Sonderfertigkeiten gut gewählt, gespielt, innovativ und notwendig? 16
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Die Frage die wir an dieser Stelle diskutieren wollen ist, wie der Mehrwert und die Anzahl von Sonderfertigkeiten in Verhältnis stehen
Leider ist das eine sehr komplexe Frage, auf die ich im generell keine Antwort geben kann. Vorab muss die Problemfrage also erst einmal wieder reduziert werden, so dass wir eine Frage erhalten, die beantwortet werden kann.
- Was ist Mehrwert?
- Welchen Zweck erfüllen Sonderfertigkeiten?
- Wann sollte etwas eine Sonderfertigkeit sein?
- Was ist schief gegangen?
1.
Regeltechnischer Mehrwert dürfte sein: Wenn ein Sachverhalt wenig ambig, wenig Redundanz, möglichst "passend" und kurz erklärt wird. "Passend" ist dabei durch das Regelwerk selbst bedingt. Ein Regelwerk, das sich als Ziel gesetzt hat, möglichst wenig Regeln zu enthalten, wird etwas "passend" erklärt haben, wenn deutlich weniger Einzelfälle unterschieden werden als wenn alle Einzelfälle unterschieden werden. Einzelfälle können aber in einem anderen Regel sehr klar unterschieden werden, da ein hohes Maß an Realismus erreicht werden soll. Das ist bisher alles recht abstrakt, daher ein Beispiel: In DSA5 können Rüstungen zu 10%, 25% oder 100% aus Endurium bestehen. Ein Regelwerk, das weniger Regeln enthalten möchte, könnte einfach sagen: Endurium (ja/nein) oder Endurium 25% oder 100%.
DSA5 hat als Ziel die Welt erstmal grob zu beschreiben und dann mit Fokus- und Optionalregeln die Spielwelt immer komplexer (und komplizierter) zu machen. Das ist sicherlich eine interessante Idee, da so jeder selbst entscheiden kann, welche Komplexität (und Kompliziertheit) er ausspielen möchte.
Mehrwert für DSA5 ist also, wenn wir eine Sache in der Spielwelt beschreiben, die noch nicht beschrieben wurde und die Unterscheidung dabei groß genug ist, dass wir nicht ins redundante fallen und nicht schwafeln.
2.
Sonderfertigkeiten kosten AP. Bezahlt man diese, werden dadurch neue Möglichkeiten freigeschaltet (z.B. schon mögliche und schwierige Dinge werden einfacher oder neue Dinge werden möglich).
Der Zweck von Sonderfertigkeiten ist Möglichkeiten hinter Voraussetzungen und AP-Kosten zu verschließen, damit nur der Charakter, der die Voraussetzungen erfüllt und die AP-Kosten zahlt (AP-Kost kann als Lernzeit oder ähnliches verstanden werden) auch Zugriff auf diese Möglichkeiten hat. Dadurch kann niemand, der sich nicht mit Tieren auskennt, auf einmal Abrichten.
Der Zweck von Sonderfertigkeiten spielt also schon eindeutig in Richtung Mehrwert! Denn Sonderfertigkeiten zeigen was "passend" für den Charakter ist und sind hoffentlich weder redundant noch ambig noch ellenlang.
3.
Etwas sollte eine Sonderfertigkeit sein, wenn durch den Status "Sonderfertigkeit-sein" ausgedrückt wird, wann das Etwas "passend" ist.
Eine Sonderfertigkeit die für alle Charaktere passend ist, könnte gleich ohne Voraussetzungen und ohne AP-Kosten erstellt werden, denn sie kann jeder immer kaufen. Sie ist immer passend.
Der Einfachheit halber werde ich Zauber auf Stufe 0 als Sonderfertigkeit betrachten (vorher konnte man sie nicht, danach hat man Möglichkeiten geschaffen).
4.
Der Angriff richtet sich primär gegen Redundanz, Sonderfertigkeit und Signifikanz.
Passend sein
Dass eine Sonderfertigkeit "unpassend" ist, lässt sich nur sehr wage und unsicher behaupten. Immerhin sind die Regeln von der Redaktion geschrieben und gibt diese nicht vor, was "passend" ist? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Immerhin beschwerten sich besonders zum Anfang viele Leute über DSA5, dass dies und jenes "nicht passend" sei (siehe z.B. Magie und Götterwirken). Ich versuche daher nur die offensichtlichsten Punkte anzukreiden und sonst eher viel zu akzeptieren.
- +X QS-Sonderfertigkeiten (vgl. Athlet - DSA Regel Wiki) und +3*Y FP bei bestehen (vgl. Fertigkeitsspezialisierung oder Lieblingszauber kombiniert mit einer +1FP Sonderfertigkeit). Was ist das "passende" was gezeigt wird? Man könnte annehmen: Manche Athleten (bleiben wir bei dem Beispiel) sind einfach so viel besser als normale Menschen, dass sie in einer anderen Liga spielen. Aber sind diese Athleten dann so gut, dass sie - wenn sie unter enormer Erschwernis antreten müssen - entweder versagen oder automatisch besser sind als der Hans von nebenan? (QS1 wird automatisch übersprungen). Schwierig.
Kurz (und vielleicht auch redundant)
- Sonderfertigkeiten, die eine extra Probe im Kampf pro Kampfrunde fordern, bringen nicht den nötigen Mehrwert, wenn sie nicht in der Lage sind, den Kampf deutlich schneller zu beenden. Der Aufwand ist zu hoch im Vergleich zum nutzen. Ansonsten dauert eine Kampfrunde, wenn jeder eine solche Sonderfertigkeit hat, doppelt so lange. Ich behaupte, dass das keiner wollen kann. Daher sollte man selbst auf die Verwendung solcher Sonderfertigkeiten verzichten, da man sich ansonsten etwas herausnimmt, was man gleichzeitig von den anderen nicht will (vgl. Sarvinio della Monte-Stil - DSA Regel Wiki)
- Es gibt eine Reihe von Sonderfertigkeiten, die im klassischen Heldenleben nicht relevant sind (vgl. Architekt - DSA Regel Wiki, Ackerbau - DSA Regel Wiki). Diese nehmen im Regelwerk viel Platz ein, ohne großen Mehrwert zu bieten
- Es gibt eine Reihe von Sonderfertigkeiten, die mehr oder minder das gleiche machen. An dieser Stelle würde sich lohnen, den gleichen Teil herauszuziehen und dadurch weniger Platz zu verbrauchen (vgl. Faxius, Sphaero, Reiterstile die +2AT geben, Stile die Anführer boosten)
Signifikanz
Ist eine Sonderfertigkeit zu schlecht im Vergleich zu anderen Sonderfertigkeiten (oder sogar zu schlecht in sich selbst; vgl. Kopfstoß - DSA Regel Wiki ) und der Spieler steht (meist) vor der Wahl, welche er benutzen möchte, dann ist diese schlechtere Sonderfertigkeit nicht Signifikant. Sie wegzulassen oder generellen Zugriff auf sie zu geben (ohne AP-Kosten) ist dann meistens klüger (vgl. Tannhaus-Stil - DSA Regel Wiki, Beni Uchakâni-Stil - DSA Regel Wiki)
Ambig
Nun, Regeln nicht ambig auszudrücken ist nicht immer einfach. Die Uneindeutigkeit der Regeln zeigen sich im "Sammelfragen"-Thread. Oft zeigen die Antworten dann, dass die Regeln noch ungenauer ausgedrückt waren als vorher angenommen.
Fazit
Durch die hohe Anzahl an Sonderfertigkeiten hat DSA5 mit verschiedenen Problemen zu kämpfen. Einmal gibt es eine große Gruppe an Sonderfertigkeiten, die einfach nicht Signifikant ist (Kopfstoß - DSA Regel Wiki, Auf Distanz halten I-II - DSA Regel Wiki, Doppelangriff - DSA Regel Wiki, Erholsame Regeneration - DSA Regel Wiki, Betäubendes Geschoss - DSA Regel Wiki, Hohe Klinge - DSA Regel Wiki, Vorstoß - DSA Regel Wiki, Erholsames Bad - DSA Regel Wiki), und dadurch entsteht eine gefühlte große Redundanz. Denn wer braucht schon 5 Sonderfertigkeiten, die Betäubung anrichten, wobei 4 davon in 90% der Fälle eh nicht? (Übertreibung) DSA5 hätte sich lieber auf wenige Sonderfertigkeiten beschränken sollen, die dafür einen größeren, sinnvolleren Unterschied machen.
Besonders bei den Stilsonderfertigkeiten kann man gut sehen, dass die Fülle nach hinten losgegangen ist.
Des weiteren gibt es eine Anzahl an Sonderfertigkeiten, die aufeinander aufbauen, so dass eine niedrigere Sonderfertigkeit unnütz wird, sobald man die größere hat. Meist hätte man dies zusammenfassen können, da die Erschwernis, die eine höhere Stufe der Sonderfertigkeit mit sich bringt, die Sonderfertigkeit auf einer höheren Stufe zu benutzten unattraktiv macht.
Die reale Redundanz ist aber bemerkenswert gering. Meist wurde schnell noch eine Teilprobenerleichterung, ein -1 auf AT oder ein großer Bonus hinter fast nie eintretendem Konditional untergebracht.
Deshalb kann ich abschließend auch sagen, dass mir ein deduktiver Angriff nicht gelungen ist und ich hier oder da Annahmen getroffen habe, die nicht jeder mitgehen muss. So habe ich eine Definition von Mehrwert gegeben, die sicher angegriffen werden kann. Auch der Würfelaufwand bzw. die Einschätzung dessen ist eher subjektiv. Jedoch würde ich mir aber zu gute halten, dass DSA5 sich selbst als Ziel gesetzt hat schlank und schnell zu sein, womit ich einen tatsächlichen Angriffspunkt habe. Die Behauptung, dass manche Nischen nicht klassisch relevant sind und daher als Sonderfertigkeiten-Cluster abgehandelt werden sollten, ist natürlich auch alles andere als klar. Da eine Gruppierung dieser Sonderfertigkeiten unter eine allgemeine Regel aber keine großen Einschränkungen mit sich bringt, denke ich, dass das Argument dennoch schlüssig ist.
Das Sonderfertigkeiten-Problem ist ein großes, denn es kann in DSA5 nicht mehr beseitigt werden, ohne eine komplette Überarbeitung. Würde man nun umstellen und auf einmal wenige sich stark unterscheidende SF rausbringen, hätte man noch immer den SF Salat von vorher. Außerdem würden die wenigen sich stark unterscheidenden SF wieder aufgewässert durch die anderen (besonders bei exklusiven SFs).
(Falls ihr diesen Artikel interessant findet, lasst gerne Feedback da, so weiß ich, dass dieses Format gut ankommt. Falls ihr inhaltliche Kritik habt, gerne her damit (und natürlich auch sämtlich andere))
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