Den Zwölfen zum Gruße,
im Folgenden möchte ich gerne mal vorstellen, was mein Bild von Geweihten im Allgemeinen ist, was Geweihte unabhängig von ihren Gottheiten und Arbeitsstellen sind. Gerne darf das diskutiert werden und sehr gerne dürfen auch alternative Bilder angeboten werden. Mein Ziel ist, dass dieser Thread eine kleine Geweihtenspielhilfe wird, die eine gewisse Lücke, die ich wahrnehme, füllt: Meist erhält man überwiegend Infos zu den Priester*innen einer gewissen Gottheit, aber nicht zu diesem Berufsstand im Allgemeinen, obwohl ich diese Perspektive für durchaus interessant halte. Ich stelle nun meine Meinung anhand ausgewählter Quellen vor.
Geweihte sind...
...in aller erster Linie immer Priester*innen
"Die Geweihten der Zwölfgötter sind (neben ihrer hauptsächlichen Funktion als persönlich von den Göttern auserwählte Verkünder und Mittler zwischen Sterblichen und Göttern) Religionslehrer, Seelsorger und Ratgeber. Gesellschaftlich werden sie als die direkten Stellvertreter der höchsten Mächte im ewigen Kampf gegen das Chaos, das Böse und das Unrecht angesehen. Ihr Handeln sollte davon bestimmt sein" (WdG 22)
"Alle Formen von Moralkodex beinhalten, wenn nicht ausdrücklich anders erwähnt, die Pflicht, den Glauben an die eigene Religion in der Bevölkerung zu festigen, das Lob der Gottheit zu predigen, Frevel gegen die Gottheit und ihre Prinzipien zu verhindern, Ratsuchende zu beraten, Frevler zur Umkehr zu bewegen und, wenn sie Reue zeigen, ihnen die Beichte abzunehmen. Weiterhin ist jedem Geweihten und jedem Akoluthen bewusst, dass er durch sein Verhalten das Ansehen seiner Kirche mehren und nicht mindern sollte. Auch die Bekämpfung von Wesenheiten, die die göttliche Ordnung massiv stören (vor allem Dämonen), gehört zu den Pflichten eines jeden Kirchenangehörigen (auch wenn als ‘Bekämpfung’ durchaus ausreicht, schnellstens den nächstgelegenen Exorzisten zu verständigen)." (WdH 266)
"Ein Phex-Geweihter ist jedoch immer in erster Linie Priester und erst in zweiter Linie Händler, Dieb, Betrüger oder ähnliches." (WdH 220)
"Geweihte sind nicht nur Diener ihrer Gottheit, sie sind in vielfältiger Weise in die Gemeinschaft ihrer Völker und Kulturen eingebunden. Oft ist es üblich, dass Priester ihre Gemeindemitglieder von der Wiege bis ins Grab mit Segnungen von Geburten, Ehebünden und Grabriten, Hilfestellungen und Seelsorge begleiten und den hohen und niederen Gläubigen den Willen der Gottheit interpretieren — denn Geweihte sind Mittler zwischen den Gefilden der Götter und Menschen." (WdG 15)
Ja, auch der Rondrianer ist in erster Linie Priester und dann erst Krieger und die Ingerimm-Geweihte in erster Linie Priesterin und dann erst Handwerkerin. Wer es anders herum haben will, der ist beim Akoluthen oder kompletten Laienprediger gut aufgehoben. Geweihte sind Priester*innen und haben in erster Linie priesterliche Aufgaben. Lehre, Seelsorge, Ratgeben, das Böse bekämpfen, Beichte abnehmen und sich repräsentativ benehmen. Das gilt sogar für den geheimen Phexi - was ihn vor die große Herausforderung stellt, diese Pflichten mit seiner Geheimhaltung zu verbinden. Und ja - auch ein Kor-Geweihter ist unter anderem Seelsorger. Alles andere kommt nach diesen priesterlichen Pflichten, auch wenn die kultisch wichtigen Talente (Rechtskunde für Praioten, Kampfkunst für Rondrianerinnen, Seefahrt für Efferd-Geweihte usw.) wirklich nur ganz knapp danach kommen mögen. So steht auch das Abenteurerleben für Spielergeweihte eigentlich an zweiter oder gar dritter Stelle.
...absolute Respektpersonen
"Ein Geweihter der Zwölfgötter ist in Mittelaventurien in jedem Fall eine Respektsperson. Man mag einem einzelnen Geweihten negativ gegenüberstehen oder sogar generell alle Angehörigen seiner Kirche für Ausbeuter, Betrüger oder Spielverderber halten, offen zeigen wird ihnen das nur der größte Rüpel der Stadt- meist mit entsprechenden Konsequenzen. Fast jeder Aventurier kann einen einfachen Geweihten an seinem Ornat einer Kirche zuordnen. Klopft ein Geweihter an eine fremde Tür, wird man ihn einlassen, ihm zuhören und (im Regelfall) glauben." (WdG 22)
"Schwerverbrechen: Dazu gehören traditionell [...] Verbrechen gegen die Weltordnung wie das Paktieren mit Dämonen, das Leugnen göttlicher Wahrheiten und das Beschimpfen oder Verächtlichmachen der Götter, ihrer Diener und Stellvertreter. Derlei Verbrechen werden oft als 'schädlich Hämmern an den grundfesten von Reich, Dere und Alveran' zusammengefasst." (GA 146)
"Novizen: Die noch nicht geweihten Priesterschüler einer Kirche genießen zwar Respekt, aber keine speziellen Titel.
Akoluthen: Die Inhaber der niederen Weihen eines Ordens oder einer Kirche (meist Klostergcschwister oder Laienprediger) werden vielfach mit dem Titel ‘Euer Ehren und natürlich mit dem höflichen ‘Ihr’ angesprochen.
Priester: Die einfach Geweihten der Kirche genießen neben ihrem kircheneigenen Titel die Anrede ‘Euer Gnaden’. Erzpriester: Unter diesem Sammelbegriff kennt man die älteren und verdienten zweifach Geweihten, die es nicht in jeder Kirche gibt. Ihre Anrede lautet ‘Ehrwürden’." (WdG 34)
"Ein Wort zum Gruß: Während die universelle Formel “Die Zwölfe zum Gruße” immer richtig ist, grüßen Geweihte normalerweise immer im Namen ihrer Gottheit- es sei denn, sie begrüßen einen anderen Geweihten, denn dann sollten sie, wie jedermann aus Höflichkeit, im Namen der Gottheit des Angesprochenen grüßen." (ebd.)
"Ein Wort zum Kniefall: Das Niederknien auf ein Knie während einer Audienz oder wenn die Ehrperson den Raum betritt, ist allgemein bei weltlichen und geistlichen Potentaten üblich. Den früher recht verbreiteten ‘tulamidischen’ Bauchfall verlangen nur noch einige südaventurische Würdenträger (es wird aber als besondere Demutsgeste bisweilen noch freiwillig verwendet), während das Beugen beider Knie üblicherweise der Verehrung der Gottheit selbst-also im Gebet -verwendet wird: “Nein, Majestät, beide Knie beuge ich nur vor dem Herre Praios!”" (ebd.)
"In Aventurien besitzen - anders als auf der Erde - die Geweihten wirkliche und von jedem wahrnehmbare Kräfte, hinter denen eine ebenso wirkliche Gottheit steht. Das ist den meisten Aventuriern (in ihrem jeweiligen Kulturkreis, und oft auch darüber hinaus) durchaus bewusst, und zusammen mit der teils beträchtlichen weltlichen Macht der Kirchen und Kulte wundert es daher nicht, dass den Geweihten Respekt und Ehrfurcht entgegengebracht wird auch dann, wenn man den entsprechenden Gott oder seinen Kult nicht besonders schätzt." (WdG 304)
Ein Punkt, der von Meister*innen wie Spieler*innen gegenüber SCs wie NSCs beachtet werden sollte. In den wirklich allermeisten Fällen wird man einer geweihten Person gegenüber Respekt, ja Ehrerbietung und oft sogar etwas Gehorsam zeigen. Das nicht zu tun ist nicht nur gesellschaftlich unmöglich, man könnte damit sogar ein Schwerverbrechen begehen, das neben Mord und Vergewaltigung geführt wird! Das will wohl kaum jemand. Zum Ausdruck bringen kann man das mit der korrekten Anrede, Gruß und Gesten.
...sakrosankt
"Gemäß der Zwölfgöttlichen Ordnung ist es ein Frevel, die Häuser und geweihten Diener der Zwölfgötter (und ihrer halbgöttlichen Kinder) anzugreifen. Im Kriegsfall mögen Geweihte der Rondra oder des Kor (oder ein Angriff auf offenem Feld) oder generell ein getarnter Tempel oder Priester des Phex hier eine Ausnahme bilden. Bei letzteren ist der Angriff natürlich gleichermaßen strafbar, es können aber mildernde Umstände geltend gemacht werden, wenn der Angeklagte glaubhaft versichern kann, dass er nicht wusste, was oder wen er angriff. Explizit nicht als frevlerischer Angriff gilt eine Verteidigung gegen den Angriff eines Geweihten (auch wenn hier die Praios-Kirche deutlich anderer Ansicht ist und eine solche Verteidigung üblicherweise weltlich genauso bestraft wird wie ein Angriff)." (WdG 24)
"Wer einen durch Priester geschlossenen Heiligen Eid (siehe die Liturgie GROSSER EIDSEGEN auf Seite 255) bricht oder gegen bestimmte andere, aktuell auf ihn wirkende Liturgien verstößt, wer einen geweihten Tempel oder einen Geweihten eines der Zwölfe mutwillig angreift, dessen Seele erhält ein ‘Mal des Frevlers’ "(ebd.)
"Dass in besonders zwölfgöttertreuen Ländern der von einem Geweihten proklamierte Frevler heftigen Anfeindungen ausgesetzt ist, ist ebenfalls unzweifelhaft, und zwar unabhängig von der juristischen Situation. [...] Ein Frevler gilt als Ausgestoßener, nicht aber automatisch als Verdammter, und kann weiterhin sämtliche Tempel besuchen. Die Geweihten werden ihm meist gerne helfen, zur Gnade der Zwölfe zurückzufinden: Vom Mal des Frevlers kann man sich durch eine Queste, eine Pilgerfahrt oder einen Büßgang reinigen. Genaueres hängt von der Schwere des Vergehens ab und bleibt dem Geweihten oder bei Schlimmerem gar den Göttern selbst (sprich: dem Spielleiter) überlassen." (ebd.)
Auch der gewöhnliche Bandit wird es sich dreimal überlegen, ob er ausgerechnet eine Gruppe überfällt, zu der offensichtlich eine geweihte Person gehört. Damit bringt man im Extremfall die Gottheiten selbst gegen sich auf und das ist noch einmal etwas anderes als "nur" die weltlichen Autoritäten. Aber auch Stadtgardisten werden in einem solchen Fall zurückhaltender und höflicher sein, wenn ein Verdacht gegen die Gruppe besteht - dürfen aber auch von der geweihten Person Kooperation und Höflichkeit erwarten. Sie hat ihren Ruf wiederherzustellen und den Ruf ihrer Kirche zu verbessern statt zu verschlechtern.
...juristisch privilegiert, aber auch verpflichtet
"Als Ankläger oder Zeuge kann ein Geweihter vor jedem Gericht fungieren; in der Regel wird man seine Worte besonders ernst nehmen und ihnen den Rang von Beweisen zugestehen. Verteidiger - gerade, wenn sie ebenfalls Geweihte sind - mögen jedoch verlangen, dass der Geweihte seine Aussagen (gerade wenn sie kaum zum Ruf des Beklagten passen) unter dem EIDSEGEN beschwört.
Als Richter kann ein Geweihter hauptsächlich in einem Tribunal seiner eigenen Kirche fungieren. Für den weltlichen Richter einspringen kann er nur, wenn kein anderer Richter zu erreichen ist (und außer in Kriegen ist eine Wartezeit von einigen Tagen - bei Fällen, für die das Hochgericht zuständig ist, auch Wochen- durchaus zumutbar). Besser ist es, wenn der Geweihte ein Notgericht aus unbescholtenen und angesehenen weltlichen Schöffen einberuft; die natürlich auch seine Begleiter sein können. Hier aber kann sich Korruption einschleichen, die von den Göttern nicht gerne gesehen wird.
Als Angeklagter hat der Geweihte das Recht auf einen Prozess vor einem kirchlichen Gericht (siehe aber unten),das ihn im Schuldfalle jedoch in der Regel mindestens so streng bestraft wie ein weltlicher Richter. Die Kirchen sind nicht glücklich über Priester, die ihren Ruf beflecken, selbst wenn es ‘nur’ um weltliche Vergehen und nicht um kirchliche Verfehlungen geht. Die Anwesenheit eines höherrangigen Geweihten bei einem weltlichen Prozess ist in weltlichen Angelegenheiten ausreichend, um das Urteil wirksam werden zu lassen. Ein Geweihter kann nicht in Abwesenheit (endgültig) verurteilt werden.
Kläger, Richter und Henker zugleich sind in Aventurien gelegentlich nur die Bannstrahler (siehe Seite 41) - und das wird ihnen mitunter als Anmaßung ausgelegt." (WdG 33)
...Mitglied einer komplizierten, großen Familie
"Als Kirchen eines Pantheons von zwölf Göttern stehen sich die einzelnen Kulte so nahe wie Brüder und Schwestern. Versuche zur intensiven Zusammenarbeit der Kirchen, gar der Zusammenlegung aller, hat es in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben. Eine Einigkeit der zwölf Kirchen jedoch ist tatsächlich nicht mehr als ein gerne verbreiteter Mythos. Bereits wenn es um die Eingrenzung von Zuständigkeiten geht, bestehen große Differenzen - ganz zu schweigen von den Methoden der Problembewältigung. Das Verhältnis zwischen den einzelnen Kirchen des Pantheons mag zwar manchmal sehr angespannt sein,äußeren Feinden und Gegnern des Pantheons (wie Kultisten des Namenlosen, Paktierern, aber auch Rastullah-Gläubigen) treten die Kirchen jedoch geschlossen entgegen." (WdG 32)
Nicht alles ist so rosig, wie es der Bund des wahren Glaubens gerne hätte. Wie in jeder Familie gibt es viel Streit. Aber wenn es nötig ist, stellt man die eigene Meinung zurück und hält zusammen.
...jemand mit einer besonderen Identität
"Generell steht es einem Geweihten offen, bei seiner Weihe einen neuen Namen anzunehmen. So kommt es, dass viele Diener einer Gottheit - von Rondrian über Praiodane bis hin zu Tsalieb und Travian - diese in ihrem Namen tragen." (WdG 34)
Einen neuen Namen anzunehmen ist mehr, als ein Wort zu ändern. Nicht umsonst wurde es irdisch bei einem Religionswechsel oft getan. Gerade auf Dere mit den wahren Namen ist so eine Handlung bedeutsam. Wer sich weihen lässt, ist nicht mehr, wer er zuvor war. Aber natürlich kann es Rückfälle geben.
... Be(voll)mächtigte, eigenverantwortliche und auserwählte Vertreter ihrer Gottheit
"Karmaenergie (KE, unterteilt in einzelne Karmapunkte, KaP) ist nicht, wie manchmal interpretiert, allein der Wille eines Gottes oder ein Maß für Frömmigkeit, sondern - für Spielzwecke und auch im Verständnis vieler Geweihter-eine götterverliehene Kraft, eine ‘Energieform’. [...] Für gewöhnliche Sterbliche ist Karmaenergie nicht fassbar, und es erfordert ein besonderes Ritual, bei der die Gottheit einen ausgewählten Sterblichen an Geist und Seele verändert, damit dieser Karmalkraft spüren und verwenden kann." (WdG 237)
"Das grundlegende Ritual einer jeden Kirche ist das der Priesterweihe. Im Rahmen dieser Zeremonie (siehe die Liturgie ORDINATION, Seite 257f.), die je nach Kirche ihre eigene Symbolik verwendet, wird der Novize in einen entrückten Zustand versetzt, in dem er die unmittelbare Gegenwart der Gottheit erlebt, von ihr geprüft und bei Wohlgefallen an Geist und Seele berührt und verwandelt wird. Künftig ist er in der Lage, einen kleinen Teil der göttlichen Karmaenergie in sich zu tragen und mit ihr die Welt im Sinne der Gottheit zu ordnen. Denn das ist der eigentliche Sinn der Geweihtenschaft: Natürlich ist sie auch daran interessiert, ein Leben gemäß den göttlichen Lehren zu führen und den Glauben an die Macht des Gottes und die Bedeutung seiner Prinzipien zu fordern. Doch das tun auch ungeweihte Klostergeschwister und Laienprediger. Die eigentliche Mission der Geweihten ist es, mit ihrer Karmaenergie die Interessen und Prinzipien des Gottes auf Dere zu wahren. Sei es, dass sie eines seiner Häuser mit Glanz erfüllen und gegen Anfeindungen verteidigen, sei es, dass sie ausziehen, um in der ungezähmten Welt für die göttliche Ordnung einzutreten: Zu diesen Zwecken hat der Gott sie akzeptiert und mit einem Teil seiner Kraft ausgestattet." (WdG 237)
"Zuletzt aber hängt es von der Einschätzung der Gottheit (und des Spielleiters als ihres Vertreters am Spieltisch) ab, ob der Anwärter geeignet ist: Während der Weihe-Zeremonie schaut die Gottheit selbst in die Seele des Bewerbers und urteilt, ob seine Motive lauter erscheinen." (WdG 238)
"Die Seele eines würdigen Novizen wird durch das Ritual in die Nähe der Göttlichkeit erhoben, um von der Gottheitgeprüft und (hoffendich) als Priester angenommen zu werden." (WdG 258)
"Karmaenergie ist eine Gabe der Gottheit an einen (hoffenlich) erfolgreichen sterblichen Agenten- keine Kraft, die er wie Astralenergie aus der Umgebung zieht. Daher kann nur die Gottheit selbst dem Priester die aufgewendete KE ersetzen, und daher muss ein Geweihter auch stets bestrebt sein, die göttliche Gabe in Harmonie mit den Prinzipien seiner Gottheit einzusetzen. Anders als beim Gebrauch der Karmaenergie, der gänzlich in den Händen des Geweihten liegt, hat jedoch bei der Rückerstattung die Gottheit erheblich mitzureden: Immerhin hat sie beim vorigen Mal dem Geweihten die KaP zur Verfügung gestellt, damit dieser sie im Sinne der göttlichen Prinzipien anwendet.Wenn der Geweihte hingegen den Anschein erweckt, dass er einen Teil seiner Kraft doch nicht zu schätzen wusste, weil er sie für Albernheiten oder gar gegen die Prinzipien der Gottheit verschwendet hat, so mag die Gottheit durchaus deren Erstattung verweigern, bis der Geweihte Buße getan hat. Denn letzten Endes vermittelt die Gottheit ihrem Geweihten nur dann neue Kraft, wenn sie (also Sie als Meister) den Eindruck hat, dass sich der Geweihte aus ganzem Herzen für die götdichen Interessen einsetzt, eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besitzt und die bisher verbrauchte Karmaenergie sinnvoll und konstruktiv eingesetzt und nicht etwa verschleudert hat. Eine Gottheit wird einen fähigen und eifrigen Diener nicht am Kraftmangel scheitern lassen, aber er wird keinen Funken seiner götdichen Energie einem zweifelhaften Burschen hinterher werfen." (WdG 241)
"Alle Liturgien (mit der entscheidenden Ausnahme der sogenannten ‘Primärliturgie’ der ORDINATION) sind Menschenwerk. Nicht die Gottheit hat sie die Sterblichen gelehrt (auch wenn viele Kirchen natürlich an die götdiche Inspiration glauben), sondern die Kirchen haben sie als Mittel geschaffen, um die Götterkraft in geordnete Bahnen zu lenken. Insofern stellen sie eher ein ‘Mantra’, eine Formel zur Konzentration des Geweihten auf sein Ziel dar als ein ‘Wort der Kraft’, das in sich bereits ‘karmal aufgeladen’ wäre. Der Wortlaut eines Ritual Gebetes kann (natürlich respektvoll) nach Belieben rezitiert werden, ohne dass die Wirkung eintritt, und tatsächlich sind etliche Gebete auch ohne Einsatz karmaler Kraft als herkömmliche Segenssprüche in der tagtäglichen kultischen Praxis gebräuchlich." (WdG 243)
"Ihnen als Meister obliegt es, dem Spieler klar zu machen, dass es auch bei den strengen Geboten der Götter eine gewisse Verhältnismäßigkeit gibt — und dass Dummheit und unüberlegtes Vorgehen den wenigsten Göttern gefällig ist. Vielleicht geben Sie dem Geweihten eine kleine Vision oder einen Traum mit auf dem Weg, die die Konsequenzen solchen Tuns zeigen, oder ein anderer Geweihter macht in Anwesenheit des Helden genau diese Problematik zum Thema. Gebote sind nicht immer so einfach zu befolgen, und die Götter wollen, dass ihre Diener sich Gedanken machen." (WdG 304)
"Die Götter haben — von direktem Eingreifen einmal abgesehen - kaum eine Möglichkeit, die Verwendung der von ihnen vergebenen Karmaenergie (egal, ob an Heroen oder geweihte) zu kontrollieren, außer wenn der Geweihte oder Heroe mit ihnen Kontakt aufnimmt, um weitere Kraft zu bitten. In diesen Momenten können sie ihm nicht nur weitere Karmaenergie verweigern, sondern ihn auch strafen." (WdG 14)
Die Gottheiten haben den Geweihten etwas von ihrer Kraft gegeben, damit diese sie vertreten können. Und das wissen die Geweihten auch in der Regel. Die Liturgien sind Menschwerk. Mit ihnen wird das Karma geformt - natürlich im Sinne der Gottheit. Geweihte gehen aber eigenverantwortlich und selbst mit dieser Kraft um. Theoretisch können sie sie sogar gegen den Willen der Gottheit einsetzen - darauf werden aber entsprechend Konsequenzen folgen. Darum sollten sie sich aber auch nicht darauf verlassen, dass ihnen von alveranischer Seite ständig das Händchen gehalten wird. Sie haben ihre Kräfte gerade, damit nicht die Gottheiten selbst eingreifen müssen. Geweihte können sich aber ihrer Eignung sicher sein und sich selbstbewusst der Verantwortung stellen: Jeder einzelne ist persönlich von seiner Herrin oder Herrn geprüft und auserwählt worden, nicht nur von der Kirche. Ungeeignet können sie eigentlich gar nicht sein.
...(unterer) Teil einer Hierarchie (altgr. "Heilige Herrschaft") und voll ihrer Kirche hingegeben
"[N]ach der Weihe [geht] natürlich das Kirchenrecht vor, und sämtliche Auflagen und Pflichten der Kirche müssen allzeit erfüllt werden, so dass etwa ein Söldner seinem bisherigen Leben vollständig abschwört, wenn er ein Geweihter der Travia oder der Tsa wird.Weniger einschneidend und daher in fast allen Fällen gewählt ist der Weg enes Akluthen, also eines nicht geweihten Priesters, Ordensmitglieds oder Ritualhelfers. Nur die allerwenigsten suchen eine so innige Bindung zur Gottheit, dass für sie nur die Weihe in Frage kommt." (WdG 237f)
"Allgemein erwarten alle Kirchen, dass sich Gildenmagier bereits vor der Zulassung zur Priesterweihe freiwillig der Expurgico (Streichung aus der Akademieliste und Entfernung des Gildensiegels) unterziehen, um ihr Gottvertrauen zu beweisen und zu zeigen, dass sie ihre Verpflichtungen gegenüber ihrer Gilde hinter sich gelassen haben. [...] Alle Zwölf- und Halbgötterkirchen ohne Ausnahme bestehen darauf, dass Hexen, Druiden, Geoden und Schmanen die Verehrung ihrer 'Götzen' aufgeben und sich von ihren Zirkeln und Schwesternschaften lossagen. Spätberufene aus diesen Kreisen, aber auch Gildenmagiermüssen sich somit von vielen wichtigen Aspekten ihres bisherigen Lebens trennen, so dass sie, vciglichen mit Nichtzauberern, mehr Zeit und Mühe aufzuwenden haben, um sich im Noviziat auf die Weihe vorzubereiten." (WdG 238)
"Oft wird vergessen, dass Geweihte Angehörige einer Glaubensgemeinschaft sind und dementsprechend auch eine Menge Verpflichtungen haben, aus denen sie sich nicht so leicht lösen können — und auch gar nicht wollen-, zumal die Spieler-Helden in der Hierarchie der Kirchen meistens im unteren Bereich zu finden und dementsprechend Befehlsempfänger sind." (WdG 304)
Warum ist der/die Geweihte Abenteurer*in? Und warum bleibt er/sie es? Das will durchaus überlegt sein. Teil einer anderen Organisation kann er/sie eigentlich nur in Ausnahmefällen (die es aber freilich sehr wohl gibt). Diener*in zweier Herrn ist eigentlich nicht drin. Geweihte sind freilich als SCs geeignet, aber sie erfodern besonders intensive Überlegungen, wie sie Held*innen sein können und dennoch Geweihte bleiben.
...auch nur Menschen
"Auch wenn Geweihte tiefere Einblicke in die Ordnung der Welt haben als der gewöhnliche Aventurier, sind sie nicht allwissend. Ebenso wenig, wie sich seine Kirche über den Willen seines Gottes sicher sein kann, weiß der Geweihte, was sein Gott eigentlich und letztendlich vorhat. Die meiste Zeit sind sein Glaube, sein Vertrauen und seine Überzeugung Grundlage seines Handelns und seiner Entscheidungen - wie bei jedem anderen Wesen auch. Trotz seiner besonderen Stellung ist er nur ein Mensch (Achaz, Zwerg...) und neigt dazu, Fehler zu machen und sich von seinen Schwächen leiten zu lassen. Das soll kein Aufruf dazu sein, die Geweihten allzu weltlich darzustellen -ganz im Gegenteil. Aber so mancher hat seine ganz eigenen Ansichten und Ziele und handelt darum nicht immer ‘richtig’- eventuell nicht mal nach der geläufigen Meinung seiner Kirche.Oder er ist autoritätsgläubig, schaltet den gesunden Menschenverstand aus und vertraut auf die Ratschläge aus verstaubten Büchern alter Kirchenlehrer. Das heißt übrigens ebenso, dass Geweihte nicht zwangsläufig die ‘Guten’ sein müssen. Auch ist die menschliche Moral nicht die der Götter. Es kann gut sein, dass etwa ein Phex-Priester nach den Maßstäben der Helden ein echter Schurke ist, dennoch aber die Gunst seines Gottes besitzt - oder sie zumindest nicht völlig verloren hat. Das gilt natürlich nur so lange, wie er nicht gegen die Gebote und Prinzipien des Gottes verstößt - eine interessante Herausforderung für die (hoffentlich gottesfürchtigen) Helden ist es aber allemal. Diener eines bestimmten Gottes zu sein heißt nicht, dafür seinen Charakter völlig aufzugeben." (WdG 305)
Das sollte vielleicht auch gesagt werden.
...lernfähig
"Selbstverständlich gibt es auch in Aventurien radikale Vertreter ihres Glaubens. Doch sitzen diese in den allermeisten Fällen ihr Leben lang im Tempel - oder sie leben nicht lange. Ein Geweihter, der über eine längere Zeit mit einer Heldengruppe durch Dere gewandert ist, hat gelernt, auch mit den schwierigsten Situationen zu leben. Denn er hat sich entschlossen, seinen Glauben in die Welt hinaus zu tragen und mit ihm in der rauen Praxis Dinge zu bewegen." (WdG 306)
Zu Spielbeginn mögen Geweihte oft idealistisch, voller Energie und Tatendrang sein. Mit der Erfahrung können aber auch sie etwas mehr "Realo" und pragmatischer werden. Gerade, wenn sie nicht ständig von ihrer Kirche kontrolliert und belehrt werden.
...eine besondere Herausforderung für die ganze Gruppe
"Einen Geweihten rollengerecht zu spielen, erfordert eine besondere Hingabe und Mühe (siehe oben), und weitaus mehr als bei anderen Heldentypen ist bei der Darstellung eines Geweihten die Zusammen arbeit von Meister und Spieler vonnöten: Der Spieler ist darauf angwiesen , dass dem besonderen Status seiner Figur der viel vom Reiz eines Geweihten ausmacht - entsprechende Resonanz widerfährt und dass der Meister seinen Gott ‘anständig’ vertritt." (WdG 303)
Im Grunde kann man diesen Punkt als Zusammenfassung aller anderer nehmen. Es kann sich aber auch für alle Beteiligten lohnen, wenn sich alle darauf einlassen. Geweihte gehören zweifellos zu den interessantesten Figuren Aventuriens und ich kann nur alle ermutigen, sie trotz oder gerade wegen dieser Herausforderungen einzubinden.
Und jetzt bin ich gespannt, was ihr zu ergänzen oder zu verbessern habt - oder was ihr vielleicht ganz anders seht.
...Priester*innen einer Gottheit im Besonderen, aber auch aller Zwölfer im Allgemeinen
"Oft begleiten bestimmte Geweihte mehrere Generationen einer Familie, ja ganzer Dörfer, von der Geburt und Namenswahl, der Initiation und Heirat über religiöse Feiertage bis hin zum Tod (wenn sie den Hinterbliebenen Trost spenden), so dass sie zum alltäglichen Leben dazugehören." (WdG 22)
Die zwölf kleinen Segnungen verweisen ja auch darauf - auch ein Boroni hat den Geburtssegen, auch eine Tsa-Geweihte den Grabsegen. In manchen Gegenden ist es sogar recht üblich, eine Ehe unter einem anderen Zeichen als dem Travias zu schließen. Klar - je größer die Stadt, desto spezialisierter werden die Geweihten sein und vielleicht in den Methropolen jeweils nur Aspekte ihres eigenen Kultes behandeln. Man nehme nur die drei Phex-Tempel in Gareth. Es ist nicht viel anders als bei Schmied*innen: Der Dorfschmied im letzten Kaff im Kosch kann vermutlich Pferde beschlagen (Hufschmied), Werkzeuge herstellen und reparieren (Grobschmied) und im Notfall zu Waffen modifizieren (Waffenschmied). Seine Kollegin in der Stadt wird sich auf eines der Felder spezialisiert haben und das dafür besonders gut beherrschen.
Viele Gegenden Aventuriens sind abgelegen. Viele Dörfer haben bestenfalls einen Schrein, der nächste Tempel ist eine regelrechte Wanderung entfernt. Hin und wieder wird eine Peraine- oder Travia-Geweihte nach dem Rechten sehen und sich um alle religiösen, seelsorgerlichen und pastoralen Bedürfnisse kümmern - besonders die Neugeborenen segnen, die Halbwüchsigen initiieren, die jungen Paare verheiraten, die Toten begraben. In der Stadt würden das wahrscheinlich verschiedene Epert*innen übernehmen.
Die Landgeweihte wird aber nicht selten alle Zwölfe predigen, verkündigen und ihr Lob mehren müssen. Auch und gerade Geweihte sind Gläubige und Verantwortliche aller Zwölfe und ihrer halbgöttlichen Kinder. Besonders Spielerheld*innen als Gruppenseelsorgende könnten das besonders bedenken. Immerhin sind sie oft abseits der Zentren des Glaubens unterwegs, um ruhmreiche Taten zu vollbringen.