• Hallo,


    vielleicht mag meine Frage etwas kleinkariert daher kommen, aber wir haben uns gestern am Spieltisch die Frage gestellt, wieso man die Charaktere immer als Helden bezeichnet.

    Tut man gar nicht mehr. Gleich zu Beginn des aktuellen Regelwerkes findet man diesen Kasten:

    Zitat

    Begrifflichkeiten

    Wir haben uns dafür entschieden, die Begriffe „Spielleiter“ und „Meister“ bzw. „Held“, „Abenteurer“ und „Spielercharakter“ synonym zu verwenden. Wenn

    also von einem Helden oder einem Abenteurer die Rede ist, dann ist damit der Spielercharakter gemeint. Der Begriff „Meister“ bezeichnet bei Das Schwarze

    Auge schon seit der ersten Edition den Spielleiter, sodass wir diese Bezeichnung ebenfalls weiterführen.

    Offiziell gibt es also keinen Unterschied zwischen Charakteren, Helden und Abenteurern bei DSA.

    Für mich sind diese drei Dinge jedoch etwas anderes.

    Wenn ich als SL "Helden" verlange, dann möchte ich auch Helden haben. Keine Gestalten die einfach nur Abenteuer erleben oder in ihrem Beruf leben, sondern solche die sich bewusst fürs Gute einsetzen und nicht wegsehen, wenn es Missstände gibt (und zwar auch wenn die Chancen schlecht stehen).

    Abenteurer sind für mich hingegen Leute bei denen es um den Nervenkitzel, die Suche nach Ruhm und Reichtum etc. geht (Helden können durchaus auch Abenteurer sein, Abenteurer sind aber keine Helden - meistens jedenfalls ;) und sie wiegen durchaus ihre Chancen und das Risiko ab).

    Charaktere sind bei mir hingegen "Normalos", beispielsweise die erste Bäuerin aus dem Bsp.

    Wir spielen eben nicht die einfache Bäuerin aus Andergast, die sich bei Anzeichen von Gefahr in ihrem Häuschen verbarrikadiert und hofft, dass es sie und ihre Lieben nicht trifft. Wir spielen die Bäuerin, die sich bewaffnet und dem Ork entgegentritt. (Und hoffentlich nicht allein, sonst wär's ein Soloabenteuer.)

    Bislang hatte ich eine Kampagne geleitet, die sich ausdrücklich an "Charaktere" richtete und bei der keine typischen Heldenklassen zulässig waren. Es durften nur ganz normale Bürger gespielt werden (keine Kämpfer, Zauberkundige, Geweihte...). "Normalos im Angesicht des Abenteuers" war hier der Kampagnenhintergrund.

    Die meisten Abenteuer können von Abenteurern gespielt werden, aber einige sind einfach für Helden gemacht. In meinem letzten Abenteuer bin ich genau damit auf die Schnauze gefallen:

    Ich habe Helden von den Spielern gefordert und die tollen "Helden" haben sich dann feige versteckt und dem Unheil zu gesehen und was kam von den Spielern? "Mein Typ ist eher kein Held, sondern ein Charakter...""Ja, meiner auch" *zustimmendes Nicken der Runde* :S

    Ich bin offensichtlich nicht der Einzige der hier trennt.

    Manche Abenteuer sind auch für echte Helden ungeeignet...

    Im allgemeinen Sprachgebrauch verwenden wir meist den Begriff "Helden" für SC, einfach weil wir diesen durch viele Jahre DSA gewohnt sind. Die genaue Ausrichtung (im Sinn der o.g. Teilung) ist damit aber nicht gemeint. Viele echte Helden gab es da auch gar nicht und die Masse waren eher Abenteurer (im Sinne der Teilung).

    Einmal editiert, zuletzt von x76 (28. Dezember 2018 um 23:02)

  • Klar gibt es Situationen wo die Spieler irgend etwas "heldenhaftes" tun, aber ich persönlich würde meinen Charakter jetzt nicht als Held bezeichnen.

    Held ist für mich ein Begriff für Gestalten aus klassischen Sagen und Mythen, und ich sehe mich im Spiel eher als Individuum. Wenn ich z.B. eine normale Heilerin und/oder Bäuerin aus Andergast bin,

    unterscheidet mich das ja nicht wirklich so sehr von meiner NSC-Nachbarin, die nebenan wohnt und ggfs. die gleiche Profession hat; außer, dass ich vielleicht mit anderen meine Heimatstadt verlasse, um einem Suchauftrag nachzugehen.

    Ich persönlich verwende den Begriff "Held" und "Meister" kaum noch bzw. empfinde deren Verwendung teilweise sogar als abschreckend und kindisch (verzeiht, wenn sich jemand angegriffen fühlt: ich spreche nur von meinen persönlichen Gefühlen und möchte keine pauschalisierende Aussage treffen) . Ich spiele verschiedene Systeme und deshalb sind für mich Charakter und Spielleiter_in die allgemeingültigen Begriffe.

    Gleichzeitig bin ich aber überaus froh, dass ich parallel zu AD&D mit den gängigen DSA-Bezeichnungen sozialisiert wurde.

    Die klassische Fantasy-Pen and Paper-Gruppe spielt nämlich (abgesehen von speziellen Spielsystemen oder Experimenten) in einem Setting, in welchem die Spielwelt (und somit der Spielleiter mit seiner Abenteueridee) generell davon ausgeht, dass die Spieler "das moralisch Richtige tun", also z.B. Entführte retten, Schwache beschützen, keine Städte durch Brunnenvergiftung auslöschen, etc. "Helden" sind also "die Guten", deren Wege zwar oft brachial, ungehobelt oder sogar gänzlich gesellschaftsschädigend sein mögen, aber deren Ziel es ist "zu Helfen" (und ganz nebenbei Ruhm und Reichtum zu sammeln). Demnach macht die Moral das heldenhafte aus, denn der Begriff trifft nicht nur auf strahlende Ritter, sondern sowohl auf tiefgraue Charaktere, wie auch auf Bauern zu, wenn sie an den entscheidenden Momenten des Lebens richtig handeln und immer tiefer in wichtige Angelegenheiten hineingezogen werden.

    Die Bedeutsamkeit des Handelns ist natürlich Vorraussetzung.

    Das Lieblingsschnupftuch der traurigen Holzfällerin im Wald zu suchen mag zwar moralisch das Richtige sein, aber es ist wahrscheinlich keine heldenhafte Tat. Wäre dieses Schnupftuch jedoch der Schlüssel, um den Fluch über der gesamten Region zu lösen, der aus der unglücklichen Liebe zwischen der Holzfällerin und einer Fee entstanden ist, dann wahrscheinlich schon.

    Je gewöhnlicher ein Charakter zu Spielbeginn wirkt (also beispielsweise eine einfache Profession wie Flickschuster oder Melkhilfe besitzt) desto überraschender mag die Wandlung zum Helden wahrgenommen werden. Tolkien hat mit der Figur des Sam Gamdschi (mehr noch als bei Bilbo Beutlin) einen einfache Person (Gärtner vom Lande) geschaffen, die in welterschütternde Ereignisse hineingezogen wird und sich durch Loyalität, Mut und Entschlossenheit zum eigentlichen Helden der Geschichte wandelt (von den Historikern aber selbstverständlich gar nicht wahrgenommen wird, weil es ja immer nur um Harry Potter Frodo geht^^).NAch einem ähnlichen Schema funktionieren auch einige Heldengenerationen aus der Shannara-Reihe.

    Auch sehr graue Charaktere können "gute Helden" werden, weil sie zufällig/vom Schicksal auf die "richtige Seite" gespült wurden (und aufgrund des Gruppendrucks nicht mehr auskönnen ;) ) oder weil sie die andere Seite aufgrund persönlicher Vorerfahrungen/ individuellen Einstellungen/ egoistischen oder opportunistischen Überlegungen nicht wählen wollen oder können. Raistlin aus dem Dragonlance-Zyklus ist zu Beginn so eine graue Figur, die lange Zeit auf der Seite des Guten steht, da er die SC kennt, diese auch braucht und weil er viel zu arrogant ist, sich der Finsternis zu beugen, die seine Heimat überrollt (ich spreche vom jungen Raistlin wohlgemerkt!^^).

    Zwischenfazit: Es ist egal ob DU ein strahlender Ritter, ein egoitischer Schwarzmagier oder ein 1 Meter großer Bauerntölpel bist. Wenn die Ereignisse stimmen und DU auf der Seite des Guten stehst, dann wirst auch DU zum Helden!

    Blöd ist halt, wenn es gerade keine weltbewegenden Vorkommnisse gibt, aber zum Glück kann das eure Spielleitung direkt beeinflussen...

    Doch jede Tat, so klein sie auch erscheinen mag, kann "Heldentum" mehren. Wenn man der kleinen Alrike ein Holzschwert schnitzt, wird man wahrscheinlich auf Ewigkeiten in ihrem persönlichen Heldenhimmel weiterleben.

    „Perspective, you see a hero, they see the final boss of the dungeon crawl.“

    Rettet man eine Dorfbevölkerung vor den Zorganpocken, so wird man regional und in manchen Gelehrtenkreisen wahrscheinlich zum Helden gekürt. Für die Überlebenden ist man entweder ein halber Gott oder aber ein hassenswertes Objekt, wenn sie beispielsweise die Wahrheit kennen, mit welchen drastischen Mitteln die Seuche eingedämmt wurde...

    Die Mohas hingegen haben noch nie von dieser Tat gehört, sie erzählen sich lieber die Heldengeschichte wie Tapam-He die Sonne stahl.

    Fazit:

    Kleine Taten - kleiner Personenkreis, der den Heldenstatus (an)erkennt

    Große Taten - großer Personenkrei, der den Heldenstatus anerkennt

    Großartige Helden werden oftmals gar nicht als diese erkannt, da Alrike Ogerschlächterin ja wahrscheinlich 2 Meter groß war, goldfarbene Zopfe trug und eine glänzende Hellebarde führte. Die echte Alrike Ogerschlächterin, ehemalige Schankmaid mit roten Haaren, die sich als Weibel an der Trollpforte mit Ogerblut und Ruhm bekleckerte, führt danach ein einfaches und bescheidenes Leben, unbeachtet von den meisten Mitbürgern (ausser ihrem ehemaligen Trupp und einem Grafen, der sie ab und an besucht), während die Legende sich verselbständigt hat.

    Und aus dem Chaos sprach eine Stimme: ´Lächle und sei froh, denn es könnte alles viel schlimmer kommen.` Also lächelte ich, war froh und es kam schlimmer...

    Im Balash gibt es auf alle Waren 19% Mherwed-Steuer

  • Charaktere, ob nun Helden(was auch immer man darunter verstehen mag) oder nicht, haben Bedürfnisse. Mit leerem Beutel und knurrendem Magen ist schwierig selbstlose Heldentaten zu vollbringen. Die wenigsten werden völlig selbstlos handeln.

    Der Drache der die Jungfer entführt hat, wird nur selten erschlagen, weil Entführung unrecht ist, sondern weil:

    • Die Familie der Jungfer eine Belohnung ausgesetzt hat
    • Mindestens einer der Helden sozial mit der Jungfer verbunden ist (Schwester, Freundin, Verlobte, etc.)
    • Jemand das Problem gelöst haben möchte und Einfluss auf die Helden ausübt (der Baron will nicht, dass in seiner Baronie Jungfern entführt werden und schickt seine Ritter los)
    • Jemand die Leiche des Drachen ausschlachten möchte
    • ...

    Die meisten Abenteuer können von Abenteurern gespielt werden, aber einige sind einfach für Helden gemacht. In meinem letzten Abenteuer bin ich genau damit auf die Schnauze gefallen:

    Ich habe Helden von den Spielern gefordert und die tollen "Helden" haben sich dann feige versteckt und dem Unheil zu gesehen und was kam von den Spielern? "Mein Typ ist eher kein Held, sondern ein Charakter...""Ja, meiner auch" *zustimmendes Nicken der Runde* :S

    Schreib für die Helden Prinzipientreue/Moralkodex und evtl. Apanage vor und schon kann sich keiner mehr rausreden. Selbstloser Held zu sein ist in DSA ein Nachteil. Die Charaktere werden dadurch nämlich bisweilen zu Handlungen gezwungen, die für sie nachteilhaft sind. Es kann natürlich trotzdem Spass machen solche Helden zu spielen.

  • Viele gute Antworten hier, die aber vor allem eines verdeutlichen:

    So streng ausgearbeitet auch DSA ist, jede Gruppe spielt anders, heisst unterschiedlich Sachen gut und bevorzugt andere "Settings".

    Unterm Strich kommt dabei raus, daß jeder es genau so machen soll, wie er es für richtig hält. Den um erster Linie geht es um Spaß, den man in der knappen Zeit erleben kann.

    Am Beispiel der Andergaster Bäuerin:

    Findet es jemand gut hier eine Landwirtschaftssimulation draus zu machen und den Abend damit zu verbringen das Feld zu bestellen - - > go for it!

    Will jemand anderes von Zero to Hero damit Spielen und interessiert sich dafür wie sich profanste "Charaktere" zu "Helden" entwickeln, dann auch das.

    Das gleiche gilt dann auch für die Weidener Ritter, Andergaster Kampfmagier und Xorloscher Drachenkrieger Gruppe (Mist ich hab den Quoten Streuner vergessen) die sich wohl im klassischen Sinne mehr als Helden definieren.

    Viel von der Begrifflichkeit kommt von den alten Publikationen. Wo einerseits noch vom Heldenbogen aka Charakterdatenblatt gesprochen wurde und der Spielleiter auch der Meister war. Stand ja so auch in den Büchern, hat man sich also so angewöhnt.

    In den Büchern wurde es so beschrieben, daß es in einer Zeit entstanden ist, wo es auch einfach noch klassische Helden waren und niemand wirklich die Idee bzw das Bedürfnis hatte ne Andergaster Bäuerin zu spielen, sondern lieber Alrik den Drachentöter.

    Aber, jeder wie er es mag. Stand nicht irgendwo mal drin: Jeder Gruppe hat den Meister den es verdient (oder wie der Spruch ging).

    Ps: ich werde mir jetzt erstmal ne Andergaster Landwirtin erschaffen. Scheint ja Potenzial zu haben, wenn die jeder spielt ;)