@Thorus84 Unterstützen für dich die Bilder und das Layout von DSA5 deine 'Hotzenplotzigkeit'-Beschreibung? Für mich ja. Ich mag sowas. Düsterer kann ich das im Spiel immer noch machen. DSA war für mich immer erstmal eher märchenhaft (wie auch in den Drakensangspielen sehr gut rübergebracht, auch wenn es da an anderem krankte).
Juhu, meine Meinung ist relevant! Ich eile! https://www.orkenspalter.de/wcf/images/smilies/biggrin.png
Antwort: Jein. https://www.orkenspalter.de/wcf/images/smi…jione/1f609.png" class="smiley
Und ich bin auch kein Fan der Hotzenplotzigkeit als Selbstzweck, zumindest nicht ausschließlich.
Wer möchte, kann zu meiner Zusammenfassung runterscrollen. Ansonsten hier mal ausführlich:
Das wohlige "Nostergast-Hotzenplotz-Gefühl", das wir aus der Frühzeit des Schwarzen Auges kannten (Zum Schwarzen Keiler, Über den Greifenpass und Co. - ja, ich weiß, dass die nicht in Nostergast spielen...) und das später auch über die "Einstiegsdroge" Drakensang bedient wurde, ist für mich immer nur ein Stilmittel gewesen, um vom "Awesome Shit" der Spielwelt durchlöchert zu werden.
Ich möchte ein Beispiel geben: Der "Herr der Ringe" beginnt im beschaulichen Auenland. In dieser "heilen Welt" beschäftigen sich die wichtigsten Protagonisten vor allem mit den Tücken einer Geburtstagsfeier. Gandalf spielt den Feuerwerksmeister; Bilbo versteckt sich vor der Verwandtschaft; Sam ist in das Schankmädchen aus Wasserau verliebt. Man flüchtet gemeinsam vor dem Bauer Maggot, der die Hobbits beim Gemüseklau erwischt. Das ist absolute Hotzenplotzigkeit. Alles ist übersichtlich, geordnet, alltäglich und klein.
Das ultimativ Böse, Finstere, Gefährliche wird erst dadurch so bedrohlich, dass es in diese heile Welt mit ihren kleinen Problemchen eindringt und sie völlig banalisiert. Die Helden müssen plötzlich über sich hinaus wachsen.
Das haben wir auch oft in Aventurien erlebt. Ich habe die G7 Kampagne mehrmals geleitet. Ein kleines Fleckchen Land im Bornischen oder Tobrischen, das sich die Helden über viele viele Abenteuer tapfer erarbeitet haben, womöglich eine Mühle, ein Gasthaus oder gar ein kleines Lehen, was verwaltet, organisiert und mit "hotzenplotzigem Leben" erfüllt wird; all das gerät plötzlich in Gefahr oder wird sogar vernichtet, als der Dämonenmeister mit allen Niederhöllen über die kleine Beschaulichkeit herfällt und nichts als verbrannte Erde zurücklässt.
Dieses Gefühl des "Banal Alltäglichen" zu vermitteln, darin war DSA immer besonders groß. Denn durch die übertriebene Detailtreue und das "Retten der Müllersfrau aus dem Dorfteich" als erste Heldentat, kann die nächste Eskalationsstufe einer wie auch immer gearteten Bedrohung umso gewaltiger wirken; ohne zwangsläufig "größer" zu sein, als im "Drehbuch" vorgesehen. Die Dramaturgie die DSA automatisch mit-vermittelt, einfach indem die Welt kleinteilig beschrieben wird, folgt stets einem roten Faden, der wie ein klassischer Fünfakter aus der Hoch-Zeit des Dramas funktioniert. In diesem Fall sowohl innerhalb eines Abenteuers, als auch auf viele weitere erstreckt.
Das Grundregelwerk greift diese Charakterentwicklung sehr schön auf. Beispielsweise durch die archetypische Zauberin, die in "drei Stufen" gezeigt wird. Schaut euch mal Seite 37 an. Noch nie wurde meines Erachtens eine Charakterentwicklung so perfekt zwischen Bild und Text abgestimmt. Wir sehen die archetypische Magierin, wie sie als Kind völlig überrascht ihr Talent entdeckt. Ein kleiner FLIM FLAM oder ein MANIFESTO in der Hand. Dann, die jugendliche Novizin, gebeugt über staubigen Akademie-Lernstoff.
Und schließlich die erwachsene Maga, die in die Sphären greift um Kraft zu schöpfen, damit sie dir einen alles vernichtenden IGNISPHAERO in den Arsch ballert.
Gleichwohl werden diese bildhaften Eindrücke auch in Regeln verewigt. Du kannst das Kind spielen, indem du den Erfahrungsgrad "Unerfahren" wählst. Du kannst die jugendliche Rotzgöre im aventurischen Hogwarts spielen, deine Lehrer ärgern und Mitschülern Streiche spielen, indem du den Chara auf "Durchschnittlich" generierst. Oder du stellst dich Rücken an Rücken mit Nahema und Raidri Chonchobair auf einen gottverdammten Felsen, schwingst deinen brennenden Zauberstab des Entsetzens; intonierst lautstark bosparanische Demon-Ex-Fatalities™ und verbrennst das jämmerliche Gewürm unter dir zu zuckender Asche. Dann spielst du auf "Legendär".
Warum ich das hervorhebe? Nun, es gibt viele Spiele, auch Brettspiele und Tabletops, wo du nicht das Gefühl hast die Person(en) zu spielen, die der Fluff vorgibt. Am bekanntesten ist mit Sicherheit sowas wie Warhammer 40k; vor allem als Tabletop. Während ein gewöhnlicher Space Marine im Fluff und in den Romanen beschrieben wird, als könne er es mit zwei bis vier seiner Brüder gegen tausende Feinde gleichzeitig aufnehmen, überlebt er einen gewöhnlichen Lasergewehrtreffer im tatsächlichen Spiel nur in 50% der Fälle. Das passiert vor allem in Video- und Computergames noch häufiger. Und auch wer Pen & Paper wie "Vampire: The Masquerade" gespielt hat, der findet die übermenschlich starken und widerstandsfähigen Jäger der Nacht nicht selten in der Gameplay-Realität als Glaskanonen in Papierrüstungen wieder. Da passen Spielrealität (Gameplay) und Fluff (auch auf Bildern) nicht zusammen. Bei DSA4.1 hingegen schon. Aber bei DSA5 sogar NOCH besser.
Diese Entwicklung; dieses vom "Hotzenplotzigen" ins "Kollossale", das wird optisch vom GRW und auch vom Almanach und Bestiarium durchweg stimmig unterlegt und harmoniert erstklassig mit den Regeln. Und nur weil es in früheren Editionen möglich war so etwas ebenfalls zu generieren, (indem man Generierungs-GP wegließ oder hinzunahm) ist es immer noch ein Unterschied, ob du ein völlig freies Baukastensystem hast, wo du so etwas AUCH spielen kannst, oder ob dir ein weitestgehend freies System vorliegt, das dir VORMACHT so etwas zu spielen, beispielsweise indem man tatsächlich 7 konkret ausformulierte Erfahrungsgrade anbietet nebst begleitender Bebilderung. Um zum HdR-Beispiel zurückzukommen: Ob wir die Geschichte im Auenland oder sofort im epischen Überlebenskampf von Osgiliath in Gondor starten, ist für die Gefährlichkeit und Boshaftigkeit Saurons zweitrangig. Sauron ist jeweils "gleich böse". Im Rollenspielsinne ist er "regeltechnisch gleich". Aber durch unsere hotzenplotzige Auenland-Perspektive ist er für uns als Rezipienten eben noch böser. https://www.orkenspalter.de/wcf/images/smi…jione/1f609.png" class="smiley
Regeltechnisch mag man mit DSA4.1 alle Charaktere erschaffen, die man sich erträumen kann. Aber DSA5 macht uns vor; nein - LEBT uns vor, WIE das funktionieren kann. Und damit sind wir viel tiefer drin; viel betroffener und viel ausgelieferter. Und das ist eben das von mir beschriebene "Look and Feel", das so unfassbar wichtig ist für die Glaubwürdigkeit einer Spielwelt. Mir persönlich HILFT das und macht die Dinge für mich plastischer. Mir ist es völlig schnuppe, ob ich das in DSA4.1 auch spielen könnte; ich möchte es sehen, spüren und fühlen; es soll vor mir ausgebreitet werden, wie von einem Händler, der seine Waren anpreist. Ich möchte - beispielsweise - seit DSA5 tatsächlich einen Geweihten spielen. Weil mich Texte, Bilder und Feeling einfach heiß drauf machen. Ich hätte auch einen bei DSA4.1 spielen können, aber Regeln, Bilder und Feeling haben mich völlig kalt gelassen.
Bei der Bebilderung kommt außerdem positiv hinzu, dass sie wie aus einen Guss wirkt; einen durchgängigen Stil verwendet und kein Stilmix ist, wo zig Jahre alte Bilder (Caryad, Yüce) recycled und mit neuen Schnapsnasengesichtern (ALuT anyone?) und unfertige Comickritzeleien (Hier bitte seitenlanges Sabine Weiss-Bashing hineindenken) vermischt werden.
Zusammengefasst: Die Hotzenplotzigkeit ist für mich persönlich ein dramaturgisches Stilmittel, um den Impact etwaiger späterer Schurkenstücke und Heldentaten zu erhöhen. DSA5 schafft es mir wieder ein Aventurien vorzuführen, das einen beträchtlichen Reiz daraus zieht, dass in das alltäglich Banale plötzlich das herausfordernd Kolossale einbricht, an dem meine Helden wachsen oder scheitern können. Und dieses Stilmittel wird - mit hoher Harmonie zwischen Fluff, Text und Bildern - in DSA5 hervorragend und in einem durchgängigen Stil umgesetzt.