Meine Spieler wieder mal auf Abwegen

  • Der Vergleich mit der "realen Welt", in der Verbrechen gegen Kinder härter bestraft werden, geht in diesem Kontext übrigens völlig fehl. Wir schreiben hier über eine Gerichtsverhandlung in einem an das Mittelalter angelehnten Fantasywelt. Aber selbst wenn man deiner Argumentation folgte, muss ich einwenden, dass die Züchtigung von Minderjährigen durch die Eltern erst seit 2000 (!!!) verboten ist,

    Kinder zu schlagen war erlaubt, weil man es nicht als Gewalt sondern als Erziehungsmaßnahme ansah. Das Argument lässt sich auf das Entführen von Kindern zum Zwecke des Menschenhandels wohl kaum anwenden.

    Außerdem ist Aventurien keine mittelalterliche, sondern bloß eine vom Mittelalter inspirierte Welt ... ach egal, ich spar mir die Diskussion.

  • Alexander Naumenko-Kühne hat sich die Mühe gemacht, alles zum Thema Gerichtsbarkeit in Aventurien zusammenzutragen und die Ansätze mit dem historischen Recht (u.a. römisches Imperiums, mittelalterl. Recht, etc.) abzugleichen:

    Ich zitiere daher aus seiner grandiosen Spielhilfe (gibt's im Scriptorium pay-what-you-want) - die Hervorhebung wurde durch mich getätigt.

    Zum Thema Zeugenaussagen:

    "Die Zeugenaussagen werden vor Gericht keinesfalls

    gleich bewertet, vielmehr herrscht fast überall in

    Aventurien die Meinung vor, dass mit der sozialen

    auch die moralische und ästhetische Niedrigkeit

    einhergeht, sodass der ‚Gemeine‘ im Wortsinn in

    einem Verfahren als gemein gilt. Wichtigstes

    Beweismittel sind daher die Aussagen von Kläger

    und Beklagtem, die sie zur Bekräftigung freiwillig

    beeiden können, sowie von jeder Seite aufrufbaren

    Zeugen. Sie bezeugen den Tatverlauf (testes ex

    propriis sensibus) oder als Leumundszeugen bzw.

    Eidhelfer die Rechtschaffenheit einer Seite, wobei

    ihre Anzahl und ihr gesellschaftlicher Stand den

    entscheidenden Einfluss auf ihre Glaubwürdigkeit

    haben.

    Nicht zugelassen sind Zeugen, welche nur einen

    mittelbar bezeugten Tatverlauf wiedergeben

    (testes de auditu) sowie Fremde und Unfreie,

    sofern kein Fürsprecher für sie bürgt. Ebenfalls

    zulässig sind Sachbeweise wie die minderwertige

    Ware oder eine äußere Leichenschau."

    - Seite 14

    Zum Thema Kinder:

    "Generell dürften nur freie Erwachsene in die

    Gerichtsschranken treten. Unfreie werden durch

    ihren Herrn vertreten, der Haushaltsvorstand

    spricht für seine Schutzbefohlenen (Kinder,

    Lehrlinge, unverheiratete Geschwister)."

    - Seite 14

    Zum Thema Klageberechtigung:

    Ein Kläger bedarf des Bürgerrechts oder eines

    entsprechenden Fürsprechers. Adelige, Magier,

    anerkannte Pilger und Geweihte haben ein

    Klagerecht, Händler und Handwerker nur, wenn es

    ihre Heimatstadt ebenfalls gewährt. Ein Advokat

    ermöglicht als mietbarer Rechtsbeistand und

    Fürsprecher Fremden und Nichtbürgern die

    Einreichung einer Klage."

    - Seite 14

    Zum Thema Eide und Magie zur Wahrheitsfindung:

    "Heilige Befehle oder ähnliche Liturgien

    gelten bei weltlichen Prozessen als Einmischung in

    das Verfahren und im Widerspruch zum Codex

    Raulis und Ius Concordia stehend.

    Das Garether Pamphlet verbietet den Einsatz

    jeglicher Magie zur Wahrheitsfindung in

    weltlichen und kirchlichen Verfahren. Ihr

    erkannter Einsatz führt zur Nichtigkeit einer

    Zeugenaussage. Die Gültigkeit mittelbar auf diese

    Weise erlangter Beweise - etwa dem Auffinden

    einer Tatwaffe durch einen Hellsichtszauber - ist

    in der aventurischen Rechtslehre umstritten."

    - Seite 16

    Zur Gerichtsbarkeit allgemein:

    "Ein Prozess in Aventurien hat wenig mit der

    modernen, irdischen Gerichtspraxis zu tun. Dies

    beginnt damit, dass es fast überall ohne Kläger

    keinen Richter gibt und die Anklageerhebung an

    finanzielle und persönliche Voraussetzungen

    gebunden ist. In weiten Teilen des Kontinents

    dominiert ein frühmittelalterliches Rechtsverständnis,

    dem es vor allem um Wahrung des

    Friedens und Wiedergutmachung geht, um so

    Blutfehden zu verhindern.

    [...]

    Das häufigste Verfahren vor Gericht und vielerorts

    einziger gewaltlos-formale Weg zur Gerechtigkeit

    ist das Schiedsverfahren, auch Akkusativprozess

    genannt. Hier macht ein privater Kläger seinen

    erlittenen Schaden vor Gericht geltend, um einen

    Geldanspruch durchzusetzen oder die Gegenpartei

    zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen.

    Angezeigt werden können Angelegenheiten des

    Geschäftsverkehrs – z.B. ein Vertragsbruch, ein

    Streit über Eigentum und Erbe oder ein Anspruch

    auf einen Schadensersatz - aber auch ein

    Verbrechen. In einem Schiedsverfahren sind

    Leibstrafen selten, zielt es doch primär auf den

    Ausgleich des erlittenen Schadens."

    - Seite 6

    Wie Schattenkatze zutreffend schreibt, müssen die Helden ihre Unschuld beweisen. Das konnten sie nicht. Als in einem Prozess (zurecht) verurteilte Fremde stehen die Karten sehr schlecht, selbst eine Anklage vorbringen zu können. Die Kinder können dies (s.o.) ohnehin nicht. Ich bleibe dabei: Der SL hat in diesem Falle fast alles richtig gemacht.

    Nur das Strafmaß für die Helden würde mich noch interessieren. Mindeststrafmaß wäre eigentlich Brandzeichnung.

  • Wie Schattenkatze zutreffend schreibt, müssen die Helden ihre Unschuld beweisen. Das konnten sie nicht. Als in einem Prozess (zurecht) verurteilte Fremde stehen die Karten sehr schlecht, selbst eine Anklage vorbringen zu können. Die Kinder können dies (s.o.) ohnehin nicht. Ich bleibe dabei: Der SL hat in diesem Falle fast alles richtig gemacht.

    Und da denke ich, dass auch sie mögliche Zeugen haben und durch Bereiterklärung auf einen Eidsegen oder Respondami durchaus ihre Sicht der Dinge wahrheitsgemäß belegen können. Das wird nicht zwingend gut für sie sein, sie haben die Pferde gestohlen, die Entführer alle erschlagen und sich weder vorher noch hinterher um offizielle Wege geschert und jemand Zuständigen mit einbezogen. Aber es würde die Aussage des Händlers, er haben gesehen, wie sie seine Pferde gestohlen haben (und sonst war nichts) doch ins Wanken bringen.

    Kurzum: unsere Helden wurden "zu Unrecht" bestraft und sind nun drauf und dran ihre Unschuld zu beweisen, den Menschenhändlerring aufzudecken und dann nach Rommilys zurückzukehren, um dort als Helden gefeiert zu werden.

    Aber: Die SC sind ja wieder nach der Verhandlung auf freiem Fuß unterwegs. Wie ihre Bestrafung aussieht, wissen wir nicht, nur, dass sie des Pferdediebstahles, nicht des Mordes für wohl irgendwie schuldig gesprochen wurden und zeitnah wieder auf freiem Fuß sind.

  • Alexander Naumenko-Kühne hat sich die Mühe gemacht, alles zum Thema Gerichtsbarkeit in Aventurien zusammenzutragen und die Ansätze mit dem historischen Recht (u.a. römisches Imperiums, mittelalterl. Recht, etc.) abzugleichen:

    Ich zitiere daher aus seiner grandiosen Spielhilfe (gibt's im Scriptorium pay-what-you-want) - die Hervorhebung wurde durch mich getätigt.

    Und wieso zählt dann die Aussage des Händlers, der ja auch ein Fremder ist ?

    Wieso gibt es überhaupt eine Anklage in Rommilys, wenn der Händler dort gar nicht klageberechtigt ist ?

    Deine ganzen Zitate helfen genau gar nicht, deine Position zu untermauern. Mal ganz generell abgesehen von meiner Meinung zur Spielhilfe.


    Als in einem Prozess (zurecht) verurteilte Fremde stehen die Karten sehr schlecht, selbst eine Anklage vorbringen zu können.

    Und wieso das ?

    Was das Gericht in Rommilys entscheidet, ist doch außerhalb von Rommilys völlig bedeutungslos. Anklage würde man natürlich woanders erheben. Entweder dort wo die ganzen Familien der Entführten sitzen oder da, wo die SCs zu Hause sind und ihre Kontakte haben.

    4 Mal editiert, zuletzt von Satinavian (30. Dezember 2021 um 13:29)

  • Alexander Naumenko-Kühne hat sich die Mühe gemacht, alles zum Thema Gerichtsbarkeit in Aventurien zusammenzutragen und die Ansätze mit dem historischen Recht (u.a. römisches Imperiums, mittelalterl. Recht, etc.) abzugleichen:

    Ich zitiere daher aus seiner grandiosen Spielhilfe (gibt's im Scriptorium pay-what-you-want) - die Hervorhebung wurde durch mich getätigt.

    Und wieso zählt dann die Aussage des Händlers, der ja auch ein Fremder ist ?

    Wieso gibt es überhaupt eine Anklage in Rommilys, wenn der Händler dort gar nicht klageberechtigt ist ?

    Deine ganzen Zitate helfen genau gar nicht, deine Position zu untermauern. Mal ganz generell abgesehen von meiner Meinung zur Spielhilfe.

    Der Händler muss sich nur einen Fürsprecher besorgen oder den oben genannten Rechtsbeistand. Was für einen Händler, der regelmäßig zwischen Gareth und Rommilys verkehrt, kein Hinderungsgrund darstellen sollte. So wie ich den TE verstanden habe, wurde diese Anklage auch (zuerst) vorgebracht. Insofern stellt sich diese Frage gar nicht erst. Sie lenkt nur von den entscheidenden Punkten ab.

    Deine Meinung zur Spielhilfe ist (für mich) nicht entscheidend. Die Spielhilfe ist fundiert recherchiert. Eine bessere Quelle wirst du nicht finden. Natürlich kannst du das in Satinavianiturien gerne so handhaben, wie du es aus Hollywood-Gerichtsfilmen kennst, das steht dir frei.

    Zitat

    Was das Gericht in Rommilys entscheidet, ist doch außerhalb von Rommilys völlig bedeutungslos. Anklage würde man natürlich woanders erheben. Entweder dort wo die ganzen Familien der Entführten sitzen oder da, wo die SCs zu Hause sind und ihre Kontakte haben.

    Jaja, in Gareth stehen die Chancen weit besser, aber darum ging es in der Fragestellung doch gar nicht, oder?

  • Der Händler muss sich nur einen Fürsprecher besorgen oder den oben genannten Rechtsbeistand. Was für einen Händler, der regelmäßig zwischen Gareth und Rommilys verkehrt, kein Hinderungsgrund darstellen sollte. So wie ich den TE verstanden habe, wurde diese Anklage auch zuerst vorgebracht.

    Deine Meinung zur Spielhilfe ist (für mich) nicht entscheidend. Die Spielhilfe ist fundiert recherchiert. Eine bessere Quelle wirst du nicht finden. Natürlich kannst du das in Satinavianiturien gerne so handhaben, wie du es aus Hollywood-Gerichtsfilmen kennst, das steht dir frei.

    Pfff.

    Fürsprecher und Rechtsbeistände können sich alle anderen auch besorgen und eigentlich müssten als lauter Fremde eh beide Parteien haufenweise Leumundszeugen und andere Zeugen aus Gareth rankarren.


    Generell ist der ganze Prozess eine Farce. Da klagt ein Nichtbürger andere Nichtbürger für Dinge an, die außerhalb der Stadtgrenzen passiert sein sollen. Zu einer Verhandlung vor einem Rommilyser Stadtgericht hätte es niemals kommen dürfen. Ein gräfliches Gericht für Grafschaft Ochsenwasser hätte zwar angerufen werden können, aber da ist Bürgertum in Rommilys oder nicht auch zweitrangig.


    Die Spielhilfe ist nicht offiziell und während sie im Nurmjoturien so gelten mag, tut sie es in Aventurien erstmal nicht. Zugegeben sind die Überschneidungen extrem groß und ist keine leichte Sache, aus den offiziellen Publikationen ein kohärentes Bild zu bekommen. Die offiziellen Quellen sind generell oft vage, damit der SL machen kann, was er will und an vielen anderen Stellen widersprüchlich, weil Autoren nicht auf dem Schirm hatten, was woanders steht. Die Spielhilfe versucht (etwas), das aufzulösen. Das ist löblich und nützlich, wenn man sie benutzen will, aber ihre Interpretation ist nicht die zwingende oder einzig mögliche. Dazu sind die Vorlagen viel zu ungenau.

    Sie bleibt erstmal nur ein Fanprojekt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Satinavian (30. Dezember 2021 um 15:05)

  • Um es mal vorweg zu nehmen:

    Ich habe mich im Vorfeld NICHT darüber schlau gemacht, was wer wie wann warum anklagen darf etc.

    Das Ganze ist einfach spontan entstanden, weswegen ich auch mehr improvisieren musste, als mir lieb war (hatte vorher noch nie einen Prozess).

    Strafmaß:

    5 Dukaten Strafe, 1/2 Tag an den Pranger, da sie noch nie angeklagt/verurteilt wurden sah man von weiterem Strafmaß ab (hat ihnen dies aber durchaus gesagt, dass Brandmarkung etc. normalerweise üblich wäre...)

    Jetzt muss ich halt hinterher einiges logisch weiterspinnen, so dass es den Helden/Spielern noch Spaß macht, sie aber durchaus auch ihre Lektion lernen sollen ;) (Meine Spieler sind eher die "Guten", bewegen sich eigtl. immer in der "weißen" Zone, ab und zu mal in Richtung "grau", aber niemals in "schwarz")

    DANKE DANKE DANKE an ALLE!

    Auch wenn ich nicht alles verwenden kann (da euer Wissen teilweise meines um Längen übersteigt), so bringt es mich doch stets weiter, vom Wissen des Schwarms zu profitieren!!