[FSK18] Valerias Jugendjahre

  • Valeria fühlte sich in ihrer klammen Kleidung unwohl, aber ihr Befinden musste warten.

    Sie fand Efferdin hinter einem Busch kauernd, mit freiem Blick auf das Tor. Sie stellte sich seitlich von seinem Versteck hinter einem anderen Baum auf und flüsterte: »Ich bin hier.«

    Ihr Meister schreckte auf, fasste sich aber sehr schnell wieder. »Valeria – geht es dir gut? Hast du es nicht hinein geschafft?«

    »Gleich. Leise, die Wachen sind auf Posten. Komm mit.«

    Sie führte ihn um die Wehranlage zur Rückseite des Wohngebäudes. Ihr Seil hing durch ein kreisrundes Loch im ersten Stock der ansonsten robusten Außenfassade. Sie kletterte zügig hinauf, und Efferdin folgte ihr unaufgefordert.

    Im Schlafraum des Vogts richtete er sich auf – und schaffte es nicht ganz, sein Auflachen zu unterdrücken.

    Der Vogt stand seiner Liegestatt zugewandt aufrecht am Fußende seines Himmelbetts, die Knöchel an die Beine des Betts gefesselt und die Handgelenke an die Kronen des Betthimmels. Außer Augenbinde und Knebel trug er nichts am Leib.

    Striemen an Rücken und Gesäß zeugten von einer »liebevollen« Behandlung im Al’Anfanischen Stil, und eine weiße Pfütze auf der Matratze vom Erfolg dieser Behandlung.

    »Er hat mir alles erzählt«, sagte Valeria fröhlich. »Es gibt einen Nichtangriffspakt zwischen seinen Leuten und den Räubern. Die Räuber profitieren von der Beute ungeschützter Karawanen, und der Vogt von den Schutzgebühren für die Wagenzüge, die sich von seinen Leuten begleiten lassen. So ist es jedenfalls angedacht – das Vorhaben läuft gerade erst an.«

    Efferdin nickte. »Die Räuber sollen für Nachfrage sorgen. Aber was wollte er mit uns? Unser Geld?«

    »Nein. Es ist wohl eine Bedingung des Räuberhauptmanns, dass der Vogt sich auch selbst die Hände schmutzig macht – beziehungsweise blutig.« Sie nickte in Richtung des Vogts. »Er hat mir das geplante Ritual in allen grausamen Details geschildert. Er wusste aber nicht, dass es sich tatsächlich um eine Anrufung des Jenseitigen Mordbrenners handelt.«

    »Was?« Efferdin starrte sie entgeistert an.

    Valeria nickte. »Wir müssen davon ausgehen, dass unter den Räubern ein Paktierer oder so was ist.«

    »Aber dann – wie kommen wir am Schnellsten hier weg?«

    »Er hat mir auch geschildert, wie wir das Versteck der Bande finden können. Es liegt einige Stunden von hier auf einer Waldlichtung am Fuß einer Felsklippe. Das können wir diese Nacht noch schaffen.«

    Efferdin schüttelte den Kopf. »Jetzt willst du dich auch noch mit einer Räuberbande und einem Dämonenpaktierer anlegen?«

    »Nein, das will ich nicht.« Sie lächelte ihn an. »Die Bande überlasse ich dir und den Männern des Vogts. Ich bin überzeugt, dass keiner von denen seine Seele der Seelenmühle überantworten möchte. Ich übernehme den Paktierer.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Zu Efferdins nicht geringem Erstaunen hatten sich die Männer des Vogtes ohne Zögern für die »gute« Seite entschieden – der Pakt mit den Räubern hatte viele von ihnen schon gestört, doch diese hatten nicht gewagt, sich zu äußern, weil sie nicht wussten, wie ihre Kameraden darüber dachten. Doch mit einem Dämonenbeschwörer gemeinsame Sache zu machen, das kam nicht in Frage. Manche fürchteten zu Recht den Zorn der Inquisition, aber noch mehr fürchteten um ihr Seelenheil. Die Meisten hofften jedenfalls, sich mit einem Feldzug gegen die Räuber rehabilitieren zu können, und Efferdin und Valeria bestärkten sie in dieser Hoffnung.

    Der Einzige, der sich keiner falschen Hoffnung hinzugeben brauchte, war der Vogt, der nun in seinem eigenen Kerker auf seinen Prozess wartete. Sein Landesherr würde über die Nachrichten zweifellos wenig erbaut sein – gnädig stimmen mochte diesen vielleicht noch die erfolgreiche Befreiung des Landes von einer finsteren Bedrohung.

    Nun lauerte Valeria am oberen Rand der Klippe, verborgen unter einem Busch, und beobachtete das Treiben im Räuberlager runde fünfzehn Schritt unter ihr.

    Im anhaltenden leichten Regen blieben auch die Wachtposten oben auf der Klippe lieber in ihren Umhang eingemummelt unter schützenden Zweigen sitzen als entlang des Klippenrands zu patrouillieren, und so blieb sie unbelästigt.

    Die Feuerstellen im Lager waren heruntergebrannt und vom Regen weitgehend ausgelöscht. Einige Laternen spendeten trübes Licht und erhellten weitere Wachtposten für Valerias prüfenden Blick. Valeria interessierte sich jedoch mehr für die Spuren magischer Kraft, die der Oculus Astralis ihr offenbarte, und die in ein Zelt in der Mitte des Lagers führten. Dort musste sich der Dämonenbündler aufhalten.

    Ihr blieb wenig Zeit, also ließ sie die Matrix verwehen, konzentrierte sich wieder auf ihre weltliche Sicht, und untersuchte die Felswand unter ihr nach dem besten Weg für einen Abstieg. Damit rechnet heute Nacht keiner, dachte sie sich.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Ihre weichen Stiefel setzten geräuschlos auf dem Boden am Fuß der Felswand auf. Geschafft! Valeria duckte sich in den Sichtschutz eines Zeltes.

    Sie musste hoffen, dass Efferdin mit den Gardisten bereit war. Immerhin hatte sie bisher keine verräterischen Geräusche vernommen, oder jedenfalls keine, die das Schnarchen einiger Räuber übertönen konnten.

    Vereinbarungsgemäß würde sie das Zeichen zum Angriff geben. Unübersehbar, hatte sie Efferdin versprochen.

    Zur Vorbereitung hüllte sie sich in einen magischen Schild. Dann konzentrierte sie sich und schlich auf das Zelt des Dämonenbündlers zu. Am Eingang hielt sie inne und prüfte ihre Konzentration erneut. Ein schneller Blick durch den Spalt zwischen den Zeltbahnen offenbarte ihr zwei Schlafende – eine Frau an dem Platz, den sie als Ziel ausgemacht hatte, und ein kräftiger Mann gleich neben ihr. Soso, stellte sie fest, der Räuberhauptmann treibt es also mit seiner magischen Fachkraft?

    Wie hinterhältig von mir, schalt sie sich selbst, und dann trat sie ein und ließ die vorbereitete Feuerlanze auf die Schlafende los, gleich gefolgt von zwei Blitz dich find auf beide Personen.

    Bettlaken und Haare ihres Opfers gingen in Flammen auf. Die Dämonenbündlerin schrie wie am Spieß, und der Räuberhauptmann fuchtelte wild um sich, versuchte, eine Waffe zu ergreifen.

    Valeria machte einen schnellen Schritt vorwärts und kickte sein Schwertgehänge beiseite, dann zielte sie und bohrte ihr Florett in seinen Hals.

    Neben sich hörte sie einen Schrei: »Xarfai!«

    Ein zweiter Stich mit ihrem Florett erstickte auch den Zorn der Paktiererin, doch zu spät. Schon formte sich ein schwarzer Nebel über der Schlafstelle, bildete die drei Schritt große Gestalt einer geduckt stehenden Raubkatze mit säbelartigen Fangzähnen aus – die gefürchtete Form eines Zants.

    Dessen erster Angriff konnte ihren Schild nicht durchdringen, doch seine schiere Kraft hatte sie zu Boden geworfen, und nun konnte sie sich kaum noch bewegen, während seine Klauen weiter an ihrem Schutz kratzten.

    Was auch immer sie tat, es musste schnell gehen, also blieb ihr keine Wahl. Sie bewegte eine Faust in Richtung des Dämons und rief »Fulminictus!«

    In den Zauber legte sie alle magische Kraft, die sie noch hatte, und immerhin: Der Dämon erhob sich, so weit das Zelt es erlaubte, brüllte, und holte mit beiden Vordertatzen aus.

    Valeria hatte damit den nötigen Platz, ihr Florett vor sich zu bringen, und als der Zant sich wieder auf sie stürzte, stürzte er sich in ihre Klinge. Das Heft ihrer Waffe bohrte sich schmerzhaft in ihren Bauch, doch dann spürte sie Entlastung, als der getroffene Dämon sich in eine stinkende Pfütze aus Dämonenschleim verwandelte, der sich über ihre Kleidung ergoss.

    Sie rappelte sich mühsam auf und warf dem Hauptmann und der Beschwörerin einen prüfenden Blick zu – beide rührten sich nicht mehr. Der Körper der Frau fiel in sich zusammen – hatte sie sich schon zu weit in die Verdammnis vorgewagt?

    Dann wurden die Flügel des Zelteingangs aufgerissen und zwei Räuber schoben sich mit gezückten Kurzschwertern herein.

    Valeria ging in Position, ihr Florett vor sich, den pochenden Schmerz in ihrem Leib ignorierend. Sie würde sich teuer verkaufen!

    Die Räuber zögerten. Erst jetzt kam Valeria dazu, den stechenden Schwefelgestank wahrzunehmen, das leichte Brennen der Dämonensäure auf ungeschützten Hautstellen, die Schmiere auf ihrer Kleidung und ihrer Klinge. Sie lächelte grimmig.

    Die beiden Räuber rissen die Augen auf. Dann entschieden sich beide zugleich, ihre Klingen fallen zu lassen und den eiligen Rückzug anzutreten.

    Valeria lachte ihnen nach.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Efferdin fand Valeria nackt vor dem brennenden Zelt des Räuberhauptmanns. Sie war gerade dabei, sich mit einem weiteren Wasserschlauch die Dämonensäure abzuspülen und ignorierte die interessierten Blicke der beiden Gardisten an seiner Seite.

    »Hattest du Schwierigkeiten?« fragte er.

    »Nicht der Rede wert.« Sie deutete auf seinen Rucksack. »Du könntest mir aber eins von deinen Ersatzhemden leihen. Meinen Kram musste ich verbrennen.«

    Er musterte sie genauer. »Bist du zu nah ans Feuer gekommen? Deine Haut sieht schlimm aus.«

    »So ähnlich. Säure.« Valeria lehnte sich zurück und goss Wasser über ihren Hals und die Schultern. Sie empfand die kalte Flüssigkeit, die ihr über die Brüste und Beine hinabrann, als sehr erfrischend, auch wenn sie davon eine leichte Gänsehaut bekam.

    »Säure? Wer kämpft denn mit Säure?«

    »Ein Zantoider.« Seine ratlose Miene veranlasste sie zu einer Erklärung. »Ein Dämon aus dem Reich des Jenseitigen Mordbrenners. Die Paktiererin fand noch die Zeit für eine Anrufung.«

    Efferdin schüttelte langsam den Kopf. »Valeria, du willst mir doch nicht erklären, dass du mit einem Dämon gekämpft hast?«

    »Doch, genau das, und ich habe ihn in seine Sphäre zurückgeschickt.« Sie warf den geleerten Wasserschlauch zur Seite. »Kann ich jetzt bitte ein Hemd haben, bevor deinen Begleitern die Augen aus dem Kopf springen?«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Havena

    Efferdin warf einen tiefen Blick in seinen fast leeren Bierkrug. »Havena lassen wir besser aus.«

    »Warum?« Valeria merkte, dass hinter seiner Aussage noch mehr steckte. Sorge?

    »Havena ist speziell, gerade für dich.« Er schnippte gegen seinen Krug und winkte der Schankmaid. »Magier sind dort nicht willkommen.«

    »Das ist doch nichts Besonderes.«

    »Magie ist in Havena verboten. Wenn man dich dort erwischt, kann ich dir nicht mehr helfen.«

    Dann erläuterte er ihr die Hintergründe des Verbots.

    »Du siehst, wir lassen Havena besser aus.«

    »Ich verstehe, dass ich dort besonders darauf achten sollte, keine Magie anzuwenden.«

    »Das reicht nicht. Du solltest dort nicht als Magierin ohne Siegel auftauchen.«

    Valeria lächelte. »Ohne Siegel bin ich keine Magierin. Nur ein Mensch mit astraler Kraft, und dafür kann ich nichts.« Dann nahm sie seine Hand. »Vertrau mir. Ich komme auch so klar.«

    Efferdin war noch nicht überzeugt. »Wie willst du dann unserem Ziel auf den Zahn fühlen?«

    »Gar nicht. Ich werde mich umhören, was andere Havener von ihm halten – vor allem die, die er für dunkle Geschäfte brauchen würde.«

    »Nein, Valeria!« Efferdin zog seine Hand fort. »Nein. Mit der Havener Unterwelt ist nicht zu spaßen.«

    »Ich komme aus Fasar, Efferdin. Mit der Fasarer Unterwelt ist wirklich nicht zu spaßen. In Havena werde ich dagegen Spaß haben. Es ist eine Hafenstadt, oder nicht?«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Havena hatte seine herrschende Oberschicht wie Fasar seine Granden. Und wie in Fasar gab es auch in Havena diejenigen, die nicht auf den Brücken wandelten: die Unterwelt. Darüber musste Valeria mehr erfahren, ohne sich dabei zu exponieren. So etwas konnte unangenehm werden – diese Lektion hatte sie in Fasar gelernt.

    Da sie keine Beziehungen zum örtlichen Phextempel hatte, fiel das Besenprogramm aus. Stattdessen ver- beziehungsweise entkleidete sie sich als Hafendirne. In den schäbigsten Kneipen der Havener Unterstadt begann sie so auffällig und zugleich unauffällig ihre Erkundigungen. Wer hatte in dieser Stadt das Sagen? Vor wem musste man sich in Acht nehmen? Wem musste sie ihr Schutzgeld bezahlen?

    Die Männer waren grob und schmutzig und ihr anfangs zu ungeduldig. Doch sie ließ sich nicht davon abbringen, Rahjas Gebote zu verbreiten, in kleinen Schritten, nach und nach. Sie bestimmte, was passierte. Sie entschied, wer für ihre Zwecke nützlich war. Sie hörte zu, auf der Straße, im Schankraum, im Bett, und sie lernte. Sie erfuhr, wer sich mit den Hafenmeistern und Torwächtern gut stellte. Sie lernte, wie man die offiziellen Zutrittskontrollen der Stadt umgehen konnte. Sie wusste, welche verheirateten Männer und Frauen es mit Travias Geboten nicht so genau nahmen. Sie hörte gut zu, wenn es darum ging, wen man schmieren musste, um Zugang zu wichtigen Personen zu bekommen. Sie merkte sich die Namen von Personen, die man für heikle Aufgaben anheuern konnte. Sie bekam eine Ahnung, wo man Fundstücke zu Geld machen konnte – vor allem solche, die noch gar nicht verloren gegangen waren.

    Tage wurden zu Wochen. Einige Male sah sie Efferdin auf der Straße, auf dem Markt oder im Tempel – er sah die verführerische Hure, aber erkannte seine Reisegefährtin nicht. Zu seiner Beruhigung hinterließ sie in unregelmäßigen Abständen die vereinbarten Zeichen.

    »Babsi« wurde der Geheimtipp für Männer, die sich mal etwas gönnen wollten. Bald wurde sie der Tipp für Männer, die sich etwas mehr leisten konnten, und sie wechselte ihr Revier. Ihre Rolle wurde einträglicher, ihre Freier kultivierter, ihr Einsatz rahjagefälliger.

    Bald hatte sie den Eindruck, halb Havena zu kennen. Nur über ihr Ziel hörte sie nichts.

    Dafür konnte es zwei Gründe geben. Einerseits konnte der havenische Kontorleiter eine grundehrliche Haut sein, der man nichts zur Last legen konnte – trotz der Auffälligkeiten, wegen derer sie ihre Untersuchung überhaupt angefangen hatte – und andererseits konnte er seine Nebengeschäfte so geschickt tarnen, dass die niederen Ebenen nichts davon mitbekamen. Wenn Letzteres zutraf, dann musste sie sich einen der Bosse der Havener Unterwelt vorknöpfen.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Das havenische Gegenstück zum Fasarer Hjaldinger ging nicht einfach zu irgendeiner Hafendirne. Valeria brauchte eine Woche, um sein Umfeld auszuhorchen und daraus einen Plan zu entwickeln.

    Seine Mitarbeiter waren wie Wachs in ihren Händen – nun gut, Hartwachs.

    »Oooh Babsi«, stöhnte Narben-Alrik, so genannt wegen der Schnittwunde, die sein rechtes Auge nur knapp verfehlt hatte. »Oooh Babsi, was machst du mit mir?«

    Valeria konnte gerade nicht antworten. Die Frage verlangte allerdings auch nicht nach einer verbalen Erwiderung. Stattdessen intensivierte sie ihre Bemühungen. Seine Hände krallten sich in ihre Schultern. Dann entlud sich die Spannung in seinem ganzen Körper zusammen mit einem langgezogenen Stöhnen.

    Sie sah zu ihm auf und leckte sich genüßlich ihre Lippen ab, schluckte zweimal, dann lächelte sie ihn an.

    »Oh Babsi!« Narben-Alrik hob ihr Kinn mit einem Finger an, beugte sich zu ihr herunter und küsste sie sanft. »Wie machst du das bloß? Das kann man nicht mehr steigern!«

    »Oh doch. Ich kann.« Sie schnippte seinen Finger zur Seite und stand auf. »Das kann ich steigern – aber nicht gleich. Du brauchst eine Pause.«

    Narben-Alriks Blick ruhte auf ihrem Schoß.

    Valeria stellte einen Fuß zur Seite. »Ich weiß, was du möchtest, und ich könnte es dir geben. Jetzt gleich. Wie ist es?«

    Er schüttelte den Kopf. »Nein, Babsi. Ich muss morgen fit sein, wenn wir in die Oberstadt gehen – der Alte duldet keine Schwächen.«

    »Der Alte?«

    Narben-Alrik erblasste. »Das hätte ich nicht sagen dürfen. Er mag es nicht, wenn man ihn so nennt.«

    »Er – na gut. Ein andermal.« Sie schwang ihre Hüfte herum, nahm das dünne Tuch von der Lehne des wackligen Stuhls und knotete es zwischen ihren Brüsten zusammen. Dann wandte sie ihm die Kehrseite zu, bückte sich und stieg in das knappe Röckchen.

    »Oooh Babsi«, wiederholte er klagend.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Wenn er abends zu ihr kam, nannte er sich Edric. Tagsüber wurde er Padraig oder Meister genannt, wenn er in »seinem« Seehafen für Ordnung sorgte. Valeria gab vor, den Hafenmeister nicht zu erkennen, das gehörte zum Spiel.

    »Du warst gestern nicht da«, beklagte er sich.

    »Ich hatte zu tun.« Sie drehte sich fort und stützte eine Hand in die Seite. »Du hast gewartet?«

    »Ich – ja.«

    »Sag die Wahrheit. Du warst nicht bei Raike?«

    »D-d-doch.«

    Valeria hob einen Finger. »Soso. Und du dachtest, ich wüsste es nicht. Du gehst zu einer anderen, und dann belügst du mich auch noch. Böser Junge. Das muss bestraft werden, nicht wahr?«

    »Oh – ja.«

    »Gut, dass du das einsiehst.« Sie holte eine kleine Peitsche mit weichen Lederschnüren hervor. »Also, dann runter mit den Hosen.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • »Was willst du?« Valeria starrte Genaro so eindringlich an, dass dieser unwillkürlich einen Schritt zurückwich, soweit die schmale Hafengasse dies zuließ.

    Genaro war bekannt für seine Liebschaften mit anderen Männern, also gehörte er nicht zu ihrem üblichen Kundenkreis. Im Gegenteil – seine Anwesenheit mochte andere Freier abschrecken, also musste sie zumindest so tun, als wolle sie ihn abwimmeln. Andererseits…

    »Mein Herr würde sich gern mit dir treffen«, sagte er hastig.

    »Kann er haben. Wenn ich nicht zu tun habe, bin ich hier.« Sie nickte in Richtung der Hintertür der Hafenkneipe, in der sie später am Abend üblicherweise auf ihre Freier wartete.

    »Nein, nicht hier. Bei ihm.«

    Sie runzelte die Stirn. »Wieso das denn?«

    »Mein Herr – ähm – würde gern mit dir reden. So was hat er gesagt. Äh – kannst du nicht einfach mitkommen und ihn selbst fragen?«

    Valeria tat so, also müsste sie überlegen, sah sich in der Gasse um, und zuckte dann mit den Schultern. »Na gut, warum nicht. Geh voran, ich folge dir.«

    Während sie mit wiegenden Hüften hinter ihm her schritt, überlegte sie, wie sie die Begegnung mit seinem Herrn aufziehen wollte – frech oder eingeschüchtert? Oder ein Mix aus beidem?

    Ach was, dachte sie sich dann. Er will was von mir, also einfach kommen lassen.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Genaro führte Valeria in eine andere kleine und vom Restlicht des schwindenden Tages kaum noch erleuchtete Gasse, auf eine schmale und niedrige Tür zu.

    »Hier wohnt dein Herr also?« fragte sie spöttisch. »Wie nobel.«

    Ihr Führer grinste nur, schob die Tür auf und winkte sie auf die dahinter gähnende Düsternis zu.

    Sie zog die Augenbrauen hoch. War das eine Art von Test? »Nach dir.«

    »Ich bin nicht eingeladen«, sagte Genaro.

    »Ein intimes Treffen also.« Sie kniff die Augen zusammen, duckte sich und trat durch die Tür.

    Ein Flackern weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie gab ihren Augen noch einen Moment Zeit zur Gewöhnung, dann wandte sie sich dem Kerzenschein zu.

    »Komm herein«, sagte eine männliche Stimme.

    Jetzt erkannte sie, dass die Kerze durch einen schmalen Türspalt schien. Sie schob die Tür auf und betrat einen Raum, in dem zahlreiche weitere Kerzen für wechselnde Schattenspiele sorgten. In der Mitte des Raums stand ein niedriger Tisch, dahinter saß ein einzelner Mann. Auf ihrer Seite stand ein freier Stuhl.

    »Ich gehe davon aus, dass dieses Treffen hier unter uns bleibt«, begann er.

    »Ich bin nicht bekannt dafür, mit den Angelegenheiten meiner Kunden zu handeln«. sagte Valeria.

    »Nein, in der Tat nicht. Setz dich. Magst du einen Becher Wein? Dieser Goldfelser ist vorzüglich.«

    Sie zog den Stuhl zurück und setzte sich auf die Kante, legte die Unterarme auf den Tisch und stützte sich darauf, um ihren Ausschnitt zu präsentieren. »Lass uns zunächst das Geschäftliche klären.«

    Er lachte. »Ah, natürlich.« Dann holte er einen Lederbeutel hervor, der mit einem schweren Klirren auf dem Tisch landete.

    Valeria sah den Beutel nicht an. »Gut. Was soll ich für dich tun?«

    »Sei mein Gast. Ich möchte das Gefühl haben, mit einer guten Freundin zu Abend zu essen.«

    Das entlockte ihr ein Lächeln. »Gern. Meine Freunde nennen mich Babsi. Guten Abend –« Sie ließ den Rest der Begrüßung in der Luft hängen.

    »Maverick«, vervollständigte er den Satz. »Guten Abend, Babsi. Vielen Dank, dass du die Zeit gefunden hast, mit mir zu speisen.«

    »Es ist mir ein Vergnügen.«

    »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.«

    Noch nicht, dachte sie. Aber diesen Abend wirst du lange nicht vergessen. Vergessen wirst du nur, was du mir alles erzählt hast, dafür werde ich sorgen. Du wirst an nichts anderes denken als wann du mich wieder sehen kannst, so Rahja und Phex mir heute Nacht gesonnen sind.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • »So hat unser Kontorleiter es geschafft, ein beträchtliches Vermögen beiseite zu schaffen, ohne damit Spuren in seinen Büchern zu hinterlassen«, beendete Valeria ihren Bericht.

    »Dafür, das herauszufinden, hast du dich übel tief reingekniet«, sagte Efferdin. »Das hättest du nicht tun müssen.«

    »Doch, das musste ich«, widersprach sie. »Es stimmt schon – ich bin sehr tief eingestiegen. Angenehm war das nicht immer, aber es war erträglich, weil ich immer die Kontrolle hatte.« Erträglich, und ab und zu auch angenehm – vor allem zuletzt, aber diese intimen Details behielt sie für sich. Ganz abgesehen von dem Schatz an Informationen über Havena, Albernia, die Nachbarländer und die Vielfalt krimineller Umtriebe nicht nur ihrer Zielperson. Details, die Efferdin nicht wissen musste, die sie aber vielleicht einmal brauchen könnte. »Das war mir wichtig, ebenso wie die Mission selbst. Ich wollte vor allem mir selbst beweisen, dass ich dieses Ding durchziehen kann – ganz allein, und ganz ohne den Einsatz von Magie, vom ersten bis zum letzten Tag. Und das habe ich geschafft.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Zweitstudium

    Zunächst bekam sie das Siegel ihrer eigenen Akademie mit allen Zusätzen, wenn auch an verborgener Stelle. Dann gab Efferdin ihr zum Abschluss ihrer Dienstzeit ein Empfehlungsschreiben für ihren ungenannten Auftraggeber – so ergab sich immerhin die Gelegenheit, ihn einmal persönlich kennenzulernen, auch wenn er wenig Zeit für sie hatte. Von diesem erhielt sie ein weiteres Empfehlungsschreiben mit der Bitte um Zulassung zum Zweitstudium an Ihre Spektabilität Rhenaya Cerrillio, Leiterin des Stoerrebrandt-Kollegs zu Riva, oder genauer, des »Collegiums der Arcanen Künste und Wissenschaften sowie deren praktischer Anwendung zu Riva, gestiftet von seiner Exzellenz Stover Regolan Stoerrebrandt«, und ebenfalls eine Abgängerin der Bannakademie zu Fasar.

    Die alte Akademieleiterin warf nur einen kurzen Blick auf das Schreiben. »Na, wenn unser Sponsor es so wünscht, kann ich ja nichts dagegen haben, oder? Kannst du denn auch was?«

    Wenn nicht, hätte ich wohl kaum die Empfehlung bekommen, dachte sich Valeria.

    »Mein Abschluss war Exzellent mit besonderen Empfehlungen des Kollegiums«, sagte sie stattdessen. »Beste des Jahrgangs.«

    »Soso. Und darauf bildest du dir jetzt wohl etwas ein?«

    »Ich bilde mir nichts auf die Worte ein, aber ich bin sehr wohl stolz auf die Leistungen, für die ich diese Auszeichnung bekommen habe. Ich habe nicht auf meinen Händen gesessen und mich in Fasar vergnügt, sondern alles gelernt, was al Sabars Bibliothek hergab.«

    »Das glaube ich kaum. Er hält seine Schriften gut unter Verschluss.«

    »Nicht gut genug für mich.«

    Die Spektabilität schaute Valeria prüfend in ihr ernstes Gesicht. Valeria wich ihrem Blick nicht aus. Dann zuckten die Mundwinkel der älteren Frau, Valeria nickte kaum merklich – und beide brachen in herzliches Gelächter aus.

    Schließlich klatschte Cerrillio in die Hände. »Gut. Du kannst also nicht nur fleißig studieren, sondern auch deinen Kopf benutzen. Wie sieht es mit magischer Praxis aus? Ich nehme nicht an, dass du in den letzten fünf Jahren viel Gelegenheit hattest, die Combattiva anzuwenden?«

    »Nein, gar nicht. Ich konnte diese Zauber nur trainieren, wenn wir keine Zuschauer hatten. Dafür habe ich während des Studiums in Fasar praktiziert. Bei Gelegenheit sollte ich euch erzählen, wie ich mit einer ganzen Bande Meuchler auf meinen Fersen umgegangen bin.«

    Die Spektabilität schüttelte den Kopf. »Studenten dürfen die Akademie nicht verlassen und schon gar nicht außerhalb der Akademie zaubern.«

    »Al Jabar hielt es für angemessen, mich zwei Tage pro Woche mit Aufgaben außerhalb der Akademie zu beschäftigen – zusätzlich zu meinem normalen Studienpensum. Bezüglich des Zauberverbots habt Ihr natürlich Recht, aber mein Überleben war mir dennoch wichtiger. Seine Spektabiliät hat es nachträglich gutgeheißen.«

    »Na schön. Du musst eine aufregende Zeit gehabt haben.«

    »Ich bin nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass das für Fasar normal ist, sobald man die abgeschirmte Umgebung der Schule verlassen hat.« Valeria winkte in Richtung Tür. »Es war eine gute Vorbereitung auf das Leben draußen.«

    »So. Und was willst du dann hier?«

    »Ein Zweitstudium absolvieren. Ich möchte ein vorzeigbares Akademiesiegel erwerben, meine Zauberfertigkeiten erweitern und vertiefen, etwas für das Leben lernen. Außerdem gehe ich davon aus, mich mit dem einen oder anderen Seminar hier nützlich machen zu können, beispielsweise zur Modifikation von Zaubern oder zu hilfreichen Zauberkombinationen.«

    Cerrillio zog die Augenbrauen hoch. »Ah – du willst neben dem Studium auch lehren?«

    »Das dürfte zum beiderseitigen Vorteil sein.«

    »Erwartest du, so die Studiengebühren zu sparen?«

    »Nein, ich zahle natürlich voll. Ich weiß schließlich, wo ich hier bin. Dafür erwarte ich unbeschränkten Zugang zum euch verfügbaren Wissen – Lehrmeisterzugang eben.«

    Wieder lachte die alte Frau. »Ich sehe, du hast gelernt, mit Krämerseelen umzugehen. Woher?«

    »Ich habe im Fasarer Phextempel die Böden gefegt.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Die Gegend rund um Riva hatte einen großen Nachteil, jedenfalls aus Valerias Sicht – es war bitter kalt dort im Norden. Dank der angesparten Einnahmen aus dem Tausendundzweiten Rausch und einiger Nebeneinnahmen aus ihrer Dienstzeit, von denen auch Efferdin nichts wusste, konnte sie sich außer den Studiengebühren aber auch gute warme Kleidung leisten.

    Riva hatte einen großen Vorteil – es war übersichtlich und dennoch groß genug für zahlreiche Schänken und Herbergen. Es gab sogar zwei Bordelle, aber Valeria sah davon ab, dort zu praktizieren – diese Nachricht wäre innerhalb von Stunden in aller Munde. Ebenso legte sie sich für die einjährige Studienzeit selbst Enthaltsamkeit auf. Gegen den Besuch der einfacheren Schänken hatte sie dagegen keine Bedenken – dort war das Bier dünner und das Publikum unterhaltsamer.

    Das Kolleg hatte einen enormen Vorteil – niemand dort bedrängte Valeria wegen ihres versteckten Fasarer Siegels oder ihrer bewegten Vergangenheit. Neben allerlei Magie konnte sie ihre mundanen Kampffertigkeiten weiter trainieren und lernte zudem ein wenig über profane, aber nützliche Dinge wie Handel und Haushaltsführung.

    Die Kammer im Dachgeschoss war günstig. Viele der Magister bevorzugten eine Stadtwohnung, aber für solche Extravaganzen war Valeria nicht bereit, ihre Ersparnisse auszugeben. Die eine Meile bis zur Stadt scheute sie nicht, und auch nicht den Rückweg am späten Abend.

    Im Vergleich zu Fasar war Riva langweilig. So verbrachte sie einen Teil ihrer Freizeit mit dem Kamelspiel mit anderen Magistern oder den Forschern des Ordo Defensores Lecturiae.

    Am Ende des Studienjahres ließ sie sich das zweite Akademiesiegel applizieren, verabschiedete sich höflich und kehrte Riva den Rücken.

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  • Epilog (1) – Selbständig

    Mit vorzeigbarem Siegel, einigen Ersparnissen und einer Menge praktischer Erfahrung fühlte Valeria sich nun frei, ihr eigenes Leben zu führen, wie sie es wünschte. Sie verbrachte einige Zeit damit, den Kontinent zu erkunden und die Machtverhältnisse zu sondieren. Bei einem freien Magier studierte sie den Elementarismus der Luft, dann zog sie weiter. Gelegentlich schloss sie sich einer kleinen Gruppe an, um regionale Probleme zu lösen, und schloss dabei lockere Freundschaften; in anderen Fällen kümmerte sie sich allein um merkwürdige Ereignisse.

    Die Ereignisse des »Jahrs des Feuers« ließen sie jedoch nicht unberührt. Wie konnte sie ein freies und unbeschwertes Leben führen, während Dämonenbeschwörer und -paktierer versuchten, die ganze Welt mit Krieg zu überziehen? Wenn sie ihre Welt so erhalten wollte, dass sie sich wohlfühlen konnte, musste sie eingreifen.

    Epilog (2) – Endlich frei!

    In der Folge der Suche nach einem mysteriösen Amulett ergab sich für Valeria überraschend die Gelegenheit, die Basilius-Prüfung abzulegen.

    Als Erzmagierin stand sie damit über der Hierarchie ihrer Gilde und genoss Reisefreiheit in der ganzen Welt. Viele Rechte, niemandem als sich selbst verpflichtet – mehr Freiheit konnte sie kaum erhoffen.


    Juristisches

    Auch wenn ich mich erfolgreich bemüht habe, keinen dieser Begriffe zu verwenden: »DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN, DERE, MYRANOR, THARUN, UTHURIA und RIESLAND sind eingetragene Marken der Significant Fantasy Medienrechte GbR. Ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH ist eine Verwendung der genannten Markenzeichen nicht gestattet.« Diese Markenzeichen tauchen daher auch nur genau hier in diesem Absatz auf.

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