Der Amaunir (I) duckte sich schnell zur Seite um den Herrschaften Platz
zu machen und rannte weiter eine enge Gasse entlang. In Sidor Echiba war
wenig Platz. Die Stadt war in den Felsen geschlagen worden und hatte
wenige Möglichkeiten sich auszubreiten. Es gab hier keine leerstehenden
Häuser oder Ruinen, alles wurde bis zum äußersten ausgenutzt. Und dann
war doch noch dieser mysteriöse Wirtschaftsboom. Die einfache
Bevölkerung kümmerte sich nicht darum und die Intelligenten, die Fragen
stellen könnten, wurden mit Geldgeschenken besänftigt. Der Amaunir
schlitterte vor eine Tür, ein Holzschild war daran befestigt: „Zum
stummen Ashariel“. Die Kneipe war ein etwas besseres Etablissement, in
dem kaum Schlägereien vorkamen und die Gäste gepflegt ein Pfeifchen
pafften. Der junge Amaunir trat ein, ein angenehmer Tabakgeruch schlug
ihm entgegen und bevor er weiterging atmete er tief ein und rollte
schnurrend mit den Augen. Schnell war seine Auftraggeberin gefunden. Die
junge Honoratin saß mittig an einem runden Tisch und nippte an einem
Wasserglas. Der Amaunir setzte sich ihr gegenüber und winkte einer der
Mägde. Er legte ein braunes Päckchen zwischen ihnen auf die Tischplatte.
Herania
serra Ennadu wartete ab, bis die junge Schankmagd die Bestellung
aufnahm und fummelte an ihrer Aurealkette herum: „Wunderbar! Das habt
Ihr sehr gut gemacht! Der vereinbarte Preis war…“
Doch der Amaunir unterbrach sie: „Ts, der Preis hat sich verdreifacht!“
„Was?
Wie? Ich verstehe nicht?“, die Honoratin wurde bleich. „Was soll das
heißen? Ich war bereits mit diesem völlig überteuerten Preis
einverstanden gewesen!“
Die Magd stellte einen Zinnkrug vor ihrem Gegenüber.
„So
wie es aussieht ist ein weiterer Forscher an alten Dingen der
Stadtgeschichte interessiert.“, sagte der Amaunir ruhig. „Eine Optimatin
(II) ist an mich herangetreten. Eine von diesen Totenliebhabern. Sie
sagte sie sei an historischen Antiquitäten interessiert. Ja, ich kenne
mich aus.“ Er zwinkerte. „Mama hat keinen Idioten großgezogen und ich
muss wohl der gelehrten Dame nicht erklären, dass die Totenliebhaber
einen anderen Sinn darin sehen die Hinterlassenschaften zu sammeln als
Ihr es habt.“
Herania fluchte leise und biss die Zähne aufeinander,
sie wusste was das bedeutete. Die Ennandu sammelten die historischen
Funde um Wissen über die Vergangenheit zu ergründen, aber die Onachos
hatten sicher vor damit ihre Totenrituale zu machen, Geister, Skelette
und Zombies aus längst vergangenen Tagen zu beschwören.
„Verdammt…“,
sie fluchte ein zweites Mal und zermarterte sich den Kopf. „So viel Geld
habe ich nicht zur Verfügung, aber unser Angebot war früher da.“ Einen
Versuch war es wert, aber es war aussichtslos.
„Ich sage es ungern,
aber die Totenbeschwörer haben mir das Dreifache angeboten. Ich wäre
dumm dies nicht anzunehmen.“, mit einem tiefen Schluck leerte er den
Zinnkrug und leckte sich die Milch von seiner Schnauze. „Nun denn, dann
noch einen schönen Tag!“ Er sprang galant auf, schnappte sich das braune
Päckchen und verließ das Lokal. Herania serra Ennadu war nun klar, dass
sie einen Konkurrenten hatte. Wütend schleuderte sie einen Aureal auf
den Tisch und verließ ebenfalls das Gebäude, bei hinausstürmen stieß sie
gegen einen dieser Hornissenanbeter. Beide entschuldigten sich knapp
und die Honoratin war hinaus in den Sonnenschein.
Christódoulos, der
Shinxir-Geweihte (III), schaute der bestürzten Frau hinterher,
schüttelte schließlich den Kopf und trat zu der Schankmagd Elenia. Die
Bansumiterin lachte hell auf, als sie ihn sah. Sie legte ihr Tablett ab
und warf sich ihm um den Hals.
„Oh, Chris! Wie schön, dass du da bist!“, gluckste sie in sein Ohr.
Er
legte seine Hände um ihre schmalen Hüften und drückte sie zärtlich:
„Ich bin auch unglaublich froh, hier zu sein! Könntest du mir etwas zu
trinken holen. Draußen ist es warm und meine Kehle trocken!“
Sie ließ
von ihm ab und nickte eifrig: „Ich schaue, ob ich Pause machen kann.
Dann setzte ich mich zu dir. Im Moment ist nicht viel los!“
Während
Elenia hinter die Theke lief, setzte sich der bereits angegraute
Geweihte an einen der runden Tische. Ihre junge und frische Art tat ihm
gut. Er wusste, dass er nicht mehr der Jüngste war, aber nach einer
Nacht mit seiner jungen Geliebten, fühlte er sich glatte 20 Jahre
jünger. Die junge Bansumiterin kam mit zwei Zinnbechern zurück und
setzten sich direkt neben Christódoulos und legte ihren Kopf gegen seine
Schulter: „Ach es ist albern, aber ich sehne deine Besuche schon fast
sehnsüchtig entgegen!“ Sie kicherte mädchenhaft.
Der Shinxir-Geweihte
strich ihr über ihr schwarzes Haar und nahm einen tiefen Schluck aus
dem Becher. Ein dicker Satyr (IV) trat zu den beiden Verliebten und
wischte seine Hände an einem Lappen ab, ehe er Christódoulos eine
reichte: „Ah, deinen Kriegsgott zum Gruße, mein Freund! Elenia war ja
wieder ganz aufgeregt, als sie mir sagte, dass du da bist!“
Der
Geweihte lachte, so dass die Bansumiterin empört den Kopf hob und ihn
beleidigt ansah. Aber er schüttelte nur abwehrend den Kopf und
tätschelte ihre bronze-metallic glänzende Wange. Dann erwiderte er den
festen Handschlag des Wirtes: „Chrisovalándis! Immer wieder schön hier
in deinen Ashariel einzukehren!“
Da ging die Tür auf. Der Wirt hob
neugierig den Kopf und fluchte laut: „Auch das noch!“ Ein Satyr trat
ein, über und über mit getrockneter Erde und Schlamm bedeckt. „Bitte
verzeiht, Eure Würden, Elenia. Dies ist mein missratener Sohn!“ Der Wirt
schwang das Tuch, welches er in den Händen gehalten hatte über die
Schulter und trabte Richtung Tür, in der noch immer fröhlich grinsend
der Sohnemann stand.
„Chrisovalándis jr.!“, schimpfte der Vater. „Mir
ist es zwar egal, aber deine Mutter!“ Er schlang die Arme über den
Kopf. „Deine Mutter wird mir den Kopf abreißen, wenn sie dich so sieht!
Bevor sie von der Arbeit nach Hause kommt musst du frisch gewaschen sein
und riechen wie eine Blumenwiese! Was ist denn geschehen? Sag nicht,
dass du dich wieder in der Wildnis (V) herumgetrieben hast!“
Aber der
Jüngere schüttelte den Kopf: „Nein, Vater, mal nicht aus der Wildnis!
Ich habe mich in einer dunklen Gasse mit einigen Raufbolden geschlagen.
HA! Denen habe ich es gezeigt!“
Der Vater hieb mit der Faust gegen
die Schulter des Juniors, der vor Schmerz zusammenzuckte: „In einer
engen Gasse!? Das ist nicht lache! Du kannst gerne deine Mutter anlügen,
aber ich weiß, dass du zu diesen Straßenkämpfen gehst und nicht nur auf
die Kämpfer wettest, sondern auch selbst in den Ring steigst und auf
dich wetten lässt. Das erzählen wir aber alles nicht deiner Mutter! Ich
hoffe, dass du da wenigstens etwas verdienst.“ Senior zwinkerte und
erhob die Stimme über der Schulter: „Elenia! Wisch bitte hinter meinen
dreckigen Sohn den Boden! Und du…“ Er wandte sich wieder zum Junior.
„Wenn du nach oben gehst, schau nach deinen Schwestern! Jetzt haben alle
drei Schüttelfrost (VI)!“ Ergeben verneigte sich der Sohn und stieg die
Treppen zur Empore hinauf. „Und danach wäscht du dich!“, rief ihm noch
der Vater hinterher.
Chrisovalándis jr. Lief fröhlich pfeifend durch
den Schankraum, vorbei an einem Tisch, an dem ein Minotaurus und ein
Neristu saßen. Im blinden Zerstörungswahn (VII) zerpflückte der
Minotaurus ein Stück Papier und grummelte: „Das ist doch lächerlich!“
Der Neristu war damit beschäftigt ein weiteres Blatt kunstvoll zu falten
und sah von seinem Werk nicht auf, als er schulterzuckend sagte: „Reg
dich nicht auf! So sind die Dreiaugen eben! Wenigstens hat er als
Entschädigung der Nachricht für uns einige Aureal hinterlassen! Das
heißt, dass er uns zwar versetzt, aber wenigstens bekommen wir das Geld
und können uns einen schönen Abend machen und das für umsonst, da wir ja
nichts für das Geld machen mussten!“
„Erst bestellt er uns hierher
und dann taucht er nicht auf.“, murmelte der Minotaurus. „Also ich finde
das nicht in Ordnung! Und dann uns noch eine Nachricht beim Wirt
hinterlassen, wobei wir beide doch gar nicht lesen können! Schwachsinn!
Wenn er uns anheuern will, dann sollte er dies zumindest wissen!“
„Sieh
her!“, der Neristu hob das gefaltete Papier in die Höhe. „ Dies ist ein
Langbeiniger Beutelhüpfer (VIII)! Ist er nicht schön! “
„Wie auch
immer!“, brummte sein Gegenüber wütend. „Ich hatte die Hoffnung auf
ehrliche und gut bezahlte Arbeit! Aber wenn das Bewerbungsgespräch
geplatzt ist, sollte wir mal rüber zu den Rhidaman oder den Eupherban!
Die brauchen sicher noch zwei gute Arbeiter für die Lagerhäuser und das
Eiserne Ross!“ Der Neristu nickte: „Du hast recht, mein Großer! Gehen
wir rüber. Gerade werden viele Leute gesucht, es heißt es wird zurzeit
mehr Erze abgebaut als sonst! Das könnte unsere Chance sein!“ Die Beiden
erhoben sich. „Und das Geld können wir auch gut gebrauchen!“, brummte
der Minotaurus. „Sicher verschleißt unsere Kleidung schnell. Von dem
heute „verdienten“ Geld können wir uns neue leisten!“ „Sehr gute Idee,
mein Großer!“, der Neristu klopfte ihm auf die Schulter. „Wir finden bei
den Lagerhäusern sicher einen Job!“ Sie verließen den stummen Ashariel.
Kurz
nachdem er beobachtet hatte, dass die Honoratin die Kneipe verlassen
hatte, war der Amaunir wieder hineingeschlüpft und hatte sich einen
guten Platz gesucht, von wo aus er die Tür beobachten konnte. Zufrieden
lehnte er sich zurück und bestellte bei der Schankmagd einen Becher
Milch. Bis endlich die Tür aufschwang und eine ganz in Schwarzgehüllte
Gestalt eintrat. Das Gesicht war unter einer Vollgesichtsmaske verborgen
und zeigte einen Totenkopf. Trotz dieser kompletten Verhüllung
erkannten die scharfen Augen des Amaunir, dass es sich nicht um die
gleiche Person handelte, welche mit ihm vor einigen Tagen gesprochen
hatte. Damals war es eine Frau gewesen, aber der Gang dieser Person
verriet ihn eindeutig als Mann. Dennoch gehörten sie zum selben Haus und
so trat der Onachos an den Tisch des Amaunir, setzte sich aber nicht,
sondern warf mit seiner knochigen Hand eine Aurealkette auf die
Tischplatte.
„Ah, Ihr scheint an dem Artefakt interessiert, mein Herr!“, grinste der Amaunir „phexisch“.
Der
Optimat sagte kein Wort, sondern wartete ab. „Ich hoffe, dass es nicht
schlimm ist, aber ich weiß gerne mit was für Artefakten ich unterwegs
bin und habe es untersuchen lassen. Sicher hättet Ihr es auch rausfinden
können, aber ich spare Euch etwas Zeit und sage Euch, Exzellenz, dass
es sich nicht um ein dämonisch beseeltes Artefakt (IX) handelt. Da Ihr
nun diese Information habt und ich Euch damit Zeit und Aufwand erspart
habe, nun ja, diese Untersuchung hat Geld gekostet und…“
Ohne ein
weiteres Wort zu sagen warf der Optimat einige weitere Münzen auf den
Tisch. Der Amaunir war äußerst überrascht darüber. Diesen Versuch
startete er bei all seinen Auftraggebern, aber bisher hatten ihn alle
nur mit Blut und Morde (X) gedroht, anstatt ihm anstandslos das Geld zu
geben. Mit offenem Mund legte er das braune Päckchen auf die Tischplatte
und starrte abwechselnd zu der hochgewachsenen Gestalt auf und zu den
Häufchen Gold in der Mitte des Tisches. Die Knochenhand griff aus dem
Umhang und zog das Päckchen in den Umhang und verließ ohne ein Wort den
„stummen Ashariel“.
Zum stummen Ashariel
-
Nirka -
10. Januar 2016 um 18:25 -
Erledigt
-
-
orkenspalter
28. Januar 2024 um 10:02 Hat das Thema aus dem Forum Geschichten nach Geschichten, Erzählungen verschoben.