Die Elch-Abend-Brücke kann trotz ihrer vergleichsweise geringen Größe in Ihrer Schönheit bestechen. Zuallererst, weil es dem Kenner sofort ins Auge fällt, dass der errichtete Stil nicht zum Rest der Stadt passt. Und dazu muss man wahrlich ein großer Kenner, wenn man sich die architektonische Vielfalt der Ersten Stadt auch nur im Geringsten bewusst sein will. Aber ein offensichtliches Merkmal an der über das Wasser führenden Straße sind die an den Enden aufragenden Spitzpfeiler, die zuunterst rund sind und im Übergang himmelwärts zu dreiseitigen Pyramiden kantig werden. Zwei davon stehen auf jeder Seite: Einmal an der Hutstraße und auf der anderen Seite des Blinski-Kanals am nach dem gleichen Heerführer benannten Platz. Diese Machart der freistehenden Säulen weist darauf hin, dass der Baumeister nicht in Eintracht geboren worden ist, sondern sogar ganz genau dass seine Mutter ihn von jenseits der westlichen Mark der Drachschaft in die Welt gebracht hat. Offensichtlich zeigen hier die Säulen nämlich zur Exarchie Sarrisque. Und tatsächlich kann man als Ersinner Abelín, der Sohn der Comtesse d’Orignaux, nennen. Wie es dazu kam, dass ein Sohn aus dem Land des Fliegendes Fleisches dazu kam, diese wichtige Brücke in Richtung der größten Statue der Hochkaiserin zu errichten, mag ich gerne erläutern, auch wenn mir dabei die politischen Feinheiten nicht ganz klar sind. In erster Linie gab es viel Zank und Stänkerei unter den achtzehn Distrikten, wer denn die Brücke überhaupt erstellen sollte. Denn es erschien eine gewaltige Ehre, die abgebrochene Ehrenbrücke zu ersetzen. Man einigte sich schließlich, nur Ausstädter zu einem entsprechenden Wettbewerb zuzulassen. Und dabei gewann schließlich der Halb-Zwiealb Abelin d’Orignaux. Seltsam, wenn man auch die vielen Bewerber der Töchter nicht genommen wurden. Auch und obwohl wenn das Verhältnis zu den anderen Stadtstaaten in der Drachschaft oft kompliziert ist.
Entsetzlich, wenn man die gespannten Verhältnisse zwischen Eintracht und der Exarchhie bedenken mag, welche selbst bis nach dem Blutbrust-Krieg, ja quasi bis heute anhielten. Man hatte sich zwar mit Fingerspitzen angenähert, aber geliebt waren die Botschafter nie in den Hallen der jeweiligen Kontrahenten nie. Deshalb wage ich die Vermutung, dass das Ziel dabei war die Brüderlichkeit zu vertiefen, indem man den jungen Sassrisken als Erbauer wählte.Und der hat hier etwas wunderbares erschaffen: Nicht nur die bereits vier erwähnten Säulen zeugen vom Schönheitssinn seines Heimatlandes, nein auch die sehr organischen und glatten Formen und auch der kalkulierte Fall der Schatten. Und wenn man sehr fein hinsieht, erkennt man an einigen Stellen sogar die Darstellungen von Ästen und Dornen, wie sie bei dem Land im Westen vor langer Zeit beliebt waren und nun wieder lieber gesehen werden.
Diese Brücke ist stark frequentiert und man hört ständig das Klimpern der Münzen und das Ratschen von Stoff. Denn während der Süden der Brücke den Geldwechslern vorbehalten ist, haben sich im Norden die besten Hutmacher der Stadt niedergelassen. Dort treiben sich vor allem Menschen herum, deren tuchischer Modegeschmack sich so oft ändert wie der Wind sich dreht.
Zu guter Letzt fand ich heraus, dass auch Streitereien darum existieren, wie der Brückenname sein soll. Der Elch in demselben bezieht sich auf die Grafschaft Fôret d’Orignaux, also die Blutheimat des Architekten, denn übersetzt heißt der Name „Elchswald“. Herr Abend, ein bekannter halbingischer Heiler, lebte direkt an der ehemaligen Ehrenbrücke und hatte der Stadt kurz zuvor sehr viel Geld vermacht unter der Auflage, dafür Uhren errichten zu lassen. Und man wollte jenem großen Ehrenmitglied der Akademie der Mundanen Ordnungen auch Ehre zukommen lassen.
Und der Zwist um den Namen ist noch nicht einmal vorbei. Denn weiter oben mag ich Elch-Abend-Brücke geschrieben haben, aber es existiert auch die Schreibweise Elchabend-Brücke. Selbst auf offiziellen Dokumenten ist die oft unterschiedlich. Außerdem pochen der sassriskische Botschafter und der Weißkragen der Akademie beide darauf, dass seiner Nation bzw. ihrem Ehren-Anhänger der Vorzug bei der Benennung hätte gegeben werden sollen. So verlangt ersterer, den „Abend“ komplett aus der Brücke zu entfernen, während zweiterer meint, eigentlich sollte es Abend-Elch- (oder Abendelch) Brücke heißen. Und weil viele der Studierten seiner Meinung sind, ist dieser Name zumindest in gebildeten Kreisen geläufig.
Die Vischkanya Paro von Nordklipp, aus der Tochter Vierfaust stammend, in ihrem Bericht über Eintracht
Vielen Danke lieber Freund, auch für die letzten paar Wochen bei denen ich diesen Kommentar vergessen habe.