkt eine Geschichte einfällt und mir diese Kombination gefällt, gehe ich daran Werte aufzuschreiben. (Was natürlich bei DSA5 genial ist, weil man frei generieren kann). Dann weiß ich wie mein Charakter aussieht, was er kann und wie er agiert.

    Meine Mitspieler fordere ich, wenn sie das nicht von selbst machen, meist dazu auf sich ein Bild ihres Charakters auszusuchen. Das hilft mir sich die Leute vorzustellen. Ähnlich verfahre ich als Meister mit NSC, da gibt es für jeden ein Bild. In allen Gruppen in denen ich spiele hat sich das so eingebürgert.

    „Rollenspiel“ heißt für mich aber nicht, das ich die ganze Zeit die Stimme verstelle wenn ich meine Phexgeweihte spiele. Dieses Stimme verstellen klingt für mich eher peinlich als hilfreich (kann es nicht, hab halt ne Stimme wie ein Sistrum 🤷‍♂️).

    Wenn jemand, jemanden mit Dialekt spielen will, reicht es mir das ich das weiß. Wenn er das ausspielt und das durchhält und kann ist das schön, bestehe ich aber nicht drauf und brauche es auch nicht.

    Es gibt Szenen die spielt man aus, es gibt Szenen die würfelt man aus.

    Ich persönlich fände es für die anderen Mitspieler und den Meister, zB total langweilig, wenn meine Phexgeweihte zum 8475 mal bei einem Händler steht und (Schwert kostet 10 Dukaten) mit 6 Dukaten anfängt, der Meister 14 fordert, man sich nach 5 Minuten auf 9 Dukaten, 5 Silbertaler und ne Kürbisflasche einigt.. Dafür habe ich Handeln auf 14 gesteigert und habe Gutaussehend 2 und Begabung Handeln. Hat auch viele AP gekostet.

    Viel interessanter ist es doch dann die Highlights auszuspielen zB in dem die Phexgeweihte versucht den Wächter abzulenken, in dem sie mal etwas die Bluse öffnet, sich koket vor ihm bückt ein paar eindeutig zweideutige Anspielungen macht und dann mit ihrem Gutaussehend 2 und Betören 12 dem Wächter den Verstand ausschaltet, damit der Söldner ihn mit einem gezielten Knüppelhieb dann ganz ausschaltet. Lustig wird es dann wenn der SL den Wächter so spielt das er auf Männer steht oder ein liebestoller Zwerg die Phexgeweihte verfolgt, was diese dann in eine Bredouille bringt.

    Wie Schattenkatze das ganz zu beginn gesagt hat, richtig gut ist wenn man Kopfkino hat. Sich dann zT noch Jahrzehnte später an bestimmte Szenen erinnern kann. Dann war es eine gute Show, von allen beteiligten.

    Einmal editiert, zuletzt von Gast (22. Februar 2022 um 08:42)

  • Für mich ist es in Sachen Immersion schon wichtig, dass ich merke, ob da der Spieler oder sein Charakter spricht.

    Dabei sind die Voraussetzungen des Spielers aber eher irrelevant. Auch in einem guten Hörbuch schaftt es der Erzähler oder die Erzählerin Personen des anderen Geschlechts in der wörtlichen Rede anders klingen zu lassen. Und zumindest den Versuch erwarte ich auch von meinen Mitspielern.

    Wenn Andreas* eine grazile Elfe spielt aber spricht wie Andreas abends am Stammtisch, dann finde ich das schon störend. Das ist auch gar nicht auf Cross-Gender-Play begrenzt, ich erwarte ein Anpassen der Sprechweise auch, wenn Andreas einen brummeligen Zwergen spielt. Denn so oder so, keiner unserer gespielten Figuren würde in genau der gleichen Tonlage mit genau der gleichen Wortwahl sprechen wie wir selbst.

    Und wenn ich am Tisch nicht merke, ob ein Kommentar jetzt von Andreas oder seinem Helden stammt, dann nervt mich das.

    *Sorry an alle Andrease

  • Was mich in meiner Immersion stört:

    • Wenn Charaktere schnell entscheiden müssen und abgehärte Helden sind, der Spieler aber nicht in der Lage ist, schnelle Entscheidungen zu treffen und OT mit Mitspielern lange diskutiert, was IT zu tun ist.
    • Wenn Charaktere eigentlich XYZ sind, aber am Ende sich immer die Verhaltensweisen des Spielers durchsetzen. (bspw. der dumme Söldner, der plötzlich alle Rätsel löst; der charismatische Kavalier, der plötzlich ganz ungeschickt in allen Gesprächen ist; ...)
    • Fehlende Trennung von Charakter und Spielerwissen.
    • Für mich unplausibel gedachte Charaktere
    • Sicherlich noch mehr, wo ich gerade nicht drauf komme

    That being said: Ich finde, Rollenspiel lädt dazu ein, über seine eigenen Grenzen hinauszuwachsen.

    Daher stört das oben genannte Verhalten meine Immersion zwar (mehr oder minder), aber solange sich bemüht wird, habe ich damit kein Problem. Die Ansprüche wären auch einfach zu hoch, für den Neueinsteiger und das Hobby dadurch sehr ausgrenzend.

    Ich habe aber auch Freunde, die das enger sehen und deswegen auch schon Runden ausklingen lassen haben.

    Was für mich keine (negative) Rolle spielt:

    • Aussehen
    • Akzent
    • Stimmhöhe (auch crossgender)

    Wobei wir auch schonmal einem Clown ein Clownskostüm angezogen und eine Flöte in die Hand gedrückt haben :D aber das Fehlen wäre mir nicht negativ aufgefallen.

  • Ich schalte auf "Innenkino" und dann kann jeder klingen und aussehen, wie es halt der Fall ist, und vor meinem inneren Auge läuft quasi ein Film (ein Tonfilm) ab.

    So würde ich es auch machen.

    Unser Spielleiter achtete nicht darauf, wie jemand etwas Ausspricht, sondern es ging eher um das Verhalten des Chars. Das war wichtiger als der Klang der Stimme.

    Nicht jeder hat es drauf so zu klingen, wie es der Char wohl man als "wünschenswert" erachten könnte. Viel wichtiger ist eher, dass man überhaupt ihn versteht.

    Nur mal um jetzt mich als Beispiel zu nennen:

    ich bin eben ein Bayer ich spreche viel mit niederbayerischen Dialekt. So auch rede ich mit meinen Charakteren. Was jetzt aber nicht bedeutet, dass mein Thorwaler, mein Krieger oder mein Trollzacker auch aus Niederbayern kommen.

    Wer es machen will und gut seine eigene Sprache so umwandeln kann, dass man weiß, dass da jetzt ein Seefahrer, ein Elf, ein Zwerg, ein Dieb oder dergleichen spricht, ist es ok.

    Grundsätzlich aber sollte es jeden selbst überlassen sein, wie er da redet.

    Ist zumindest meine Meinung. Das Rollenspiel soll Spaß machen. Man ist da nicht bei einer Casting Show

  • Wenn Andreas* eine grazile Elfe spielt aber spricht wie Andreas abends am Stammtisch, dann finde ich das schon störend. Das ist auch gar nicht auf Cross-Gender-Play begrenzt, ich erwarte ein Anpassen der Sprechweise auch, wenn Andreas einen brummeligen Zwergen spielt. Denn so oder so, keiner unserer gespielten Figuren würde in genau der gleichen Tonlage mit genau der gleichen Wortwahl sprechen wie wir selbst.

    Aber Andreas kann machen was er möchte er wird niemals wie eine graziele Elfe mit zweistimmigem Gesang klingen.

    Da ich mich also so oder so aktiv daran erinneren muss, dass gerade eine grazile Elfe mit mir spricht und nicht Andreas, kann ich es Andreas auch einfach einfacher machen und ihm die Mühe ersparen, seine Stimme durch einen mehrstündigen Spieleabend zu massakrieren, in dem er versucht seine Bass Stimme auf Tenor zu halten.

    Keiner soll am nächsten Morgen nach den Spielabenden heiser sein.

    Und niemandem möchte ich in seine Charakterkonzepte reden, weil ich seine Stimme als "ungeeignet" erachte.

    Soll er doch stattdessen lieber ein paar Wortfetzen elfisch einbauen, um zur Immersion beizutragen. Aber auch das würde ich stets jedem Spieler selber überlassen, denn Andreas soll in erster Linie Spaß haben und wenn mich persönlich etwas stört, ist das mein Problem, mit dem ich umzugehen habe, nicht das von Andreas. Warum soll ich Andreas Spielspaß schmälern, in dem ich eine Anforderung an ihn stelle, die er nicht erfüllen möchte, nur um meinen eigenen Spielspaß zu steigern?

    Dann sollte man versuchen das in der Gruppe zu klären welchen Anspruch jeder Spieler zu erfüllen hat und entweder selber nach einer neuen Runde suchen und Andreas und seiner zierlicher Elfe Platz machen oder damit leben falls man der Einzige in der Gruppe mit solch einem Anspruch ist.

    Ich würde in keiner Gruppe glücklich werden, in der das verstellen der Stimme, Wortwahl und Dialekt zur "Pflicht" werden. Und sich das Charakterkonzept nur innerhalb dieses Pflichtbereiches bewegen darf.

    Du brauchst anscheinend genau so eine Gruppe, Nurmjo.

    Ich mag Gruppen lieber, in denen jeder spielen kann, was er gerne spielen möchte und was seinem persönlichen Charakter entspricht, als das spielen zu "müssen", was ich im Stande bin immersiv darstellen zu können.

    Nerdismus trifft auf Boomer trifft auf Flachwitz-Humor

    Ergebnis 'Ich'

  • ch mag Gruppen lieber, in denen jeder spielen kann, was er gerne spielen möchte und was seinem persönlichen Charakter entspricht, als das spielen zu "müssen", was ich im Stande bin immersiv darstellen zu können.

    Absolut! Im Idealfall klappt aber beides. Das geht aber nur mit einiger Rollenspielerfahrung, man muss erst mal ausprobieren, welche Rollen einem liegen. Und das sollte man Anfängern auch gestatten. Und nicht sagen, du kannst das nicht, das ist zu schwer zu spielen.

  • Und nicht sagen, du kannst das nicht, das ist zu schwer zu spielen.

    Genau.

    Niemand ist gezwungen, auf ewig ein und den selben Char bzw. die selbe Klasse zu spielen.

    Jeder will mal was neues ausprobieren. Solange der Spaß innerhalb der Gruppe da ist, passt es doch.

  • Es fällt mir schwer, hier eine pauschale Einschätzung meiner Wahrnehmung zu geben. Weder könnte ich sagen, dass ich mich frei davon machen kann, von einer großen Diskrepanz zwischen SpielerIn und Charakter gestört (oder zumindest irritiert) zu werden. Andererseits lässt sich das auch nicht allgemein so sagen. Viele der von Schattenkatze genannten Beispiele würden mich weniger stören.

    Um einen Fall zu schildern, bei dem ich so meine Probleme hatte: Das ja auch bereits angesprochene Beispiel, dass ein Charakter dem Menschen am Tisch intellektuell und/oder bildungstechnisch haushoch überlegen sein könnte, habe ich durchaus schon für eine große Herausforderung, die auch misslingen kann. Es fängt dabei an, dass es oft nicht immer leicht ist, einen Charakter mit KL18 zu spielen, wenn man sich selbst nicht dort sähe. Ganz extrem habe ich das aber bei inneraventurischer Bildung empfunden. Ich habe lange Zeit einen Nandus-Geweihten in meiner Gruppe gehabt, der von einem sehr unerfahrenen Spieler gespielt wurde, der kaum etwas über die Welt wusste. Das hat dann oft dazu geführt, dass das Handeln des Charakters von vielen am Tisch als unpassend wahrgenommen wurde. Und außerdem war es oft etwas unbefriedigend, wenn ich dem Spieler immer sagen "musste", was sein Charakter weiß und kennt bzw. erkennt. Das war dann doch öfters etwas seltsam.

  • Ein Beispiel für gute Immersion die noch nach fast 30 Jahren im Kopf blieb.

    Die drei Helden (Söldner, Phexgeweihte, Magier) reiten auf einen Innenhof, sehen sich um.

    Meister: Söldner und Geweihte haben ein ungutes Gefühl. Der Magier ein sehr starkes ungutes Gefühl.

    Magier: Ich reite wieder raus.

    Ich (Söldner), lehne mich auf meinem Stuhl vor, drücke mich an der Sitzfläche ab, so wie man das wohl mit einem Sattelknauf macht und blicke über die linke Schulter (wohl dem Magier nach).

    Alles fanden die Aktion cool. Fanden es wohl so schön das ich so in der Szene drin war das ich körperlich so reagierte wie mein Söldner reagiert hätte. Ich hab mir in der Situation gar nichts dabei gedacht. War einfach nur in meinem Film (ok, hab wohl zu viele John Wayne Filme gesehen..)