Rechtssprechung im konkreten Fall

  • Praios zum Gruße,

    ich bin juristisch etwas überfordert.

    Hintergrund: Mittelreich, Albernia, Grafschaft Bredenhag, Baronie Fairnhain. In den Namenlosen Tagen (1027/2028 BF) sind mehrere Morde geschehen. Es gibt einen Hauptverdächtigen, die Dorfbewohner sind sich sicher und stehen kurz davor, diesen einfach aufzuhängen. Der Dorfschulze ist darum bemüht, den "offiziellen" Weg zu gehen.

    Offizieller Weg: Laut GA müsste hier wirklich der Graf zuständig sein (Mord = Schwerverbrechen; Schwerverbrechen = Hochgericht). Aber ist es dann wirklich so, dass jeder Mord immer so "weit oben" abgehandelt wird? Das ist ja in der Praxis für die meisten Dörfer doch kaum möglich, den Delinquenten so lange festzusetzen, bis die Bürokratie durch ist....

    Übersehe ich was oder wie macht ihr das so bei euch?


    Herzlichst

    Lorion

  • Über den, der sich dem Gericht entzieht, wird oft die Reichsacht verhängt. Dann darf und soll man ihn erschlagen und darf ihm keinen Unterschlupf gewähren. Außerdem kann er in Abwesenheit verurteilen.

    Rechtlosigkeit und Vogelfreiheit insbesondere im Mittelreich

    So hat man nur bedingt etwas davon, wenn man aus der Gefangenschaft im Dorf flieht - im Gegenteil: Die Flucht könnte als Geständnis verstanden werden und der Angeklagte kann sich nicht verteidigen.

    EDIT

    Laut Herz des Reiches S. 31 gilt im Mittelreich: "Rechtlose brauchen Fürsprecher, die sie vor einem Gericht vertreten. Juristisch können sie von jedermann straffrei betrogen oder ausgeraubt werden, weswegen das größte Kapital vonn Fahrenden ihre Beliebtheit und Nützlichkeit ist. [...] Wer eine Straftat begeht, ohne sie zu sühnen, oder aus der Haft flieht, katapultiert sich ebenfalls in die Rechtlosigkeit: Mit einer Ächtung, die ein befugtes Gericht aussprechen kann, veriert ein Mensch Status und Titel und ist für vogelfrei erklärt. Letzteres ist eigentlich dasselbe wie Rechtlosigkeit, betont aber für jedermann, dass der Verfemte erschlagen werden darf und sollte. Wer ihm Zuflucht gewährt, kann ebenfalls geächtet werden."

    2 Mal editiert, zuletzt von Gast (30. November 2020 um 19:38)

  • Im Grunde wendet sich der Dorfvorsteher an den nächst höheren. Das wäre in seinem Fall entweder der örtliche Ritter/Junker, in dessen Lehen das Dorf liegt. Der Lehensträger wiederum wendet sich an den die geschwisterlichen Barone, und die weiter an den Grafen.

    Ein gar mehrfacher Mörder müsste also nur so lange im Dorf verwahrt werden, bis er entweder Ritter/Ritterin übergeben werden kann, oder von dessen/deren Leuten abgeholt wird, und damit in ordentlicher Verwahrung ist (ob der von da aus dann weiter gereicht wird oder nicht).

    Dass der im Dorf bleibt bis irgendwann die höheren Ränge abgeklappert sind und ein Gerichtsverfahren angesetzt wird kann ich mir nicht vorstellen, zumal das Verfahren ja auch nicht in dem Dorf stattfinden wird und die ganzen Leute, die damit zu tun haben, da wohl auch nicht hinreisen werden, sondern alles (Gefangener, Zeugen) zu ihnen müssen.

    Dass da so abläuft denke ich mir und so würde ich es auch halten.

    Beim Hochgericht in der GA heißt es, das läge beim Hochadel (das würde schon Barone mit einschließen), wird dann für das MR auf ab Grafen und aufwärts eingeschränkt, also ja, das geht an den Grafen.

    Aber wie geschrieben, muss und wird kein Dorfschulze seinen eigenen Lehnsherren überspringen und dessen Lehensherren, und zum Grafensitz reisen, da vorgelassen um zu erzählen. Das wird alles den "Dienstweg" nehmen und wenn sich der Ritter an die Barone wendet und diese an den Grafen hat das auch mehr Gewicht, als wenn da ein Dorfschulze, den keiner kennt, an die Tür eines Hochadligen klopft.

  • Warum heuert der Vogt, der das Dorf für seinen Herrn verwaltet, eigentlich nicht ein paar Mietschwerter (die Helden) an, um den Verdächtigen an die nächsthöhere Instanz zu überführen, die vermutlich wenigstens einen kleinen Kerker hat? Das fände ich recht naheliegend. :/

  • Danke für das Teilen eurer Gedanken.

    Ich denke auch, dass ein Mörder an die nächste Instanz abgegeben wird, also die Barone (im Falle des bei mir betroffenen Dorfes steht dieses unter der Direktherrschaft der Zwillingsbarone von Fairnhain, es gibt keinen verantwortlichen Junker).

    Aber ich bin mir gerade nicht sicher, ob das auch schon bei einem bloßen Verdacht geschieht. Nur weil der "Mob" hier einen Verdacht hegt, wird der Schulze ja nicht direkt handeln. Es ist also nicht klar, dass es sich um einen Mörder handelt und der Schulze ist sich ziemlich unsicher. Es geht also nicht (nur) darum, dass die Rechtsprechung nach oben geleitet werden soll, sondern die Untersuchung an sich.

    Aber gut, in Aventurien ist man ja nicht unschuldig, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Es kann also sicher schon sein, dass auch bei einem Verdacht schon direkt weitergereicht wird...

  • Du hast ebenso wie der Büttel die freie Wahl. Man kann die Sache einfach an die höhere Instanz abgeben (aus den Augen aus dem Sinn). Allerdings ist ein Mehrfachmörder nicht alltäglich und sicher ein Karrieresprungbrett oder wenigstens eine Belobigung wert (ein Unschuldiger am Galgen bewirkt das Gegenteil - man sollte sich also sicher sein).

    Auch Gottesfürchtigkeit (im weiteren Sinn ist man ja Praios verlängerter Arm) oder Verpflichtungen (in einem Dorf, in dem man leben muss, kann man sich nur schwer gegen die anderen stellen und wenn man es tut, dann wird das nicht so schnell vergessen und erwischt einen hinten herum) können die Entscheidung leiten.

    Als SL hast Du es leichter. Ich würde einfach die Option wählen, die die meiste Spannung für das Abenteuer liefert. :thumbsup:

  • Du kannst auch mehr als "kleine Gemeinschaft" denken.

    Der Dorfschulze kommt ja aus dem Dorf. In einem Dorf sind die meisten irgendwie miteinander verwandt. Und selbst wenn nicht: Der Niederberger hat die Hühner und Eier und schlachtet im Boron seine Enten. Die Tochter von ihm ist mit dem Jungen der Felshammers verheiratet, die schicken ihren Knecht viermal im Jahr zur Mühle, ohne die hätte man kein Mehl, kein Mehl = Brot.

    Die Besenheimer kann zwar kaum einer leiden, aber sie haben den großen Ofen, in dem einmal die Woche Brot gebacken wird (was sie sich bezahlen lassen - weswegen sie nicht sonderlich beliebt sind).

    Oma Ligantre hat keine Familie, hat aber zumindest die Eltern aller Familien auf die Welt geholfen, sie war Hebamme. Inzwischen geht sie kaum noch vor die Tür, sie ist alt, fast blind und zittrig, kennt aber die Geschichten von allen im Dorf.

    Das ganze kansnt du nun noch um 2 Bauernhöfe, eine kleine Schmeide die Truckenbell (die ebenfalls mit über den Uropa mit den Felshammers verwandt sind) erweitern.

    Wenn jetzt aus so einer verwobenen Dorfgemeinschaft einen Verdächtigen hast, ist das für die ganze "Gemeinschaft" (sind sicher auch mal gemein zueinander) erschütternd.

    Kann sein, dass sich ein "Mob" bildet, das schlimsmte was der Dorfgemeinschaft passieren kann: Die Hängen einen Unschuldigen. Dann zerbricht das Dorf, das Vertrauen und aus den unterschwelligen Mobbing zwischen einzelnen Familien/ TEieln werden handfeste Feden.

    Kaum einer wird sich trauen in so einer Gemeinschaft über andere "Recht" zu sprechen. Zu groß ist die Angst etwas falsch zu machen (Bauern, Handwerker, etc. sind keine Rechtsexperten).

    Zumal der der Recht spricht ja mit einem Bein im Grabe steht, wenn er sich irrt.

    Nein!

    Ich denke, der Mob sollte zerstreut werden (das können Helden - klassische Heldenaufgabe ist es ja einen ruhigen Kopf zu bewahren und den echten Schuldigen zu finden).

    Eine Sammlung von Beweisen sollten die Helden auch durchführen können und dann die Überführung des "Verdächigen" ... samt versuchter Flucht (sei er nun unschuldig oder nicht) und das Dilemma damit sind Stoff für viel Rollenspiel.


    Gruß Grumbrak

    Nietzsche und Amazeroth - Also sprach Zarathustra (zweiter Teil):

    Was erschrak ich doch so in meinem Traume, dass ich aufwachte? Trat nicht ein Kind zu mir, das einen Spiegel trug?

    "Oh Zarathustra - sprach das Kind zu mir - schaue Dich an im Spiegel!"

    Aber als ich in den Spiegel schaute, da schrie ich auf, und mein Herz war erschüttert: denn nicht mich sah ich darin, sondern eines Teufels Fratze und Hohnlachen.

  • Ich möchte noch hinzufügen, dass der Graf bei einer Verhandlung über einen Unfreien wahrscheinlich nicht persönlich den Vorsitz bei einer Verhandlung übernimmt, sondern dass dies durch einen von ihm zu genau diesem Zwecke benannten Richter übernommen wird, der dann natürlich "im Namen des Grafen" ein Urteil fällt.

    Dies könnte bspw. ein Praiosgeweihter, adliger Rechtsgelehrter, etc. sein.

  • Wenn ein (begründeter) Verdacht besteht, muss das untersucht werden. Und das können die beiden Barone, bzw. der Graf wesentlich besser, die richtigen Leute damit zu beauftragen.

    Meines Erachtens nach ist es nicht Aufgabe des Schulzen, Untersuchungen in einem Mordfall anzustellen, und erst, wenn er stichfeste Beweise hat, diese weiter zu reichen. Wenn gerade Leute da sind, die sich dafür interessieren (=SC), kann das womöglich auch helfen.

    Mehr als "meine Leute glauben das, (weil es ein Fremder ist)" muss natürlich schon her.

    Wer ist denn der Verdächtige? Welchen Stand und Rang hat er? Das dürfte auch mit reinspielen.

    Grundsätzlich gilt für die die mittelreichische Rechtsprechung: Ein Gericht muss nicht die Schuld beweisen, sondern der Beklagte seine Unschuld, wie Du auch schon geschrieben hast. Daher ist ein guter Verdacht auch schon eine Grundlage, etwas in die Wege zu leiten, möchte ich meinen.

    Allerdings geht man mit einem Fremden auf der Durchreise anders um als mit einer angesehenen Person aus dem Umfeld als mit einem Adligen oder Geweihten von irgendwoher.

  • Wege der Götter hat auch ein paar interessante Passagen:"Laut Rohais lus Concordia ist ein Geweihter sogar zum Richter berufen, sofern kein ordentlicher Richter in angemessener Zeit erreichbarist (Efferd-Geweihtc auf See, Rondra-

    Geweihte hinter feindlichen Linien;[...])" (WdG22)


    "Als Richter kann ein Geweihter hauptsächlich in einem Tribunal seiner eigenen Kirche fungieren. Für den weltlichen Richter einspringen kann er nur, wenn kein anderer Richter zu erreichenist (und außer in Kriegen ist eine Wartezeit von einigen Tagen - bei Fällen, für die das Hochgericht zuständig ist, auch Wochen- durchaus zumutbar). Besser ist es, wenn der Geweihte ein Notgericht aus unbescholtenen und angesehenen weltlichen Schöffen einberuft; die natürlich auch seine Begleiter sein können. Hier aber kann sich Korruption einschleichcn, die von den Göttern nicht gerne gesehen wird." (WdG33)

    Also eine wochenlange Wartezeit auf ein Hochgericht (wie in diesem Fall) gilt als angemessen. Dauert es aber länger, kann eine Geweihte (entweder aus der Gruppe oder halt aus der Gegend) ein Schöffengericht einsetzen und diese freilich beeinflussen.


  • Was mir hier im thread ein wenig fehlt, die die aventurische Geschichte. Es geht um die Namenlosen Tage 1027/1028 BF bzw. kurz danach. Wenn ihr nach der offiziellen Zeitlinie spielt (was man sicher nicht machen muss, aber kann), ist knapp zwei Monate zuvor ein Bürgerkrieg ausgebrochen. An diesem Punkt des Krieges wurden schon Hochadlige gefangen genommen (und wieder befreit), Schlachten geschlagen und Kriegsverbrechen begangen. Es gibt Doppel-Belehnungen von den Kriegsparteien, und auch wenn die Baronie Fairnhain insgesamt glimpflich durch den Krieg gekommen ist, könnte ein Dorfschulze (oder die Dörfler) auf die Idee kommen, dass die Herrschaften im Moment besseres zu tun haben. Zum Beispiel die im Praios und Rondra stattfindenden Kriegszüge organisieren.

    Man muss ja noch nichtmal einen Galgen bauen, es gibt genügend Bäume.

    p.s. Pingelmodus: die Baronie Fairnhain liegt in der Grafschaft Winhall, nicht in Bredenhag

  • Der Verdächtige: Es ist der Dorfbüttel. Er hat vor einigen Jahren seine Familie verloren und hat seitdem seine Probleme mit Alkohol.

    Zur Zeit: Ja, die politische Situation ist wahrnehmbar, auch wenn es so kleine Dörfer weitaus indirekter trifft.

  • Im Dorf wird der Delinquent wahrscheinlich nicht gehalten werden. Wahrscheinlich würde der Baron eigene Soldaten/eine umherziehende Abenteurergruppe damit beauftragt, den Angeklagten an den Grafen zu überstellen. Daß der Dorfschulze direkt zum Grafen geht wäre auch möglich.

    Außerdem solltet ihr euch eine Feudalgesellschaft nicht wie einen modernen Staat vorstellen. Es kann z. B. auch sein, daß die Baronie irgendein Privileg hat, Mörder selbst zu verurteilen.