Hallo!
Unsere Rollenspielgruppe hat nach ca. 10 Jahren Abstinenz wieder mit DSA angefangen; und beim wiedereinlesen in die Regeln bzw. einem ersten "Aufwärmkampf" bin ich da auf eine Eigenheit gestoßen, die ich für problematisch halte und zu der ich gerne einige Expertenmeinungen hören würde.
Das (mutmaßliche) Problem:
Taktische Bewegung wird mit Kampfaktionen "bezahlt".
Die unschöne Konsequenz: Wer die Initiative hat bzw. ergreift und sich zuerst auf Schlagdistanz an den Gegner heranbegibt handelt sich einen erheblichen taktischen Nachteil ein. Stehen sich zwei Kontrahenten gegenüber, die beide über ein Mindestmaß an taktischem Geschick verfügen sollen, dann führt dies zu einem Standoff: Jeder will dem anderen den Vortritt lassen, um sich nicht selbst zu benachteiligen...
Nun ist es sicherlich so, daß nicht jeder Gegner jederzeit nach dem 100%ig durchoptimierten taktischen Ideal agieren muß. In unserem Aufwärmkampf haben zwei SC einen Möchtegern-Wüstenräuber verfolgt und gestellt; als Novadi hat dieser den weiblichen SC geflissentlich ihnoriert und sich auf das Männlein gestürzt. Das hat zwar sehr schön dessen kulturelle Prägung illustriert; ihn aber letztendlich auch das Kämpfer zweiter Klasse abgestempelt: Unser Novadi handelte sich dabei einen Passierschlag ein, der ihm fast das Bein abgetrennt hätte* (Glücklicher Treffer; Bestätigung um einen Punkt auf dem W20 nicht gelungen); ein ernstzunehmender Gegner sollte keinen derart schwerwiegenden Fehler begehen wie ein 1,95m Muskelpaket mit einem ziemlich großen Schwert zu ignorieren, auch wenn es Brüste anstelle eines... äh... Ihr wisst schon hat.
Aber zurück zu meinem eigentlichen Anliegen und einem kleinen Beispiel, um es zu verdeutlichen.
In der linken Ecke: Unser Angreifer Alrik; er habe die höhere Initiative und außerdem beschlossen, die verbleibende Distanz zu seinem Gegner mittels einer Bewegungsaktion zurückzulegen.
In der rechten Ecke: Unser Verteidiger Velrik; er sei entweder langsamer oder einfach nur vorsichtiger als Alrik. Um sicherzustellen, daß wir hier nur die Auswirkungen der Initiative bzw. Handlungsreihenfolge betrachten, sei er Alrik gegenüber weder reichweiten- noch aktionstechnisch (gemeint sind zusätzliche oder aufspaltbare Aktionen durch entsprechende SF; nicht aber die Aktion, die Alrik durch das Annähern verliert, denn diese ist letztendlich Gegenstand dieser Betrachtung) bevorzugt oder benachteiligt.
Die elementare Feststellung:
Wenn Velrik es möchte, dann kann er auf jeden Fall mindestens eine unparierbare Attacke gegen Alrik schlagen. Möglicherweise kassiert er dabei selbst eine unparierbare Attacke; allerdings ist in diesem Fall seine zuerst dran und danach schlägt er noch eine.
Und so kommt das Ganze zustande:
Da Velrik nicht selbst anrücken möchte kann er getrost seine Abwehr- in eine Angriffsreaktion umwandeln. Was eigentlich ein großer defensiver Nachteil sein sollte gerät ihm in dieser Situation nun zum entscheidenden Vorteil.
Rückt Alrik an und will sich seine Parade aufbewahren (wandelt also nicht um), dann kann er den zweiten Angriff Velriks nicht mehr parieren. Der trifft zwar nur mit -4, aber ohne PA ist die Trefferwahrscheinlichkeit immer noch unangenehm hoch.
Will Alrik dagegen auch noch attakieren, dann schluckt er beide von Velriks Attacken - und die erste davon auch noch, bevor er selbst zum Zuge kommt. Das Aberwitzige daran: Wenn Alrik so viel schneller ist als Velrik, daß er seine Attacke noch vor Velrik schlagen könnte (INI-Differenz > 8 ), dann gerät ihm das sogar zum Nachteil; denn dank Aufmerksamkeit - und das muß eigentlich jeder auch nur sekundär kampforientierte Charakter mit TaW > "das spitze Ende gehört in den anderen Kerl" haben - kann Velrik sich genau jetzt für die "sichere" Variante entscheiden, doch lieber zu parieren und Alrik anschließend "nur" eine unparierbare AT einzuschenken.
Ist Velrik gar richtig kompetent und verfügt über Kampfgespür, dann ist er auf jeden Fall selbst völlig sicher vor unparierbaren Attacken; egal ob Alrik auch über Kampfgespür verfügt oder nicht (und das ihn auch nicht vor Velriks Attacke schützt).
Der oben angesprochene taktische Nachteil besteht also letztendlich aus (mindestens) einer unparierbaren generischen Attacke; und so etwas hat enormes kampfentscheidendes Potential.
Nun die entscheidende Frage:
Habe ich hier im Bezug auf Initiative, Bewegung oder Abfolge der Kampfaktionen irgendetwas entscheidendes übersehen? Oder läuft es letztendlich darauf hinaus, daß man keine taktische Bewegung ausspielen sollte, bevor es zum ersten Nahkampfkontakt gekommen ist? Und wie geht man dann mit Zauberern oder Fernkämpfern um, wenn man diese nicht mit "TRANSVERSALIS-Orks" gängeln sondern sie angemessen zum Zug kommen lassen will?
* "Bein ab" wäre zwar nicht zwangsweise die regeltechnische Konsequenz gewesen, aber in-game dürfte durchaus der Eindruck entstanden sein, daß der Wüstensohn da gerade um Haaresbreite einer Amputation entging
Im Voraus schon einmal Danke für Eure Meinungen hierzu;
Darastin