Rollenspiel und der Eskapismus

  • Bei einer etwas hitzigen Diskussion vor einiger Zeit mußte ich mich dafür rechtfertigen, weshalb ich "so etwas" als Hobby betreibe und nicht etwas "Vernünftigeres" (wie etwa eine allen wohlbekannte Sportart, oder Musik oder dergleichen) betreibe. Naja, irgendwann war man dann auch beim Vorwurf des Eskapismus. Daß dieses Totschlagargument, das gegen Fantasy-basiertes RPG dann auftauchte, hat mich dann auch gar nicht mehr gewundert. Daß Fantasy-basiertes RPG irgendwo immer noch unter einem Rechtfertigungszwang leidet und vielleicht sogar stigmatisiert ist/wird, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen.

    Argumente meinerseits waren unter anderem das Gruppengefüge, soziale Interaktion, Kreativität, das aktive Mitgestalten bei der Entwicklung einer Geschichte (wie man dies etwa im Kino oder Theater oder beim Lesen eines Buches nicht hat). Gegen den Eskapismusvorwurf konnte ich mich allerdings nicht so richtig wehren, allenfalls durch den Hinweis, daß etwa ein Fußballfan im Stadion sich auch 90 Minuten lang aus der Realität ausklinkt, wenn sein heißgeliebter Verein gerade am Kicken ist.

    Mich würde interessieren, ob ihr euch auch mal ähnlich rechtfertigen mußtet für euer seltsames Hobby, welche Argumente ihr in den Raum gestellt habt, die für das Hobby sprechen, und insbesondere, wie ihr mit dem Vorwurf des Eskapismus umgegangen seid, oder diesen gar für gerechtfertigt haltet.

    Also, warum Rollenspiel?

    Meine Lieder, die klingen nach Wein, und meine Stimme nach Rauch; mag mein Name nicht Orpheus sein, mein Name gefällt mir auch.

    Aktuelle Spielrunden:

    DSA: 7G - Bastrabuns Bann (SL)

    DSA: Rhetorischer Sesselbrand (SL)

    DSA: Die Silberne Wehr (Söldner)

    D&D: Tchazzars Rückkehr (SL)

  • Das ist wirklich eine Interessante Frage!

    Mir ist es auch schon passiert, das Leute mich gefragt haben "wieso machst du sowas komisches?", ebenso kam das mit der Realitätsflüchterei etc zur Sprache.

    Gegen den ersten Punkt habe ich meist mit: "Da ist so toll, weil: Man mit Freunden was machen kann, man eine Geschichte hat, deren Handlung man selbst bestimmt, man mal den großen Helden geben kann, etc, und habe meistens mit den Worten: "Das kann man nicht erklären, das muss man ausprobieren" geendet.

    Beim zweiten Punkt, dem Eskapismus, habe ich das meisten im Sinne von: "man kann diese Ganze Welt da draußen, die einem auf den Geist geht, einfach mal vergessen" als Vorteil verkauft. Denn beim Rollenspiel ist es ja nicht einen "Verkriechen" vor der Welt, wie beim Lesen oder vor dem PC sitzen im stillen Kämmerlein, sondern man redet mit anderen Leuten, gebraucht die Fantasie noch mehr als beim lesen und hat viel Spaß dabei.


    "Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer. Wenn man sie einem Chirurgen oder Mörder gibt, gebraucht sie jeder auf seine Weise." - Wernher v. Braun

    #hexenfanclub

  • Also, warum Rollenspiel?


    Weil mir sonst der Kopf platzt! Und das wäre sehr schade. Irgendwo müssen all die Tagträume, die Phantasie, die Kreativität hin, seit dem Kindergarten habe ich doch nicht damit aufgehört. Die Lego-Männchen, die Stofftiere hatten alle ihre Geschichten und Persönlichkeiten und Wünsche. Eines dieser Stofftiere sitzt gerade neben mir und schaut zu... Meine Lego-Piratin habe ich sogar mal als DSA-NPC auftauchen lassen mit der ganzen Mannschaft - war super. Ich kannte noch alle ihre Namen. Mein Mann und ich können stundenlang über die Runde reden. Auf dem Spielplatz spielen wir auch manchmal, wenn das Kind sich austobt. Aber nur solange bis andere Erwachsene in Hörweite kommen. Aber wenn mich jemand fragt, ob ich Geheimnisse vor meinem Mann habe, dann kann ich sagen: "JA, einige!"
    Außerdem an was denkt man denn sonst kurz vorm einschlafen, wenn man im Bett liegt? Also als SL ist das meine beste Phase für neue Ideen...

    [...]und insbesondere, wie ihr mit dem Vorwurf des Eskapismus umgegangen seid[...]


    Meine Antwort auf diesen Vorwurf laut: "Nein, nein. Dafür spiele ich MMORPGs!"
    (Lässt sich natürlich auch umdrehen, wenn man gefragt wird, ob das bei MMORPGs nicht so ist.)

    I ♡ Yakuban.

  • Ich hab Rollenspiel desöfteren als 'Erzähltes Improvisations-Theater' umschrieben. Das klingt weit weniger Nerdig, bringt es auf den Punkt und (wie ich bemerkt habe) ist es unter Erwachsenenkreisen weniger komisch erstmal - denn einige denken und kennen nur den Fetisch wenn man das ohne Kontext erzählt und man nicht gerade Berwerbungsprüfer hat (in Bürokreisen ist ja bekannt was das ist).

    Der Vorwurf ist natürlich quatsch, und ich bin sicher jeder von uns hat das schonmal gehört. Ich finde die Möglichkeit, meinen Kopf zu benutzen statt mit offenem Mund sabbernd und apathisch vor der Glotze zu hocken (auch das wäre Eskapismus?) deutlich besser, vor allem gepaart mit sozialer Interaktion. Ja, es ist schwer zu beschreiben - aber jeden den es wirklich interessiert hört dann ja auch zu (und ich hab die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht so wenige sind) oder es interessiert sie nicht und sie wollen nur Vorwürfe machen o.Ä. In dem Falle kannst du eh sagen was du willst - es ändert nichts. Das ist meine Art wie ich damit umgehe. Gerne offen, ich stehe dazu und muss mich nicht schämen, warum auch? Im schlimmsten fall weiß ich es gegenüber einem 'Unkundigen' eh besser. =)

    *IIRC oder IMO je nach Kontext; ich beziehe mich da auf pers./subj. Erfahrung
    "The fatal flaw in every plan is the assumption that you know more than your enemy."

  • Diese Menschen haben sich zum Thema Spiel geäussert , und wer die als "unvernünftig" bezeichnet dem ist auch nicht mehr zu helfen ;)

    Leute hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden, sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen! (Oliver Wendell Holmes, 1809-1894)

    Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen als im Gespräch in einem Jahr. (Plato, 427-348 od. 347 v.Chr., griechischer Philosoph)

    Das Spiel ist die höchste Form der Forschung. (Albert Einstein)

    " Kein Fisch ohne Gräten , kein Mensch ohne Fehler "
    Norwegisches Sprichwort

    " Kein Pfad ist so dunkel wie der den man mit geschlossenen Augen beschreitet "
    Dragon Age Inquisition

  • Was meint denn Eskapismus in dem Kontext überhaupt? :confused2:

    Für ein paar Stunden die Sorgen des normalen Lebens ignorieren und mit Freunden Spaß haben? Absolut! Und wo ist das Problem damit? :lol2:

    Wenn die Leute meinen, ich würde die Verbindung zur Realität verlieren und mir hinterher einbilden, wirklich Magier, Elf, Zwerg, oder [...] zu sein... Autsch! :iek: Allein schon die Fähigkeit, diese Meta-Diskussion zu führen sollte als Gegenbeweis reichen. Falls jemand tatsächlich ernsthaft solche Einbildungen haben sollte braucht derjenige professionelle Hilfe, aber von so einem Fall habe ich noch nie gehört. Und wenn doch, wage ich zu spekulieren, daß das Rollenspiel nicht die Ursache des Problems ist, sondern höchstens die Ausprägung beeinflußt hat. :rolleyes2:

    Instinktiv würde ich mich über so einen Vorwurf wohl auch ärgern, aber wenn ich drüber nachdenke, bleibt davon inhaltlich nicht viel übrig. :lach:

    „Ich habe ja durchaus Verständnis dafür, daß die Beschwörung eines Humus-Elementars nicht ganz so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Aber wie, bei allen Zwölfen, kann man versehentlich einen Elefanten beschwören?“ (aus dem DSA4 Forum)

  • Puh, war ganz schön anstrengend sich den wikipedia-Eintrag über Eskapismus durchzulesen.
    Und ich denke mal, dass jeder Eskapismus betreibt (mmorpgs, lesen, fernsehen), bloß nicht als Extremfall. Klar gibt es die auch, aber das sind Einzelfälle, die meist noch andere Probleme in ihrem Leben haben/hatten. Und für solche Extremfälle wird dann irgenetwas verteufelt (hier gibt's glaube ich, einen Thread, der sich mit der Verteufelung von D&D in 80-ern beschäftigt). Jedenfalls ist Eskapismus ja nichts schlimmes, solange das ganze niht ausartet.

    LG Sany

    Sanyasala fey'ama

    #hexenfanclub ^^:love::saint:

  • Ja, ich finde, diese (echte) Welt ist nicht so schön und vollkommen, das es ilegitim wäre, ihr für einige Stunden entkommen zu wollen.
    Rollenspiel ist Eskapismus, klar, in Reinform. Aber was ist so schlecht daran?

    Anderereseits rede ich mit kaum einem Aussenstehenden darüber und hier an der Hochschule machen so viele etwas in der Richtung, das ich nie das Problem hatte, mich rechtfertigen zu müssen...

  • Den Eskapismus-Vorwurf kann man eigentlich gegenüber jedem anderen Hobby äußern:

    Wer ins Stadion geht (egal ob als aktiver Amatuer-Spieler - für Profis ist das ja kein Hobby mehr - oder als eher passiver Fan), oder in Kino/Theater, oder in die Disco, oder sich mit seinen Stammtischbrüdern zum Skat-Kloppen trifft, wer asl Freeclimber irgendwelche Wände hochkraxelt oder als Cellist/Flötist/Violinist oder wasweich was-ist im Orchester spielt etc. ... all die denken während dieser Tätigkeit ja auch nicht über ihre Alltagsdinge wie "ich muss die blöde Stuererklärung noch machen" oder "was schenk ich meiner Schwester zu Weihnachten" oder "Was muss ich für die Silversterfeier noch alles besorgen, und wen lade ich alles ein" etc. nach.

    Jeder, der ein Hobby betreibt, macht dies unter anderem auch, um den Alltag mal Alltag sein zu lassen und sich mit irgendetwas anderem zu beschäftigen. Sogesehen betreibt also jeder Eskapismus. Manche gehen in ihrem Hobby dabnei weiter als andere, aber das ist ja erstmal Nebensache.

  • Ich zitiere mal die Wiki-Definition: „Eskapismus wird als eine Fluchthaltung oder Ausbruchshaltung, als bewusste oder unbewusste Verweigerung gesellschaftlicher Zielsetzungen und Handlungsvorstellungen verstanden.Eine Flucht vor der Realität bzw. vor der Wirklichkeit kann durch geistiges und soziales Abschirmen („Stubenhocker“, „Einsiedler“), durch eine Hinwendung zum Irrationalen, einen übermäßigen Gebrauch von Medien aller Art oder auch durch Substanzdrogen vollzogen werden.“ Nun ja, ein Aussteigen aus der Realität kann man einem DSA-Spieler wohl vorwerfen. Aber wie Artemiseon schon am Beispiel Fußball sagte: Das trifft auf alle Tätigkeiten zu, die einen den Alltag vergessen lassen. Soziales Abschirmen auf der anderen Seite kann man keinem DSA-Spieler vorwerfen. Denn mMn ist es ein extrem soziales Hobby, das auch entsprechende Fähigkeiten (Rhethorik, Spontanität, Konfliktverhalten etc.) schult. Auch hier im Forum ^^

    Weiter sagt Wiki zur medienpsychologischen Seite des Eskapismus: „Ergebnisse des medialen Eskapismus sind eine Identifikation mit vorgeführten Lebensweisen, Projektion eigenen Versagens auf fremde Handlungsträger und Kompensation für offene oder unerfüllte Wünsche.“ Tja, wenn man mal richtig den Helden spielen kann – da können schon unerfüllte Wünsche eine Rolle spielen. Aber Schlimmes sehe ich daran nicht.

    Aber auch das Thema Sucht kommt im Zusammenhang mit Eskapismus gern auf. Über Spielsucht und Internetsucht wird gern geredet und von besorgten Menschen hörte ich auch schon die Nachfrage, ob mein Hobby nicht süchtig mache. Ich konnte dazu bisher nur sagen: Für gefährdete Menschen mag es durchaus dieses Risiko beinhalten. Aber andererseits kann alles süchtig machen, was Vergnügen bereitet (also dem Belohnungszentrum im Hirn einen Kick gibt): Zocken, Shoppen, Surfen, Essen, Sport im Übermaß …

    Ich pflege in solchen Diskussionen zu sagen: Ja, mein Hobby dient der Entspannung und Unterhaltung. Welches Hobby tut das nicht? Ich denke am Spieltisch nicht an die Arbeit oder andere alltägliche Sorgen. Stattdessen sind die Sorgen und Nöte des Charakters dann meine und komischerweise machen mir gerade konfliktbeladenen Situationen wie das Grübeln über Glauben und Prinzipien Freude. Nennt das meinetwegen gern Eskapismus. Ich finde es generell gut, wenn man sich etwas vom kindlichen Spieltrieb bewahrt. Und mit Freunden am Spieltisch der Wirklichkeit für ein paar Stunden entfliehen ist besser als vor der Glotze hocken.Wenn man darüber hinaus ein gesundes Sozialleben führt (und man kann durch DSA sehr interessante Menschen treffen!) und vielleicht noch ein körperlich etwas aktiveres Hobby pflegt, dann dürfte Kritikern der Eskapismus-Wind aus den Segeln genommen sein.

  • Wenn man darüber hinaus ein gesundes Sozialleben führt (und man kann durch DSA sehr interessante Menschen treffen!) und vielleicht noch ein körperlich etwas aktiveres Hobby pflegt, dann dürfte Kritikern der Eskapismus-Wind aus den Segeln genommen sein.


    Zumindest solange man es nicht mit Leuten zu tun hat, denen Spaß ganz grundsätzlich suspekt ist. :iek: Aber das ist dann deren Problem, finde ich. Und das Rollenspiel soziale Fähigkeiten schulen kann habe ich auch schon erlebt. :) Schöne Analyse, @Jinx !

    „Ich habe ja durchaus Verständnis dafür, daß die Beschwörung eines Humus-Elementars nicht ganz so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Aber wie, bei allen Zwölfen, kann man versehentlich einen Elefanten beschwören?“ (aus dem DSA4 Forum)

    Einmal editiert, zuletzt von Edorian (18. Dezember 2013 um 14:56)

  • Oben wurde ja schon so Einiges zutreffendes geäußert, dem ich erstmal wenig hinzuzufügen habe. Ich rede eigentlich nur mit Menschen, die ich sehr gut kenne über Rollenspiel, und die sind neugierig, aber meistens können sie es nicht nachvollziehen, waum mir das so einen Spaß macht.

    Was mich interessieren würde, Artemiseon, ist, was die Leute, mit denen du geredet hast, so in Rage gebracht hat, bzw. an welchem Punkt die Diskussion hitzig wurde?

    wir halten noch immer / die wolkenfäden fest in den händen / das versprechen: ich webe dir ein kleid aus traum und dunst und zuversicht / damit du es schön warm hast / im augenblick der zählt

    seebruecke.org

    mission-lifeline.de

    sea-watch.org

  • Nun, die Diskussion drehte sich allgemein um 'sinnvolle' Freizeitaktivitäten und Zeitmanagement im allgemeinen und besonderen, bei beschränkter Freizeit dann noch was zu tun neben Familie usw. - Und warum man dann ausgerechnet eben damit seine Zeit verbringt. Hitzig wurde es, als man mir durch die Blume den Vorwurf machte, so nem Schmarren mehr Zeit einzuräumen als, sagen wir, mit den Kumpels gepflegt auszugehen (sprich Ethanolzuführung in mäßiger Umgebung mit Gesprächübertönender "Musik"), was dann eben zu der Sache mit dem Vorwurf von Realitätsflucht führte, und meiner Rechtfertigung, daß sich das auch von anderen Betätigungen sagen läßt. Auch muß man dazu sagen, daß der Herr, der diese Kinderei überhaupt nicht nachvollziehen konnte, dazu tendiert, per smartphone dauerhaft online zu sein (also auch im Gespräch), was mich etwas ungehalten gemacht hat. Voilà hitzige Diskussion.

    Also: es scheint klar zu sein, daß RPG definitiv eskapistische Züge hat. Das Problem, das ich immer noch habe ist folgendes: RPG ist "Ausbruch aus der Realität" par excellence. Allerdings wird dem Genre dieser Vorwurf seit Tolkien gemacht. Was ist also so besonders an dieser Art des Eskapismus, daß man, wie Windweber meint, man mit 'Außenstehenden' eher weniger darüber reden möchte, bzw. damit auseinandersetzen will? Ich meine: sich an einen Tisch setzen und mit anderen ein Spiel mit festen Regeln spielen - gibt es schon ewig, ist gesellschaftlich akzeptiert (siehe Skat, Schafkopf, Schach). In eine andere Welt abtauchen und eine andere Rolle einnehmen - Theater.

    Meine Lieder, die klingen nach Wein, und meine Stimme nach Rauch; mag mein Name nicht Orpheus sein, mein Name gefällt mir auch.

    Aktuelle Spielrunden:

    DSA: 7G - Bastrabuns Bann (SL)

    DSA: Rhetorischer Sesselbrand (SL)

    DSA: Die Silberne Wehr (Söldner)

    D&D: Tchazzars Rückkehr (SL)

  • Wenn "Ethanol-Zufuhr" nicht der Realitätsflucht dient , dann weiss ich auch nicht mehr ;) . Jeder versucht doch manchmal dem ( grauen ? ) Alltag zu entkommen . Man schaut sich einen Film an , hört Musik , liest ein Buch , spielt am PC / der Konsole oder hockt sich mit Gleichgesinnten an einen Tisch und erschafft seine eigene Realität im Rollenspiel . Solange man das nicht 24/7 betreibt kann ich daran nichts verwerfliches finden .

    " Kein Fisch ohne Gräten , kein Mensch ohne Fehler "
    Norwegisches Sprichwort

    " Kein Pfad ist so dunkel wie der den man mit geschlossenen Augen beschreitet "
    Dragon Age Inquisition

  • Ich glaube, es liegt daran, dass das Fantasie-Rollenspiel immer noch eine Randerscheinung in unserer Gesellschaft darstellt.

    - In ne Kneipe gehen tut fast jeder mal, manche betreiben das als eine Art regelmäßigen 'Sport', andere wiederum als seltenes Ereignis, bekannt ist es aber jedem

    - PC-Games zocken auch immer mehr Personen (und auch immer mehr ältere Menschen), viele haben eine geteilte Meinung dazu, aber jeder hat zumindest schon mal davon gehört und kann sich da etwas drunter vorstellen

    - Das Fußballfan-Dasein ist weit verbreitet. Nicht zuletzt die Medien machen es praktisch unmöglich, nicht wenigstens gelegentlich mit diesem in Deutschland (und natürlich auch in einigen anderen Ländern) so populären Zeitvertreib in Berührung zu kommen... und sein es die gröhlenden Fans in den Regionalzügen am Wochenende :D

    - Sport & mittlerweile vermehrt auch das Fitnesstraining sind weit verbreitete Mittel einen Ausgleich zum stressigen Bürojob etc. zu finden und da es der körperlichen (und bis zu einem gewissen Grad auch seelischen) Gesundheit, dem eigenen Selbstwertgefühl und der Beliebtheit bei anderen Menschen zuträglich ist, bleibt das Ansehen dieses Hobbies mMn auch weiterhin recht hoch. Jeder kann sich außerdem recht genau etwas darunter vorstellen.

    - Zuletzt erhalten die Sozialen Netzwerke dank Smartphones, IPads und weiß der Geier was noch, immer mehr Popularität und viele Menschen posten in ihrer Freizeit auf Facebook und Co. 'Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit' hat irgendein helles Köpfchen mal gesagt und ich persöhnlich schließe mich in manchen Kreisen (Schule/Band) quasi selbst aus, in dem ich mir kein akutelles Handy/Smartphone zulege, welches Internet-fähig ist. Denn immer mehr Informationen werden fix über Whats-App ausgetauscht - hast Dus nicht, wirst Du gelegentlich schlicht vergessen über andere Wege informiert zu werden und das kann ich letztlich auch schwerlich jemanden übel nehmen

    Lange Rede kurzer Sinn: All diese Hobbies/Zeitfresser/Freizeitbeschäftigungen (und noch viele andere) sind von der Gesellschaft bis zu einem gewissen Grad anerkannt, oder zumindest weitreichend bekannt. Einfach weil es schlicht genug Leute gibt, die es praktizieren und/oder die Technik, bzw. der Trend in die Richtung geht - "Das macht man heutzutage halt so" :D

    Wie hier schon erwähnt wurde, ist der Begriff 'Rollenspiel' wenn überhaupt, dann eher negativ behaftet und hängt man das Wort 'Fantasie-' davor oder '-Spiel' danach, blitzt in den meisten Köpfen natürlich als erstes Tolkiens LotR oder aktuellere Filme und Bücher wie der Hobbit auf. Das führt dann meistens zu dem Gedankengang, der Betroffene würde selbst gerne ein Held in einer anderen Welt sein - ergo hat Minderwertigkeitskomplexe, muss was kompensieren und/oder leidet stark an Eskapismus.

    Wie solch ein Rollenspielabend nun aber im Einzelnen abläuft, ja wie man sich das Rollenspielen ohne Visualisierung vorstellen soll - das wissen die Menschen natürlich nicht so recht (so sie noch keine eigenen Erfahrungen gesammelt haben).

    Dass die 'Macht' der Spielercharaktere durch das Regelsystem i.d.R. relativ klar festgelegt ist und man sich (normalerweise) bemüht als SC logisch und authentisch zu handeln, wie man es selbst in dieser Rolle auch tun würde (bis zu einem gewissen Grad versteht sich). Dass es überhaupt einen SL gibt und dass dieser zusammen mit den Spielern eine gemeinsame Welt bespielt, welche sich in dem jeweiligen Kopf zu einer eigenen fantastischen Auslegung der gesprochenen Worte formt. Dass man auch IT einander und die Umwelt i.d.R. achtet und schätzt und nicht als assoziales Monster durch die Gegend zieht und alles und jedem den Erboden gleichmacht, sobald er einen dumm kommt. Und und und...

    Um Deine Frage also aus meiner Sicht zu beantworten, Artemiseon: Es erspart einem viel Zeit und Überzeugungskraft, wenn man sein Hobby als RPGler nicht jedem gleich auf die Nase bindet, da es in den meisten Fällen zunächst Klärungsbedraf gibt, damit derjenige kein verzerrtes Bild vom RPG (-DSA) erhält und einen somit nicht in die falsche Schublade steckt.

    Wie ich persöhnlich mit meinem Hobby RPG umgehe

    Recht offen :) Also nicht, dass ich damit hausieren gehe, aber wenn mich jemand zu meinem Hobbies fragt führe ich DSA i.d.R. mit auf. Ich bin selbst sehr tollerant und erwarte ein gewisses Maß auch von Personen mit denen ich im engeren Kontakt stehe. Allen Mitmenschen bin ich natürlich gerne bereit mein Hobby auf Nachfrage genauer zu erläutern. Was die übrigen Leute betrifft, bin ich es aber müde geworden mich jedes mal auf Verdacht zu rechtfertigen, so sie nicht von sich aus nachfragen. Entweder sie akzeptieren mich so wie ich bin, fragen nach wenn sie Zweifel haben oder ich kann es ihnen eh nie wirklich Recht machen, weil unsere Denkweisen einfach zu unterschiedlich sind.

    Leider kann daraus ein Schuh werden, nämlich sobald die Gerüchteküche ins brodeln gerät und man beginnt hinter meinem Rücken über mich und mein so seltsames Hobby zu reden. Dagegen sind mir die Hände letztlich gebunden, denn was ich nicht weiß, kann ich logischerweise nur schwerlich aufklären. Glücklicher Weise muss und kann man nicht jeden als Freund bezeichnen und jene Menschen, die lieber übereienander, als miteinenader reden gehören pauschal gesehen ohnehin eher seltener zu meinen Freundeskreis, welcher trotz meiner Ansichten erstaunlich groß und weit gefächert ist.

    Zugegeben, als Mann, dessen LARP-Charakter eine Frau darstellt und welcher aufgrund der Ermangelung eines eigenen fahrbaren Untersatzes immer mal wieder auch in Gewandung mit dem ÖPNV unterwegs ist, bleibt mir eigentlich keine andere Haltung übrig ^^ Obwohl man bedenken muss, dass LARP noch mal ne ganze Ecke mehr in Richtung Schauspielerei und Theater geht und deshalb meiner bescheidenen Erfahrung nach leichter zu erklären ist...

  • Was ist also so besonders an dieser Art des Eskapismus, daß man, wie Windweber meint, man mit 'Außenstehenden' eher weniger darüber reden möchte, bzw. damit auseinandersetzen will? .

    In meinem Fall stimmt das in der Tat. Bei weitem nicht jedem erzähle ich von diesem Hobby, während ich von anderen Hobbys (Bogenschießen) ohne Unschweife berichte. Und wenn, dann nehme ich nur ungern den Begriff "Rollenspiel" in den Mund - einfach wegen der sexuellen Note, die daran haftet. Wenn ich direkt nach dem letzten Abend/Wochenende gefragt werde, dann sage ich meist so etwas wie "Spieleabend mit Freunden". Nur bei längerer Bekanntschaft oder wenn ich vermute, dass derjenige etwas damit anfangen kann, versuche ich zu erklären. Und das ist meist erstaunlich schwer. So wie ich mir vor Jahren nicht vorstellen konnte, "an einem Tisch so zu tun als sei ich jemand anderes und mich dann auch noch mit komplizierten Regeln herumzuschlagen" (wie albern, peinlich und anstrengend, dachte ich damals), so schwer fällt es eben allen anderen Außenstehenden auch.

    Zudem assoziiert man mit der Rollenspielerei - ob nun LARP oder P&P - etwas sehr Nerdiges. Vielleicht ist das ein Mitgrund, dass man so in gewissem Umfeld (z.B. Arbeitskollegen) nicht betrachtet werden möchte.

  • Eigentlich mache ich aus meinem Hobby keinen Hehl und die schlechten Erfahrungen sind auch sehr wenig. Vielleicht liegt das daran, dass man als "Informatikerbraut" auch im Arbeitsleben mit Nerds zu tun hat oder dass eine verheirate Frau mit Kind gar nicht so nerdig sein kann. Vielleicht kommt man(n) auf angenehmere sexuelle Gedanken, wenn die Frau gegenüber sagt, sie mache Rollenspiele. :?:

    Aber wie schon oben geschrieben, wenn es zu Vorwürfen kommt übertreibe ich das Ganze lieber, ziehe sie ins Lächerliche und mache darauf aufmerksam, dass man hier besser aufhört, schließlich spiele ich seit über 20 Jahren Killerspiele (auch, wenn ich seit dem Nachwuchs keinen Ego-Shooter mehr gespielt habe - da kann man eben so schlecht mal kurz Pause machen).

    und ich persönlich schließe mich in manchen Kreisen (Schule/Band) quasi selbst aus, in dem ich mir kein akutelles Handy/Smartphone zulege


    Oh ja.
    Mein Mann und ich haben beim Frühstücken darüber gesprochen. Wir haben nicht einmal ein Handy. Also wir haben eines (geschenkt bekommen mit Aldi-Karte), welches im Schrank herumliegt und nur ausgepackt wird, wenn es absolut Notwendig ist erreichbar zu sein. Wie wenn mein Mann auf Fortbildung in Amiland ist oder während meiner Schwangerschaft war es dabei - inzwischen habe ich die Pin allerdings wieder vergessen. Mit Handy im Schrank man kann uns also nicht mal über SMS erreichen. Damit sind wir raus. Aber wir wollen nicht über ein Nach-Hause-Telefonierendes-Datensammeldes-Dings unsere privaten Verabredungen machen und weder Apple noch Google unsere Seele verkaufen. Vielleicht wird das mit dem Firefox OS was...

    I ♡ Yakuban.

  • Vielleicht liegt es einfach daran, dass es eine Minderheit ist, die Rollenspiel betreibt. Skat, Fußball, Kneipe, Sport, all das machen eine ganze Menge Leute, RPG eben nur Wenige. Also müssen es einfach Nerds sein...
    Und dann noch sowas wie in eine nicht existente Welt ein- bzw, abtauchen, total abwegig eben.

    Warum Fantasy allgemein oft abgelehnt, Märchen hingegen (auch Kunstmärchen) gesellschaftlich akzeptert sind (zumindest für Kinder), bleibt mir hingegen ein Rätsel. An der literarischen Qualität kann es nicht liegen, da gibt es hier wie da gute und schlechte.

    Was du über den Mann schreibst, mit dem du die Diskussion hattest, kann ich nur sagen: in Gesellschaft anderer ständig auf seinem Smartphone rumtippen oder telefonieren, das finde ich extrem asozial und ich kann verstehen, dass du da gereizt reagiert hast.

    wir halten noch immer / die wolkenfäden fest in den händen / das versprechen: ich webe dir ein kleid aus traum und dunst und zuversicht / damit du es schön warm hast / im augenblick der zählt

    seebruecke.org

    mission-lifeline.de

    sea-watch.org

  • Ja, Minderheiten aller Art wurden schon immer und überall ausgegrenzt, daran muss es wohl liegen, scheint ein menschlicher Reflex zu sein...

    Und Kindern gesteht man es wohl zu, sich in fremde Welten hineinzuträumen, Erwachsenen nicht mehr. Ich meine ein Kind, dass mit einer Modelleisenbahn spielt ist ganz normal, ein Erwachsener würde auch da schief angeschaut werden.
    Ich nehme an, das ist ein Rollenbild: Kinder spielen und träumen, Erwachsene betreiben Kartenspiel, machen Sport, sitzen rum und reden und so weiter...
    Wenn das aber stimmt, sollte man sich überlegen, ob es nicht genau so sinnvoll wäre, dieses (veraltete) Rollenbild aufzubrechen, wie das Schema Mann/Frau und Adliger/Kleriker/Bürgerlicher...

  • Das Argument der Realitätsflucht ist absurd, da wir nicht in einer einzigen Realität leben, sondern in einer Vielzahl von Realitäten (oder Spähren, Logiken, Welten, Systemen...). Wenn man aus einer Realität flieht, kommt man sogleich in einer anderen Realität an. Und wenn man dann aus dieser Realität flieht, gelangt man wieder in eine andere.

    Zitat

    Eskapismus wird als eine Fluchthaltung oder Ausbruchshaltung, als bewusste oder unbewusste Verweigerung gesellschaftlicher Zielsetzungen und Handlungsvorstellungen verstanden.


    Was sind denn diese "gesellschaftlichen Zielsetzungen" denen man sich da angeblich entzieht? Nehmen wir zum Beispiel das Ziel des "effektiven Zeitmanagements", den Artemison erwähnt (oder den Vorwurf der "Zeitverschwendung"). Das könnte ja eines dieser Ziele sein, nachdem wir alle streben sollten. Aber wenn man sich dieses Ziel ansieht, merkt man sofort, dass es nicht überall und ständig gelten kann. Dieses Ziel kommt aus der modernen Arbeitswelt und ist etwas für diese Welt und unsere Zeit spezifisches.
    Es wäre doch etwas befremdlich, wenn man in der Liebe genau das gleiche effektive Zeitmanagement anstrebt (oder bei seinen Hobbys, beim Umgang mit seiner Familie,...). In solchen Realitäten gelten andere Regeln und das ist auch gut so.

    Eine Besonderheit unserer heutigen Zeit ist, dass Ideen der Effektivität und/oder Gewinnmaximierung, die aus der Arbeits- und Wirtschaftswelt stammen, sehr dominant sind und den Anspruch erheben, überall zu gelten. Auch das Gesundheitswesen muss effektiv sein, die Wissenschaft muss effektiv sein, das Lernen in der Schule, usw.
    Insofern sind wir als RPGler glaube ich mit diesem Vorwurf gar nicht so allein, wie es zunächst den Anschein hat, wobei mir eigentlich noch nie jemand Realitätsflucht vorgeworfen hat (ich wurde nur einmal davor gewarnt, bevor ich überhaupt richtig RPG gespielt habe).