[infobox]Weil es ein interessantes Thema ist, und überhaupt nichts mit der Frage im originalen Faden zu tun hat, habe ich es ausgegliedert.[/infobox]
Die Borbaradkampagne ist generell etwas, das erst in der Überarbeitung halbwegs kohärent wurde (und wenn wir ehrlich sind nicht mal dann). Ich meine, ich liebe das Ding, aber vor allem die ersten Abenteuer sind völlig wild in ihren Zusammenhängen und haben eine ganze Menge Jiu-Jitsu erfordert, um das überhaupt unter ein gemeinsames Dach zu kriegen. Wie das in der Ersterscheinung überhaupt spielbar war, ist mir völlig unbegreiflich; Hut ab vor jedem, der das damals gemeistert hat, mit dem Aventurischen Boten in der Hand und praktisch keinerlei verbindendem Gewebe.
Die erste Überarbeitung für DSA4 hat dann die gröbsten Probleme ausgehämmert und wenigstens so etwas wie eine Gesamtstory geschrieben, aber letztlich bleibt die G7-Kampagne ein merkwürdiger Zwitter. Und die beste Kampagne, die je für DSA erschienen ist Ich denke aber, das liegt vor allem am Ende. Da ist die G7 wie Rogue One. Alles ab Rohals Versprechen ist ziemlich episch und stimmungsvoll. Aber wenn wir die Originalkonzeption anschauen, muss man schon recht kritisch sein:
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Das Ganze geht los mit einem Abenteuer über einen Momo-kompatiblen Zeitraub in Weiden, an dessen Ende der Geist von Borbarad in gerade mal drei oder vier Zeilen aufkommt - die zudem nur einE SpielerIn im Geheimen hört! Das kann natürlich ganz cool sein, weil dann nur diese Person ständig paranoid von der Bedrohung schwafelt und der Rest nichts weiß, aber das Abenteuer gibt da nur einige wenige Stichpunkte - und dann erscheint ja quasi erst mal ein Jahr oder so in Realzeit nichts Neues mehr! Je nachdem wie lange du das Ding meisterst musst du den Zwischenraum mit eigenem Kram füllen. Das war so gedacht, aber das ist...wow. Ich wäre überfordert, auf so geringer Datenbasis einen kohärenten Übergang zu Unsterbliche Gier zu schaffen, und das dann auch mit dem Legen von Grundlagen für eine epische Kampagne, deren Verlauf und Ende ich nicht kenne - und, das ist entscheidend, DIE AUTOREN AUCH NICHT.
Dann geht's weiter mit Unsterbliche Gier. Wie erwähnt wollte Wieser vor allem ein Vampirabenteuer im winterlichen Weiden mit Pardona haben; der ganze Plot um Borbarads Körper ist mehr so ein logischer Ausfluss der Notwendigkeit, dass es ein G7-Abenteuer sein soll. Das sieht man auch: Der Fokus liegt komplett auf den Vampiren, während der Auftritt Luzelins und das Stechen des zweiten Zeichens ein unmotiviertes modulares Ereignis im weiteren Verlauf ist, das nicht viel mehr Aufmerksamkeit kriegt als Fredo, der tagaktive Vampir! Von Erklärungen, was man mit den Zeichen machen soll und wie sich in den Gesamtverlauf einpflegen, mal ganz zu schweigen. Im Finale dann schauen die HeldInnen einer Cutscene zu, in der Pardona Borbel seinen Körper gibt und dann ihr Bündnisvorschlag abgelehnt wird. Und Puff, das wars, Pardona wird nie mehr gesehen in der ganzen restlichen Kampagne, der Namenlose spielt keine Rolle mehr. Warum? Weil keiner der anderen Autoren sich dafür interessiert.
Völlig wild wird es aber jetzt. Wegen eines Fuckups schreiben sowohl Römer als auch Finn den dritten Teil der Kampagne. Beide haben nichts mit dem Rest zu tun (sehen wir ein Muster?). Römer bekommt dann den offiziellen dritten Teil, während Finn die Tradition der Nebenlinienabenteuer begründet. Was Finn schreibt ist im Endeffekt "Was wenn Name der Rose, aber DSA?", mit einem Finale in einem Tal der Elemente, das, surprise, nie wieder eine Rolle spielt, während Römer sich an "Was wenn Apocalypse Now, aber DSA?" versucht. In beiden Fällen bekommen die HeldInnen völlig random und in einer unbedeutenden Nebenszene das dritte Zeichen. Ohne Scheiß, lest mal die Original-DSA3-Abenteuer; die Nicht-Aufmerksamkeit, die Borbarad und die Zeichen haben, ist atemberaubend.
Und dann mein Favorit - Bastrabuns Bann. Ich weiß nicht, was Raddatz' Idee hier war, aber wenigstens haben wir zum ersten Mal eine vernünftige Verknüpfung mit einem Vorgängerabenteuer, in dem Fall Pforte des Grauens. Aber das fliegt schnell zugunsten einer hoch modularen und albtraumhaft zu meisternden Schnitzeljagd durch die Tulamidenlande aus dem Fenster, die selbst im besten Fall Wochen aventurischer Zeit braucht - und anti-klimaktisch ohne jeden Erfolg endet. Dafür besiegt man einen super-mächtigen Magier, von dem noch nie jemand vorher gehört hat, und bekommt in einem random Seitenmoment das Vierte Zeichen (wer erkennt das Muster?). Bastrabuns Bann war in der 3. Edition sicherlich das schwächste Glied der Kette; in der DSA4-Überarbeitung dagegen ist seine zweite Hälfte richtig stark (die Schnitzeljagd ist immer noch ein riesiges Ton-Problem und passt überhaupt nicht zum epischen Schlusskampf im Tuzaker Palast, ebenfalls eine grandiose Ergänzung der Neuauflage).
Und jetzt haben wir zweieinhalb Jahre Pause. Die sollen Spielleitungen mit eigenem Kram füllen. Das wäre übrigens die Invasion Borbarads und die Eroberung Tobriens, also nichts wirklich Wichtiges. Das Beste, was die Redax dazu bieten hat, sind die Ereignisse des Aventurischen Boten und einige Fan-Abenteuer im obskuren Wunderwelten-Magazin. Viel Spaß beim Nach-Meistern dieser Ereignisse, hektisch hinter den Veröffentlichungsfetzen herjagend. Das ist der Teil, in dem die Neuauflage am meisten nachgebessert hat.
Immerhin hat die Redax die Zeit genutzt, sich zum ersten Mal (!) physisch getroffen und einen Plan geschrieben, wie sie den Rest der Kampagne machen wollen. Ich meine, warum auch nicht, ist ja nur eine kontinenterschütternde Kampagne, da kann man das ja mal machen, so ausnahmsweise. Thomas Römer und Hadmar von Wieser schreiben zusammen Rohals Versprechen, und das Ding ist ziemlich, ziemlich geil und schafft es zum ersten Mal auf gedruckten Seiten zu erklären, worum es eigentlich geht, und dem ganzen das entsprechende Feeling zu geben. Nur, aus unerfindlichen Gründen wird das fünfte Zeichen ein NPC, der aus einem längst vergriffenen (nicht besonders guten!) Abenteuer aus der DSA-Frühzeit (Die Kanäle von Grangor) hergeleitet wird. Das ist ein Aspekt, wo man sich etwas am Kopf kratzen muss, aber besonders der Kongress und das Aufeinandertreffen Borbels und Rohals sind topp.
Siebenstreich ist demgegenüber ein wenig problematischer; die Idee, den Band an ein Autorenkollektiv outzusourcen führt zu einem disparaten Abenteuermix, die mehr schlecht als recht mit der Zwölfgöttertjoste zusammengehalten werden und einen argen Schnitzeljagdcharakter haben. Auch hier leistet die Überarbeitung Wunder; das Original war sehr stark auf der "geht so"-Seite.
Und dann das Finale. Das teilen sich Finn und Wieser, und die zwei sind ein gutes Team. Finns Element mit den Trollen ist auf den ersten Blick etwas komisch, aber er kanalisiert hervorragend dieses "es ist wesentlich epischer als gedacht"-Feeling, und die Trolle als aventurischer Ent-Ersatz funktionieren auch super. Und Rausch der Ewigkeit ist ok, wenngleich das Brettspiel borderline-nutzlos ist. Auch hier: die Überarbeitung ist der Wahnsinn.
Long story short, die G7 war konzeptionell eigentlich ein ziemliches Desaster. Aber die Grundidee auf der einen Seite, die starke Kombo aus Rohals Versprechen und Rausch der Ewigkeit auf der anderen und vor allem die Neubearbeitung haben dafür gesorgt, dass es die beste und größte Kampagne aller Zeiten wurde. Alle bisherigen Versuche, ähnlich bedeutsame Kampagnen zu schreiben, haben nicht wirklich funktioniert. Jahr des Feuers war ja mehr so ein Debakel, und seither hat man von Weltrettungsplots eher die Finger gelassen. Ich habe meine eigene Theorie, warum das so ist, aber das wäre das Thema eines ganz eigenen Posts...