Alrike fröstelte. Der Zorn Rondras und Efferds hatte sich am Vormittag über sie entladen und auch wenn er weitergezogen war, so zeugten genug Pfützen im hohen Gras immer noch davon. In einer dieser Pfützen war sie zu liegen gekommen, die Beine angezogen, den Körper flach gegen den kühlen Leib Sumus gepreßt, der ihr schon öfter Schutz geboten hatte, mit dem billigen Lederschild nach vorn abgeschirmt. Sie nahm etwas von dem schweren Schlamm und zerrieb die kalte Masse langsam zwischen ihren Fingern. Es war gute Erde, fett und fruchtbar, wie sie jedem von Peraine gesegneten Acker wohl gut anstehen würde ! Besser als der Boden zuhause... Sie schüttelte den Schlamm nachdenklich von ihren Fingern und entblößte dabei kurz den Rand des bunten Flecks auf ihrem rechten Unterarm. Wie viele andere hatte sie sich nach der Schlacht an der Ogermauer den Greifen, der einen Oger zerriß, stechen lassen. Dabei war eine Menge ihres Geldes draufgegangen und an einen richtigen Künstler war sie damals nicht geraten, aber das war ihr damals egal gewesen. Ihre erste Schlacht, nur wenige Monde, nachdem sie zuhause ausgerissen und sich dem Söldnerbanner angeschlossen hatte. Blutjung war sie gewesen, hatte keine Ahnung von nichts gehabt und den Kampf gegen diese Monster nur mit viel Glück und halb wahnsinnig vor Angst überlebt. Es schien Ewigkeiten her zu sein... Und nun war sie hier, lag wieder im Dreck und wartete. Das laute Dröhnen der orkischen Kriegstrommeln war leiser geworden, hatte aber nie ganz aufgehört. Es zehrte noch deutlich mehr an den Nerven als das Warten ! Und das ging nicht nur ihr so...
Etwas neben ihr
lag Raul, der bullige Metzgergeselle aus Meilersgrund. Auch er hatte
sich so gut es eben ging hinter seinem Schild verkrochen. An dem
Gürtel, den er über der dicken Lederschürze trug, hing neben dem
Säbel noch sein Fleischerbeil. Raul hatte ihr erzählt, daß er da,
wo er wohnte, jeden, der wollte, etwas in den Stiel der Axt hatte
ritzen lassen. Auf dem Kopf trug er einen mit einem Kinnriemen
versehenen und passend abgesägten Holzeimer, der wohl innen mit
Stroh gepolstert war. Sie mußte grinsen, immerhin war sie es doch
gewesen, die ihren Schützlingen eingeschärft hatte, sie sollten es
bloß nicht wagen, barhäuptig zur Schlacht anzutreten. Es hatte
funktioniert ! Raul war bleich, wirkte aber sonst gefaßt. Nur seine
Augen verrieten, wie es in ihm aussah. Hinter ihm war Girte zu
erkennen, eine Straßenmusikerin aus Honingen, die immer noch ihre
bunten Kleider trug und an der Bogen und Säbel gleichermaßen fehl
am Platz wirkten. Auch sie trug einen behelfsmäßigen Helm, auf
ihren Schild hatte sie Göttersymbole und schützende Sprüche aus
dem Brevier der zwölfgöttlichen Unterweisung aufgemalt. Ihr konnte
man die Angst klar ansehen, aber sie hatte bis hier hin tapfer
mitgehalten. Dahinter Answin, ein Knecht aus Rosskuppel, dessen
Schild wüste Flüche und Verwünschungen zierten. Er trug eine
gleichartig verzierte Nagelkeule neben dem Säbel. Als einziger
wirkte er so, als könnte er gar nicht abwarten, es den Orks richtig
zu geben. Weibel Hagen und der Rest der Lanze waren irgendwo zu ihrer
Rechten verteilt, aber Alrike konnte sie aus ihrer Lage nicht sehen.
Das beruhigte sie ebensowenig wie die Gewißheit, daß keiner der
drei Verbliebenen unter ihrem Kommando irgendwie geartete
Kampferfahrung besaß oder auch nur in der Absicht einen Menschen zu
verletzen jemals eine Waffe erhoben hatte ! Sie hatten im Hippodrom
getan was sie konnte, aber in der Kürze der Zeit hätte höchstens
Rondra selbst richtige Kämpfer aus ihnen machen können. Im ganzen
Banner gab es gerade ein Dutzend kampferfahrene Kämpen. Die
Hauptfrau natürlich, der Bannerträger, die fünf Weibel und
natürlich Alrike und ihre Gefährten, die sich als Söldnergruppe
dem Banner angeschlossen hatten. Marek hatte wegen seiner Wehrheimer
Vergangenheit die Stelle des Leutnants bekommen, die anderen fünf
waren zu Korporalen ernannt worden. Nun, bedachte man das, war sie
stolz, daß noch keiner ausgerissen war. Immerhin machte die Nähe zu
den Orks mittlerweile auch Alrike deutlich zu nervös, aber das
durfte sie nicht zeigen.
Wo bleiben die Maraskaner ?
Sogar der Beschuß der Orks hatte mittlerweile nachgelasssen. Da stimmte doch was nicht ! Sie zuckte etwas zusammen, als sich links neben ihr jemand ins Gras fallen ließ und ihr einen Schwall kaltes, schlammiges Wasser ins Gesicht und in die Halsöffnung des Küraß schwappen läßt. Als sie wieder klar sehen konnte, erkannte sie Marek von Eisenhalm, ihren Anführer und derzeitigen Leutnant des Banners. Anhand seiner üblichen Schnapsfahne hätte sie ihn aber wohl auch so erkannt. Er ließ seine wässrig-hellen Augen kurz über die Gruppe gleiten.
"Wo
bleiben die Maraskaner, Mar ?" zischte sie leise und härter,
als es klingen sollte. "Wenn die nicht nach vorne kommen,
sollten wir sehen, daß wir zurückkommen. Wenn die Orks merken, daß
wir hier ganz alleine liegen, überrennen sie uns. Die müssen sich
nicht mal Mühe dazu geben, verflucht !" Marek zog eine
kleine Flasche von seinem Gürtel und nahm einen Zug daraus. "Die
Maraskaner sind steckengeblieben, Rika, sie kommen nicht !" zischte er zurück. "Wir bleiben hier, bis der Befehl zum Rückzug kommt." Als er ihr die Flasche anbot, riß sie sie ihm förmlich aus der Hand und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. "Und den Letzten beißen die Hunde." fügte sie widerwillig hinzu, als sie ihm die Flasche zurückgab. Marek zwinkerte ihr verschwörerisch zu. "Praios will es !" antwortete er salbungsvoll und klopfte ihr auf die Schulter. "Wir kommen hier schon wieder raus." Er erhob sich, strich sein Kettenhemd glatt und verschwand. Alrike atmete hörbar aus. Als Raul sie ansah, nickte sie ihm ermutigend zu, auch wenn ihr nicht im Geringsten danach zumute war. Wenn das mal nicht ins Auge ging !