A-1040 Die Rochade von Torrias 🐇📘

  • Kusliker Kurier, Phex 1040 BF

    Die Rochade von Torrias

    TORRIAS - Manch Yaquirfischer erlebte jüngst den Schrecken seines Lebens, als er mitten auf dem Fluss einer Bireme ausweichen musste: Der Mythrael, der ehemaligen Galeere der Erzherrschaft Arivor. Unser Korrespondent Noris Weyringer schwang sich Sensationen witternd ins Kielwasser des Kolosses.

    Mysteriös war bereits der Vorlauf dieser Ereignisse: Im Hesinde 1040BF war das wegen Seeuntauglichkeit ausgemusterte Gefängnisschiff von Aurorius ya Petrea, einem ehedem in Arivor ansässigen Stahlbaron erworben und dann in einer Kusliker Werft umfangreich umgebaut worden. Als die Mythrael dann am 11. Tsa auslief, wurde sie nicht mehr gerudert, sondern wie ein Windenfrachter gewarpt: Auf einer runden, den Rumpf weit überlappenden Plattform am Vorderschiff wickelten etwa zwei Dutzend Arbeiter an einer großen Gangspill die Taue auf, die zwei Ankerboote ausbrachten. Waren bereits ab Kuslik mit dem greisen Grangorer Hochgeweihten Garowin Meolano hochrangige Rondrianer an Bord, so stieg in Vinsalt der Silaser Tempelvorsteher Tasso Pontremoli mit Begleitern zu.

    So bewegte sich die Mythrael langsam, aber stetig den Yaquir hinauf, bis der bunte Haufen im Morgengrauen des 30. Tsa am Dreiländereck bei Torrias gegenüber Dál anlandete, wo bereits ein Flusssegler aus Punin vor Anker lag. Während die Bireme in die Mündung des Grenzflusses Oradella hineinmanövriert und fest vertaut wurde, eskortierte Mondino von Calven, der Miles Horanthis und seine Einheit „Bestia Negra“ höchstselbst, die Geweihten und Akoluthen der beiden Göttinnen gen Torrias, dem östlichsten Städtchen des Horasreiches. Dort wurden die Liebfelder von einer Delegationen aus Almada unter Pasqua Sfalia und Schwertschwester Eslamida von Punin begrüßt und auf den Marktplatz von Torrias geleitet. Vor dem Tor des Rondratempels wurde sodann im Licht der aufgehenden Sonne mit der versammelten Bürgerschaft ein Götterdienst zu Ehren Tsas und Rondras abgehalten, wobei die gnadenreiche Seite der beiden Göttinnen und ihr gemeinsamer Kampf zum Schutz des Lebens hervorgehoben wurde.

    Dies war an sich schon etwas Außergewöhnliches, da Torrias einst Schauplatz einer der Wächterin der Zwölfgöttergläubigen unwürdigen Schandtat war. Denn der Tsatempel von Torrias war eines der beiden Göttinnenhäuser im Yaquirtal, die um 760 BF von Rondrianern gewaltsam annektiert wurden. Das wussten die Bewohner des Örtchens noch zu gut und staunten deshalb nicht schlecht über diese seltene Eintracht der Leuin- und Eidechsendiener. Doch dann geschah noch Unglaublicheres: Die Zeremonie gipfelte in einer öffentlichen Entschuldigung der Rondrianer für das Unrecht, woraufhin die Statue der Rondra aus der Halle auf den Marktplatz getragen und an ihrer Statt ein riesiger Tontopf mit einem mannsgroßen, rot und weiß blühenden Kaktus aus dem Tal der Dornen aufgestellt wurde. Es erfolgte nichts Geringeres als eine öffentliche Umweihung, die Rückgabe des Tempels von Torrias an die Tsakirche!

    Es wurde ein fröhliches, ungezwungenes Fest mit viel lustigem Gaukelspiel, Tanz und Musik bis zum Sonnenuntergang, der schließlich den feierlichen Auszug der Rondrastatue aus Torrias einleitete. Das Standbild der Donnernden wurde auf einem Podest von den bereits erwähnten Geweihten aus beiden Reichen getragen. Allen voran schritten die bisherige Torriaser Tempelvorsteherin Belenike Aorpsyches von Arivor und der Stifter des neuen Rondraheiligtums, der erst seit einigen Monaten in Torrias ansässige Stahlbaron Aurorius ya Petrea. Die von Fanfarenschall, Fackelschein und vielen Bürgern begleitete Prozession führte hinab an die Mündung der Oradella, wo die Statue mit einem ehrwürdigen Festakt am Steuer der Mythrael ihren neuen Platz fand. Inbrünstig geschmetterte Choräle, Schwerttänze zu Ehren der Leuin vor lodernden Feuern wechselten mit kämpferischen Predigten der Rondra- und, ja, auch der Tsageweihten ab.

    Angelockt von diesem Spektakel strömten bald mit Booten vom gegenüberliegenden Yaquirufer auch neugierige Gäste aus Dal herbei, das einst Feindesland war. Sie wurden von Schwertschwester Belenike freudig willkommen gehießen und gebeten, daheim zu verkünden, dass dieses neue Heiligtum für die Almadaner errichtet worden sei. Denn Rondra sei nicht die Göttin des Krieges, schon gar nicht irgendwelcher Regenten, die für Macht morden, sondern throne erhaben über diesen derischen Dingen in Alveran. So dürfe ein jeder, der mit seinem Nachbarn dies- oder jenseits des Yaquirs etwas ehrenhaft unter Zeugen und ohne unnötiges Blutvergießen klären wolle, dies auf den Planken der Mythrael mit ihrem Segen tun. Denn aus dem einstigen Galeerenstrafschiff der Erzherrschaft Arivor sei heute Nacht ein frei zwischen Reichen und Sennen verankerter Tempel der Leuin geworden, ein auch von Tsa gesegneter Ort für Duelle und Dispute, an dem Streit ausgefochten und beigelegt werden kann!

    Noris Weyringer

    (Christian Gross mit Dank an Christoph Wohlstein und Torben Stretz)


    Meisterinfos zur Rochade von Torrias:

    Nach dem Untergang Arivors haben einige, zum Teil hochrangige horasische Geweihte der Tsa- und Rondrakirche die Loge des „Stählernen Schmetterlings“ gegründet, um unter anderem die überstaatliche Neutralität ihrer Glaubensgemeinschaften zu wahren, für Frieden in der Gerondrata zu sorgen und um einen gemeinsamen, wieder erstarkenden Feind zurückzudrängen: Den Korkult. Einer ihrer Schachzüge sind die beiden Tempelweihen von Torrias, mittels derer einerseits Einfluss auf den Miles Horanthis und dessen bislang Kor huldigende Söldnereinheit „Bestia Negra“ genommen werden soll. So wurde Mondino von Calven, der seit geraumer Zeit heimlich auch bei Belenike Fechtstunden mit dem Anderthalbhänder nimmt, in die Festlichkeiten eingebunden und zum Patron des neuen, auf Duelle und Stellvertreterkämpfe spezialisierten Rondratempels ernannt. Andererseits wollen die beiden Geweihten Belenike und Aurorius – der einst Freiheitskämpfer war, bevor er 1030 BF eine Arivorer Waffenschmiede übernahm und in ihr fortan hauptsächlich Werkzeuge herstellen ließ - die fried- und freiheitsliebende Taifaskultur mit ihrem ausgeprägten Ehrbegriff fördern und neuen Krieg zwischen den drei Reichen im Yaquirbruch verhindern.

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  • Ridetianer December 18, 2020 at 12:04 AM

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  • Gefällt mir generell sehr gut. Anmerken möchte ich, dass der Artikel recht lang für eine Zeitung ist (oder mir auf dem kleinen Handybildschirm so erscheint).

    Man sollte vielleicht im Hauptthread ein weiches Zeichen-/Wörterlimit einführen, damit nicht ein Zeitungsartikel über mehrere Seiten entkommt und zur Kurzgeschichte wird :)

    Jeder Mensch ein Magier, jedes Wort ein Vorurteil

  • Japp, ein Zeichenlimit, bzw. eine Empfehlung macht da schon Sinn. Dieser Testballon war wahrlich voluminös 😅 Eröffne dann mal gleich einen Thread zu Formalia. Und suche mal nach der Kurzfassung dieses Artikels, die flackt auch irgendwo auf meinem Rechner rum.

  • M. E. nicht zu lange, passt so.

    Nietzsche und Amazeroth - Also sprach Zarathustra (zweiter Teil):

    Was erschrak ich doch so in meinem Traume, dass ich aufwachte? Trat nicht ein Kind zu mir, das einen Spiegel trug?

    "Oh Zarathustra - sprach das Kind zu mir - schaue Dich an im Spiegel!"

    Aber als ich in den Spiegel schaute, da schrie ich auf, und mein Herz war erschüttert: denn nicht mich sah ich darin, sondern eines Teufels Fratze und Hohnlachen.