Ein Stalker als Meisterperson - Umsetzung, Ideen, Brainstorming?

  • Hallo allerseits! Habe letztens die neue Staffel von 'You' auf Netflix gebinged und dabei natürlich ordentlich Notizen gemacht. Tja... stellt sich raus, dass die ganzen Dating-Tipps, die ich aus dieser Serie exzerpiert habe, gar nicht so hilfreich sind wie erhofft :o

    Na gut - dann eben zur Zweitverwertung in meiner P&P-Runde: Neben Scherereien mit Orks, Geweihten des Namenlosen, raffgierigen Kaufleuten und korrupten Gardisten will ich den Spielern meiner Lowanger Sandbox-Kampagne also auch noch einen Stalker auf den Hals hetzen. Der erste mit dieser Idee bin ich nicht: In der inoffiziellen Spielhilfe Schurken und Schergen wurde der etwas zu aufdringliche Bewunderer Bonfredo Sforigan vorgestellt. Den fand ich so inspirierend, dass ich ihn in meinem Spiel bereits in Position gebracht habe (bzw. in diesem Fall eine Bonfreda), allerdings fehlt es dem beschriebenen Konzept nach meinem Geschmack an zwei Enden. Erstens driftet das ganze so ab der Hälfte in das Schema "08/15 einflussreicher Antagonist" ab, zweitens vermisse ich ein paar konkrete Szenen in den verschiedenen Kapiteln, um die Meisterperson glaubhaft vom Freund zum Feind werden zu lassen. Hier stoßen meine kreativen Hirnsäfte auf eine Herausforderung, da manipulative NSC mit engem Verhältnis zu den Spielern nicht mein übliches Metier sind.

    Mit Bonfreda möchte ich einen Nebenbösewicht etablieren, der erst das Vertrauen der Spieler erlangt, um dann mit einer glaubhaften Motivation erst zum Plagegeist und schließlich zum gefürchteten Stalker wird. Die Spieler sollen Bonfreda nicht einfach "wegmurderhoboen" können, von ihr soll eine Aura der Unantastbarkeit ausgehen und die Spieler sollen stets den Verdacht haben müssen, dass sie und die Personen um sie herum manipuliert werden. Das Husarenstück wäre natürlich, wenn es gelingt, zeitweise sogar zwischen den Spielern Mißtrauen zu schüren.

    Die Umsetzung steht noch offen. Die Dame ist erstmalig in Erscheinung getreten, scheinbar als unbedeutender 'Stock NPC' ("Der Name der Kauffrau? Äääh *würfelroll* Bonfreda. Und sie ist... *würfelroll* sehr attraktiv"). Der Schürzenjäger der Gruppe hat natürlich gleich angebissen. In Zukunft wird es sicher öfter mal zu einer vermeintlich zufälligen Begegnung kommen und vielleicht auch zu einer Affäre. Irgendwann wird dann der Zeitpunkt kommen, dass Bonfreda realisiert, dass das Abenteurerleben viel zu gefählich für ihren neuen Freund ist, seine Begleiter zwielichtige Typen und ohnehin sind beide ja von den 12en füreinander bestimmt worden. Dann beginnen die Probleme: Es wird eingebrochen, die Sachen des Charakters werden heimlich durchsucht, und vielleicht verschwindet das ein oder andere wertvolle Kleinod des Schürzenjägers, nur um irgendwann später im Gepäck eines anderen Spielers aufzutauchen. Böse Gerüchte beginnen, die Runde zu machen und auch die Obrigkeit beginnt, die Gruppe zu drangsalieren. Die Botschaft ist klar: Der einzige Ort, wo der Charakter sich noch sicher fühlen kann, ist in den liebenden, fürsorgenden Armen Bonfredas.

    Soweit die Idee. Insbesondere, wie ich Mißtrauen zwischen den Spielern entfachen kann, verursacht Grübeln. Ein Ansatz wäre, bei einem Spieler (passenderweise dem Streuner der Gruppe) immer wieder Situationen herbeizuführen, bei der ich die anderen Mitspieler vorübergehend bitte, den Raum zu verlassen, obwohl ich mit ihm nur eine triviale NSC-Interaktion ausspiele. Aber wenn dann später plötzlich Dinge fehlen oder Beschuldigungen erhoben werden, werden vielleicht irgendwann Fragen laut a la "Als rausgeschickt wurden, hat der vorhin wirklich nur ein Kurzschwert beim Schmied verkauft, wie er behauptet?"

    Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr schon einmal eine solche Stalking-Storyline in der Spielrunde gehabt und wenn ja, wie kam es bei den Spielern an? Wie kann man solche Meisterpersonen der besonders manipulativen Sorte gut umsetzen?

  • Ich bin ja auch Fan von Situationen, in denen Spieler sich frohen Mutes selbst die größten Steine in den Weg legen:

    Als Mitglied des Gildenrates kann Bonfreda an vielen Stellen ihren Einfluss geltend machen, um die Helden zu unterstützen. Irgendwann bittet sie jedoch um Hilfe - ein jähzorniger Bekannter aus früheren Tagen ist wieder in der Stadt, der, so sagt man, einst aus Eifersucht ihren damaligen Angetrauten erschlug und verschwinden ließ, und dann irgendwie dem langen Arm des Gesetzes entkommen konnte. Nun ist er zurückgekehrt, um für die unerwiderte Liebe Rache an Bonfreda selbst zu nehmen. Zum Glück wissen die Helden das natürlich zu verhindern.

    Selbstverständlich ist der alte Bekannte kein Verschmähter der Dame, sondern in Wahrheit der beste Freund des letzten Opfers Bonfredas, welcher sich zu tief in ihrem Netz verstrickte und darin umkam. Erst wenn die Helden allmählich dahinter kommen, welche Art Mensch sich wirklich hinter der freundlichen Maske verbirgt, werden sie realisieren, dass sie die vielleicht einzige Person, die ihnen Glauben schenkt, hinter Gitter gebracht haben... oder sogar unter die Erde.

  • Also zwischen den Spielern misstrauen schüren?! Bitte lieber zwischen den Charakteren! Das muss nicht soo hart werden :)

    Die einfachste Möglichkeit Misstrauen zwischen Spielern hervor zu rufen, ist ein Szenario zu schaffen, in dem Misstrauen zwischen den Spielern angebracht ist. Dies ist sicherlich nicht der Fall, wenn es darum geht: Oh, ist mein Spieler in Wahrheit ein Handlanger des Bösewichts (oder zumindest recht schwer so umzusetzen).

    Was aber in deinem Szenario sehr gut geht:

    1. Sie stellt fest, dass er ihr nicht genug Aufmerksamkeit schenkt und versucht ihn eifersüchtig zu machen.
    2. Deshalb sorgt sie dafür, dass sie mit einem der anderen Helden beim *füge hier schmutzige Dinge ein* erwischt wird.
    3. Sie versucht somit einen Rivalenkampf zwischen den Spielern hervorzurufen.
    4. Wichtig ist jedoch, dass die Spieler selber auf die Idee kommen, ein Duell zwischen sich auszuführen (oder zumindest das Gefühl haben).
    5. Danach setzen Szenen ein, wie du zuvor beschrieben hast.
  • Vorher mit den Spielern darüber sprechen, ob dieses Thema angebracht ist. Eventuell hat einer deiner Mitspieler selber schlechte Erfahrungen mit der Thematik im realen Leben gehabt ... ist nicht auf dem selben Niveau wie Vergewaltigung oder Suicid, aber dennoch sehr traumatisierend in bestimmten Fällen.

    Misstrauen zwischen Spielern sollte unbedingt für den Spielfrieden vermieden werden, zwischen den Charakteren kann es ebenfalls schwierig werden, und hängt stark vom jeweiligen Spielstil und den Mitspielern ab, deren Trennung von IT- und OT-Informationen und generellen Bereitschaft für Konflikte innerhalb der Gruppe.

    Ein Duell zwischen Spielern ist nur Denkbar und möglich, sofern generell die Möglichkeit besteht das Charakter gegen Charakter offensiv vorgehen darf und der "PVP" nicht durch stillschweigende oder gar feste Regeln der Gruppe (Spieler untereinander/Gruppenvertrag) untersagt ist.

    Zitat


    da manipulative NSC mit engem Verhältnis zu den Spielern nicht mein übliches Metier sind.


    Wenn du tatsächlich versuchst etwas darzustellen, das dir deiner Aussage nach nicht liegt, würde ich generell davon abraten dies in einer bestehenden Kampagne auszuprobieren. Es ist leichter derartige Experimente in One-Shots oder neuen Kampagnen zu testen und das feedback deiner Mitspieler bezüglich der Darstellung und Dynamik genau zu beobachten und ausgehend davon deine Performance zu modifizieren. Übung macht den Meister, und in dem Sinne dauert es sicherlich einige Abenteuer bis dir die Darstellung zu einem für dich und die Gruppe zufriedenstellenden Ergebnis gelingt.

  • Der Ansatz mit dem Eifersuchtsdrama klingt vielversprechend, gute Idee Natan! Zwar schätze ich meine Spieler so ein, dass sie sich nicht auf einen Rivalenkampf einlassen werden, aber ein Ausbleiben der gewünschten Reaktion wird von der Dame ganz bestimmt ebenfalls mit entsprechenden Konsequenzen abgestraft.

    Interessant, dass die Idee mit dem Mißtrauen zwischen den Spielern so auf Skepsis stößt. Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt - ich will keine offene Feindschaft provozieren... eher ein paar Augenblicke des Zweifels auslösen, ob denn wirklich alle Helden an einem Strang ziehen. So eine ähnliche Stimmung einfangen, wie bei einer Runde Battlestar Galactica. Bis die Helden dann realisieren, dass jemand von außen sie bewusst gegeneinander auszuspielen versucht. Dabei helfe ich als Meister dann natürlich auch nach, sobald sich abzeichnet, wie sich böses Blut zusammenbraut, dass sich auch ins OT übertragen könnte. Habt ihr denn da durchweg schlechte Erfahrungen gemacht mit dieser Art "social engineering"? In meinem Kopf klingt das nämlich gar zu reizvoll, aber auch an anderen Stellen höre ich oft, dass das meist nach hinten losgeht.

    Wenn du tatsächlich versuchst etwas darzustellen, das dir deiner Aussage nach nicht liegt, würde ich generell davon abraten dies in einer bestehenden Kampagne auszuprobieren. Es ist leichter derartige Experimente in One-Shots oder neuen Kampagnen zu testen und das feedback deiner Mitspieler bezüglich der Darstellung und Dynamik genau zu beobachten und ausgehend davon deine Performance zu modifizieren.

    Vernünftig wäre der Ansatz, aufgrund voller Terminkalender für mich aber nicht wirklich anders umsetzbar. Ich behaupte aber, ein relativ gutes Gespür dafür zu haben, was gut ankommt und was nicht, und hab auch wenig Probleme damit, bereits begonnene Ideen/Storys wieder im Sande verlaufen zu lassen, wenn ich merke, dass es partout nicht funktioniert.