Sanyasala,
"Ein Novadi ist ein radikaler Kasimit. Eigentlich würde er sich nie unter Ungläubige oder gemäßigte Rastullahgläubige begeben. Er bleibt in der Khom und siniert über die 99 Gesetze. Er ist eigentlich unspielbar und wenn er gespielt wird, wird er nicht richtig gespielt."
"Ein Greifenfurter ist ein begeisterter Sympathisant der Bannstrahler. Alle Andergläubigen und Magieanwender will er am liebsten auf dem Scheiterhaufen sehen, zumindest wird er jede Zusammenarbeit mit ihnen verweigern. Er ist eigentlich unspielbar und wenn er gespielt wird, wird er nicht richtig gespielt."
"Eine Amazone ist eine absolute Männerhasserin und verlässt nur in seltenen Spezialaufträgen ihre Burg, um nicht mit schwachen Frauen, Männern, Magiebegabten und Praiosgläubigen in Berührung zu kommen. Wenn sie solchen doch begegnen würde, würde sie sie absolut verachten. Sie ist eigentlich unspielbar und wenn sie gespielt wird, wird sie nicht richtig gespielt."
"Eine Elfe ist und bleibt ein weltfremder Hippie oder ein wildes Raubtier ohne Zugang zur Zivilisation. Sie fürchtet das badoc (das immer höchst radikal und nervig ist) wie die Maus die Schlange und schaut überheblich auf alle anderen herab. Darum wird sie eigentlich niemals die Sippe verlassen und niemals mit anderen Spezies unterwegs sein. Sie ist eigentlich unspielbar und wenn sie gespielt wird, wird sie nicht richtig gespielt."
Alle vier Aussagen oben sind für mich gleichermaßen verfehlt. Und bei den ersten dreien würde mir vermutlich jeder sofort zustimmen. Die letzte liest man sinngemäß erstaunlicherweise hin und wieder in Foren. Eine verwandte Behauptung ist, dass niemand sich wirklich auf das Elfenspiel einlasse will und darum nur Powergamer wegen ihrer Magiebegabung und Boni an ihnen interessiert sind (Diskussionen dazu am besten hier: Elfen... Powergamer oder nicht? ). Ich muss sagen, so ganz verstehe ich das nicht. Ja, Elfen sind keine Menschen mit spitzen Ohren und das sollte man merken. Aber Zwerge sind auch keine kleinen bärtigen Menschen und über die kann ich mich nicht erinnern, so etwas schon gelesen zu haben. Solange er Bier liebt und Drachen hasst, scheint man zufrieden zu sein, von Elfenspielern fordert man aber teilweise, unmögliches zu leisten und straft sie als "Powergamer" (übrigens ein legitimer Spielstil unter vielen und nicht besser oder schlechter als jeder andere, ihn als etwas Verwerfliches zu betrachten halte ich auch für verfehlt) oder "schlechte Rollenspieler.
Ich glaube nicht daran, dass es Spezies, Kulturen oder Professionen gibt, die per se schwerer zu spielen sind als andere. Die Schwierigkeit kann man immer selbst wählen. Sie hängt davon ab, wie viel Recherchearbeit, eigene Kreativität und vielleicht sogar Mühe in der Einübung von Dialekten, Stimmverstellung und Mimik man investieren will. Und da kann der Angbarer Zuckerbäcker oder Weidener Bauer mit regionalspezifischem Aberglauben, Frömmigkeit etc. ebenso herausfordernd sein wie ein Waldelf aus den tiefsten Salamandersteinen. Denn mal ehrlich: Die mittelreichische Kultur mit ihrer Bildungsferne, tiefen Religiösität und Feudalherrschaft ist von unserer Lebensrealität ebenso weit entfernt wie die Elfen. Vielleicht können einige zu der agnostischen Philosophie der Elfen sogar besser eine Verbindung aufbauen.
Warum, frage ich mich, wurde gerade um die Elfen so ein Mythos aufgebaut? Will da ein Kreis von Eingeweihten Anfänger*innen abschrecken, um exklusiv die "Königsdiesziplin" spielen zu können? Kommt der Mythos von den stimmungsvollen Texten der alten Elfen-Spielhilfe, über die man sagen kann:
Das Heft Geheimnisse der Elfen ist eine wunderbare Spielhilfe, wenn es darum geht, einen generellen Eindruck von der Fremdartigkeit und Besonderheit der Elfen im Gegensatz zu den Menschen zu bekommen. Allerdings bezieht es sich dabei vor allem auf jene Elfen, die noch möglichst ursprünglich in den wilden Auen, den unzugänglichen Salamandersteinen oder der lebensfeindlichen Grimmfrostöde friedlich im Kreise ihrer Sippe leben. Für das Rollenspiel bietet dies zwar einen wichtigen und notwendigen Hintergrund, aber eine echte Hilfestellung für typische Abenteuer-Situationen und -Konflikte lassen sich daraus nur bedingt entnehmen.
Oder wird Aus Licht und Traum nur in den radikalsten Beschreibungen gelesen? Dieses Buch jedenfalls enthält Beschreibungen von durch und durch vernünftig spielbaren Elfen, deren badoc-Verständnis teils kaum über ethische Grundsätze wie Mordlust, Habgier und Herrschsucht hinausgehen und eine weite Bandbreite, aus der man das wählen kann, was den größten Spielspaß bringt.
Ja, es gibt Elfen, die wären kaum spielbar. Aber es gibt auch Menschen und Zwerge, auf die das zutrifft. Nur bei den Elfen werden die eigentlich nicht-spielbaren von einigen scheinbar als die einzig richtigen erachtet.
Warum genau soll der in der Stadt aufgewachsene Elf mit dem Abschluss an einer Magierakademie kein richtiger Elf sein? Warum soll der Elf, der nicht mehr der badoc-Ideologie folgt und "vermenschlicht" kein richtiger Elf sein? Warum soll der Elf aus der Siedlung nahe eines Menschendorfes, der zumindest Geld und Adlige kennt kein richtiger Elf sein? Ist tatsächlich nur ein Elf aus den tiefsten Auen, den tiefesten Wäldern oder dem höchsten Norden, der nie ein Rosenohr gesehen hat, ein richtiger Elf?
Ich sehe Elfen als "Naturvölker"", als "Barbaren" wie Waldmenschen, Ferkina, Fjaninger oder Gjalskerländer. Wie die anderen auch stehen sie im Kontakt mit der Zivilisation vor Herausforderungen. Nicht nur im Verständnis, wie alles dort funktioniert, sondern auch in der Gefahr, den Anschluss zu ihrer Familie, ihren Bräuchen und Werten zu verlieren. Das kann freilich mit Verwirrung, Ängsten und Heimweh verbunden sein. Aber dadurch wird doch niemand zur "Powergamerspezies", "Königsdisziplin" oder gar "unspielbar".
Und jetzt bin ich gespannt auf eure Meinungen!