Die EU-Urheberrechtsreform

  • Mein Kommentar ist auch nicht als Feststellung, dass ARD und ZDF ihre Informationen nicht aus dem Orkenspalter-Forum beziehen zu verstehen. Es ist vielmehr eine Kritik, darin, dass öffentlich rechltiche Fernsehsender ihrem Auftrag nicht gerecht werden und es ihnen vermutlich schlicht und einfach egal ist, dass sie falsch informiert wurden. Politikverdrossenheit dem Bürger vorzuwerfen ist vielleicht die falsche Strategie, wenn sich entsprechende Instanzen weigern ihre Pflichten diesbezüglich wahrzunehmen.

  • Naja, ich schreibe da jetzt mal nichts weiter dazu, weil ich im Prinzip zu jedem der Punkte schon mindestens einmal, eher mehrmals etwas geschrieben hatte, das dann anscheinend gar nicht gelesen wurde oder sehr schnell wieder aus dem Gedächtnis verschwunden ist. Wie gesagt, Richtlinie und kein geltendes Recht, und technische Maßnahmen sollten aus meiner Lesart eigentlich nur das letzte Mittel sein, auch wenn sich die Diskussion um nichts anderes dreht.

    Ich ziehe mich hier ebenfalls zurück. Zum einen aus dem oben genannten Grund. Zum anderen aus einem zweiten Grund, den ich aber eher für mich behalten werde, auch wenn er für ne Stunde oder so mal hier stand.

    Einmal editiert, zuletzt von Xanderan (7. März 2019 um 01:11)

  • Wie gesagt, Richtlinie und kein geltendes Recht

    Das stimmt, dass daraus nicht unmittelbar etwas folgt. Aber eine Richtlinie ist ja eben dazu da umgesetzt zu werden. Dabei stehen die Rahmenbedingungen fest.

    Konkret geht es in der Richtlinie ja darum, dass die Betreiber einer Plattform auch für Urheberrechtsverstöße zur Rechenschaft gezogen werden können. D.h. die Orkenspalterleute sind damit haftbar für alles was hier hochgeladen wird, sobald es hier offen liegt. Das ist wirklich neu!

    Was ergeben sich daraus für Pflichten der Betreiber des Forums?

    Na im Prinzip müssen sie alle Beiträge sichten, ob diese Urheberrechte verletzen. Dazu müssen sie herausfinden können ob ein Beitrag Urheberrechte verletzt. Dann hätten sie die Pflicht, entweder den Beitrag abzulehnen oder die notwendigen Lizenzen für den Beitrag einzuholen.

    Tun sie es nicht, haften sie mit.

    Bleibt die Frage wie man diese Anforderungen erfüllen kann. Klar, von Uploadfiltern steht nirgends was in der Richtlinie, aber wie soll es denn sonst funktionieren?

    Der wichtige Punkt ist, dass du als Forenbetreiber sicherstellen musst, dass der Beitrag in Ordnung ist. Dazu brauchst ein technisches Hilfsmittel. Sobald du das hast wendest Du es automatisiert an, voila Uploadfilter.

  • Klar, von Uploadfiltern steht nirgends was in der Richtlinie, aber wie soll es denn sonst funktionieren?

    Das ist es ja das was das Hauptproblem ist

    nd technische Maßnahmen sollten aus meiner Lesart eigentlich nur das letzte Mittel sein, auch wenn sich die Diskussion um nichts anderes dreht.

    Weil nun mal das einzige Mittel ist wie das umzusetzten ist, denn ich habe ja schon mal an einem Beispiel erläutert wie das ist wenn man das händisch macht

  • *Seufz* Man sollte meinen, dass man in meinem Alter mal gelernt hat, einen Entschluss durchzuziehen. Aber da ich anscheinend im Moment der einzige bin, der Thomas zur Seite steht, damit er nach Verabschiedung der Richtlinie das Forum nicht sofort löscht, jetzt eben doch nochmal ein Post. Zumal ich mittlerweile auch die entsprechenden Artikel der Richtlinie gelesen habe. Und ganz nebenbei finde ich sie nicht so wirklich wirr, sondern relativ eindeutig. Da hab ich schon deutlich schlimmeres im politischen Bereich gesehen.

    Zur Sicherheit. Alle Angaben beziehen sich auf folgende Fassung (https://juliareda.eu/wp-content/upl…_compromise.pdf). Im Moment scheint das die einzige quasi offizielle zu sein und damit aus politikwissenschaftlicher Sicht die einzige diskutable Grundlage.

    Ich entschuldige ich mich auch schon mal im Vorfeld für die Länge des Posts, aber kürzer hab ichs nicht hinbekommen.

    Zum einen gibt es offensichtlich doch noch Journalisten, die den Text gelesen haben:

    https://www.faz.net/aktuell/politi…r-16075372.html

    Zum anderen zunächst mal ganz einfache Fragen an alle:

    Wenn sich anscheinend alle hier einig sind, dass die Uploadfilter auf keinen Fall funktionieren (zumindest nicht so wie sie sollen), wie sollen diese geschützten Uploads dann überhaupt gefunden werden? Dann muss ja jeder Urheber eine Software haben, die das gesamte Internet nach solchen Dateien durchsucht? Und wenn die dann anscheinend immer exakt richtig die Dateien finden und den Kontext analysieren können, warum können die Uploadfilter das dann nicht?

    Wenn es offensichtlich (und da sind wir uns einig) unmöglich ist, alle Uploads händisch zu überprüfen und das nur automatisiert gehen kann, warum können dann anscheinend alle Urheber die Uploads händisch überprüfen? Dann muss ja jeder Verlag, jedes Musiklabel etc. die gleiche Anzahl an Bildern pro Minute überprüfen, wie die Plattformen.

    Allgemeiner gefragt: Warum gehen alle davon aus, dass plötzlich alles schärfer verfolgt wird, als jetzt bereits? Auch jetzt ist es ein Rechtsverstoß urheberrechtlich geschütztes Material ohne Erlaubnis öffentlich zugänglich zu machen, also z.B. irgendwo hochzuladen. Tendenziell werden andere Länder an das Niveau in Deutschland angepasst.

    Ich erinnere mal ganz kurz an den großen Aufschrei, als Ulisses die Regeln für Fan-Art verschärft hat und man z.B. das offizielle Design nur noch verwenden durfte, wenn man ganz bestimmte, von ihnen gestellte, Vorlagen verwendet. Damals hieß es auch, dass Ulisses mit seinen Regeln die Fanbase zerstört und alles Kreative unterdrückt, wenn ich mich richtig erinnere. Ich muss sagen, ich hab da schon lange nichts mehr in dieser Richtung gehört...

    Zurück zum Orkenspalter. Ich hab das hier in so nem klassischen Baumdiagramm vor mir liegen, aber da das keiner außer mir lesen kann und ich im Moment keinen Scanner habe, versuche ich meinen Punkt mal an einem Beispiel klar zu machen. Juristen mögen mich gerne auf Fehler aufmerksam machen und vermutlich stimmen einige Begrifflichkeiten (z.B. Schadenersatz) nicht ganz. Aber der Sinn sollte klar werden.

    Ausgangslage:

    Die Richtlinie wurde ohne weitere Änderungen in deutsches Recht übernommen und alle Übergangsfristen sind vorbei. Thomas hat bisher keinen Lizenzvertrag mit Ulisses. Ein User lädt ein urheberrechtlich geschütztes Bild aus einem DSA-Regelwerk auf den Orkenspalter hoch. Ulisses bekommt das mit und lässt Thomas per Anwalt davon unterrichten. Sie fordern die Löschung des Bildes, das Verhindern eines erneuten Hochladens, den Namen und die IP-Adresse des Users und Schadenersatz von Thomas und dem User.

    Löschen des Bildes und verhindern des erneuten Hochladens:

    Alles nichts neues. Zumindest in Deutschland ist das bereits geltendes Recht und anscheinend technisch machbar. Zumindest hat man aus dieser Richtung bisher keine Beschwerden gehört.

    Name und IP-Adresse des Users:

    Wird Thomas vermutlich rausgeben müssen. Es handelt sich um einen Rechtsverstoß. Selbst nach DSGVO vermutlich schnell machbar.

    Schadenersatzforderung an den User:

    Auch jetzt bereits möglich. Vermutlich aber nicht beim ersten Mal, je nach Größe des "Schadens"

    Schadenersatzforderung an Thomas:

    Jetzt wirds interessant und leider auch kompliziert.

    Fall A:

    Ulisses muss nachweisen, dass der Orkenspalter ein "online content sharing service provider" nach Art. 2 (5) ist, damit Art. 13 überhaupt zutreffen kann. Könnte durch das Downloadarchiv vielleicht der Fall sein, halte ich aber für eher unwahrscheinlich.

    => kein Problem für Thomas

    Fall B: Art. 13 kommt zum Tragen

    Thomas legt sein Emailarchiv vor mit Schreiben, die nachweisen, dass er versucht hat, mit Ulisses eine Lizenzvereinbarung zu treffen.

    Möglichkeit 1: Ulisses reagiert nicht

    Thomas hat alles in seiner Macht stehende getan und Ulisses ist selbst schuld, solange das Bild sofort gelöscht wird und ein weiterer Upload im Rahmen seiner Möglichkeiten verhindert wird. (Art. 13, 4. (a) (b) (c))

    => kein Problem für Thomas

    Möglichkeit 2: Ulisses reagiert aber es gibt keine Einigung

    Immer noch muss Thomas das Bild sofort löschen und einen weiteren Upload im Rahmen seiner Möglichkeiten verhindern. Aber um haftbar zu sein, muss Ulisses bereits im Vorfeld alle relevanten Daten an Thomas übergeben haben. (Art. 13, 4. (b) (c))

    => Thomas hat kein Problem, wenn Ulisses das nicht gemacht hat.

    => Thomas hat vielleicht ein Problem, wenn Ulisses das gemacht hat.

    Wenn Ulisses die Daten bereit gestellt hat, dann muss Thomas auch immer noch in der Lage sein, technisch zu gewährleisten, dass die Daten nicht hochgeladen werden. Und zwar unter Berücksichtigung von Verfügbarkeit und Kosten von geeigneten und effektiven Methoden (Art. 13, 4a (b))

    Möglichkeit 2.1:

    Die Forensoftware stellt keine entsprechenden Maßnahmen zur Verfügung oder nur zu Kosten die wirtschaftlich für Thomas nicht tragbar für ein spendenfinanziertes Forum sind.

    => Thomas sollte kein Problem haben (Wirtschaftlichkeit kann tricky sein im Recht)

    Möglichkeit 2.2:

    Die Forensoftware stellt eine entsprechende Lösung bereit und sie ist kostenlos oder sehr billig und Thomas verwendet sie nicht.

    => Thomas hat ein großes Problem


    Und das da oben gilt alles nur dann, wenn das Bild a) gefunden wird und b) Ulisses nicht vorher schon bereit ist eine Lizenz kostenlos oder zu vernünftigen Konditionen zu vergeben.

    Und da ist Art. 13, 4a (a) noch gar nicht berücksichtigt, wonach Thomas vermutlich nicht vorhersehen kann, was seine User so alles anstellen und schon allein deswegen aus den Haftungsansprüchen raus sein könnte.

    Und da ist auch noch nicht dabei, dass Ulisses vielleicht nicht einmal der Rechteinhaber an allen Bildern aus seinen Werken sein muss (unwahrscheinlich, aber Verträge mit den Künstlern könnten sowas regeln).

    Die Newssektion könnte da etwas heikler werden Aber ganz ehrlich, wären die Verlage nicht ziemlich blöd, wenn sie diese kostenlose Werbung verbieten bzw. verfolgen würden?

    Insgesamt sehe ich also für den Orkenspalter und vor allem Thomas als Verantwortlichem nach aktuellem Stand keine wirklichen Probleme kommen, die über ein wenig Bürokratie vor Inkrafttreten der Gesetze hinaus gehen. Und dafür sollte sich im Zweifelsfall Hilfe finden lassen, ähnlich wie bei der DSGVO.

    Klar ist, dass für die "Großen", z.B. Youtube, mit Sicherheit Wege gefunden werden. Da stimme ich dem FAZ-Artikel von oben zu, dass die in irgendeiner Weise dafür sorgen werden, dass ihnen die User nicht abhanden kommen, immerhin sind die auch ihr Einkommen. Ob das dann alles im Sinne der Erfinder abläuft, ist eine ganz andere Frage und bleibt abzuwarten.

  • Ähm, in diesem Thread geht es aber nicht nur um orkenspalter.

    Der Thread knüpft an meinen Blog-Post an. Die Referenz bezieht sich mutmaßlich auf diesen Post. Hoffentlich ist der Orkenspalter (respektiv "ich") nicht betroffen. Unabhängig davon ist Artikel 11/13 Thema natürlich so oder so wichtig.

  • *

    Zum anderen zunächst mal ganz einfache Fragen an alle:

    Wenn sich anscheinend alle hier einig sind, dass die Uploadfilter auf keinen Fall funktionieren (zumindest nicht so wie sie sollen), wie sollen diese geschützten Uploads dann überhaupt gefunden werden? Dann muss ja jeder Urheber eine Software haben, die das gesamte Internet nach solchen Dateien durchsucht? Und wenn die dann anscheinend immer exakt richtig die Dateien finden und den Kontext analysieren können, warum können die Uploadfilter das dann nicht?

    Wenn es offensichtlich (und da sind wir uns einig) unmöglich ist, alle Uploads händisch zu überprüfen und das nur automatisiert gehen kann, warum können dann anscheinend alle Urheber die Uploads händisch überprüfen? Dann muss ja jeder Verlag, jedes Musiklabel etc. die gleiche Anzahl an Bildern pro Minute überprüfen, wie die Plattformen.

    Es wird natürlich Uploadfilder geben.

    Ein, zwei große Anbieter haben dann eine Cloud, in der Hashs und andere sekundäre Erkennungsmerkmale verschiedener Qualität von allen möglichen Inhalten liegen und bauen Software, mit denen man Uploads prüfen kann. Die Prüfung ist immer in mehreren Schritten, die zunehmend auffwändiger sind, aber nur angestoßen werden, wenn ein vorheriger Schritt ein unklares Ergebnis geliefert hat.

    Da die Anbieter Zugriff auf alle geschützen Inhalte haben müssen (und bezahlen müssen) und haufenweise Rechenleistung brauchen wird es hier immer ein Monopol oder Oligopol geben, niemand wird die Prüfung selber machen, alle werden sie auslagern.

    Das ganze wird logischerweise zu Industriepreisen lizensiert und billige Alternativen wird es nicht geben, da sonst alle möglichen Leute versuchen würden, dir Prüfung irgendwie auszullagern. Seiten wie Orkenspalter werden sich die paar tausend Euro pro Jahr estra nicht leisten können und dicht machen oder die Uploadfähigkeit streichen, interessiert die Industrie aber wenig, denn no-profit Seiten generieren keinen Markt.

    Natürlich werden die Uploadfilter das meiste nicht erwischen. Illegale Uploader schaffen es schon jetzt zuverlässig, durch leichte Inhaltsänderungen automatische Abgleiche zu täuschen. Aber eine Seite, die einen Uploadfilter benutzt, kann behaupten, alle zumutbaren Anstrengungen unternommen zu haben und ist damit sicher.

    Hingegen werden die Uploadfilter extrem viele Sachen fälschlicherweise sperren. Auch das hat wieder damit zu tun, dass die illegalen Uploader gern Dinge leicht verändern, um nicht erwischt zu werden. Der Filter muss also immer so gebaut sein, auch bei ähnlichen Sachen Alarm zu schlagen und das geht schnell schief.


    Das Problem ist im Wesentlichen 13.4.b. Das ist das einzig wirklich neue dazu. Die 11 ist eine andere Baustelle, aber ziemlich irrelevant für den Orkenspalter und ähnliche Foren. Die einzige vorstellbare Option, entsprechend Insustriestandard Alles unternommen zu haben, um illegale Uploads zu verhindern, sind Uploadfilter. Und dass die Rechteinhaber den Seitenbetreibern die nötigen Informationen bereitstellen müssen, heißt nicht, dass diese es direkt tun müssen. Es reicht, der Allgemeinheit zu verkünden, dass man für XY den unbefugten Upload verhindern will und woren man das Werk erkennt. In der Praxis gehen die Informationen natürlich zu denen, die die Filtertechnologie verkaufen und stehen noch irgendwo anders, wo ein Forenbetreiber sie theoretisch hätte einsehen können.

    Das ist für kleine, nichtkommerzielle Projekte schlicht nicht zu gewährleisten. Keiner kann das selber machen, entweder man kauft dazu eine sauteure kommerzielle Lösung ein oder man macht sich strafbar.

    2 Mal editiert, zuletzt von Satinavian (8. März 2019 um 12:54)

  • Zitat

    (Wirtschaftlichkeit kann tricky sein im Recht)

    Genau da sehe ich das Problem und da wird es interessant werden, was als wirtschaftlich für eine solche nicht-kommerzielle Seite angesehen wird. Ist zum Beispiel das Abstellen der Uploadfunktion wirtschaftlich? Schließlich generiert diese Funktion ja keinen Gewinn für ein solches Forum. Soweit ich weiß existiert dafür noch keine Rechtssprechung, aber es ist eine Gefahr die ich für möglich halte. Und das fände ich bedauerlich.

    Das Leben ist ein Spiel!

  • Wenn sich anscheinend alle hier einig sind, dass die Uploadfilter auf keinen Fall funktionieren (zumindest nicht so wie sie sollen), wie sollen diese geschützten Uploads dann überhaupt gefunden werden? Dann muss ja jeder Urheber eine Software haben, die das gesamte Internet nach solchen Dateien durchsucht?

    Nicht die Urheber müssen über eine solche Erkennungssoftware verfügen, es sind die "Online content sharing provider" die sicherstellen müssen keine Urheberrechtsverletzungen zu beherbergen.

    Ausgangslage:

    Die Richtlinie wurde ohne weitere Änderungen in deutsches Recht übernommen und alle Übergangsfristen sind vorbei. Thomas hat bisher keinen Lizenzvertrag mit Ulisses. Ein User lädt ein urheberrechtlich geschütztes Bild aus einem DSA-Regelwerk auf den Orkenspalter hoch. Ulisses bekommt das mit und lässt Thomas per Anwalt davon unterrichten. Sie fordern die Löschung des Bildes, das Verhindern eines erneuten Hochladens, den Namen und die IP-Adresse des Users und Schadenersatz von Thomas und dem User.

    Das Szenario ist aber aktuell geltendes Recht, mit einer Ausnahme.

    Im Moment ist es so, wenn ein Urheber (in deinem Bsp Ulisses) herausfindet, dass auf einer Platform das eigene Material liegt, kann der Urheber verlangen dass das Material nicht mehr zugänglich gemacht wird. Evtl. kann man auch noch diverse Metadaten erhalten (Logs, IPs,etc.), das ist jedoch nicht unbedingt zwingend der Fall (sprich, das klären evtl. Anwälte und Gericht).

    Ergebnis ist auf jeden Fall, dass das urheberrechtlich geschützte Material nicht mehr verfügbar ist.

    Der Unterschied ist eben, dass jetzt auch der Betreiber haftbar gemacht werden kann. Dazu ist keine vorherige Take-Down-Notice notwendig. Im schlimmsten Fall kann Ulisses dann bei Thomas (um bei deinem Bsp zu bleiben) direkt Schadensersatz fordern.

    Ulisses muss nachweisen, dass der Orkenspalter ein "online content sharing service provider" nach Art. 2 (5) ist, damit Art. 13 überhaupt zutreffen kann. Könnte durch das Downloadarchiv vielleicht der Fall sein, halte ich aber für eher unwahrscheinlich.

    Da bist du aber ein wenig optimistisch. Kann sein, dass Du Recht hast, kann aber auch sein, dass es anders ist. Das ist etwas was sich dann erst bei der Ausgestaltung und der Anwendung zeigt.

    Hier können Dateien ausgetauscht werden, Texte zitiert, Bilder präsentiert. Die Avatarbilder könnten z.B. schon eine Urheberrechtsverletzung darstellen.

    Es geht aber im Detail auch nicht nur um Orkenspalter. Es ging mir nur darum zu zeigen, dass selbst "kleine" Projekte von der Richtlinie betroffen sein können.

    Fall B: Art. 13 kommt zum Tragen

    Thomas legt sein Emailarchiv vor mit Schreiben, die nachweisen, dass er versucht hat, mit Ulisses eine Lizenzvereinbarung zu treffen.

    Dein Fall B ist interessant, deckt aber nur einen Teil des Problems ab.

    Du gehst hier davon aus, dass Thomas versucht hat mit Ulisses eine Lizenzvereinbarung zu schließen, bevor es zu der Urheberrechtsverletzung kam.

    Daraus leitest Du einige weitere Fälle ab.

    Das Problem ist aber ein anderes. Was ist wenn Thomas sich nicht vorher mit Ulisses in Verbindung gesetzt hat?

    Im Orkenspalterforum mag es vielleicht naheliegend sein, dass man sich mit Ulisses in Kontakt setzt. Nehmen wir aber mal an es gibt einen anderen Urherber "Elisses". Elisses besitzt die Rechte an wirklich tollen Illustrationen. Allerdings ist Elisses noch gar nicht so bekannt. Jemand nimmt sich nun eine der tollen Illustrationen und verwendet sie als Avatar, ohne die Rechte zu besitzen. Dann ist Thomas haftbar. Er hat vorher noch nicht von Elisses gewusst und deswegen mit ihnen keine Lizenzvereinbarungen besprochen.

    Das Spiel kann man weiter treiben, es gibt dann noch Illisses, Olisses, Alisses, .....

    Es ist schlicht nicht möglich mit _allen_ Rechteinhabern zuvor verhandelt zu haben.

    Bleibt dann nur die Möglichkeit sämtliche Eintragungen automatisiert zu prüfen und sie im Zweifel zu verwerfen.

    Wie sich die Uploadfilter dann konkret ausgestalten ist schwierig zu sagen. Im Prinzip braucht man aber jemand, der große Datenmengen von allen möglichen Medien besitzt und in der Lage ist diese effizient zu durchsuchen. Ob das eine neue Firma mit Monopolstellung ist, wie von Satinavian vorgeschlagen oder halt doch wieder auf Google/Facebook zurückfällt ist nicht ganz klar.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Google/Facebook gerne Schnittstellen zur Verfügung stellen mit dem sie Content überprüfen, der neu in das restliche Internet eingefügt wird.

    Möglichkeit 2.1:

    Die Forensoftware stellt keine entsprechenden Maßnahmen zur Verfügung oder nur zu Kosten die wirtschaftlich für Thomas nicht tragbar für ein spendenfinanziertes Forum sind.

    => Thomas sollte kein Problem haben (Wirtschaftlichkeit kann tricky sein im Recht

    Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Ansonsten wäre das ein wunderbares Schlupfloch. Man verwendet einfach eine Software, die das nicht unterstützt und rechnet sich "arm" genug.


    Wie gesagt, es geht in diesem Thread ja auch nicht konkret um Orkenspalter und ich will auch nicht sagen, dass Du Unrecht hast.

    Meine Sorge geht einfach dahin, dass diese Richtlinie es für viele Projekte sehr unangenehm macht. Kleine Projekte könnten diese rechtlich schwierig zu beurteilende SItuation scheuen. EInige machen bestimmt ihr Angebot dicht, bevor sie am Ende für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden, die sie persönlich gar nicht begangen haben. Es kann ja durchaus sein, dass diese kleinen Projekte in der Praxis dann tatsächlich nicht belangt werden. Aber das entscheidet sich dann erst bei den ersten Gerichtsverfahren. Das ist ein Damoklesschwert, dass wenige auf sich nehmen wollen ohne ordentliche Rechtsabteilung im Rücken.

    Die Folge daraus ist ein weiteres Sterben der kleine Projekte, und eine weitere Konzentration der Foren auf den großen Plattformen. Denn Facebook hat genügen Anwaltspower um weiterzumachen.

  • Wie sich die Uploadfilter dann konkret ausgestalten ist schwierig zu sagen. Im Prinzip braucht man aber jemand, der große Datenmengen von allen möglichen Medien besitzt und in der Lage ist diese effizient zu durchsuchen. Ob das eine neue Firma mit Monopolstellung ist, wie von Satinavian vorgeschlagen oder halt doch wieder auf Google/Facebook zurückfällt ist nicht ganz klar.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Google/Facebook gerne Schnittstellen zur Verfügung stellen mit dem sie Content überprüfen, der neu in das restliche Internet eingefügt wird.

    Oh, von neuer Firma habe ich gar nicht geschrieben. Ich gehe schon davon aus, dass im Wesentlichen Google mit ihrer Riesencloud, ihrer Erfahrung im analysieren großer Datenmengen durch Bots und ihrer bereits vorhandenen Filtererfahrung mit YouTube und ihrer KI-Forschung diejenigen sein werden, die dann die überall benutzte Filtersoftware auf den Markt werfen.

    Irgendeine Neugründung wird da nie mithalten können. Auch Facebook hat eine schlechtere Ausgangsposition, könnte aber vielleicht noch die Kurve kriegen.

  • Jungbluth

    Da hat Thomas Recht. Aber ich würde mal behaupten, dass sich der Fall der Orkenspalters auf viele andere, kleine Projekte generalisieren lässt. Da gehts dann aber natürlich auch um Feinheiten, deswegen beziehe ich mich im Moment mal ausschließlich auf den Orkenspalter, dessen Funktionen und Umfang ich einigermaßen zu kennen zu glaube.


    Satinavian

    Die bloße allgemeine Ankündigung, einen Upload verhindern zu wollen reicht nach dem Text der Richtlinie bisher nicht aus. Durch Gesetze könnte das geändert werden, aber im Moment steht da ganz klar drin, dass der Rechteinhaber dem "service provider" (Art. 14, 4 (b)) diese Informationen zur Verfügung stellen muss. Eine Ankündigung in einem Newsfeed (den vielleicht nicht jeder sieht), reicht da defintiv im Moment nicht aus.

    Und zu den Industriepreisen... Art. 13, 4a (b). Die Kosten müssen verhältnismäßig sein. Standard Industriepreise werden für viele kleine Projekte nicht verhältnismäßig sein. Aber das hatte ich oben ja geschrieben. Wenn eine Lösung zu einem Preis gibt, der als verhältnismäßig angesehen werden kann, dann wird es benutzt werden müssen.

    miles

    Ja klar, müssen nicht die Urheber diese Software haben, aber sie müssen die Urheberrechtsverletzungen finden. Das kann mal durch Zufall sein, das kann durch gezielte Recherche sein. Aber gerade kleine Plattformen oder Plattformen aus anderen Ländern müssen dann erstmal gefunden werden. Ich will jetzt hier ja nicht zum offenen Rechtsbruch aufrufen, aber im Prinzip gilt auch beim Urheberrecht: "Wo kein Kläger, da kein Richter".

    Mehr wollte ich damit erstmal gar nicht sagen.

    Genau darauf wollte ich hinaus. Bis auf den Schadenersatz der Plattform ändert sich durch Art. 13 zumindest in Deutschland erstmal gar nichts. Meine Ausgangslage geht auch nicht von einer vorherigen Nachricht aus, sondern gleich von der Maximalforderung. Wobei das vermutlich in vielen Bereichen hoffentlich unwahrscheinlich ist und man es zumindest beim ersten Mal bei einer Warnung belässt.

    Nein, da bin ich nicht zu optimistisch. Die Definition in Art. 2 (5) sagt ganz klar, dass eine Plattform als "online content sharing service provider" gilt, wenn der Hauptzweck der Plattform oder einer der Hauptzwecke es ist, der Öffentlichkeit Zugang zu großen Mengen an urheberrechtlich geschütztem Material zu geben. Und dann muss die Plattform das auch noch organisieren und Profit daraus schlagen wollen. Ich muss sagen, das hängt die Latte aber schon extrem hoch.

    Klar sind da Begriffe drin, die dann am Ende durch die Praxis und die Rechtsprechung mal noch genau definiert werden müssen, z.B. "large amount". Aber die Profilbilder und hier und da mal ein Bild, würde ich eher nicht als "large amount" ansehen. Wie bereits oben geschrieben, könnte es mit dem Downloadarchiv schon kniffliger werden, aber der reine Forenbereich ist da wohl eher außen vor.

    Und damit wäre Thomas aus der Haftung raus. Der einzelne User, der einen urheberrechtlich geschützten Inhalt hoch lädt, natürlich nicht.

    Ja, der Fall B ist dann der eigentliche Knackpunkt.

    Wie schon in vorigen Posts beschrieben wird man auf der Grundlage des Forums mit einer gewissen, aber überschaubaren Menge an Rechteinhabern, vor allem Verlagen, verhandeln müssen. Ein Blick auf die Einzelformen zu Systemen hilft da in etwa bei der Bestimmung der Menge.

    Ob man jetzt aber mit einem kleinen Rechteinhaber, z.B. Elisses vorher verhandelt haben muss... Lässt sich jetzt schwer sagen. Da müsste man die konkrete Ausgestaltung abwarten (und Art. 13 muss ja auch erstmal gelten). Aber ich gehe eher davon aus, dass man beim jeweils ersten Mal eher mit der Warnung davon kommt. Zum einen muss man "best efforts" unternehmen (Art. 13, 4 (a)). Bei einem Ein-Mann-Projekt ist klar, dass man nicht jeden potentiellen Rechteinhaber kennen kann und in aller Regel handeln deutsche Gerichte da fair. Und dann kommt ja auch noch Art. 13, 4a (a) zum Tragen. Das Gericht muss sich dann die Art der Plattform, "the audience" und die Größe der Plattform anschauen und dann die Verhältnismäßigkeit beachten. Thomas steht hier rechtlich gesehen allein gegen etwas mehr als 9.000 Mitglieder. Da ist klar, dass er nicht alles kennen kann, was diese Mitglieder kennen.

    Von daher bin ich vorsichtig der Meinung, dass es Thomas auch in einem solchen Fall nicht treffen wird.

    Arm rechnen ist wie gesagt schwierig. Und ob es dann noch Software ohne eine solche Lösung gibt, bleibt abzuwarten. Da kann es nämlich dahin gehen, dass die Haftung dann von Thomas auf den Bereitsteller der Forensoftware übergeht. Ist im Moment noch spekulativ, aber die Gesetze könnten in diese Richtung gehen, bzw. die Rechtsprechung könnte zu dieser Auffassung kommen.


    Insgesamt hängen die Definitionen in Art. 2 die Latte für die meisten Projekte sehr hoch, dass sie überhaupt unter diese Richtlinie fallen. Und sobald sie das nicht mehr tun, werden auch in Zukunft die Gesetze gelten, die auch jetzt schon in Deutschland gelten. Der Hauptunterschied wird aktuell vor allem in anderen Ländern spürbar, die kein so ausgeprägtes Urheberrecht haben, wie wir.

  • Wenn sich anscheinend alle hier einig sind, dass die Uploadfilter auf keinen Fall funktionieren (zumindest nicht so wie sie sollen), wie sollen diese geschützten Uploads dann überhaupt gefunden werden?

    Müssen sie denn überhaupt gefunden werden? Ist die aktuelle Version der Urheberrechtsreform nicht in vielen Punkten verfehlt? Wer will denn z.B. kontrollieren, ob ich sich Person A von Person B ein Buch, eine DVD, eine CD oder irgendeinen anderen Datenträger mit urheberrechtlich geschütztem Material leiht, dieses kopiert und ggf. noch weitere Kopien für Freunde anfertigt? Dafür, d.h. für solche Verstöße in der realen bzw. nicht-digitalen Welt gibt es übrigens funktionierende Gesetze und nicht etwa, als Übertragung der Urheberrechtsreform, tausende Sturmtruppen, die permanent die Bevölkerung kontrollieren, auf Verdacht beschlagnahmen und Häuser aufbrechen.

    Wann immer verschiedene Rechte miteinander kollidieren und aus praktischen Gründen nicht beide gleichermaßen geschützt werden können, sollte eine sinnvolle Abwägung vorgenommen werden. Die massenhafte Verunsicherung der Bevölkerung, die umfassende Bescheidung von Meinungs- und Pressefreiheit der deutlichen Mehrheit der Bevölkerung im Vergleich mit dem rein monetären Interessen weniger sehr großer Verwertungsgesellschaften - in deren primären Interesse diese Reform überhaupt erst formuliert wurde, nicht im Interesse der Urheber - ist definitiv nicht Ergebnis einer solchen sinnvollen Abwägung, kein gerechter Interessenausgleich, sondern höchst undemokratische Klientelpolitik bzw. inhumane Fehlgeburt intensiver Lobbyarbeit bei entfremdeten Politikern, welche höchstwahrscheinlich bereits jetzt oder spätestens im Nachhinein mit passenden Geschenken entlohnt werden.

  • Naja, das ist aus deutscher Sicht so, dass es da funktionierende Gesetze gibt, die zumindest teilweise an eine digitale Welt angepasst werden müssen. In anderen europäischen Ländern sieht es mit dem Urheberrecht meines Wissens nach deutlich düsterer aus. Und das kann natürlich auch für deutsche Kreative etc. problematisch werden, wenn deren Werke im Ausland verkauft werden. Im großen und Ganzen ist eine EU-weite Reform also erstmal sinnvoll.

    Wie bereits gesagt, gehe ich im Moment davon aus, dass sich in Deutschland insgesamt nicht so wahnsinnig viel ändern wird, aber das wird dann auf die jeweiligen nationalen Gesetze ankommen. Aber im Prinzip sollten die Gesetze innerhalb der EU jetzt zumindest vergleichbar werden, da der Rahmen ja gesteckt ist.

    Ob die Verwertungsgesellschaften ein Stück vom Kuchen abhaben sollten oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Klar, die übernehmen eher wenig kreative Leistung, aber sehr viel distributive und organisatorische Aufgaben. Ich bleib mal im Buchmarkt, weil ich mich da berufsbedingt ein bisschen auskenne. Bis vor kurzem hätte kein Autor eine bundesweite Verteilung seiner Werke hinbekommen können. Und selbst heute noch, dürften die meisten Autoren weder die zeitlichen noch finanziellen Mittel haben, entsprechende Marketingkampagnen zu starten. Dafür braucht man die Verlage als Verwertungsgesellschaften. Und denen entgehen ja auch Einnahmen durch illegale Weitergabe von Werken. Also die Idee, auch den Verwertungsgesellschaften Rechte zuzusprechen, halte ich jetzt für gar nicht mal sooo abwegig. Wie groß die dann sind, bzw. wie weit diese Rechte gehen, ist dann ein ganz anderer Diskussionspunkt. Und Aussagen, wie die von Bertelsmann helfen da nicht unbedingt für weiteres Verständnis. Es sei denn natürlich der Vorstand schreibt in Zukunft die ganzen Bücher und sie brauchen dann keine Autoren mehr.

    Ich müsste den Text jetzt mal nochmal auf diesen Gesichtspunkt hin lesen, und vor allem auch die Erwägungsgründe, aber am Ende müssen wir die nationalen Gesetze abwarten, um zu sehen, ob die Urheber oder die Verwertungsgesellschaften am Ende mehr von der Reform profitieren. Ich glaube nicht, dass wir hier in Deutschland alle bisherigen Gesetze im Zuge der Reform völlig über den Haufen werfen werden, also sollten die Urheber da wohl eher wenig Federn lassen.

    Und da schon wieder dieser Vorwurf der entfremdeten Politiker und der Lobby aufkommt... wie weiter oben schon mal gefragt: Woher kommt denn dieses Problem? Vielleicht daher, dass wir Wähler uns zu 99% eigentlich nicht mehr dafür interessieren, was die da oben machen? Hin und wieder kommt mal so ein Thema, worüber sich dann aufgeregt wird (ob zu Recht oder nicht, ist dann immer nochmal eine andere Frage), aber vom ganzen Rest nehmen wir allgemein eher wenig Notiz? Wie gesagt, wer hat denn schon mal mit seinem "persönlichen" Politiker diskutiert oder ihm geschrieben? Wer ließt denn im Bundesanzeiger, was da alles für Gesetze verabschiedet werden?

    Oder mal allgemeiner: Warum wählt eine Mehrheit der Menschen Politiker/Parteien die von vornherein schon sagen, dass sie nicht das machen werden, was die Mehrheit der Bevölkerung gut findet? Als extremes Beispiel kann man hier in Deutschland die Linkspartei anführen. Für viele der Positionen, mit denen sie antreten gäbe es eine Mehrheit in der Bevölkerung. Aber gewählt werden sie von einer Minderheit. (Ob sie das dann auch wirklich umsetzen würden/könnten, steht wieder auf einem anderen Blatt). Aber es werden immer die gleichen Parteien gewählt, so dass es für die Politiker logischerweise keinen Anreiz gibt etwas zu ändern.

    Wir sehen das gerade schön mit der AFD. Plötzlich fürchten die Politiker um ihre Posten und fangen an andere Positionen zu vertreten. Dass sie deswegen leider jetzt alle eher nach rechts rutschen ist da ein unangenehmer Nebeneffekt.

    Und auf EU-Ebene ist das ganze noch etwas schlimmer, was aber auch zum Teil einfach mit der Geschichte der EU zusammenhängt. Die jetzigen Institutionen sind für eine andere Ausrichtung der Gemeinschaft geschaffen worden und müssten dringend reformiert werden. Hat die EU ein Demokratiedefizit? Kann jeder für sich selbst beantworten, aber die Frage wird zumindest auf allen Ebenen politischer Bildung diskutiert, scheint also nicht ganz abwegig zu sein.

    Aber die Diskussion darüber führt dann doch etwas zu weit weg vom Thema und deswegen hör ich an der Stelle besser auf, bevor ich von Thomas eins auf den Deckel bekomme ;)

  • Und Aussagen, wie die von Bertelsmann helfen da nicht unbedingt für weiteres Verständnis.

    Ich bin nicht dafür, Verlagen und anderen Verwertungsgesellschaften alle Rechte abzusprechen, so wollte ich auch nicht verstanden werden. Allerdings scheint mir im aktuellen Entwurf ein nicht unerhebliches Fehlverhältnis zwischen den Rechten, teilweise Grundrechten der deutlich überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung und eben dieser Verwertungsgesellschaften zu bestehen. Zudem sind die Rechte für Urheber deutlich schwächer vertreten, z.B. wurden das Verbot des Buy-out wieder gekippt, obwohl gerade dies extrem wichtig gewesen wäre, schließlich sind die Urheber vielfach - wie du selbst beispielhaft bestätigst - in erheblichem Maß von diesen Gesellschaften abhängig und zumindest einige von ihnen, alles von Springer bis Disney, lokal, national oder sogar übernational extrem mächtig.


    Und da schon wieder dieser Vorwurf der entfremdeten Politiker und der Lobby aufkommt...

    Für diesen Vorwurf, welcher gewiss nicht auf jeden einzelnen Politiker zutrifft, gibt es zahlreiche Gründe, viel zu viele Gründe, um hier alle zu nennen, weshalb ich nur bei einigen Beispielen bleiben werde.

    Exemplarisch betätigt sich ausgerechnet der ehemalig mehrfache Bundeskanzler und Vorsitzender der SPD, Gerhard Schröder, nun als russlandnaher Wirtschaftslobbyist mit vielfach äußerst fragwürdigen Praktiken. Wobei er sich bereits zuvor gerühmt hat, den besten Niedriglohnsektoren in ganz Europa aufgebaut und damit u.a. Ressourcen aus den sozialen Sicherungssysteme abgezogen zu haben. Arbeitslosengeld II, bekannter als Hartz IV, wurde ausgerechnet unter Regierung der SPD eingeführt. All dies und noch viel mehr ausgerechnet von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, einer Partei, welche sich seit Jahren als anscheinend stimmlose Steigbügelhalter der CDU/CSU betätigt.

    Wie oben geschrieben, ist dies rein exemplarisch, die anderen großen Parteien sind ebenfalls nicht frei von Verfehlungen, absolut nicht frei. Wobei auch alle Ebenen betroffen zu sein scheinen, z.B. EU-Abgeordnete, die ihre weiteren, politisch durchaus relevanten Einkünfte nicht angeben, eine Familien-Arbeits-Verteidigungsministerin - achtet überhaupt jemand auf Kompetenz bei der Vergabe von Ämtern? -, die wiederholt und folgenlos der Korruption verdächtigt wird, die vehemente Verteidigung einer betrügerischen Autoindustrie, da werden auch mal entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse die Grenzwerte für Schadstoffe erhöht und damit die Gesundheit der Bevölkerung der Industrie geopfert, da bezahlen Amazon - haben sie ihre Idee, Angestellte in Käfige zu stecken mittlerweile umgesetzt?-, Microsoft, Apple, Alphabet und andere hunderte Milliarden bis über eine Billion Dollar schwere Unternehmen mitunter weniger Steuern als der Bäcker von nebenan, der Flughafen bzw. die funktionsunfähige Ruine ist nun bereits 9 Jahre im Verzug und kostet mehr als das 7fache der ursprünglichen Planung, während an der Schule des Sohnes oder der Tochter der PC-Raum noch immer mit MS Office 2002 läuft...

    Dabei muss sich im Grunde gar nicht mit solchen Details aufgehalten werden, Details, welchen vielen gar nicht bekannt sind, nicht verstanden oder wieder vergessen wurden, allein schon, weil viele Menschen nach 40 Stunden Arbeit in der Woche schlicht derart erschlagen sind, dass sie dafür weder Zeit noch Lust haben. Stattdessen genügt ein Blick auf die allgemeine Entwicklung. Die Inflation ist in den letzten Jahrzehnten konsequent gestiegen, die Löhne nicht, als Folge sinkt für viele Menschen die Kaufkraft. Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt bedeutet für viele Menschen eine extreme Verunsicherung und eine erhebliche Einschränkung auch nur der deutlichen rechtlich Verfehlungen ihrer Arbeitgeber zu erwehren, aus Angst diesen unterbezahlten Job zu verlieren. Neben schlechten Arbeitsverhältnissen ist auch Arbeitslosigkeit ein großes Thema, selbst wenn die Bundesregierung Menschen mit Erkältung, Hausfrauen und Hausmänner, in häufig recht sinnlosen Umschulungen gezwungene Personen und viele mehr aus den offiziellen Zahlen herausrechnet. Allgemein geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Wer glaubt wirklich, dass ein hart arbeitender Mensch mit abgeschlossener Ausbildung und voller Stelle nur 1 % oder weniger des Gehaltes seines Vorgesetzten verdienen sollte. Einer Studie des UNI-WIDER zufolge besaß bereits im Jahr 2000 das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung 40 % des Weltvermögens. Die reichsten 10 % besaßen zusammen 85 % des Weltvermögens, die ärmeren 50 % zusammen nur 1 %. Dies entspricht einer Situation, in der von 100 Personen eine Person 85 % besitzt, während die anderen 99 Personen sich die übrigen 15 Prozent teilen. Dies hat sich bisher bloß weiter verschärft: Im Jahr 2016 hatten die 62 reichsten Menschen gemeinsam so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, d.h. mehr als 3709000000 Menschen zusammen. Wer will denn unter solchen Umständen ernsthaft behaupten, diese geballte Finanzmacht hätte keinerlei Auswirkungen auf die Politik? Da verwundert auch nicht, warum z.B. bei all den Befreiungskriegen der USA bevorzugt Ölquellen gerettet und im Rahmen der Bankenkriese die Banken und nicht die Schuldner gerettet werden, das verzockte Geld der Superreichen diesen erstattet und den kommenden Generationen als Schulden aufgeladen werden, noch immer fern einer brauchbaren Regulierung der Banken und Börsen.


    Einfach ausgedrückt, müssen und kann vielfach von der Mehrheit der Bevölkerung kaum verlangt werden, sich als Experten der Wirtschaft, der Politik und Geschichte zu behaupten und ja, selbst Idioten müssen nicht lange gesucht werden, aber nicht zu bemerken, dass nicht nur national, sondern international einiges nicht korrekt verläuft, schaffen mittlerweile nicht einmal mehr diese Idioten.

    Warum wählt eine Mehrheit der Menschen Politiker/Parteien die von vornherein schon sagen, dass sie nicht das machen werden, was die Mehrheit der Bevölkerung gut findet? Als extremes Beispiel kann man hier in Deutschland die Linkspartei anführen. Für viele der Positionen, mit denen sie antreten gäbe es eine Mehrheit in der Bevölkerung. Aber gewählt werden sie von einer Minderheit.

    Dies ist ein Punkt, der mich an das Sprichwort erinnert: "Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist verdammt sie zu wiederholen. Wer hingegen aus der Geschichte lernt, ist verdammt zu beobachten, wie sie andere wiederholen."

    Einerseits ist korrekt, dass noch immer Menschen viele Menschen aus Gründen wählen, welche mir schlicht idiotisch erscheinen. Da wird z.B. die CDU gewählt, weil unbedingt eine Frau die Führung übernehmen soll, egal ob sie gut oder schlecht ist, oder weil die Partei dem Namen nach christlich ist oder vielleicht auch weil der Papa und der Opa die schon immer gewählt haben oder weil der vor Ort befindliche Politiker dieser Partei auf den Plakaten so sympathisch aussieht und auf dem letzten Dorffest ein Würstchen spendiert hat. Manchmal frage ich mich, ob für die Gültigkeit einer Stimme ein Grundbildungstest bestanden werden sollte, z.B. müsste die Person mindestens einen Hauptschulabschluss besitzen und drei einfache Fragen zum Wahlprogramm der Partei beantworten können.

    Andererseits ist jedoch auch ein Trend zu den Extremen zu beobachten, leider insbesondere nach rechts. Die Menschen wollen Veränderung, doch wissen scheinbar nicht alle, wie diese auch gelingen kann oder benehmen sich widersprüchlich, wollen z.B. schnelle, sichere Veränderung, ohne das Wagnis eingehen zu müssen, das mit Veränderung zwangsläufig einhergeht. Darüber hinaus scheinen mir Parteien wie z.B. die AfD, welche ich selbst nie wählen würde, einen großen Teil der Bevölkerung auf genau der richtigen Basis anzusprechen, denn unabhängig von den konkreten Inhalten, die vermutlich für einen größeren Teil ihrer Wähler in ihrer Umsetzung schädlich wären, schafft sie doch ein Gefühl von Gemeinschaft und positiver Veränderung zu vermitteln; wir sind ein Volk, wir müssen und endlich wieder um uns kümmern und nicht um die Anderen, wir sind die Guten, das sind die Bösen, wir brechen mit Konventionen und bewahren doch gute Traditionen usw.

    Da hilft wenig, dass die Linkspartei vielfach grundlegend mehrheitsfähige Konzepte vertritt. Gute Lösungen sind nicht immer einfache Lösungen. Imho sollte die Linkspartei ihr Programm besser verkaufen, insbesondere ebenfalls mehr das "Wir" ansprechen. Stattdessen positioniert sie sich vielfach gezielt als Partei der Minderheiten. Zudem werden sie vielfach als naive Gutmenschen diffamiert; mitunter scheint gar der deutsche Wähler zu glauben, dies sei alles zu schön, um wahr zu sein. Vielleicht stört aber auch nur eine Kleinigkeit, wie z.B. ein Extrem an Förderung des weiblichen Geschlechts, das mittlerweile zum offenen Sexismus gegen Männer ausartet.
    Schließlich bleibt noch das Problem, dass sich immer mehr Menschen der Verzweiflung hingeben, ohnehin nichts ändern zu können, oder sich schlicht von keiner Partei hinreichend vertreten sehen.