Faqire und Fakire

  • Gibt es rahjagläubge Faqire/Fakire in Aventurien? Mir fällt spontan nur diese Stelle ein:

    "Wer um des Rausches willen raubt und mordet, wer im Rausch der Lust nicht des anderen Kräfte stärkt, sondern von ihnen zehrt wie ein Wiedergänger und den anderen ausgenutzt zurückläßt, wer lieber Angst und Qual verbreitet als Genuß und Freude (und meine Leser, denket daran, in welch vielfältiger Gestalt die Freude daherkommt), der ist der Erzdämonin nahe – sei es der brutale Vergewaltiger, sei es der dekadente Folterer, sei es die Lebenskraft aussaugende Lamijah oder der von Selbstfoltern entstellte Faqir, sie alle zählen zu den Gefolgsleuten der Feindin, wissend oder unwissend." (Blutrosen und Marasken S. 28)

    Und auch die Wiki-Aventurica ist der Meinung, es handle sich um eine Belkelel-Sekte. Ich meine, es hat mich immer irritiert, dass Selbstfolter ein Aspekt der Belkelel sein soll - geschieht ja auf freiwilliger Basis. Und auch andere Gruppen wie die Bannstrahler betreiben ähnliches (wie auch Trollzacker und Ferkina mit ihren eigentümlich-archaischen Rascha-Kulten). Gibt es dazu noch irgendwelche Quellen?

    Ich bezog mich auf diese Stelle im Wiki Aventurica, auf der Seite zu Rahja:

    Glaube allerdings nicht, dass die Belkelel zuzuordnen sind - sie tun ja nur sich selber weh. Das könnte man als Krankheit sehen (selbstverletzendes Verhalten), aber sie in die Nähe Belkelels zu stellen halte ich für arg überzogen. Unter anderem auch darum, weil's eben ne Krankheit ist.

    Klar, wenn sie anfangen anderen wehzutun ... aber davon ist in dem Zitat nicht die Rede.

    Spannend! Dann gibt es rahjagläubige Fakire und belekelelgläubige Faqire. Dankeschön!

    Kann mir jemand sagen, was im Aventurischen Boten Nr. 160 S. 20-21 über Fakire steht?

    Und kann mir jemand sagen, was im Aventurischen Almanach von 1999 S. 22 über Faqire steht?


    Ich habe die beiden leider nicht.

    Almanach geht schneller (zur Hand):

    Faqir; erstmals A. 29 Hal in Oron aufgetrenene Bewegung von unheiml. Mystikern der Belkele, die ihre "Gesundheit" durch Selbstverstümmelung und Kasteiungen verehren; es gibt F. beiderlei Geschlechts; treten meist als vernarbte, halbnackte Gaukler auf; Kult ist in Aranien und dne übrigen zwöflg. Tulamidnelande verboten.

    Hast eine PN

    Sehr spannend. Faqire sind tatsächlich als Belkelel- und Fakire als Radscha-Kult gesetzt. Wäre spannend, ob das so beabsichtigt war, oder ob beide Gruppen unabhängig voneinander von Autor*innen erfunden wurden. Vermutlich Letzteres, da bei der Beschreibung der einen nie auf die anderen eingegangen wird.

    Vielleicht haben sich die Faqire unter dem Einfluss Orons von den Fakiren abgespaltet, ähnlich wie die Mactaleänata von den Amazonen, die in der dämonischen Verzerrung ihrer Werte die wahre und ursprüngliche Lehre zu erkennen glaubten. :/ Vielleicht ist es aber auch einfach eine Kuriosität im lange gewachsenen DSA-Hintergrund, die nie beabsichtigt war.

    Fakire mit ihren Nadelbrettchen passen ja "gut" zu Oron; und die Grenze zwischen Rahja/Bekelchen ist ja so dünn wie ein Schleier. ;)

    Fakire mit K gehören gerade nicht nach Oron, auch wenn sie neben Rashdul und Fasar auch im heutigen Elburum zu finden sind. Es sind nicht die belkelelverehrenden Faqire mit Q, die außerhab der ehemaligen schwarzen Lande ja überall verboten sind, wie mir dank ElessarVomHinterhof nun bekannt ist.

    Die Grenze zwischen der tulamidischen Radscha Uschtammar und Belkelel mag mitunter dünn wie ein Schleier sein, aber er ist auch scharf wie ein Rasiermesser, klar wie ein Bergsee und hart wie ein Diamant.

    Aber gut, es gilt ja:

    "Doch auch die starke Übertreibung und maßlose Übersteigerung der göttlichen Prinzipien führt letztendlich in die Fänge der Dämonen. Und so konnte schon mancher fanatische Geweihte der dämonischen Versuchung nicht widerstehen – oder erkannte gar zu spät, dass er ihr bereits verfallen war." (WdZ 237)

    Die tulamidische Radscha steht ja eher für Ekstase als für Harmonie. Schaut man sich ein Ferkina-Fest zu ihren Ehren an, so scheint auch sexualisierte Gewalt gegen Gefangene dabei kein Tabu zu sein. :/ Allerdings mag dies auch verfehlt sein. Wie Radscha dazu tatsächlich steht, ist sehr fraglich. Schmerz aber kann durchaus ein Weg zu Ekstase sein und freiwillig sich selbst zugefügt nicht per se moralisch verwerflich. Nehmen wir scharfes Essen - die Schärfe ist bekanntermaßen ja ein Schmerzreiz und eigentlich kein Geschmack. Der Körper reagiert darauf mit Glückshormonen. Treibt man es dabei aber zu weit, kann es wie überall bei den Prinzipien der Gottheiten geschehen, dass man in die Fänge der Dämonen gerät. Aus dem Fakir würde dann ein Faqir werden. Er entstellt seinen schönen Leib und genießt keine Ekstase mehr. Es geht nur noch um die Ambtion, immer mehr Schmerz auszuhalten. Dies dient nur noch der eigenen Befriedigung und nicht mehr dazu, sich der Göttin anzuähern.

    Das wäre jetzt meine Spekulation.

  • Das "Wechselspiel" zwishen Rahja und Belkelel wurde schon passen in der Borbarad-Box, S.28f beschrieben - aber Fakire?

    Die erste Sichtung der Faqire in Oron war zum Jahresbeginn 1022 BF (Quelle: JB2021 BF, S.22).

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Auch in der Borbarad-Box S. 28 findet sich der Satz:

    "Wer um des Rausches willen raubt und mordet, wer im Rausch der Lust nicht des anderen Kräfte stärkt, sondern von ihnen zehrt wie ein Wiedergänger und den anderen ausgenutzt zurückläßt, wer lieber Angst und Qual verbreitet als Genuß und Freude (und meine Leser, denket daran, in welch vielfältiger Gestalt die Freude daherkommt), der ist der Erzdämonin nahe – sei es der brutale Vergewaltiger, sei es der dekadente Folterer, sei es die Lebenskraft aussaugende Lamijah oder der von Selbstfoltern entstellte Faqir, sie alle zählen zu den Gefolgsleuten der Feindin, wissend oder unwissend."

    Der "von Selbstfoltern entstellte Faqir" wird ausdrücklich erwähnt und Belkelel zugeordnet. Tractatus contra Daemones S. 108 wiederholt diese Stelle. Das würde auch auf 1022BF hindeuten. Fakire scheint es aber schon länger zu geben. So heißt es schon über die alttulamidische Radscha Uschtammar in Land der ersten Sonne S. 96 sie sei "die lachende Trinkerin des Blutes der Fakire, die durch ihre Schmerzen den Göttern nahe kommen."

    Aber auch der Aventurische Bote 160 S. 20f beschreibt ganz klar nicht die Faqire mit Q, sondern eine tulamidische, nicht belkelelverehrende Gruppe. Sie werden "rahjagefällige Asketen"(!) genannt, die nicht selten nach dieser Karriere Akoluthen oder sogar Geweihte der Göttin werden. Ein "echter Fakir" ist ein Anhänger der Radscha Uschtammar und steht in einer alttulamidischen Tradition. Es gibt nur wenige Frauen unter ihnen und sie prakitzieren auch dort, wo die Faqire mit Q laut des alten Almanachs verboten sind.

  • Das wollte ich noch mal herausfinden, wer war (irdisch) zuerst da - also doch, die Faqire.

    Wieso später dann die Fakire nachgezogen werden mußten - wie bei Amazonen / Schwarzamazone (nur hier war die Amazone zuerst da) ?

    Die FAQIRe im Borbarad-Box sind noch nicht mal herausgestellt, tauchen nur in diesem Zitat auf, weswegen ich es überlesen habe. Die Lamijah werden genauer beschrieben.

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Ich weiß nicht recht. So wirklich gefallen tut mir das nicht, mit den unwissend der Belkelel verfallenen Faquiren. :/

    Man kann Belkelel auch misstönende Musikinstrumente als Opfer darbringen. Ist jetzt jeder unbegabte Musiker der Erzdämonin verfallen? Na ja.

    Natürlich mag ein Rahjageweihter dem Faquir predigen, dass Schmerz und Entstellung nicht göttingefällig sind ... aber das jetzt gleich in die Nähe der Erzdämonin zu rücken ...

    Ich würde mir da eher den Tonfall vorstellen, den eine Praiosgeweihte gegenüber dem selbstgeißelnden Bannstrahler anschlagen mag. Nach dem Motto: "Wir wissen alle, dass du versuchst, besonders fromm zu sein, aber schalt mal nen Gang runter, was du da machst ist nicht mehr gesund."

    Vielleicht findet Belkelel selbstverletzendes Verhalten gut, weil sie gerne Leute leiden sieht, aber die Formulierung "Gefolgsleute der Feindin" ist doch arg extrem gewählt.

    Auch der Alkoholiker missbraucht Rahjas Gaben und schädigt sich selbst ... dass er dafür ein Mal des Frevlers kriegt, kann ich mir jedoch nicht vorstellen. Nichtmal, wenn er in betrunkenem Zustand auch noch schlecht singt. ;)

    Aber ich würde Leute die ausschließlich sich selbst schädigen eher als die Sorte Person sehen, die von Rahjageweihten als missionierungsbedürftig angesehen wird, nicht als die, wo man bei den Praioten anfragt wann denn mal der Scheiterhaufen frei wäre.

    Klar, wenn der Faquir sich selbst die Geschlechtsorgane abschneidet und dann rumläuft und anderen predigt, sie sollten es ihm nachtun um die größtmögliche Ekstase zu erreichen ... dann ...

    Aber nachdem sogar Kor, dessen Geweihte üblicherweise einen Finger opfern, noch ein Gott ist ... muss man es mit der Verstümmelung wohl recht weit treiben um Belkelel zu verfallen. :/

    (Ich finde Kor zwar schon ziemlich grenzwertig, aber es ist nunmal offizielle Setzung, dass er ein Gott ist und Karma vergibt.)

  • Ja, Rahja und Belkelel würde ich über den Freiheitsbegriff differenzieren. Rahja steht für Freiheit, die so weit reicht, dass sie die Freiheit anderer nicht einschränkt. Bei Belkelel kann (und soll) die Freiheit so weit gehen, dass sie zu Kosten der anderer geht. Mit dem eigenen Körper kann man damit erstmal anstellen, was man will. Solange andere dafür nicht die Konsequenzen tragen und einen durchfüttern müssen. :/

  • Die hauchdünne Trennung wird in der Box gut dargestellt. Ähnlich ist es bei Rondra-Kor- Bösewicht. Deswegen fallen ja so leicht Rahjageweihte in die Tiefe ...

    Auch bei Hesinde kann ich mir den Sturz leicht vorstellen ...

    Aber Rahja ...

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • "Viele Geweihte der Radscha Uschtammar (urtulam.: ‘Rote Schwester’) nähern sich der Göttin durch fortgeschrittene Ekstase-Techniken wie Trance-Tänze, Genuss von bewusstseinsverändernden Rauschmitteln und akrobatische Sexualpraktiken, manche sogar durch wochenlange Fastenriten mit Entzug der Sinneswahrnehmungen oder schmerzhafte Rituale. Ziel dieser sicherlich aus dem Ferkina-Kult der Rascha stammenden Praktiken ist nicht nur die Vereinigung der Seele der Geweihten mit der Göttin, sondern auch die Perfektion der Sinneswahrnehmungen, die Ausbildung einer übermenschlichen Körperwahrnehmung und -kontrolle. Für viele Harmonisten rücken die Ekstatiker dagegen gefährlich nahe an die dunkle Lust der Erzdämonin Belkelel heran." (WdG 139)

    Spannend... Damit sind Fakire der urtulamidischen Lehre eigentlich noch näher, als ich gedacht hatte. Und meine Verbindung mit den Ferkina ist ein Stück weit bestätigt. Aber auch, dass diese Form der Ekstase in gefährlicher Nähe zu Belkelel steht, wird hier noch einmal bestätigt. Ich dachte immer, Rahja steht in der Nähe zu Levthan und Levthan in der Nhe zu Belkelel und dass der gehörnte Gott dabei als klarer Trenner zwischen der Göttin und der Erzdämonin fungiert. Aber hier tut sich auch bei Rahja selbst etwas Düsteres auf. Mit der Harmonie zweier (oder mehr) Seelen hat dieser Kult eher nichts zu tun. Hier steht man allein und strebt nach mehr. Nach Übermenschlichem.

  • ja, und oben wurde der Begriff Fakir vermieden, falls dejenige beim Schreiben des Texten daran dachte.

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)