Manchen Leuten muss man nämlich alles erklären. Da war zum Beispiel mal der Spielleiter der fand, Liebestränke liefen ja nicht unter sexueller Gewalt, weil das Opfer das dann ja will.
Würde er einen Rahjageweihten spielen, der sich Leute mit Liebestränken gefügig macht? Es ist zumindest nicht auszuschließen.
Und dann fände er es sicher voll unfair, wenn man ihm dafür den Karmahahn abdreht. Oder auch nur verlangt, dass er seinen Verstoß gegen den Moralkodex als schlechtes Gewissen ausspielt.
Rahja hat ziemlich sicher kein Problem damit. Warum sollte sie auch? Hat sie uns nicht sogar die Leidenschaft und die Lust geschenkt? Fragt die Liebe ob du dich in jemanden verlieben willst? Fragt die Lust ob du von ihr überwältigt werden willst? Es würde mich schon sehr wundern wenn Rahja sich intensive Gedanken über ein so spezifisch menschliches Problem gemacht hätte. Anders sieht es natürlich mit der Kirche aus, die hätte da definitiv ein Problem, weil es gegen ihre Prinzipien verstößt.
Nun, das geht davon aus, dass man die Zuordnung der Erzdämonen zu Gottheiten für willkürlich und zufällig hält.
Wenn Belkelel, der Zwang und Vergewaltigung gefallen, das Gegenteil Rahjas ist, dann kann Rahja nicht dieselben Sachen gut finden.
Wenn man natürlich davon ausgeht, dass die Erzdämonen einfach nur so in den Niederhöllen rumlungern und nur die Menschen sie als Gegenteil der Götter ansehen ... sicher, dann kann Rahja Liebestränke so richtig toll finden. Klar. Dann kann Rahja sogar dieselbe Entität wie Levthan sein. Oder warum nicht gleich dieselbe Entität wie Belkelel?
Solcherlei Philosophie sind für das praktische Spiel aber ziemlich irrelevant, weil einen Geweihten zu spielen, der ständig gegen die Gebote seiner Kirche verstößt auch einfach schlechtes Rollenspiel ist. Egal, was die Gottheit davon hält.
Für Rahja ist ziemlich klar definiert, was ok ist (enthemmende Mittel) und was nicht (Sex ohne/gegen das Einverständnis).
Der Liebestrunk ist á priori also etwa so verfemt wie Fesselschnüre und Beherrschungszauber. Außer man fragt bei der Travia-Kirche.
Er wird auch seit 3 Editionen als ein "Ding" beschrieben und nicht als eine diabolische Tinktur.
Ich denke, man muss sich bei diesem Thema vor Augen halten, wofür Liebestränke in Aventurien normalerweise dienen. Dazu ein paar Worte zur Ehe:
"Vor dem Bund liegt vielerorts eine Verlobungszeit, die zwischen wenigen Wochen und manchmal sogar etlichen Jahren liegen kann - z.B. wenn Adelskinder einander bereits in der Wiege versprochen worden sind. [...] Braut und Bräutigam müssen den Eid freiwillig ablegen - was indes nicht heißt, dass nicht Familienräson oder die Angst vor Bestrafung Bräutigam oder Braut erst zum Jawort bewegen. Die Geweihten verwehren nur dann den Eid, wenn offenkundig Gewalt ausgeübt worden ist, um die Zustimmung zu erzwingen, oder aber einer der Brautleute das Ja verweigert. Arrangierte Ehen sind eher die Regel als die Ausnahme- die Ehe ist vor allem auch eine wichtige Versorgungsgemeinschaft und ein Mittel, um Macht und Einfluss zu wahren oder zu mehren, persönliche Gefühle müssen da meist zurückstehen. Nichtsdestotrotz verlaufen die meisten Vernunftehen auf ihre Weise zufriedenstellend - wenn man sich vor Augen fuhrt, dass das Ziel weniger das Liebesglück als persönliche Zufriedenheit und Sicherheit für das Paar und seine Kinder ist." (Wege der Götter S. 28)
Ich kann mich an eine Stelle aus Rashduls Atem oder Land der ersten Sonne erinnern, in der teure Liebestränke den frisch Vermählten in wohlhabenderen Kreisen geschenkt werden. Es gab dort aber auch in Ingame-Zitat, in dem ein Vater mit seiner Tochter schimpfte, weil sie diesen Trank nicht wollte, obwohl der doch so teuer war. Deutlich wird, wie nah hier Zwang und eine gewisse Freiwilligkeit liegen - ein Liebestrank kann die Sache bei einer arrangierten Zweckehe vermutlich tatsächlich etwas einfacher machen. Solange alle Beteiligten damit einverstanden sind, sehe ich in der Verwendung des Trankes kein ethisch-moralisches Problem. Das läge dann eher bei der Institution arrangierter und erzwungener Ehen.
"»Ein Trunck für Weibsbilder, die Burschen verführen wollen und vice versa, auch zur Steigerung der Mannskrafft geeignet; [...] Dies ist der Liebes-Trunck, von dem wohl zwanzig Tropfen ein wahres Wunder im Gemüt herbeirufen und von dem dreißig Tropfen die Mannskrafft bringen. Es helt sich wohl zwei Jahre lang, so du es dunckel aufbewahrst.«
Eine der bekannteren Rezepturen, Liebesgefühle zu wecken. Varianten verwenden unter anderem Geschlechtsteile oder den Samen von als wollüstig oder standhaft geltenden Tieren, rahjagefällige Ingredienzien oder berauschende Pflanzenteile." (Wege der Alchimie S. 61f)
"Neben Duftwässern, Liebeselixieren oder Heiltränken brauen Alchimisten trotzdem auch weiterhin fleißig Gifte, denn das ist oft das einträglichere Geschäft, solange man nicht erwischt wird."(Geographica Aventurica S. 211)
"Der Spezialist für Rahjaika und Liebestränke schlechthin ist der lebenslustige Carnon di Troca, der als fahrender Alchimist die Yaquirlanden bereist" (WdA 308)
Man beachte, wie selbstverständlich hier von der Verführung gesprochen wird. Der Liebestrunk steht erst einmal aber ganz klar auf der legalen Seite der Alchimika. wie Duftwässer oder Heiltränke. Aber halt gerade, weil er schlicht als Rahjaikum gilt. So kann er mit "rahjagefälligen Ingredienzien" gemischt werden.
Das Beispiel des Bannbalöl zeigt, dass man sich der möglichen ethischen Probleme solcher Sunstanzen durchaus bewusst sein könnte:
"Bannbalöl ist eine recht neue Entwicklung, die fast ausschließlich in Mengbilla hergestellt wird, dort aber in recht großen Mengen. Da die Rezeptur streng geheimgehalten wird, werden horrende Preise verlangt. Herstellung, Besitz und insbesondere Anwendung sind im Alten und Neuen Reich unter schwerste Kerkerstrafen gestellt, dennoch wird es von finanzkräftigen Schurken gern für geschäftliche, politische und amouröse Ziele eingesetzt" (Wege der Alchimie S. 62)
Der Missbrauch durch Zwangseinflösung oder als "Vergewaltigungsdroge" untergemischt, ist das freilich eine völlig andere Baustelle. Bei den Wirkungsstärken in WdA 61 wird der oder die Einnehmende*r konsequent sieben mal als "Opfer" bezeichnet. Und da bewegen wir uns in eine meiner Meinung nach völlig verwerflichen Gebiet ähnlich den Techniken der irdischen Pick-Up-Artists.
Durch Techniken wie Push and Pull, also die „Überhäufung der Frauen mit Komplimenten und anschließender Erniedrigung“ sollen Frauen verunsichert werden. Pick-Up Artists wollen auch durch Techniken wie Neurolinguistische Programmierung Frauen manipulieren und kontrollieren. In der Szene gibt es außerdem sogenannte Last-Minute-Resistance-Techniken, durch die der Widerstand von Frauen, die Geschlechtsverkehr abgelehnt haben, gebrochen werden soll.[17]
Illegal? Leider sehr schwer umzusetzen. Aber dennoch moarlisch-ethisch zu verurteilen. Ganz klar ist auch festzuhalten:
"Wahre Liebe kann dieser Trunk übrigens nicht bewirken" (WdA 62)
Als Rahjaikum ist es ein legitimes Mittel und trägt zu Recht den Namen Rahjas und der Liebe. Aber wie das Levthansband kann es auch missbraucht werden. Und das fällt für mich dann in den Bereich Belkelels. Die Wahrheit ist zweifach.