A - Travia 1042
Der Zug der Wildgänse
In den Hafenstädten des Horasreiches machen seit kurzem immer wieder Berichte über Jugendliche in schlichten orangenen Kitteln die Runde, die sich selbst "Wildgänse" nennen und von Geweihten der Herrin TRAvia begleitet werden.
Um zu verstehen, was hinter diesem Geschehen steht, baten wir die frisch aus den Kolonien in unserer Stadt eingetroffene junge Geweihte der Gütigen Mutter, Schwester Travianna von Marktfelden, um eine Erklärung und drucken sie hier ab.
"Die Jugendlichen, die Wildgänse genannt werden, sind unter dem Schutz Travias auf dem Weg nach Süden, in die Kolonien dieses Landes. Aber vielleicht sollte ich etwas weiter ausholen, wie das sein kann, predigt meine Kirche doch die Liebe zur Heimat...
Als ich noch eine einfache Novizin war sah ich im Traum eine Vision, ein goldener Adler stieß auf eine Schar Gänseküken herab und zerriss sie mit seinen Krallen.
Daraufhin beschloss ich meine tobrische Heimat zu verlassen und ins Reich des Horas zu gehen, sagte die Vision doch Gefahr für die Kirche der Gütigen Mutter in diesem Land voraus. Und sie täuschte nicht. Selbst in Tobrien, wo der Krieg gegen die Diener der Niederhöllen noch immer wütet, wird traviagefälliges Handeln höher gehalten als hier. Ein Kind, das seine Eltern verlor oder mit seiner Familie vertrieben wurde, kann unter Führung und Hilfe durch Geweihte oder fromme Menschen sich aus eigener Hände Kraft eine Heimstadt schaffen.
Doch schaut euch mal auf den Straßen eurer Stadt um!
Hier wachsen Kinder in Armut auf, sie leben als Waisen auf der Straße und betteln, sie leben in viel zu großen Familien in viel zu kleinen baufälligen Mietskasernen oder sie irren allein durch das Land. So schlimm das schon ist, es kommt noch schlimmer: egal wie hart sie arbeiten, werden sie doch nie in den Genuss eines traviagefälligen Heims kommen.
Die, die Glück haben, ergattern einen Platz in den Manufakturen oder auf einem Schiff, wo sie so übel geschunden werden um des Geldes willen, dass die Götter selbst mit ihnen Mitleid haben! Und wer dies nicht hat, dem bleibt nur, sich sein Leben durch Bettelei, da traviafrevelnde Verkaufen des eigenen Körpers oder gar Verbrechen zu sichern.
Den Traviabund werden sie nie schließen können, da ihnen das Geld fehlt und wenn sie trotzdem Kinder zeugen, ergeht es denen wie ihren Eltern.
Dieses Land hat für Waisen und Kinder armer Leute, die aus eigener Kraft ihr schlimmes Los ändern wollen, keinen Platz.
Doch dieses Land hat Kolonien.
Aber wie behandelt es diese? Ihr kennt sicher das Sprichwort "Aus fauligem Gemüse kann kein guter Eintopf entstehen" und so ist dies mit diesem Land und seinen Kolonien. Wen schickt es denn dorthin? Glücksritterinnen, Abenteuer, windige Naturen zum Einen. Und zum Anderen Kriminelle, viele darunter, deren einziges Verbrechen es war, arm zu sein.
Und wie soll aus einem vierzehnjährigen Mädchen, die in Ketten mit dem Schwarzen Schiff in die Kolonien verbracht wird, weil sie Brot gestohlen hat, dort jemals eine anständige Bürgerin werden? Auch wenn sie ihre Strafe verbüßte, hat sie doch nie etwas Rechtes gelernt und wer schließt schon mit einer Sträflingsfrau den Traviabund? Ich war dort und die Rohheit, Gier und Frevelei wider Travia der Menschen dort ist eine Schande für jedes zwölfgöttlich denkende Herz!
Wenn die Kolonien jemals ein Ort für aufrechte, fromme und ehrliche Bürger werden soll, so müssen wir Travias Werk auch dorthin tragen. Dies sollen die Wildgänse tun.
Ich und einige fromme Geschwister suchen sie aus den Waisenhäusern, den Manufakturen, von der Straße und aus den Arbeitshäusern zusammen. Jugendliche, denen dieses Land keinen Platz bietet und die doch an die Herrin Travia glaubend ihr eigenes Schicksal ändern wollen.
Wir geben ihnen zu essen, untersuchen sie, ob sie die Schiffspassage in die Kolonien überstehen, unterweisen sie in vielerlei Handwerken und sorgen für Schiffe, die sie in ein neues, traviagefälliges Leben in den Kolonien bringen.
Keiner von ihnen geht unter Zwang, wie es die Sträflinge tun, sondern sie versuchen im Gegenteil alles, um die Erlaubnis zur Fahrt zu bekommen. Viele müssen wir abweisen, weil sie nicht den ehrlichen Willen haben, aber aus den Augen derer, die fahren werden, leuchtet das Glück der Gütigen Mutter."
Gespräche mit einigen der Jugendlichen bestätigen Traviannas Worte, viele von ihnen sind Waisen, manche aus den Hafenstädten, viele aber auch aus dem zerstörten Arivor. Mehr Mädchen als Jungen sind es, doch sie eint die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Nicht verhehlen wollen wir aber , dass es auch kritische Stimmen gibt. Gerüchteweise hätten städtische Behörden begonnen, Straßenkinder und junge Sträflinge unter dem Deckmantel der Traviagefälligkeit in die Kolonien zu verschiffen.
Von den Gefahren der See und der Kolonien, von Piraten, Seuchen und Menschenfressern wird gesprochen, erst recht jetzt, wo Krieg im Süden droht und in den Häfen macht wieder das alten Sprichwort die Runde: "Von Benbukkula ist noch keiner zurückgekommen."
Meisterinformationen
Der Zug der Wildgänse - Meisterinformationen
Eine Massenbewegung werden die Wildgänse nie werden, aber Travianna von Marktfelden (die wirklich aus Tobrien kommt, eine Vision hatte und die horasischen Kolonien besuchte) wird manchen Nachahmer unter den Geweihten der Travia finden.
In den nächsten zwei, drei Jahren werden sicher fast ein Dutzend Schiffe mit einigen hundert Jugendlichen (weiterhin vermehrt Mädchen) in den orangenen Kitteln der Wildgänse Kurs südwärts setzen.
Vereinzelt kommen sie aus dem Windhag, von den Zyklopeninseln oder aus Neetha und Drol, doch Hauptrekrutierungsfeld werden die Städte des nördlichen und mittleren Horasreiches (besonders Vinsalt, Grangor, Belhanka, Methumis und das zerstörte Arivor) bleiben.
Die, die vor den Gefahren eines solchen Unternehmens warnen, werden (wie so oft) leider Recht behalten und ohne die Hilfe tapferer Helden werden nur die wenigsten Wildgänse ihren Traum vom neuen Leben erfüllen können.
Manches Schiff wird auf hoher See so spurlos verschwinden, dass niemand jemals wissen wird, was mit ihm geschah, ob es im Sturm sank oder einfach nur vom Kurs abkam, andere Schiffe werden Piraten zum Opfer fallen (in den nächsten Jahren werden immer wieder Jugendliche in zerfetzen orangenen Kitteln auf den Sklavenmärkten von Al'Anfa, Port Corrad, Sylla und Charypso auftauchen) oder Schiffbruch an den Inseln der Charyptik erleiden.
Mancher, der Wildgänse anwirbt, ist nicht das, was er zu sein vorgibt (meist ein Traviageweihter), al'anfanische und mengbillische Sklavenhändler wittern leichte Beute, skrupellose Kapitäne kostenlose Matrosen, Bergwerks- und Manufakturbesitzer billige Arbeitskräfte, Agenten konkurrierender Kolonialmächte ein Sabotageziel und Lolgramothpaktierer eine gute Gelegenheit, junge Seelen zu verführen.
Und selbst die Wildgänse, die ihre Zielhäfen in den horasischen Kolonien (vor allem Sant Ascanio aof Token, Villa Elissa auf Benbukkula und Neu-Bosparan auf Bilku) erreichen, haben ihr Ziel noch nicht erreicht.
Unbekannte Krankheiten, wilde Tiere, Auseinandersetzungen mit Einheimischen und bereits dort lebenden, oft rohen und wenig traviafrommen Siedlern (die sich über die Neuankömmlinge nicht immer freuen) werden ihre Zahl wohl weiter schrumpfen lassen.
In all diesen Feldern bietet sich viel Potential für Abenteuer, von der Suche nach passenden Jugendlichen, Begleitung der Schifffahrt, der Abwehr von Piraten und der Verhinderung der Pervertierung de s traviagefälligen Plans durch vielerlei Gegner bis zum Versuch, sie bei der Ansiedlung zu unterstützen.
Eine Reise Wildgans kann auch Start ins Heldenleben sein... Mit allem, was an Herausforderungen dazugehört.
1044 BF wird in Kuslik ein Buch mit dem Titel "Der Wildgänse Not" gedruckt werden, dessen ungenannt bleibende Autorin überlebende Wildgänse über die Schrecken dieser Fahrt und der Ansiedlung zu Wort kommen lässt, das Buch wird ob seiner drastischen Schilderungen sogar im Kronkonvent Thema werden, der darauf die Städte anweisen wird, solcherlei Predigten und die Abfahrt von Wildgänsen zu unterbinden. Die Bewegung verläuft sich daraufhin, Traviannas Schicksal bleibt dem Spielleiter überlassen.