Hui, was sich in drei Wochen so alles tun kann! Die Beantwortung einer vermeintlich simplen Frage entwickelt sich zu einer Grundsatzdiskussion über Kapitalismus!
Gerade habe ich Sebuz’ verlinkten Artikel gelesen, und ich finde, die Autorin macht es sich, worauf Ehny glaube ich, war’s, bereits hinwies, ein bisschen einfach, indem sie sagt (oder meint), dass man, wenn man nicht das ganze System ändert es ganz bleiben lassen kann, da stichpunktartige Boykotte zu nichts führen. Mag ja sein, dass man damit kein System ändert, aber soll man sich deshalb im Sessel zurücklehnen und gar nichts tun?
Sicher stehen in dem Artikel ein paar wahre Dinge (sehr schön die Anmerkungen zu öffentlichen Bibliotheken), nur leider zieht die Autorin mMn die falschen Schlüsse. Nebenbei übersieht sie die Buchpreisbindung, wenn sie anführt:
ZitatDiese Autoren gehören allerdings allesamt nicht zu den Menschen, die jeden Euro dreimal in der Tasche herumdrehen müssen, ehe sie ihn ausgeben.
Sicher nicht, nur kostet ein Buch überall das Gleiche, solange es sich nicht um einen Titel handelt, bei dem der Ladenpreis vom Verlag aufgehoben wurde. So kleine Ungenauigkeiten mögen nicht wichtig sein, aber das Dumme ist, dass die Autorin auch sonst zu oft mit dem Bauch argumentiert (was an sich nicht schlimm ist), dabei aber so tut, als argumentiere sie mit dem Kopf.
So muss sich der arme David Foster Wallace (der zum Glück darunter nicht mehr leiden kann) mit Stephenie Meyer vertragen. Glaubt wirklich jemand, dass ein Verlag Wallace veröffentlicht, um damit das große Geld zu machen? Und ohne Salinger oder Kafka, die die Verlage nichts mehr kosten (wenn man nicht gerade eine historisch-kritische Ausgabe herausgibt), könnte wohl kaum überhaupt je ein Lyrikband eines unbekannten Nachwuchsdichters je veröffentlicht werden. Das ist nämlich das Prinzip von z.B. Suhrkamp: große Namen, die das Geld reinholen, um noch unbekannte Autoren zu finanzieren.
Aber ich entferne mich vom Thema.
Insgesamt kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Verfasserin des Artikels sich selbst entlastet. Und der scheinbar selbstironische Hinweis, man möge die Bücher über den link auf ihrer Seite bestellen, der zu Amazon führt, ist auf eine Art zynisch, die ich ganz und gar unwitzig finde.
Die Frage, die sich mir am Ende stellte war: was will sie eigentlich?
Zitat von EuleDas ist eben der andere Stiefel. Ich glaube nicht, dass jede Form des Kapitalismus unausweichlich so ausarten muss. Aber ich weiß es nicht. Die Autorin und Sebuz scheinen aber vom Gegenteil überzeugt zu sein, was auch immer sie dazu bewegt. Ich bitte um eine Erklärung...
Es gibt eine Definition von Braudel, nach der Kapitalismus
Zitatjene Sphäre der Wirtschaft (ist), die auf Monopolen gründet und deshalb im Gegensatz zur Marktwirtschaft steht bzw. diese nach Kräften manipuliert und ausbeutet. Kapitalistische Strukturen können sich nur mit staatlicher Hilfe aufrechterhalten.
Vielleicht redet Sebuz von diesem Kapitalismus, während Eule von Marktwirtschaft im Sinne Braudels spricht?
Sebuz: vielleicht kannst du noch mal ausführen, was du dazu meinst? Würde mich interessieren.
Was bleibt, ist die Frage nach der besseren Gesellschaftsform, die bislang noch nicht beantwortet wurde (und sicher von uns hier auch nicht beantwortet werden wird). Eine Gesellschaft, die auf wirklicher „Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit“ basiert, ist mMn nur in übersichtlichen Gruppen möglich, in denen jede(r) jede(n) kennt. Sobald die Verhältnisse komplexer werden, d.h., die soziale Kontrolle nachlässt, wird es schwierig.
Aber eigentlich wollte ich ja nur wissen, ob ihr es für sinnvoll haltet, Amazon zu boykottieren….