Charaktere beeinflussen die Spieler

  • Sonst ist ja immer die Rede davon, dass Spieler ihre Charaktere beeinflussen. Aber nehmen sie nicht mit der Zeit auch gewisse Verhaltensweisen und Eigenarten ihrer Charaktere an, denn wenn wir uns das mal genau ansehen: Da ist jemand, der sich in seinen Charakter hineinversetzt, nicht mehr als Spieler, sondern als der Charakter handelt. Das geht doch nicht ohne Spuren vorbei.

    Und jetzt kommt die große Frage: Wem ist das schon passiert?

  • Wenn der Character durch den Spieler beinflusst wird, und der Spieler durch den Character, dann beinflusst der Spieler den Spieler ... ist ja fast wie die frage mit dem Huhn und dem Ei ... aber eindeutig beantwortbar, zumindest wenn man den Character nach der Geburt des Spielers erstellt hat^^

    Aber ja, nach einer sehr immersiven Runde ist meinereiner schon sehr im Character ... zur Freude und Leid meiner "Mitbewohner" :D

  • Ich glaube, dass unsere Charaktere manchmal nur ein ehrlicherer Einblick in unser Selbst sind.

    Die Dinge, die ich künstlich für einen Charakter erschaffe (rruussischer Akzehnt fier meinen Bornländer zum Beispiel) schwappen nicht in mein RL.

  • Im Optimalfall klar, das ist ja Rollenspiel, also wie eine Methode die man auch zur Ausbildung, dem Unterricht oder zur Verhaltensschulung nutzt. Ich lerne also auch beim Rollenspiel im Kreis der Freunde was dazu, bei neuen Konzepten gerne mal meine Sicht auf die Welt zu verändern, anderen Regeln zu folgen als die, die meine eigenen sind oder auch mich in einer fremde Kultur einzudenken. Beeinflusst mich das exakt als Spieler, vermutlich eher nicht. Also niemand glaubt an die Himmelswölfe, weil er einen Nivesen spielt etc.. Kann es mich aber dennoch beeinflussen, wenn es um mein privates Leben geht? Ja, davon gehe ich aus. Weil ich etwas dazulerne und das hat auch immer Einfluss auf mich. Das ist ja einer der tollen Perks an unserem Lieblingshobby. Allerdings ist das mMn keine Sache die auf einen Charakter bezogen ist, sondern die einfach eine Entwicklung des Spielers aufgrund neuer Perspektiven, gelernter Inhalte (man beschäftigt sich ja auch manchmal echt ausführlich mit Themen die den Charakter betreffen) und neuer Verhaltensweisen im Spiel.

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  • Ja, interessante Frage - ich denke Sumaro hat da schon eine hilfreiche Antwort gegeben.

    Das "Nachahmen" oder "Nacherleben" erlernen wir Menschen ja im Grunde von klein an. Es ist etwas ganz natürliches, dass wir "gelebte" Eindrücke nochmals innerlich verarbeiten. Wenn Kinder eine spannende Geschichte gehört oder gesehen haben, spielen sie diese zumeist gleich nach. Das füllt dann evtl einen Nachmittag, zumeist aber nicht mehr. Andauernde "parallele" Charakter-erlebnisse sind sicher nicht allzu gesund. Ich habe ja schon oft Schwierigkeiten mit meinem EINEN "AlltagsEgo" in der Welt klar zu kommen =D =D

    Zurück zum Thema:

    Ich halte den gedanklichen Schluss von "MEISTER" für etwas schief. Spielbare Charaktere kann man sicher nicht so scharf von der Spielerperson trennen - denn sie leben ja gerade durch den Spieler. Damit ist die Perspektive - der Charakter formt den Spieler - zu einfach gegriffen. Am Ende ist es immer der Spieler, der seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge richtet. Der Charakter ist dann eher Hilfsmittel zur Selbstbeobachtung - nicht zur Beobachtung des Charakters.


    Wenn einer eine "externe" Aufmerksamkeitslenkende Funktion bei DSA hat, dann der Spielleiter. Im Grunde kann er/sie die Spieler massiv anregen, indem er die Spielhelden konfrontiert. Das wirkt dann auch auf die Spieler selbst. Die eigentliche spannende Frage (für mich) ist also, was kann der Spielleiter alles so tun und wo liegen Grenzen der Beeinflußung.. gab es dazu hier schon einmal ein Thread?

    Gruß

    qbert

  • Ich glaube, dass unsere Charaktere manchmal nur ein ehrlicherer Einblick in unser Selbst sind.

    Die Dinge, die ich künstlich für einen Charakter erschaffe (rruussischer Akzehnt fier meinen Bornländer zum Beispiel) schwappen nicht in mein RL.

    Einen besonderen Einblick in mich selbst als der Mensch der ich OT bin geben meine Charaktere auch nur bedingt.

    Es gibt ein paar Punkte: z.B. spiele ich als Mann immer männliche Charaktere (wobei die sexuelle Orientierung meiner SCs schon nicht mehr meiner eigenen entsprechen muss) oder ich spiele fast immer Charaktere die nicht rauchen, nur maßvoll oder garkeinen Alkohol trinken und auch keine anderen Drogen konsumieren, weil ich das als Spieler nicht mal als Phantasievorstellung mag.

    Auch spiele ich Schurken (wenn ich sie denn mal spiele, was selten ist) gerne als Eiferer mit einer tiefdunkelgrauen Mission die glauben das Richtige zu tun oder mit einer Art "mafiösen" Attitüde; nie als völlig haltlose, ehrlose, psychopathische oder sadistische Gestalten, weil mich das auch zu sehr anwidert als Mensch um Spaß daran zu haben.

    Was viele (nicht alle) meiner SCs gemeinsam haben ist eine sehr aufmerksame und genießende Zuwendung zur Welt und den kleinen Dingen in manchen Monenten - das haben sie auch von mir.

    Aber das wars auch schon an Einblicken die sich da auftun. ^^

    Im Umkehrschluss (der hier ja eigentlich Thema ist) ist das bei mir auch nicht so konkret.

    Was ich habe ist, dass die "vibes" einer Geschichte in die ich intensiv eingetaucht bin mir noch nachhängen ein paar Stunden oder gar Tage.

    Ob ich jetzt viele Folgen einer bestimmten Serie gesehen habe oder am Spieltisch ganz intensive Plots erlebt habe, ein bisschen von den Stimmungen und der Art wie die Figuren dort drauf sind und fühlen und handeln kann noch nachklingen.

    Aber nicht in meinem Verhalten i.d.R.. ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von BardDM (11. Mai 2018 um 09:15)

  • Ob meine Charaktere mich beeinflussen? Nö, überhaupt nicht. Meine beiden Lieblingsheldinnen führen einen Khunchomer. Ich selbst ziehe das Schwert vor :saint:

    wir halten noch immer / die wolkenfäden fest in den händen / das versprechen: ich webe dir ein kleid aus traum und dunst und zuversicht / damit du es schön warm hast / im augenblick der zählt

    seebruecke.org

    mission-lifeline.de

    sea-watch.org

  • Verhaltensweisen und Eigenarten weniger, aber Selbstvertrauen. Seit ich Rollenspiel betreibe und relativ oft eine "Anführer/Face"-Rolle übernehme, traue ich mich auch im realen Leben viel mehr den Mund aufzumachen.

    Ansonsten führt das sehr immersive Spiel vor allem dazu, dass ich ein paar Stunden bis Tage danach manchmal noch meine Gefühle einordnen muss, wo genau die herkommen; vor allem als sich mal ein Charakter ungeplant in einen anderen verliebte.

  • Es gab mal einen Artikel von 2013, der sich an Erkenntnissen aus den Theaterwissenschaften, kombiniert mit Selbsterfahrung beim LARP, orientierte. Er beinhaltete, dass (zumindest im LARP) eine Übertragung zwischen Charakter und Spieler in beide Richtungen stattfindet. Der Autor, Alexander Jaensch, bezeichnete dieses Phänomen als "Bleeding", also eine Art Osmose zwischen der Trennwand der Realitäten.

    Hier auf Teilzeithelden zu finden.

    Und aus dem Chaos sprach eine Stimme: ´Lächle und sei froh, denn es könnte alles viel schlimmer kommen.` Also lächelte ich, war froh und es kam schlimmer...

    Im Balash gibt es auf alle Waren 19% Mherwed-Steuer

  • Eine bediseitige Beeinflussung habe ich noch nicht bemerkt. Ich vertrete eher die Auffassung, dass jeder Charakter eines Spielers einen Kern in sich trägt, der die/einen Teil der Persönlichkeit des Spielers reflektiert.

    Bei jedem meiner Spieler, die lange (10+ Jahre) mit mir spielen, behaupte ich gezielt bestimmte Reaktionen hervorrufen zu können, wenn ich bestimmte Szenen spiele und/oder Reize setze. Und dabei kommt es nur auf den Spieler an; es ist vollkommen egal, welches Genre, Spielsystem oder Held.

    Huldvoll winkend

    ---Jan van Leyden

  • Ich gehe natürlich nicht davon aus, dass der Charakter dem Spieler eine völlig neue Persönlichkeit auferlegt, jedoch halte ich es für gut möglich, dass ein mutiger Charakter mit viel Selbstvertrauen dem Spieler auch in der Realität ein gesteigertes Selbstvertrauen mitgibt.

    Gerade Eigenschaften, die im Spiel positiv erlebt werden, haben ein hohes Potenzial zur "Übernahme". Es wurde ja noch keiner, der einen Psychopathen gespielt hat, zu einem, aber umgekehrt können gute oder auch ambivalente Charaktere Spieler zur Selbstreflexion anregen.

  • Interessanter Artikel SirAnArcho

    Ich kann mir gut vorstellen, dass beim LARP die Wahrscheinlichkeit, dass die Grenze zwischen Spieler und Charakter sich manchmal verwischen bzw. fließend sind, höher ist als am P&P-Spieltisch. Trotzdem halte ich eine Überidentifikation mit dem Charakter den man darstellt für nicht ungefährlich. Man sollte schon jederzeit zurück ins RL switchen können.

    Da ich nicht LARPe (das Schwert nutze ich für andere Zwecke ;) ), kann ich nur von meinen Erfahrungen am Spieltisch sprechen. Und da ist es unleugbar so, dass meine OT-Person in meine Charaktere einfließt, was von Char zu Char sehr unterschiedliche Formen annehmen kann, da es durchaus auch im RL ungelebte Aspekte sind, die da zum Tragen kommen. Ich könnte auf jeden Fall nur sehr schlecht eine Person spielen, deren Ansichten ich ablehne, dazu reicht meine Schauspielkunst nicht :)

    Ein Punkt allerdings unterscheidet meine Charaktere grundlegend von meiner RL-Person: sie halten Gewalt für vielleicht nicht die beste, aber durchaus für eine akzeptable Möglichkeit, Probleme zu lösen.

    wir halten noch immer / die wolkenfäden fest in den händen / das versprechen: ich webe dir ein kleid aus traum und dunst und zuversicht / damit du es schön warm hast / im augenblick der zählt

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  • Zitat

    Es wurde ja noch keiner, der einen Psychopathen gespielt hat, zu einem,

    Sicher?!? .... Muhahaha >:)

    Um neue Verhaltensweisen zu erlernen müssen diese regelmäßig praktiziert werden und als erfolgreiche Verhaltensweisen wahrgenommen werden, von einem Abend als überdrehter Character wird man nicht Verhaltensauffällig und ein durchtriebener mährer der Macht (muss immer an Landschaftsarbeiter denken dabei) verwandelt den Spieler nicht in einen manipulativen Soziopathen . Zumindest wenn nicht vorher derartige Tendenz unterbewusst vorhanden waren und durch "Training" nun an die Oberfläche schwappen ... hoffe das keiner auf die Idee kommt derartiges Verhalten zu Konditionieren.

    Man bekommt ja auch Kein AIDS oder ADHS oder Gonokocken bzw. Lepra vom Rollenspiel (Tabletop!) solltet ihr im Larp anderweitige erfahrungen gemacht haben ... Tut es mir sehr für euch Leid ... zumindest ADHS ist auch dort nicht ansteckend ;)

  • Abhängig von dem Aufwand und dem Herzblut mit dem man den Charakter spielt kann ich das bei mir aus jüngster Zeit bestätigen.

    Bei früheren Charakteren gab es da niemals so ein Gefühl, aber seit wir mehr Wert auf Charakter-Play und Rollenspiel legen, habe ich mir die Wesenszüge der Charaktere irgendwie angeeignet. So sind sie ingame immer abrufbereit und man hat ein sehr lebendiges Gefühl bei der Geschichte.

    Mich würde interessieren, ob sowas schon bei jemandem eskaliert ist, zumindest dann, wenn die (negativen) Gefühle des Charakters auf den Spieler überschwappen, ob in einer ingame oder sogar realen Situation.

  • Meine Charaktere sind meistens sehr verschieden und haben sehr wenig mit mir selbst zu tun. Egal ob Mann, Frau, Mensch, Zwerg oder Elf, egal ab Kämpfer, Gelehrter (karmal oder magisch) oder gesellschaftlich orientierter Charakter - ich spiele alles je nach Laune. Die Gefahr sehe ich eher darin, wenn man z.B. immer einen Magier spielt der Praioten nicht mag, dass man dann irgendwann auch als Spieler für die Rolle eines Praiosgeweihter "zu macht". Ist aber in meinen Runden noch nie vorgekommen.

  • Ein fiktiver Charakter, egal ob er geschrieben ist oder gespielt, ist eine Linse. Durch sie kann sein Erschaffer die Welt mit anderen Augen sehen. Spielt man nun einen Charakter, dessen Gedankenwelt von der eigenen signifikant abweicht, dann gewinnt man eine neue Perspektive und aus ihr Anstöße und Ideen, die man ohne die Linse aus sich selbst heraus nie bekommen hätte.

    Wieviel Einfluss ein fiktiver Charakter dabei haben kann ist vom Charakter selbst, der Geschichte um ihn herum und von seinem Erschaffer abhängig. Das gilt übrigens nicht nur für Rollenspiele, sondern auch für Autoren und Schauspieler.

    Am Ende hängt das Ausmaß vor allem an folgenden Fragen:

    Wie empathisch ist der Spieler?

    Wie aktiv reflektiert er Erfahrungen?

    Wie tief versetzt er sich in Rollen?

    Wie viel Wissen recherchiert er dazu?

    Wie einflussreich ist die Rolle in ihrer Funktion als Engram?

    Wie sehr begünstigt das spielerische Umfeld durch Einflüsse und Zielsetzung einen Einblutungseffekt?

    Das Grundprinzip versteht sich ja von selbst. Man wird nicht zu einem Buddhisten, nur weil man einen Buddhisten spielt. Aber wenn man diesen Buddhisten mehr als nur oberflächlich spielt, wenn man sich mit der Thematik auseinandersetzt und Dinge über Buddhismus lernt, dann versteht man am Ende vielleicht mehr über dieses Thema als man es ohne den Charakter getan hätte und einiges davon potentiell durch die spezifische Linse dieser Rolle.