Karl May ... im Näheren und Weiteren

  • Dann bist Du ein Glücklicher, dass Du in einem Kino warst, in dem sie auch lange nach ihrer Kino-Zeit liefen. Hätte es das irgendwo hier gegeben, wäre mein Vater da auch mit mir reingegangen, von dem wurde ich nämlich in Sachen Karl May eingeführt. Erst vorgelesen, als ich selber noch nicht lesen konnte, und dann hatten wir ein ganzes Regal voll. Und die LP, wenn ich mal hören wollte.

    Zu ersterem: sehr gerne. :)

    Telefon, Discord und neuerdings auch Telegram habe ich ebenfalls.

  • Mein Vater hat wie ich die Bücher verschlungen. Meine Schwester hat die ganzen Bände - bis auf diejenigen, die es nur in der "Grünen Reihe" gab, besser gesagt, gibt. Ich habe damals sogar ein paar Bücher nachgekauft, darunter Band 74 "Der verlorene Sohn". Ich habe mich auch eine Weile per Brief damals noch mit Hans Wollschläger ausgetauscht. Vor ein paar Jahren konnte ich endlich das Karl-May-Museum in Radebeul besichtigen, das momentan umgebaut wird.

    Meine Schwester hat auch die Bücher gelesen, und ich habe mal als kleiner Dötz mit 9 Jahren eine Damenrunde mit den Worten gestört: "Aber warum ist er denn jetzt tot?" Bezogen auf Winnetou 3. Meine Schwester ist neun Jahre und vier Tage älter als ich. Und sie war da ja schon recht erwachsen und ich in der Grundschule.

    Es gibt auch noch ein lustiges Erlebnis aus der 7. Klasse. Unser Erdkunde- und Französisch-Lehrer (den hatte ich auch später im LK) hat die Frage gestellt, wie man einen Salzssee in Nordafrika stellt und meinte so: "Karl May-Leser wissen mehr." Er hatte vollkommen recht, und ich habe den Begriff "Schott" tatsächlich daraus gelernt.

    "Sich beugen ist eine Ehre. Sich beugen lassen, eine Schande."

  • Ich habe später auch nachgekauft und die Reihe komplett gemacht. Ich musste zwischendurch auch einige Bände neu kaufen, weil ich in meiner Begeisterung (und vor mir mein Bruder) einige Bände ziemlich zerlesen hatte. Solange Winnetou mitspielte, habe ich die Bücher sehr oft gelesen, und alles andere gar nicht. Das hat sich erst in den höheren Teenagerzeiten, oder vielleicht waren es auch schon die Twens, geändert, nach einer längeren Pause von KM-Filmen und -Büchern.

    Er hatte ja recht, Dein Lehrer, daraus konnte man wirklich einiges mitnehmen. Aber ich habe auch später rausgefunden, was man nicht mitnehmen kann, weil es falsch ist.

    Aber angesichts der Recherchemöglichkeiten im 19. Jahrhundert hatte sich KM doch das dann gut genutzt.

  • Vor allem, wenn man bedenkt, dass er die Schauplätze seiner Romane erst später besichtigt hat. Die große Orientreise, dann die USA.

    Natürlich gibt es auch Falsches in seinen Büchern. Für mich als Sprachen-begeisterten Menschen sind sie eine riesige Fundgrube. Ich kann latinisierte Grußformeln dadurch praktisch anwenden. Wie "Salaam aleikum" und die Entgegnung "Es aleikum salaam". Durch Karl May gelernt.

    "Sich beugen ist eine Ehre. Sich beugen lassen, eine Schande."

  • Ich hatte als Kind mal die ganzen indianischen Begriffe nach Sprachen rausgeschrieben, bzw. damit angefangen. Ich weiß bis heute nicht, ob das alles erdacht war, oder teilweise, oder gar nicht.^^

    Aber insgesamt hat mich wenig oder gar nichts in meiner Kindheit durch Lesestoff so sehr geprägt wie die Amerika-Erzählungen. Ich glaube, nur darüber habe ich meine Begeisterung für amerikanische Geschichte und Landschaft entdeckt, und da war auch noch so manches Prägende mehr.

  • Die erste und mit beste der Karl May-Verfilmungen (wenn auch nur recht begrenzt Ähnlichkeit mit der Romanvorlage besteht) aus den 60ern.

    Nachdem ich also spontan nach dem Film zur Romanvorlage von "Der Schatz im Silbersee" gegriffen habe, stellte ich fest, bevor ich das ganz durch hatte, dass die 'begrenzten Ähnlichkeiten zum Roman' noch ziemlich übertrieben und geschönt sind. Im Grunde wurden einige der Namen aus dem Roman verwendet, und einige ganz wenige Versatzstücke stark verändert verwendet, und im Grunde passiert kaum was im Film, das sich tatsächlich auch nur so ähnlich im Roman findet (der Kampf um Butlers Farm fällt mir aber, läuft aber im Roman ganz anders ab).

    Als ich den Roman zuletzt 2003 las, so ist mir noch in Erinnerung, dass ich perplex war, dass der stets ehrliche und nie lügende Old Shatterhand beim Auslosen der Zweikämpfe einfach geschummelt hat, was mir als Kind/frühe Jugendliche nie aufgefallen war.^^ Jetzt habe ich wieder präsent, dass er dies auch als nicht betrügen deklariert, weil es ja das Leben seines Freundes retten sollte und der Gegenseite kein Schaden entstehen würde (außer dass der verlor und getötet hätte werden dürfen, aber das wollten die erkungelten Sieger ja eh nicht tun).

    Als dann beim nächsten "Zweikampf" die Gegenseite etwas kungelt, nur dass das zu bemerken war, hat er dann gar keine Bedenken, zu erklären, wer die Bedingungen der Abmachung nicht einhält, wäre ein Lügner und Betrüger.

    Zumal dann im dritten Aufeinandertreffen Hobble-Frank ganz offen betrügt und sich da mittels Lüge rausredet. Aber Listen sind ja in Ordnung, und nur die anderen betrügen und das dürfen sie nicht.

    Mit doppeltem Maß wird da schon gemessen, finde ich.

    Außerdem finde ich die Konzeptionierung des Romans nicht rundum gelungen. Erst werden die Tramps groß eingeführt und manchmal auch aus ihrer Perspektive beschrieben. Dann werden mehrmals Personen eingeführt, die noch teilweise ziemlich alte Rechnungen mit Brinkley aufhaben, und so oft sie den auch festsetzen, der Kerl hat Riesendusel und entkommt immer und kann wieder Leute sammeln und auftreiben (wobei ich dieses Trampf-Meeting, bei dem sich mehrere hundert Verbrecher treffen, um was-auch-immer-zu-tun, ein bisschen zu viel des Guten finde)

    Auf Seite 300 werden dann Shatterhand und seine Begleiter noch groß eingeführt und der Handlungsfaden um die Utahs, was viel Seiten einnimmt.

    Nachdem dann der Firehand-Plotfaden und der Shatterhand-Plotfaden zusammengeführt werden, ist nur noch der Utah-Plotfaden wichtig und die Tramps werden unterwegs 'hinter der Kulisse' abserviert (und all jene, die noch was mit Brinkley abzurechnen haben, wurden gar nicht mehr in dem Kontext erwähnt).

    Es gibt auch viel zu viele Figuren, die größtenteils keinerlei Funktionen haben, außer dass sie da sind, und eben Farbe und manchmal auch das Humorige reinbringen, und manchmal über Dutzende von Seiten hinweg nicht erwähnt werden und nichts machen (und im Falle Fred Engels dann rundum gar nicht mehr erwähnt werden, während Ellen Patterson zumindest alle paar Dutzend Seiten mal kurz am Rande erwähnt wird, dass sie auch da ist (ohne Funktion, übrigens)). Zumal ja ohnehin jede Figur das Pech hat, nichts mehr zu melden zu haben, sobald Old Firehand oder Old Shatterhand oder Winnetou da sind, weil die ohnehin alles (besser) wissen und können, was dann zu merkwürdigen Gefällen führt, wenn erst Old Firehand der große Macher ist, aber wenn Shatterhand da ist, Firehand plötzlich doch mal kleinere Fehler und Fehleinschätzungen unterlaufen, damit Shatterhand es im Endeffekt doch besser wissen und können darf.

    Und dann der Schatz im Silbersee, der ist dafür, dass er Titelgeber ist, recht unwichtig und die Auflösung darum finde ich auch nicht so gelungen.

    Den Kampf um Butlers Farm finde ich im Film dramatischer und besser in Szene gesetzt, der Film hat auch die eindeutigere, klare, dafür recht einfache Handlung (alle wollen den Schatz und die einen sind entschlossen, ihn zu bekommen, egal, was es kostet). Dafür ist der Roman komplexer, mit wechselnden Schwerpunkten und sehr vielen unterschiedlichen Schauplätzen, noch farbenprächtiger mit seinen vielen Szenen des Beschleichens, Belauschens, unglaublich vielen kleineren und auch sehr großen Kampfszenen, einer Schaufelraddampferfahrt auf dem Arkansas, einer Eisenbahnstadt und Eisenbahneinsatz, Morden, Verbrechen, ausgleichender Gerechtigkeit (natürlich), und Reisestrecken, die immerhin durch 5 US-Staaten und Territorien führen, mit detaillierten Landschaftsbeschreibungen (und deren Nutzen bei dem ganzen gegenseitigen sich-Fallen stellen). Sprich, das ist eine abenteuerliche Reiseerzählung, in der ein Abenteuer nach dem nächsten erlebt wird, die in eigentlich zwei Hauptlotfäden eingebettet sind (die allerdings wenig genug miteinander zu tun haben).

  • Außerdem finde ich die Konzeptionierung des Romans nicht rundum gelungen

    Ich habe lange keinen Karl May Roman mehr gelesen. Aber ist das nicht Mays allgemeiner Arbeitsweise geschuldet. Seine Bücher sind doch erst mal als Fortsetzungsgeschichten in Zeitschriften oder anderen Periodika erschienen. Und später dann neu zusammengestellt und mit weiterem Text versehen in Romanform erschienen. Zudem ist doch die Fassung der Grünen Reihe des Karl May Verlages auch nicht unumstritten. Weshalb es doch eine historisch kritische Ausgabe gibt. Aber ich bin in dem Thema derzeit nicht besonders gut eingearbeitet...

  • Es gibt natürlich die 5 Münchmeyer-Romane, Kolportageromane, einige seiner Romane wurden extra für die Buchausgabe konzipiert (Winnetou I), andere wurden aus älteren Erzählungen zusammengesetzt (Winnetou II und III, und das merkt man ihnen auch an), und der Schatz im Silbersee, ergibt ebenfalls eine kurze Recherche (denn in der Materie bin ich so auch nicht drin), erschien zuerst als Fortsetzungsgeschichte, und erst wenige Jahre später als Roman.

    Ich finde es dennoch ein bisschen unglücklich, dass Brinkley so ganz unspektakulär und nebenbei das Zeitliche segnet und da keiner von den vielen Leuten, die seinen Tod wünschen, drauf reagieren. May hat ja durchaus für die Buchausgaben spätestens noch mal einiges überarbeitet. Andererseits: die Tramps hätten da am Ende so auch nicht mehr reingepasst in den Utah-Handlungsstrang, denke ich.

  • Hast du dazu einen konkreten Buchtipp?

    "Ich" Biographie von Kar May selbst geschrieben

    "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May"

    Karl May Verlag Bamberg Radebeul

    "Karl May oder die Macht der Phantasie" sehr zu empfehlen

    "Karl May ein Biographisches Portrait"

    "Die wahrhaft menschliche Qualität besteht nicht […] aus Intelligenz, sondern aus Phantasie."

    Tery Prattchet

  • "Ich" Biographie von Kar May selbst geschrieben

    "Karl May oder die Macht der Phantasie" sehr zu empfehlen


    "Karl May ein Biographisches Portrait"

    Ok die drei kenne ich (auch wenn die Lektüre schon ein paar Jahre zurückliegt). Ich kann mich aber nicht erinnern, das bzw. wie stark sie auf die versteckte Homosexualität von May eingegangen sind...

  • Ich habe offenbar einen gewissen Nachholbedarf.^^

    Wobei mir latente Bi- oder Homosexualität neu wäre, aber auch egal wäre, denn ich lese ja einige Bücher von ihm trotzdem noch ganz gerne.

  • Das muss ich

    "Ich" Biographie von Kar May selbst geschrieben

    "Karl May oder die Macht der Phantasie" sehr zu empfehlen


    "Karl May ein Biographisches Portrait"

    Ok die drei kenne ich (auch wenn die Lektüre schon ein paar Jahre zurückliegt). Ich kann mich aber nicht erinnern, das bzw. wie stark sie auf die versteckte Homosexualität von May eingegangen sind...

    Das muss ich zugeben, Homosexualität wird in den Büchern nur angedeutet. Ich habe dieses Buch gemeint: "Winnetou, Abel und ich" von Josef Winkler

    Vielleicht interessiert dich auch dieser Artikel:

    Karl Mays ziemlich offen schwuler Künstlerfreund - queer.de

    "Die wahrhaft menschliche Qualität besteht nicht […] aus Intelligenz, sondern aus Phantasie."

    Tery Prattchet

  • Interessanter Artikel, danke dafür. Allerdings gehe ich soweit mit dem Verfasse einher: kann man so interpretieren, geben die genannten Stellen (im Artikel) aber eigentlich nicht wirklich her, wie ich ebenfalls finde.

    Und wenn es so gewesen wäre, wäre das auch okay (für mich), und bedauerlich und kritisch (für mich) ist ohnehin, dass es damals verboten war.

    Die gezeigten Coverbilder finde ich gar nicht mal so schlecht, auch wenn sich mir die Frage stellt, warum die Männer da immer so nackt dastehen müssen (^^), und dass Frauen in Schneiders Kunst nicht vorkamen und wenn dann nur unscheinbare Randerscheinungen waren, wie es im Artikel heißt, finde ich durchaus bedauerlich. Heutzutage würde sich an den Covern wohl niemand mehr stören, und sich nichts bei denken (wobei ich Schussfolgerungen von Künstlermotiven auf Motive eines Autors oder auch nur den eigentlichen Plot zu übertragen ohnehin für mindestens gewagt halte: Don’t judge a book by it’s cover – Passen Romancover zum Inhalt? | Romane & Hörspiele (Dank an Zwerg Nase dafür)).

  • Gerne!

    Das die Männer nack sein mussten liegtwahrscheinlich daran, weil man damals den Männlichen Körper hochwertete, mündete ja in der Nazizeit regelrecht zur überhöhung.

    Dabei hat heißt es doch im Faust: "Das ewig weibliche zieht uns hinan."

    "Die wahrhaft menschliche Qualität besteht nicht […] aus Intelligenz, sondern aus Phantasie."

    Tery Prattchet

  • "Winnetou, Abel und ich" von Josef Winkler

    Das habe ich tatsächlich hier liegen. Allerdings noch nicht gelesen.

    Karl Mays ziemlich offen schwuler Künstlerfreund - queer.de

    Vielen Dank für den Link. Gerade die Verweise und Literaturtipps machen den Artikel noch wertvoller.

    Sascha Schneider ist mir auch kein Unbekannter. Als ich das erste Mal vor vielen Jahren seine Karl May Illustrationen sah, war ich sehr beeindruckt. Seither habe ich Bücher über sein Leben und sein Werk gesammelt. Allerdings habe ich den Briefwechsel mit May auch noch nicht gelesen.

  • Vielen Dank für den Link. Gerade die Verweise und Literaturtipps machen den Artikel noch wertvoller.

    Sascha Schneider ist mir auch kein Unbekannter. Als ich das erste Mal vor vielen Jahren seine Karl May Illustrationen sah, war ich sehr beeindruckt. Seither habe ich Bücher über sein Leben und sein Werk gesammelt. Allerdings habe ich den Briefwechsel mit May auch noch nicht gelesen.

    Schön wenn ich helfen konnte.

    Das mit Sascha Schneider war mir, bis ich den Artikel gelesen habe nicht bekannt. Ich finde die Bolder zum teil aber doch sehr schwülstig.

    "Die wahrhaft menschliche Qualität besteht nicht […] aus Intelligenz, sondern aus Phantasie."

    Tery Prattchet

  • Nun, das ließe sich aus meiner Warte auch über Luis Rojos Bilder sagen, die mit einer nur minimal höheren Bekleidungsquote der dargestellten Figuren aufwarten.

    Aber über Geschmack kann man ja bekanntlich eher nicht streiten. :)

    "Ich" zu lesen - ja, ja, ich habe es nie getan, ich bekenne ich mich schuldig^^ - habe ich mir irgendwann früher im Jahr mal überlegt, ich sollte es wohl wirklich mal tun.

    Schneider kannte ich dem Namen nach auch nur als Illustrator, ohne mehr über den zu wissen.

  • Ich habe mit "Ich" angefangen. Nicht so ganz meine Art von Autobiografie, zu viel wird da zeitlich hin und her gesprungen für meinen Geschmack und eigentlich doch etwas zurück vom Leder gezogen, während zugleich beteuert wird, das würde nicht geschehen.

    Vor allem sprang mir dies vorhin ins Auge:

    "Die Aufgabe des Jugendschriftstellers besteht nicht darin, Wesen zu schaffen, die in jeder Lage so überaus köstlich einwandfrei handeln, daß man ihrer unbedingt überdrüssig wird, sondern seine größte Kunst besteht darin, dass er von seinen Gestalten getrost die Fehler und Dummheiten machen lässt, vor denen er die jugendlichen Leser bewahren will. [...] Musterknaben und Mustermenschen sind schlechte Vorbilder; sie stoßen ab."

    (S. 53/54, ich habe die 25. Auflage von 1964)

    Ja, hätte er mal! Old Shatterhand, sein Alter Ego, lässt aber nun mal jeden Mustermann nicht gut dastehen und handelt nun wahrlich "köstlich einwandfrei" in einer jeden Lage. Fehler machen ja nur andere, und das die Spirale nach unten erst allmählich zunehmend mehr.