Crossgender im Rollenspiel

  • (In "zu modernen" Ansichten sehe ich eigentlich kein Problem. Aventurien wurde während einer sehr progressiven Zeit in Deutschland erfunden, mithin sind da eigentlich die modernstmöglichen Weltanschauungen schon drin. Wer es nicht über sich bringen kann, einen Char zu spielen der den Feudalismus gut und richtig findet, kann Thorwaler oder Elfen spielen.)

    Außer, wenn diese "zu modernen" Ansichten zu Frauenrollen von einem Andergaster oder Novadi vorgetragen werden ;) Aber selbst da kann man ja argumentieren, dass das eben der eine "untypische" Novadi ist. Hätte ich als Spielleiter jetzt nichts dagegen, solange der Rest vom Hintergrund dadurch nicht berührt wird. Und dafür bin ich ja zuständig.

    In anderen Rollenspielen kann das aber schon mal schwierig werden, wenn man z.B. in den 1920er (oder noch stärker: im Gaslicht der 1880er) Jahren Cthulhu spielt. Da kann sich ein Charakter, der bestimmte "zu moderne" (Gleichberechtigung von Frauen oder Homosexuellen) oder einfach nur "unrealistische" Ansichten aus der Fantays-Ecke (alle Schankmaiden sind willig) vertritt, schon mal ins Aus manövrieren, wenn der Spielleiter den historischen Hintergrund eng auslegt.

    Und das sind eben auch Bereiche, wo Cross-Gender manchmal sehr wichtig sein kann (wenn z.B. eine Spielerin einen Mann spielt, weil das Cthulhu-Abenteuer 1917 an der Westfront spielt, zumindest an der Front also eine Welt ohne Frauen), aber auch zu Problemen führen kann (wenn z.B. ein Spieler eine klischeehafte nymphomanische Investigatorin spielt, die dann eigentlich der damaligen Logik folgend ins nächste Irrenhaus wandert, ohne auch nur eine STA-Punkt verloren haben zu müssen ;) ). Aber letzteres ist ja eh mehr ein Problem mit dem Spieler als mit dem Hintergrund an sich, nur dass der Hintergrund da weniger verzeihend ist.

    Aber ich muss ehrlicherweise sagen, dass mir mit Crossgender an meinem eigenen Spieltisch noch nie Probleme aufgefallen wären. Auf Cons habe ich da allerdings schon etwas schrägere Sachen erlebt und auch aus zweiter Hand von anderen Spielgruppen gehört.

  • Ach, bei historischen Setting funktioniert es recht gut Dinge wie das Patriarchat oder Geschlechterrollen zu ignorieren. Gerade wenn nebenbei ganz unhistorisch Cthulhu mitspielen will oder es eigentlich sehr egal ist, wer da gerade neben einen jämmerlich an der Westfront des 1. Weltkriegs verreckt - das Geschlecht ist für die Szene genauso wichtig wie die Augenfarbe der Person. Wir hatten mal ein gleichberechtigtes antikes Rom, hat super funktioniert und man konnte einfach spielen ohne sich über Sexismus Gedanken zu machen. Den hat man im Alltag ja schon genug, völlig nachvollziehbar, dass man den nicht auch noch in der Freizeit bespielen muss. :thumbsup:

    Ähnliche gedankliche Engen sind dann wohl das, was mich an Crossgender stört: Charakterkonzept A kann ich aber nur als Geschlecht Y spielen, weil das andere Geschlecht ja nie genau diese Eigenschaften haben kann. Wie der fürsorgliche Heiler, der hilfsbedürftig ist. Das geht dann plötzlich nur in weiblich. Warum auch immer, aber so etwas nervt dann. Vielleicht sind meine SC Jungs, deshalb eher zart, die findet man auf SC Seite eher selten. :/

    I ♡ Yakuban.

  • Also ich versteh schon das einige damit vllt nen Problem haben, aber ich tu mich bissl schwer mit der Verteufelung von Kettenhemd-Biki-Heldinnen mit Spieler-Kerlen. Klar is das vllt bissl primitiv usw aber man kann auch nicht behaupten das es nicht auch solche Frauen gibt. Sicherlich nicht an jeder Ecke usw aber man kann mMn nicht einerseits einfordern das jeder alles spielen können sollte egal was seine eigentliche, irdische Situation hergibt und dann bei sowas aber wieder angefressen is wenn diese Freiheit dann nicht so genutzt wird wie man sich das selbst vorstellt. Vllt hat ja der Spieler der Kettenhemd-Bikini-Heldin genauso viel Probleme mit dem männlichen Macho-Helden einer Spielerin wie umgekehrt sie mit der Frauendarstellung von ihm.

  • Vllt hat ja der Spieler der Kettenhemd-Bikini-Heldin genauso viel Probleme mit dem männlichen Macho-Helden einer Spielerin wie umgekehrt sie mit der Frauendarstellung von ihm.

    Das glaube ich eher weniger. Wer regressive Rollenbilder blöd findet, findet sie meist in beide Richtungen blöd. ;)

    Theoretisch würde ich natürlich auch Frauen davon abraten, einen chauvinistischen Conan-Verschnitt mit Klugheit 8 zu spielen, der dem Philosophie-Studenten als einzigem Mann am Spieltisch den Eindruck vermittelt, die Mitspielerin halte Männer grundsätzlich für bescheuert und er sei in der Gruppe nicht so wirklich willkommen.

    Nur ist mir das noch nie untergekommen, weder live noch als Erzählung anderer.

    Frauen, die männliche Chars spielen, machen das meist eher so wie Avessandra und Hexe, und brechen eben eher mal das Macho-Klischee.

    Und ich habe noch nie von einem Mann gehört, der dafür kritisiert worden wäre, dass seine weiblichen Charaktere das Klischee brechen. (Eher im Gegenteil. HdR-Fans lieben Eowyn. Tolkien wird andauernd dafür kritisiert, dass in seinen Büchern fast keine Frauen vorkommen, aber an Eowyn stört sich keiner.)


    Ich habe hingegen durchaus schon Männer erlebt, die es schrecklich fanden, wenn man Männer nicht als Conan-Verschnitt, sondern eben mal als hilfsbedürftigen Heiler darstellt. Da muss ich aber knallhart sagen: Wenn man so an regressiven Rollenbildern hängt, ist man bei DSA einfach falsch.

    Man kann als SL sagen, dass man keine Schelme will, und keine Achaz, und keine Goblins, aber wenn man sagt, man will keine männlichen Perainegeweihten, dann ist doch bei den meisten Leuten die Grenze erreicht.

  • Ist es denn nicht gerade das Schöne am RPG, dass wir uns auch einfach mal in anderer (Geschlechter)Rollen versetzen können?

    Ist es Ingame wichtig wer bzw. welches Geschlecht einen Charakter am Spieltisch repräsentiert?

    Mir persönlich ist es z.B. "nur" wichtig, dass die Präsentation eines Charakters ingame stimmig ist, d.h. sich in die Welt einfügt und z.B. kein Powergaming Char ist. (es sei denn die Gruppe einigt sich darauf, dass es ok ist). Ob die männerhassende Amazone oder der chauvinistische Almadaner von einem Mann oder einer Frau gespielt wird, ist doch mir erstmal egal. Solange der Charakter in die Welt und das Regelwerk bzw in das gemeinsam festgelegt Gruppenambiente passt, ist doch alles gut, oder?

    Manchen behagt es andere Geschlechter zu spielen, manchen nicht... so wie manche keine gewalttätigen Chars spielen wollen und andere mal froh sind im RPG ihre "dunkle" Seite herauslassen zu können. Wichtig, dass die Gruppe in sich die Grenzen festlegt. Erst wenn hier die Kommunikation fehlt, wird es meist problematisch.