[FSK18] Valerias Jugendjahre

  • Schon seit Jahren geht mir diese Hintergrundgeschichte im Kopf herum, jetzt bin ich endlich dazu gekommen, sie zu erzählen. Mit über 18,000 Wörtern ist es mehr als eine Kurzgeschichte, aber noch nicht ganz eine Novelle.

    Jeden Tag werde ich euch ein Stück davon vorstellen.

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    Valerias Jugendjahre

    Karawane

    »Valeria Fiorella Margarita!«

    Wenn ihre Mutter sie so rief, mit allen Vornamen, konnte dies nur Ärger bedeuten. Margarita war der Name der Mutter ihrer Mutter, einer feinen Dame aus Mirham, die stets zitiert wurde, wenn es um ihr – Valerias – schlechtes Benehmen ging, und Fiorella, die Mutter ihres Vaters und ehemals angesehenste Hafendirne Mirhams, wurde überhaupt nur erwähnt, wenn Valeria ihrer Familie Schande bereitet hatte – jedenfalls nach Ansicht ihrer Mutter.

    Valeria stellte einen Fuß nach vorn, zog an Yuziks Arm und warf ihn zu Boden.

    »He!« protestierte dieser.

    »Ich muss gehen«, sagte sie. »Mama braucht mich.«

    Yuzik rappelte sich auf und griff nach ihren blonden Haaren. »Wenn du richtig kämpfst, wird dein Gegner dich auch nicht einfach gehen – uff!«

    Schon lag er wieder auf dem Boden.

    Sie lächelte auf ihn hinab. »Du hast mich gut gelehrt. Zwing mich nicht dazu, den Nackenbrecher einzusetzen.«

    Yuzik grinste zurück. »Schon gut. Erinnere mich daran, dass ich mir gut überlege, wem ich nochmal meine Tricks im Hruruzat zeige.«

    Sie nickte ihrem Freund noch einmal zu, bevor sie zurück zu ihrem Wagen rannte. Die kleinen Steinchen des Lagerbereichs, die ihre nackten Füße pieksten, versuchte sie zu ignorieren. Eine Belehrung ihres Vaters wäre erheblich unangenehmer.

    Ihre Mutter kletterte aus dem Wagen. »Wo bist du gewesen?« Sie kniff die Augen zusammen und musterte Valeria. »Hast du dich wieder mit dem Moha geprügelt?«

    »Er ist Oijaniha«, erklärte Valeria ruhig wie jedes Mal. »Er hat mir Tricks gezeigt, wie ich mich wehren kann.«

    »Er ist kein Umgang für dich«, beharrte ihre Mutter. »Anständige Töchter wälzen sich nicht mit dem Pöbel im Dreck. Komm jetzt, wir müssen die Pferde füttern.«

    Anständige Töchter wohnten in einer Villa in der Stadt und zogen nicht im Wagen von Fischerdorf zu Fischerdorf, fand Valeria, aber sie widersprach ihrer Mutter nicht. Adelia Marquez legte großen Wert auf Umgangsformen und Erscheinung, auch wenn sie regelmäßig erwähnte, einen anderen Lebensstil verdient zu haben.

    Auf keinen Fall würde die wohlerzogene Dame aus feiner Gesellschaft sich selbst dazu herablassen, ihren streng riechenden Zugtieren näher zu kommen als vermeidbar. Striegeln und Füttern der beiden Stuten war demnach die Aufgabe ihrer Tochter Valeria.

    Sie zerrte einen Sack Hafer von der Ladefläche des klapprigen Planwagens und ließ diesen auf den harten Untergrund fallen.

    »Gib doch acht, Kind!« rief ihre Mutter. »Du verschüttest noch das ganze Futter!«

    Valeria gab sich Mühe, nicht die Augen zu verdrehen. Die robusten Futtersäcke hielten viel mehr aus als die feinen Seidenkleider ihrer Mutter – ihr Hemd und ihre Hose, aus alten Futtersäcken genäht, bezeugten dies. Dennoch wuchtete sie sich den schweren Sack lieber über die Schulter, als ihn nach vorn zu den Pferden zu schleifen. Ihre Mutter verstand nicht, wie viel einfacher das war, und ihr Vater war schon aus Prinzip gegen alles, was sein Eigentum beschädigen mochte.

    Das Füttern machte ihr nichts aus – Agatha und Alrike, ihre beiden alten Stuten, waren gutmütig und ihrer Pflegerin sehr zugetan.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Der Futtersack war längst wieder auf der Ladefläche verstaut, und die Praiosscheibe hinter den Wipfeln der Palmen und Zypressen versunken, als ihr Vater mit unsicherem Schritt hinter dem Wagen der Zoltars hervorkam. Zoltar war der Führer ihrer kleinen Handelskarawane. Er handelte unter anderem mit Bier und Branntwein. Dabei verkaufte er einen Gutteil seiner Ware an die übrigen Karawanenteilnehmer.

    Valeria verharrte neben dem Heck des Wagens und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. Wenn ihr Vater betrunken war, war er unberechenbar und neigte noch mehr als sonst zu Gewalttätigkeit. Dann war es besser, seine Aufmerksamkeit nicht zu erregen – sich zu verstecken, war aber auch keine Lösung.

    Adelia trat zwei Schritte vor. »Was hast du uns mitgebracht, Luc?«

    Eine unnötige Frage, fand Valeria, war es doch klar zu sehen, dass ihr Vater mit leeren Händen kam.

    »Frag nicht, Weib. Steig in den Wagen.«

    Seine Frau seufzte und zupfte an der Schleife ihres besten Reisekleides.

    Dies war wieder ein Abend, an dem sie und ihre Mutter hungrig schlafen gehen würden – nachdem ihr Vater seinen »traviagefälligen Pflichten« nachgekommen war, die den ganzen Wagen zum Beben brachten, zur Unterhaltung und Belustigung aller übrigen Mitreisenden.

    Schon merkte sie ein Grummeln im Bauch, als der Blick ihres Vaters die Länge seines Wagens entlang schweifte und durch sie hindurch zu gehen schien. »Wo ist dieses nichtsnutzige Gör?«

    »Ich bin hier, Herr Vater«, sagte sie und drehte sich in seine Richtung.

    Erst jetzt schien er sie zu bemerken. »Mach dich nützlich und such uns ein paar Wurzeln und Früchte. Aber bleib in der Nähe des Lagers, und eil dich. Deine Mutter hat Hunger.«

    »Ja, Herr Vater.« Sie eilte davon. Es war nicht ratsam, nach Einbruch der Dämmerung allein und unbewaffnet das Lager zu verlassen, aber es war auch nicht ratsam, ihrem Vater zu widersprechen, wenn er getrunken hatte und ungestört seiner Frau beiwohnen wollte.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Kurz bevor sie die Kuppe des Karrenpfades erreichte, spürte sie eine Bewegung hinter sich. Mit zusammengekniffenen Lidern wandte sie sich um und spähte in Richtung des Lagers zurück.

    Yuzik wedelte mit dem Arm. »He, Vala. Was machst du hier?«

    »Ich soll Wurzeln und Früchte sammeln.«

    »Hat dein Vater wieder sein Geld vertrunken?«

    »Ja, und jetzt haben wir nichts zu essen. Ich soll was finden – aber natürlich in der Nähe des Lagers bleiben, wo schon alles kahlgesammelt ist.«

    »Natürlich. Deshalb bist du jetzt hier.«

    »Das ist in der Nähe. Oder siehst du schon die Lichter eines Dorfes?«

    »Nein.« Yuzik grinste. »Ich sehe die Lichter des Lagers, wenn ich mich jetzt umdrehe. Dann bin ich aber geblendet, also mache ich das nicht.«

    »Deshalb kneife ich auch die Augen zu und sehe zum Boden.« Valeria wedelte mit der Hand. »Ich bin froh, dass du da bist. Komm, wir müssen etwas finden, solange man überhaupt noch etwas sehen kann.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Mit einem Palmenwedel voller Früchte auf dem Arm erhob Valeria sich. »Ich glaube, das reicht. Yuzik?«

    Yuzik antwortete nicht. Sie sah sich suchend um – und starrte in die Katzenaugen eines Jaguars, nur wenige Armlängen entfernt.

    Der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, und ihre Bewegung fror ein. Ich bin nicht da, dachte sie konzentriert, auch wenn ihr das gegen die Raubkatze nicht helfen würde. Sicher war diese genauso hungrig wie sie selbst, also konnte sie dem Tier nicht einmal böse sein.

    Der Jaguar spähte an ihr vorbei, als wäre sie tatsächlich nicht da. Stattdessen hatte die große Katze nun Yuzik entdeckt. Ihr Freund versuchte, sich hinter dem Stamm einer Palme zu verstecken.

    Das Raubtier schlich einige Schritte auf den Oijaniha-Jungen zu, an Valeria vorbei, und duckte sich zum Sprung.

    »Nein!« schrie sie, ergriff eine Frucht und schleuderte diese mit aller Kraft auf den Jaguar.

    Die Frucht zerplatzte in einem gleißenden Funkenregen auf dem Rücken des Tiers. Der Jaguar jaulte und rannte davon.

    Valeria schaute hinab auf ihre blanken Füße, auf das Palmenblatt und die verstreuten Früchte, dann auf Yuzik, der sie nur anstarrte. Es roch nach verschmorten Haaren.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Fischerei

    »Morgen erreichen wir Milzushs Dorf«, sagte Yuzik. »Wollen wir heute noch einmal trainieren?«

    »Gern«, sagte Valeria und zog den Riemen von Alrikes Futtersack fest. »Hier?«

    »Nein, lass uns runter an den Fluss gehen. Der sandige Grund ist besser dafür.«

    »Wenn ich dich mal wieder hinwerfe.«

    Yuzik lachte. »Oder ich dich. Wir werden ja sehen.«

    Der Waldmenschenjunge war der Kräftigere der beiden. Trotzdem gewann Valeria meistens. Seit sie begriffen hatte, dass es beim Hruruzat nicht auf Kraft, sondern auf Balance und Geschicklichkeit ankam, konnte er seine Stärken nicht ausspielen.

    Gemeinsam eilten sie zum Ufer hinab, denselben Weg, den sie seit Erreichen des Lagerplatzes am späten Nachmittag schon mehrmals mit leeren Wasserschläuchen zurückgelegt hatten – und den sie mit prall gefüllten Schläuchen wieder hinauf geklettert waren.

    Eine breite Sandbank trennte den Dschungel vom träge dahin gleitenden Fluss.

    »Bist du bereit?« fragte Yuzik.

    Valeria zögerte. »Ich sollte besser nicht. Mama wird es nicht mögen, wenn meine Sachen voller Sand sind.«

    »Dann zieh sie halt aus.« Yuzik löste den Strick seiner Hose und schob diese hinab, zog dann sein Hemd über den Kopf. Mit nichts als seinem Lendentuch bekleidet, stemmte er wartend die Hände in die Hüfte.

    Sie runzelte kurz die Stirn – dann zog sie ihr eigenes Hemd über den Kopf und die Hose hinunter und ging in Position für seinen Angriff.

    »Komm.«

    Yuzik blieb stehen und starrte auf ihre Brüste, dann auf ihren Schritt. »Du hast nichts drunter«, kommentierte er das Offensichtliche. »Oder eine ganze Menge. Du kriegst ja schon Brüste, und Flaum hast du auch.«

    Das war ihr nicht neu – diese Veränderungen beobachtete sie an sich selbst schon seit einigen Monden. »Guck nicht so. Wenn du was willst, musst du es dir schon holen.«

    Das ließ Yuzik sich nicht zweimal sagen. Seine Griffe saßen jedoch noch schlechter als sonst – viel zu offensichtlich versuchte er, die zuvor erwähnten Stellen zu erreichen, und diese waren wenig geeignet, ihm zu einem siegreichen Griff zu verhelfen. Davon ließ er sich jedoch nicht entmutigen, und so warf Valeria ihn wieder und wieder in den Sand.

    Schließlich hatte sie seine Arme hinter seinem Rücken fixiert, ihn rücklings zu Boden geworfen, und seine Hüfte und Oberschenkel mit ihrer Beinschere eingeklemmt.

    »Gibst du auf?« fragte sie.

    »Du hast gewonnen«, sagte er.

    Dann fühlte sie einen unerwarteten Druck gegen ihren Schoß. »He!«

    Er grinste verschämt. »Ich kann es nicht verbergen. Dein Anblick erfreut mich.«

    Valeria verstärkte den Druck ihrer Schenkel und lächelte. »Ich muss wohl künftig noch mehr aufpassen, wie ich dich bezwinge. Damit uns nichts Unschickliches geschieht.«

    Sie ließ seine Hände los und erhob sich. Immer noch lächelnd stellte sie fest, dass sein Lendentuch sich gelockert hatte, sagte aber nichts.

    Als Yuzik sich ebenfalls aufrappelte, fiel sein Tuch wie erwartet hinab, zeigte dabei aber mehr, als sie erwartet hatte.

    »Ich kann es nicht verbergen«, kommentierte sie. »Dein Anblick erfreut mich.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Während Valeria am nächsten Tag neben ihrem Planwagen her lief, kreisten ihre Gedanken um Yuzik und seine unerwartete Reaktion auf ihre Nacktheit. Natürlich wusste sie, wie sich Mann und Frau unterschieden. So eng, wie man im Karawanenlager zusammenlebte, war es unvermeidlich, unbekleidete Menschen zu sehen. Sie wusste auch, was ihr Vater und ihre Mutter miteinander taten, wenn sie sich entkleideten und ihren Schlafplatz oben auf den Warenkisten erkletterten. Gelegentlich hatte sie ihren Eltern oder sogar anderen Mitreisenden zugesehen.

    Für sich selbst hatte sie diesem Treiben keine Bedeutung zugemessen – bis zum vorigen Tag. Yuzik hatte ihr deutlich gezeigt, dass auch ihr Körper das Ziel männlichen Wollens werden konnte, und wenn er sie schön fand, dann musste sie ihm Recht geben – der kleine Spiegel ihrer Mutter sagte ihr das Gleiche.

    Wie männliches Wollen sich ausdrückte, sah Valeria in ihrem Vater – rau, gewalttätig, rücksichtslos. So was will ich nicht, sagte sie sich. Auch nicht von Yuzik. Selbst wenn er wirklich – gut ausgestattet ist.

    Sie zuckte mit den Schultern und beeilte sich, wieder zum Wagen aufzuschließen. Für den Traviabund war sie sowieso noch zu klein.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Milzushs Dorf bestand aus einer wild entlang der Küste verstreuten Ansammlung von Fischerhütten und Sprossengestellen mit langen Reihen toter Fischleiber. Deren würziger Geruch schien die Luft zu sättigen – nur leider nicht Valerias knurrenden Magen.

    Dort, wo der Karrenpfad am Strand endete, stand die größte der Fischerhütten, und vor dieser Hütte war genug Platz, die fünf Wagen der kleinen Karawane in einem Halbkreis aufzustellen.

    Zoltar half ihrem Vater, die schweren Kisten abzuladen, während Adelia und Valeria Tuche und Werkzeuge ausbreiteten, die sie an die Fischer zu verkaufen hofften – falls diese etwas Tauschwürdiges aus dem Meer gefischt hatten, womit sie sich diese Waren leisten konnten.

    »Was kann das sein?« fragte Valeria.

    »Stinkenden Trockenfisch nehmen wir nicht an«, erklärte ihre Mutter. »Selbst wenn der sich im Binnenland verkaufen ließe – der Geruch verdirbt alle anderen Waren, außer dem Metall. Das wäre ein Verlustgeschäft.«

    »Dann nehmen wir frischen Fisch?«

    »Manchmal. Einen – um ihn gleich zu essen.«

    »Was haben sie dann sonst?«

    »Oh, vielerlei. Vor der Küste entlang segelnde Schiffe verlieren manchmal Ladung, oder sie geraten in Seenot und stranden in der Nähe. Dann kann man vielerlei Dinge sammeln.«

    »Wieso sollte ein Schiff Ladung verlieren?« fragte Valeria. »Ist die nicht so ordentlich festgezurrt wie auf unserem Wagen?«

    Adelia schüttelte den Kopf. »Natürlich, Kind, aber wenn ein Sturm droht… manchmal hilft es, wenn das Schiff leichter ist.«

    »So, wie wenn wir einen steilen Anstieg fahren müssen?« Valeria hatte die Pause sehr wohl bemerkt, und für sich andere Bedrohungen ergänzt, aber da es ihrer Mutter unangenehm schien, darüber zu reden, bohrte sie nicht nach. Vielleich wusste Yuzik mehr. »Ist ja blöd. Die können die Kisten nicht abstellen und zweimal fahren, oder?«

    »Nein, das können sie nicht.« Adelia deutete auf den Wagen. »Bring mir mal das rote Kästchen.«

    »Ja, Mama.«

    Ihr Vater half nun umgekehrt Zoltar beim Abladen. Valeria hielt inne und lauschte, als sie ihren Namen hörte.

    »Deine Valeria wird allmählich erwachsen, Luc«, sagte Zoltar.

    »Jaja. Wird auch Zeit, dass sie ordentlich mit anpacken kann«, sagte ihr Vater.

    »Sie war schon immer ein hübsches kleines Ding, aber jetzt, da sich ihre zarten Knospen entfalten, wird sie eine richtige Schönheit. Viel zu schade, um sie nur bei Kisten ordentlich anpacken zu lassen, was? Hahaha!«

    »Was meinst du?«

    »Ich meine, dass sie dir richtig was einbringen kann, Luc. Sie ist doch noch unberührt, oder? Schau sie dir mal richtig an!«

    Valeria zog sich hinter eine Plane zurück.

    »Ich meine, Luc, denk mal nach. Ich kenne ein paar Leute in Mirham, die vermitteln könnten – einer der Granden in Al’Anfa zahlt bestimmt einen Höchstpreis für eine so schöne Jungfrau. Dort würde sie es gut haben, immer reichlich zu essen, schöne Kleider, ihre eigenen Diener – und du könntest dir etwas leisten. Einen neuen Wagen vielleicht, oder neue Zugtiere.«

    »Ich soll meine Tochter verkaufen?«

    »Nun sieh mich nicht so an, Luc. Du sagst doch selbst immer, dass sie ein Nichtsnutz ist, dir nur Kosten verursacht und Ärger bereitet. Und deine Frau sagt auch immer, dass die Karawane kein Ort für junge Mädchen ist – viel zu gefährlich. Und…«

    »Nicht jetzt.«

    Valeria hatte sie auch bemerkt, die ersten Fischersfrauen, die neugierig näherkamen.

    Nachdenklich ergriff sie das rote Kästchen und schritt um den Wagen zurück zu ihrer Mutter. Reichlich essen und schöne Kleider klangen verlockend – und außer Reichweite ihres Vaters. Aber von Al’Anfa hatte Yuzik gesprochen. Dort hielt man Menschen wie Tiere, als Sklaven – auch schöne, junge Oijaniha-Mädchen. Und ganz besonders wertvoll waren die unberührten Mädchen, diejenigen, die noch nie von Rajhas Frucht gekostet hatten, die noch kein Mann zur Frau gemacht hatte.

    Sie hatte nur eine sehr nebelhafte Vorstellung davon, was es bedeutete, eine Sklavin zu sein – aber sie war sich ganz sicher, dass dies nicht ihr Schicksal werden durfte. Sie wollte frei sein, selbst zu entscheiden, was sie tun durfte. Und wenn ihre Freiheit davon abhing, nicht mehr unberührt zu sein, dann würde sie Phex ein Opfer bringen – noch bevor sie nach Mirham zurückkehrten.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • »Ihr habt eine sehr hübsche Tochter, Herr«, sagte der Fischer. Die senkrechte Narbe eines schlecht verheilten Schnittes entstellte seine linke Gesichtshälfte. Immerhin hatte der Schnitt sein Auge knapp verfehlt. »Vielleicht können wir unseren Handel ein wenig erweitern? Ihr seid auch morgen noch den ganzen Tag hier, oder?«

    Valeria erstarrte. Ihre Mutter sog mit leisem Zischen Luft an.

    Ihr Vater wandte kurz den Kopf zu seiner Tochter um, studierte den vor ihm ausgebreiteten Inhalt der Seekiste, fixierte dann wieder seinen Kunden. »Was wäre euch dies wert?«

    »Nein!« flüsterte Adelia.

    Nein, dachte Valeria. Das ist schlimmer als Al’Anfa. Mit diesem Kerl?

    Viel schlimmer war, dass ihr Vater das unziemliche Ansinnen nicht rundheraus ablehnte. War Zoltars Saat in ihm schon so weit aufgegangen?

    »Nun ja«, sagte der Fischer. »Das Mädchen ist noch kaum erfahren, also dachte ich…«

    Nein, dachte Valeria, nicht dieser Kerl! Sie spürte Tränen in sich aufsteigen, und ihr Körper begann zu zittern – vor Angst, vor Zorn?

    »Nein!« schrie sie laut. Ein Windstoß fuhr über den Platz, ließ Kisten und Wagen rappeln, Planen flattern, Metallteile scheppern, wirbelte Kleinteile herum, und riss ihren Vater und den Fischer fast von den Beinen.

    Mit Tränen in den Augen rannte sie davon.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Opferung

    Yuzik wackelte mit beiden großen Zehen. »Ich habe dir weh getan.«

    Valeria starrte über den Fluss hinweg, ihre Arme um die Knie geschlungen. Ja, es hatte einmal sehr weh getan – zu sehr, als dass sie ihr Rahjaopfer hätte genießen können. Doch Yuzik hatte wenigstens versucht, sanft zu sein.

    »Es musste sein«, sagte sie. »Du hast mich befreit.«

    »Ich wollte das nicht. Ich konnte dir nur nicht widerstehen. Du warst so – so entschlossen.«

    »Ja. Ich wollte es so.«

    »Warum? Warum ich, warum jetzt?«

    »Du bist mein Freund.« Nun musste sie Yuzik vom Gespräch ihres Vaters mit Zoltar berichten. »Ich möchte nicht nach Al’Anfa verkauft werden.«

    Ihr Freund ballte die Fäuste. »Bei allen Göttern, nein. Oh, Valeria, das hättest du mir auch vorher sagen können. Du hättest nicht so tun müssen, als wolltest du mich verführen.«

    »Ich wollte dich verführen. Ich wollte, dass es passiert, weil ich es will. Nicht weil du mir helfen willst.«

    Yuzik lächelte. »Ja. Was ich will, zählt nicht.«

    Valeria schüttelte den Kopf. »Nein, sag das nicht so. Du bist mein Freund, nicht mein Sklave.«

    »So habe ich es auch nicht gemeint, Vala. Ich wollte sagen, dass du unwiderstehlich bist, wenn du es darauf anlegst.«

    »Trotzdem. Wir sind Freunde, also sollte ich dich fragen, was du willst.«

    »Was ich will?«

    »Wünsch dir etwas. Egal was.« Sie drückte ihr Kreuz ein wenig durch, mehr nicht. Sie hatte klare Vorstellungen, was ihr Freund sich wünschen sollte, aber diesmal sollte es wirklich seine Entscheidung sein.

    »Ach, Vala.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Valerias Atem ging schwer. Neben sich im Sand hörte sie ihren Freund keuchen.

    »Das war schön«, flüsterte sie und lächelte Yuzik an.

    »Das war schön«, sagte er und lehnte sich zurück.

    Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas. Valeria genoss den Nachhall von Rahjas Wohlwollen. So musste es sein, ohne Schmerz, ohne Gewalt – nur so konnte es dem Willen einer Göttin entsprechen.

    »Du wirst es deinem Vater sagen«, stellte ihr Freund fest.

    »Ja. Bevor er mich an Zoltars Vermittler verkauft.«

    »Er wird zornig sein. Ich sollte dann nicht mehr in seiner Nähe sein.«

    »Ich werde damit warten, bis wir nach Mirham zurückgekehrt sind.« Sie seufzte. »Es tut mir leid. Ich habe nicht daran gedacht, dass ich dir Schwierigkeiten machen werde.«

    »Es war jede Schwierigkeit wert, Vala.«

    »Kaum. Ich schulde dir noch was.« Sie drehte sich zur Seite und stellte ein Bein auf.

    Yuzik lächelte wissend.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Anwerbung

    »Komm jetzt her, Valeria.«

    Ihre Mutter bemühte sich um eine feste Stimme, konnte aber das Zittern darin nicht ganz verbergen. Das rechte Auge war noch blutunterlaufen, und sie humpelte ein wenig. Valeria wusste, dass die schlimme Hüfte daran schuld war, dort, wo ihr Vater einmal zu fest zugeschlagen hatte.

    Sie selbst hatte Glück gehabt. Zwar spürte sie Schmerzen am ganzen Körper, aber die Striemen und blauen Flecken würden bald verschwinden. Falls ihr Vater nicht zuvor beschloss, sie wieder einmal aufzufrischen.

    Drei Monde waren vergangen, seit sie von ihrem Karawanenzug zurückgekehrt waren. Drei Monde, seit sie ihrem Vater vom Verlust ihrer Unschuld gebeichtet hatte. Drei Monde, seit er sie so hart verprügelt hatte, dass ihre Mutter mit ihr heimlich zu einem Priester der Perainekirche gegangen war. Drei Monde, in denen immer wieder neue, immer wieder andere Striemen auf ihrer Haut verblassen konnten.

    Drei Monde, seit ihr Vater den Planwagen abgestellt, die Pferde verkauft und sich selbst als Assistent am Hafen verdingt hatte. Sein karger Lohn dort hätte wohl ausgereicht, seine Familie zu versorgen, wenn er nicht den größten Teil davon täglich in die Schänke getragen hätte.

    Drei Monde, in denen ihre Mutter versuchte, ihre Tochter und sich selbst mit Nähereien zu ernähren. Drei Monde, in denen Valeria versuchte, selbst ein paar Münzen zu verdienen, ohne in die Nähe fremder Männer zu gelangen, die in ihr nur eine leichte Beute sahen.

    Die fremden Männer waren im Irrtum – sie war geschickt darin, ihnen auszuweichen, Dächer, Mauern oder Zäune zu erklettern, schnell über schmale Firste und Mauerkronen zu balancieren oder sich in schmalen, dunklen Spalten zu verstecken. Selbst wenn mal einer von ihnen schnell genug zugriff, blieben ihr immer noch Yuziks Tricks.

    Sie lernte alle dunklen Spalten und Winkel Mirhams kennen, und auch die lichten Plätze und breiten Straßen, auf denen Händlern und Herrschaften mal etwas verloren ging – sie lernte, Dinge zu finden, manchmal auch solche, die noch gar nicht verloren gegangen waren. Von fremden Beuteln hielt sie sich jedoch fern – sie traute ihrer eigenen Fingerfertigkeit nicht, und sie hatte gesehen, was jungen und alten Beutelschneidern blühte, wenn man sie erwischte.

    »Komm schon rein, Kind«, rief ihre Mutter.

    Valeria fand es nicht mehr richtig, Kind genannt zu werden – sie war jetzt Frau, ganz gewiss! – aber ihr Körper entwickelte sich noch immer, und außerdem war es besser, als von ihrer Mutter beim ganzen Namen gerufen zu werden.

    Sie beeilte sich, ihre Funde in der Küche abzustellen und ihre Strähnen mit den Fingern zu bändigen. Ein halber Fisch, noch fast frisch, drei kaum angefaulte Aranjen, ein halbes Brot – wenn die Händler ihre Marktstände abbauten, gab es immer etwas zu holen.

    Adelia lächelte. »Daraus kann ich etwas zaubern. Komm, mach dich schnell frisch – dein Vater bringt jemanden mit.«

    Valeria trat vor den Wascheimer. Ihre Gedanken rasten. Ihr Vater brachte einen Gast? Doch hoffentlich keinen von Zoltars Vermittlern? Hatte er eine Möglichkeit gefunden, beschädigte Ware zu vermarkten?

    Als die beiden Männer ihre kleine Wohnküche betraten, erstarrte sie vor Erstaunen. Der Gast trug einen langen, knotigen Stab und einen spitzen Hut – ein Zauberer!

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Ihr Vater stellte den bleichen Mann mit den tiefen Augenhöhlen als Hassan ibn Selim vor.

    »So, und das ist Ihre Tochter«, stellte der Zauberer fest. »Komm her, junge Dame, und sieh mich an.«

    Die Anrede erinnerte Valeria an eine Lektion ihrer Mutter. Sie trat vor und knickste. »Hesinde zum Gruße, ehrenwerter Herr.«

    Der Zauberer lachte und zog einen Hocker heran, auf dem er sich niederließ. »Oh, perfekt! Ein kluger Kopf in schöner Schale! Nun, junge Dame, erzähl doch mal, was weißt du über Magie?«

    »Nichts, ehrenwerter Herr. Nichts von Belang, zweifellos.«

    Herr ibn Selim wedelte mit einem Zeigefinger. »Überlasse für den Augenblick einmal mir, zu entscheiden, was von Belang ist. Sage mir nur, was du weißt oder gehört hast.«

    Valeria zögerte. Was wusste sie denn über Zauberei? »Zauberei ist eine besondere Gabe, die nicht jedem gegeben ist. Sie ermöglicht, mit den Geistern der Ahnen zu sprechen oder schwere Verletzungen zu heilen.«

    Der Zauberer sah zu ihrem Vater auf, dann wieder zu ihr. »Soso, Geister der Ahnen. Von wem hast du das?«

    Valeria konnte ihren Blick nicht von den Augen des Magiers lösen. Es schien ihr unangebracht, etwas anderes als die Wahrheit zu sagen. »Ein – Freund. Er ist Oijaniha.«

    »Ah, natürlich! Ja, bei diesen Völkern ist das nicht ungewöhnlich. Und sag, was weißt du noch?«

    Sie dachte nach. »Zauberer lernen die Zauberei in der Zauberschule. Zauberer können Blitze aus den Augen schleudern und Menschen in Kröten verwandeln.«

    Der Mann lachte schallend. »Ja, das erzählt man sich über uns, bei Levthans Bart!«

    Er wischte sich eine Träne aus dem Auge. »Nun gestatte mir, dass ich dich einmal genau anschaue. Dir passiert nichts. Was ich tue, hilft nur mir, besser sehen zu können.«

    Hassan ibn Selim stimmte einen leisen Singsang an und wedelte dazu mit seinen Händen rund um ihren Kopf. Dann runzelte er die Stirn und begann von Neuem.

    Diesmal hellte sein Gesicht sich auf, und er schaute wieder zu ihrem Vater. »Oh, welche Kraft! Wie wundervoll! Herr Marquez, ihr habt eine wahrhaft begabte Tochter – die Erzählungen waren gewiss kaum übertrieben!«

    Dann fasste er Valeria an beiden Schultern. »Junge Dame, du hast es dir sicher schon gedacht – du gehörst zu den Auserwählten, welche die Gabe besitzen! Du besitzt die Kraft der Magie.«

    »Ich? Aber –«

    »Kein Aber«, unterbrach er sie. »Schau, als du bei eurer letzten Reise den Windstoß beschworen hast, hast du da nichts an dir bemerkt?«

    »Welchen Windstoß?«

    »Als der Fischer diesen unsittlichen Vorschlag gemacht hat. Das wolltest du nicht, oder? Du warst dagegen, mit all deiner Kraft. Hattest du Angst?«

    »Äh – ja.«

    »Warst du zornig?«

    »Jjja.«

    Der Zauberer nickte. »Starker Gefühle wie Angst oder Zorn können dazu führen, dass die Kraft in roher Form freigesetzt wird – ich habe aber selten gehört, dass es so zielgerichtet geschieht. Ist dir sonst nie ein solches Ereignis aufgefallen, junge Valeria?«

    Sie überlegte. »Doch, einmal. Ich habe eine Frucht auf einen Jaguar geworfen, der Yuzik angreifen wollte. Es gab Funken, und es hat sein Fell versengt. Also, das Fell des Jaguars, nicht Yuziks.«

    Ibn Selim grinste. »Ja klar. Soso, erstaunlich. Also, junge Valeria, du kannst es weit bringen, da bin ich mir sicher. Wenn du es möchtest, und wenn deine Eltern es gestatten.«

    Er erhob sich und nickte den beiden Erwachsenen zu. »Wie ich schon erwähnte, ist es mir gestattet, den Eltern besonderer Talente eine Prämie als Entschädigung zu zahlen, abgesehen von den Vorzügen, die eure Tochter erfahren wird. An der Akademie wird man sie schulen, kleiden, ernähren, und wenn sie alle Prüfungen besteht, woran ich bei eurer Tochter keine Zweifel habe, dann wird sie die Akademie als angesehene Gelehrte verlassen – ihre Zukunft wird gesichert sein.«

    Ihre Mutter hatte eine Frage auf der Zunge, doch ihr Vater war schneller. »Wie hoch ist die Prämie?«

    »Nun.« Der Zauberer zögerte. »In diesem besonderen Fall kann ich euch ein besonderes Angebot machen. Einhundert Dublonen, und das ist ein Festpreis.«

    »Einhundert Dublonen!« ächzte Adelia.

    Ihr Vater zog die Augenbrauen hoch. Zu Valerias Erstaunen schlug er nicht sofort ein. »Zu was für einer Akademie werdet ihr sie bringen? Al’Anfa? Brabak?«

    »Spielt das für euch eine Rolle?« fragte der Gelehrte zurück.

    »Ja.«

    Erneut wunderte Valeria sich über ihres Vaters Entschlossenheit.

    Ihr Vater wich dem prüfenden Blick des Zauberers nicht aus. »Ich möchte nicht, dass meine Tochter zu einer großen Dämonenbeschwörerin wird. Und ich möchte auch nicht, dass sie unter den Zöglingen Al’Anfaner Granden aufwächst.«

    Hassan ibn Selim nickte. »Dann kann ich euch beruhigen. Das möchte ich auch nicht. Ich würde eure Tochter gern mit mir nach Mhanadistan nehmen. Die Bannakademie ist eine Schule für Antimagie, und die Zöglinge haben in der Regel schon einen Kontrakt in der Hand, wenn sie zu ihrer letzten Prüfung antreten.«

    Damit schien ihr Vater zufrieden. Er nickte.

    »Halt«, sagte Adelia. »Wartet mal. Du willst unsere Tochter verkaufen?«

    »Adelia, bitte.«

    »Nein. So geht das nicht. Sie ist immer noch unser Kind!«

    Der Zauberer hob eine Hand. »Bitte, gute Frau. Ich werde Ihre Tochter nicht kaufen. Sie wird nicht mein Eigentum. Das Geld ist, wie ich sagte, eine Entschädigung. Ihre Tochter soll sich keine Sorgen um das Wohlergehen ihrer Eltern machen müssen. Nicht wahr, junge Dame?« Er wandte sich Valeria zu. »Deinen Eltern soll es gut gehen, auch wenn du während deiner Lehrzeit nicht für sie sorgen kannst.«

    Dann ergriff er die Hand ihrer Mutter. »Verzeiht meine Unverfrorenheit. Doch glaubt mir bitte – ich habe das Wohl eurer Tochter im Sinne. Bedenkt, sie wird eine gute Ausbildung erhalten. Sie wird eine angesehene Frau sein. Und sie wird sicher sein. Nicht jeder Mann wird sich wegen ihrer Klugheit und Bildung für eure schöne Tochter interessieren. Sie muss lernen, sich wehren zu können, und das wird sie. Und bedenkt auch, wie gefährlich diese Gabe werden kann, wenn sie nicht gelernt hat, die Kraft zu kontrollieren. Sie muss ausgebildet werden, bevor sie sich und anderen ernsthaft schaden kann.«

    Bei seinen letzten Worten konnte Valeria sehen, wie der Widerstand in ihrer Mutter zusammenbrach.

    Sie begann zu weinen und klammerte sich an ihren Mann. Der Zauberer berührte ihren Vater am Arm und trat zurück.

    Ihr Vater nickte erneut. »Dann muss es so sein. Valeria, komm her.«

    Sie trat vor ihren Vater. Hatte er noch eine Tracht Prügel zum Abschied für sie?

    »Valeria, meine Tochter, hör mir gut zu. Ich war nicht gut zu dir. Ich habe dich bestraft, weil ich in dir stets mein Unvermögen erkannt habe, euch ein gutes Heim zu bieten, vor allem, wenn ich betrunken war. Ich habe mich gehasst, weil ich versagt habe, und ich habe mein Versagen in dich hinein geprügelt, weil ich mich nicht selbst verprügeln konnte. Das war so furchtbar falsch, und ich schäme mich dafür. Doch ich weiß auch, dass ich eine starke Tochter herangezogen habe, die einen Knuff vertragen kann. Ich habe dich immer dafür bewundert, wie du meine Strafen stolz und mit Würde ertragen hast. Das wird dir sicher helfen – denke daran, wie stark du sein kannst, wenn du mal auf ein Hindernis stößt. Du kannst das – du allein. Und nun – mögen Aves und Phex dich auf deinem Weg begleiten. Wir lieben dich, vergiss das nicht.«

    Valeria staunte. Eine so lange Rede hatte ihr Vater noch nie gehalten. Sie beschloss, ihn dafür zu umarmen, dann auch ihre Mutter.

    Sie war bereit, sein Lob anzunehmen. Ja, sie fühlte sich stark, um anzunehmen, was auf sie zukommen mochte. Aber sie war nicht bereit, seine Prügel zu entschuldigen oder als Methode der Abhärtung anzuerkennen. Seine Liebe, was er so nannte, brauchte sie nicht.

    Valeria schaute den fremden Zauberer an. Sie beschloss, ihm nicht zu vertrauen. Er war auch nur ein Mann. Aber er war nützlich dafür, ihr den Weg in ein anderes Leben zu zeigen, in dem sie hoffentlich bald mehr Freiheit genießen durfte.

    »Ich bin bereit. Gehen wir?«

    Hassan ibn Selim musterte ihren Kittel aus Sackleinen und ihre nackten Füße. »Ja. Pack deine Sachen zusammen, und dann können wir aufbrechen.«

    Dabei löste er zwei schwere Beutel von seinem Gürtel und warf sie auf den Küchentisch. Es klirrte gedämpft.

    Valeria lächelte. »Ich muss nicht packen. Es gibt hier nichts mehr, das mich hält.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • »Erst einmal besorgen wir dir etwas zum Anziehen«, verkündete Hassan ibn Selim.

    »Brauche ich nicht«, sagte Valeria und zupfte an ihrem Kittel. »Ich bin angezogen.«

    »Wir haben eine lange Reise vor uns.«

    »Mein Kittel hat schon viele Reisen überstanden. Ich bin sicher, er hält auch noch eine weitere aus.« Valeria hielt seinem prüfenden Blick stand. »Nehmt es mir nicht übel, aber ich möchte Euch nichts schuldig sein. Wenn es möglich ist, werde ich auch für die Kosten der Reise einstehen.«

    »Wie du willst.« Ihr – ja, was? Vormund? Pate? Lehrer? Gönner? schaffte es nicht ganz, sein Schmunzeln vor ihr zu verbergen. »Ich werde entsprechende Vereinbarungen treffen.«

    Sie konnte nicht sagen, was ihr Wunsch bedeuten würde – Pferde füttern, Wagen be- und entladen, Feuerholz suchen? – aber sie würde damit zurecht kommen, so wie auf den Handelsreisen mit ihren Eltern. Was es bedeuten konnte, unbedacht einen Gefallen anzunehmen, hatte sie jedenfalls gesehen. Zoltar hatte oft jemandem einen Gefallen getan, und wenn es diesem Jemand dann einmal schlecht ging, kam Zoltar und kassierte ab. »Du schuldest mir noch etwas«, war dann seine Einleitung. Ihr Vater war nicht darauf hereingefallen, trotz seiner Liebe zu Zoltars Alkohol. »Gib ihm einen Finger, und er nimmt deinen Arm«, hatte ihr Vater zu seiner Frau gesagt. »Das wird mir nicht passieren. Bevor ich in diese Versuchung komme, nimm einen Knüppel und erschlage mich.«

    Nein, Valeria würde von Hassan ibn Selim keine Gefallen annehmen.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Von Mirham ging es per Flusskahn den Chamir hinab nach Chatosqua. Valeria kannte den ersten Teil der Strecke von den Reisen mit ihren Eltern, wenn auch vom Ufer aus. Flusskähne hatte sie des Öfteren gesehen.

    Ihre Karawane war allerdings immer dem Karrenweg gen Rahja gefolgt. Der Grund war Valeria klar – da Chatosqua per Schiff erreichbar war, brauchte man dort keine Kleinhändler mit ihren Karren.

    Der Ort im Delta des Chamir war viel kleiner als Mirham, aber der Hafen war größer. Hier sah Valeria zum ersten Mal ein richtiges Schiff aus der Nähe, mit einem hohen Mast, einer Querstange, und einem riesengroßen aufgerollten Stück Tuch daran. Vermutlich diente es dazu, irgendwie den Wind einzufangen, aber was tat man, wenn dieser nicht in die gewünschte Richtung blies?

    Ibn Selim zeigte darauf, während der Flusskahn am Steg vertäut wurde. »Die Blume von Thalusa. Mit diesem Schiff werden wir segeln. Ich hatte Kapitän Mossul gebeten, auf der Rückfahrt von Al’Anfa wieder hier anzulegen.«

    Er zeigte auf die hölzernen Pfeiler, die den Steg trugen. Mehrere Spann glitschigen Algenbewuchses ragten aus dem Wasser. »Wir haben Ebbe. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir segeln können. Ich habe mit unserem Kapitän vereinbart, dass du beim Ausladen hilfst, als Bezahlung für deine Überfahrt.«

    Valeria nickte. Sie hatte schon bemerkt, dass es unterwegs nichts für sie zu tun gegeben hatte, und mit einer solchen Aufgabe gerechnet.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Der Boden unter Valerias Füßen schwankte merklich. Ebenso deutlich erkannte sie, dass Ibn Selim sich nicht wohl fühlte, auch wenn er versuchte, dies zu verbergen.

    »Kapitän Mossul, dies ist mein Schützling Valeria. Valeria, dies ist Kapitän Mossul. Kapitän, Valeria wünscht, den Preis für ihre Passage selbst abzuarbeiten.«

    Der Kapitän musterte sie mit einem spöttischen Grinsen. »So? Nun, hübsch anzusehen ist sie ja.«

    Hassan ibn Selim straffte sich ein wenig. »Ich bin dafür verantwortlich, dass ihr nichts zustößt, und Ihr wisst, dass ich mein Wort stets halte.«

    Mossuls Grinsen fror ein. »Natürlich, natürlich. Ein schlechter Scherz, verzeiht.« Er wandte sich Valeria zu. »Also, was kannst du denn? Bist du schon einmal zur See gefahren?«

    Valeria schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich würde gern mehr darüber erfahren. Ich kann beim Laden und in der Küche helfen, ansonsten glaube ich nicht, dass irgendetwas von dem, was ich bisher gemacht habe, hier nützlich wäre. Also muss ich lernen, was an Bord eines Schiffs zu tun ist, damit ich Euch von Nutzen sein kann.«

    Sie schaute sich um. Auf dem Karren ihres Vaters oder in der Küche in Mirham hatte es deutlich ordentlicher und sauberer ausgesehen als auf dem schwankenden Holzboden der Blume von Thalusa. Darauf hatte ihre Mutter stets Wert gelegt. »Vielleicht kann ich hier mal aufräumen und putzen?«

    Die Gesichtszüge des Kapitäns entgleisten, und Hassan ibn Selim brach in schallendes Gelächter aus.

    Erst nach einigen tiefen Atemzügen war er wieder in der Lage zu sprechen. »Wundervoll! Oh, Kapitän, ist sie nicht herrlich? Kaum ein paar Minuten an Bord eures Schiffs, und schon legt sie den Finger genau in die Wunde.«

    Ibn Selim nickte Valeria zu. »Du musst wissen, er hat mir auf dem Weg hierher jeden Tag in den Ohren gelegen, wie faul und träge seine Mannschaft sei, und wie dringend sein Schiff mehr Ordnung bräuchte – aber wenn er hart durchgreifen würde, hätte er morgen keine Mannschaft und kein Schiff mehr.«

    »Na dann«, sagte Valeria. »Ihr müsst mir nur sagen, was wo hingehört, und wo ich Besen und Kehrschaufel finde, oder was man auf Schiffen so verwendet, und dann kann ich loslegen.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Valeria blieb wenig Zeit, die Woche auf See zu genießen.

    Innerhalb von zwei Tagen hatte sie das offene Deck und die Gemeinschaftsräume auf Vordermann gebracht. Kapitän Mossul nickte ihr freundlich zu, und auch sein Obermaat Faizal lobte sie dafür – nur um sie gleich zum Reffen des Segels einzuteilen.

    »Es kommt Sturm auf«, erklärte Faizal. »Wenn wir zu viel Segelfläche haben, reißt der Sturm uns den Mast ab. Also müssen wir das Segel kleiner machen. Dazu muss jemand hinaufklettern und den Stoff hochziehen. Siehst du die kleinen Bändchen, die in den Stoff eingearbeitet sind?«

    Valeria nickte. »Ja. Ich habe mich schon gefragt, wozu ein Segel Fransen braucht.«

    »Damit wird Lage für Lage hochgebunden. Wir müssen drei Lagen wegnehmen.« Faizal griff nach ihrer Schulter. »Hör gut zu. Das ist eine gefährliche Arbeit. Wenn du dich nicht gut festhältst, kann ein Windstoß oder ein Schlag des Segels dich hinunterwerfen. Wenn du ins Meer fällst, bist du verloren – das Schiff ist so schnell weitergefahren, dass wir dich nicht wiederfinden würden, selbst wenn du schwimmen könntest. Wenn du auf das Deck fällst, brichst du dir alle Knochen. Also merk dir – eine Hand für dich, eine Hand für das Schiff.«

    Er zeigte auf einen Seemann, der Valeria mit einer großen Zahnlücke anlächelte. »Du arbeitest neben Rafim. Schau dir bei ihm ab, wie es geht.«

    Valeria sah darin kein Problem, auch wenn die Blume von Thalusa in der Dünung schon kräftig stampfte und rollte. Sie genoss den Gedanken, jetzt auf dem Weg zu einem richtigen Seefahrer zu sein, endlich mit richtiger Arbeit ihre Überfahrt zu verdienen.

    Sie kletterte hinter Rafim hinauf, krallte genau wie er ihre Zehen in das dafür vorgesehene Tau unter der Rah, hielt sich mit der Linken fest und zog mit der rechten Hand am Stoff des Segels. Nicht ganz klar war ihr, wie sie mit einer Hand die beiden Bändchen verknoten sollte, doch Rafim zeigte ihr auch das.

    Nach dem Reffen des Rahsegels kletterte sie hinab, in der Hoffnung auf ein kleines Lob von Faizal. Doch dieser sah sie kritisch an. Neben ihm stand Kasim und grinste. Warum?

    Dann begriff sie. Kasim war beim Hinaufklettern hinter ihr gewesen, und Faizal hatte sie von unten beobachtet. Beide hatten die gute Sicht ihren Kittel hinauf genießen dürfen, unter dem sie wie gewohnt kein Lendentuch trug.

    Damit musste sie selbst umgehen. Also lächelte sie fröhlich zurück. »Hat euch mein Einsatz gefallen? Ich fand es aufregend. Und außerdem konnte ich von oben ein paar Stellen sehen, die ich noch nicht geputzt habe. Ich hole gleich den Eimer und die Bürste, in Ordnung?«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Würfel waren für Valeria auch etwas Neues, ebenso wie die Hängematte im Mannschaftsraum, die sie sich von ihrem Handgeld hatte kaufen müssen.

    Von ihrem Schlafplatz aus sah sie den Seeleuten beim Würfeln zu.

    Als sich Rafim einmal grinsend zu ihr umsah, sprach sie ihn an. »Du, Rafim, darf ich dich etwas fragen?«

    »Gern, Valeria.«

    »Zuerst habe ich gedacht, ich verstehe, wie ihr mit Würfeln spielt, und wie man das Spiel gewinnt. Aber irgendwie scheint mir, dass derjenige, den ich für den Gewinner hielt, gar nichts bekommt. Wie funktioniert dieses Spiel?«

    Rafim zeigte ihr fröhlich seine Zahnlücke. »Doch, der Gewinner bekommt etwas. Wer am Ende siegt, darf morgen direkt nach dir zur Rah hochklettern.«

    Valeria war zuerst überrascht, aber dann wurde ihr bewusst, dass auch Seeleute gerne nach Frauen schauen mochten. Männer waren an Bord der Blume von Thalusa in der Überzahl, und die Matrosinnen hatten an den rauen Kollegen wohl wenig Interesse – aus ihrer Sicht durchaus verständlich.

    »So. Naja, dann brauche ich meine zweite Frage ja nicht mehr zu stellen.«

    »Was wolltest du denn wissen?«

    »Ob ich mitspielen darf.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • »Hast du erstmal genug von der anstrengenden Arbeit?« fragte Hassan ibn Selim. Er saß auf seiner Kiste auf dem Kai von Aimar-Gor.

    »Ich möchte das nicht für den Rest meines Lebens machen, wenn Ihr das meint, ehrenwerter Herr«, gab Valeria zu. »Wie weit ist es denn noch bis Fasar?«

    »Wenn wir reiten, können wir in acht Tagen dort sein.«

    »Ich kann nicht reiten.« Abgesehen davon, dass sie sich kein Pferd leisten konnte.

    »Aber du – ach so, ihr hattet Zugtiere. Du bist nie auf eines davon gestiegen?«

    »Nein, das durfte ich nicht.« Sie überlegte. »Dann gehen wir zu Fuß? Das müssten dann sechzehn Tage sein, oder?«

    Ibn Selim nickte. »Das ist eine realistische Schätzung. Aber ich bin nicht mehr so gut zu Fuß. Ich werde eine Kutsche mieten.«

    Valerias Miene verdüsterte sich. »Das kann ich mir nicht leisten. Aber vielleicht könnte ich dem Kutscher helfen? Seine Pferde an- und abspannen, striegeln und füttern?«

    »Das werde ich arrangieren.«

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Elevin

    Seine Spektabilität Sarim al Jabar, Leiter der Bannakademie Fasar, alias Al’Amulyat, alias »Groß-Tulamidische Schule der Magischen Künste – Exorzistische und Bann-Akademie zu Fasar« – deren Existenz außerhalb der Schule nur wenigen Personen bekannt war, wie ibn Selim mehrfach betont hatte – schüttelte immer noch den Kopf. Der Schleier vor seiner Mundpartie schwang dabei mit – die Halbmaske vor Augen und Nase saß dagegen fest wie angegossen.

    »Das hatten wir auch noch nicht. Eine Elevin, die nichts als einen alten Kittel besitzt? Konntet ihr unterwegs keine bessere Kleidung besorgen?«

    »Ich wünschte nicht, in der Schuld des Ehrenwerten Herrn ibn Selim zu stehen«, sagte Valeria mit fester Stimme. »Ich werde mir meine Kleidung erarbeiten, soweit mir dazu neben der Schule Zeit bleibt.«

    Ibn Selim warf dem Akademieleiter einen kurzen Blick zu und zuckte mit den Schultern.

    »Das kommt nicht in Frage«, sagte al Jabar. »Wir können unseren Eleven nicht gestatten, die Schule zu verlassen und in der Stadt herumzustreunen, solange sie nicht gelernt haben, unsere Geheimnisse zu wahren. Zudem bezweifle ich stark, dass dir neben deinen Studien Zeit bleibt, also werden wir dir angemessene Kleidung stellen. Es ist nicht als Vorwurf gegen dich gemeint, aber wir finden unsere Zöglinge normalerweise früher, wenn sie noch keine eingefahrenen Gewohnheiten entwickelt haben.«

    Er musterte sie genau. »Wir können dich nicht einfach mit den Kleinen zusammenpacken. Das hat noch nie funktioniert. Wenn wir dich aber in die nächsthöhere Gruppe sortieren, hast du viel nachzuholen. Glaubst du, du kannst das schaffen?«

    Valeria dachte an den Rat ihres Vaters. »Ich kann alles schaffen, Eure Spektabilität.«

    »Ihr Wille ist stark«, sagte ibn Selim. »Und ihre Kraft – aber seht doch selbst.«

    Al Jabar nickte. »Nun gut. Valeria, gestattest du, dass ich einen Hellsichtzauber auf dich wirke, um deine magische Kraft zu untersuchen?«

    »Ihr seid die Spektabilität«, sagte sie. »Gewiss steht Euch zu, alles zu tun, was Ihr für angemessen haltet.«

    »Ah ja, das ist wohl wahr. Doch halten wir es hier an der Schule für angemessen, bei Zaubern gegen die Person zuvor um Erlaubnis zu ersuchen. Das unterscheidet uns von den Schülern der Al’Achami – du hast den Namen schon gehört? Es ist eine Schule der Linken Hand, der Schwarzen Magie, spezialisiert auf Beherrschung. Dort zählt nur das Recht des Stärkeren – so wollen wir es bei uns nicht halten.«

    »Ich gestatte die Untersuchung«, sagte Valeria. Auch wenn sie ihren Akademieleiter gerade erst kennengelernt hatte und versuchte, ihn trotz seiner Maskierung so nett zu finden, wie er sich gab – obwohl er auch nur ein Mann war und sein Blick gelegentlich auf ihren weiblichen Formen verharrte – fand sie seinen Ansatz naiv. Vielleicht funktionierte es innerhalb seiner Schule, doch außerhalb dieser Mauern galt das Gesetz der Straße.

    Ich werde alles lernen, was du zu bieten hast, dachte sie, ob du es mir freiwillig erzählst oder ich es mir holen muss.

    Seine Spektabilität kniff die Brauen zusammen und sprach ein paar Worte. Valeria verstand nur »Odem«.

    »Gab es besondere Vorkommnisse auf eurer Reise?« fragte er dann, an ibn Selim gerichtet.

    »Nein. Ihr Aussehen erregt Aufmerksamkeit, doch in meiner Gegenwart hat niemand gewagt, sich mehr als eine anzügliche Bemerkung herauszunehmen. Was ihre Kraft angeht – nichts.«

    »Ich müsste mehr erkennen«, sagte al Jabar.

    Ibn Selim faltete seine Hände. »In der Tat – das überraschte mich auch. Sie ist verhüllt.«

    Valeria horchte auf. »Ist das schlimm? Wird es mich am Lernen hindern?«

    »Nein, keineswegs, Valeria«, sagte der Akademieleiter. »Es bedeutet nur, dass manche Zauberer dich nicht auf Anhieb als magiebegabt erkennen können. Das ist eine sehr seltene Fertigkeit, insbesondere bei ungeschulten Talenten. Und das zusammen mit dem Faktum, dass du über mehr Kraft verfügst als andere Anfänger – wir werden dich sehr aufmerksam beobachten.«

    Kein freier, unbeaufsichtigter Schritt also, schloss die junge Elevin. Nun gut, ich werde mich durchbeißen. Irgendwann ist die Schulzeit ja zu Ende.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

  • Die ersten Wochen in der Schule eilten an Valeria vorbei wie die verirrte Meeresbrise im Dschungel.

    Sie wurde eingekleidet und musste erst einmal lernen, wie man ein Brusttuch oder ein Lendentuch bindet, wie man Socken oder Schuhe anzieht, oder wann man welches Elevengewand zu tragen hatte, je nachdem, welches Fach im Lehrplan stand.

    Sie musste lernen, wie man sich an der verwinkelten Akademie mit ihren zahlreichen Geheimgängen zurechtfand, oder wie man sich seine Studien einteilen musste, um keinen Unterricht und keine Mahlzeit zu verpassen.

    Sie musste Lesen und Schreiben lernen, Geografie, Fasarer Politik, Recht und Etikette, Gildenrecht und grundlegende Zwölfgötterkunde und vieles mehr.

    Sie studierte magische Theorie für das erste, das zweite und das dritte Lehrjahr, lernte über die magischen Techniken, Merkmale und Repräsentationen und begann Konzentrationsübungen, um ihre eigene Kraft zu erkunden.

    Sie lernte die anderen Schüler ihres Lehrjahres kennen – fünf junge Männer, die jeweils von einem Fasarer Granden entsandt worden waren, die Kunst der verteidigenden Magie zu erlernen. Fünf junge Männer, die schon immer gewusst hatten, dass sie zu Höherem geboren waren und selbstverständlich besser waren als der gemeine Pöbel. Eines Tages würden sie alle »über die Brücken wandeln«, wie man in Fasar die Zugehörigkeit zur herrschenden Schicht umschrieb. Die hohen Häuser der Fasarer Granden waren untereinander durch Brücken verbunden, so dass keiner der Herrschenden sich unter das gemeine Volk mischen musste, um seinesgleichen zu besuchen.

    Selbstverständlich gehörte Valeria nicht zu diesem elitären Kreis. Sie entstammte dem Pöbel und konnte noch nicht einmal richtig zaubern – wenn Seine Spektabilität sie dennoch zum Studium der Magie zugelassen hatte, konnte das nur an ihrem höchst appetitlichen Äußeren liegen.

    Der erste Streich ließ nicht lange auf sich warten.

    Egal, was die Frage ist - Schokolade ist die Antwort!

    Einmal editiert, zuletzt von Hinrich (30. Januar 2024 um 10:15) aus folgendem Grund: Typo