Einen Kübel Jauche zurück
Es kommt irgendwann der Tag, da wünscht Du Dir, Du hättest einen eigenen Blog. Ich wäre geneigt gewesen, mich mit moderierender zweiseitiger wohlmöglich kluger und oder besonnener Betrachtung an der Debatte über WdV zu beteiligen. Damit wird es nun möglicher Weise aber nichts mehr. Michael Masberg, den ich heute um 16.50Uhr noch geschätzt habe, bringt mich in eine emotionale Verfassung, der seinen u.U. nicht unähnlich, wo Fairness und Menschenverstand dahingehen. Wo fange ich an?
- Die Internetseite gofeminin.de befasst sich in einem Artikel mit dem Thema Penislänge. Dort - wie in WdV - kann man nachlesen, dass Länge Vor- und Nachteile hat, entscheidend für befriedigende Nutzung in der Scheide ist allenfalls, dass ein gewisser Umfang im Verhältnis zur Weite der Vagina gewahrt bleibt. Der gofeminin-Artikel enthält eine Tabelle mit durchschnittlichen Penislängen. Platz 1 (von 20) haben die Männer aus dem Kongo (17,93cm), Platz 2 die Männer aus dem Sudan (16,47). Wollte man dem stereotypen Moha auch Indio-Blut attestieren, was ich irgendwie naheliegend finde, war ich bei meiner tendenziösen Rechercheabsicht nervös, aber keine Bange: Brasilianer findet man auf Platz 3 (16,10), Argentinier auf Platz 7 (14,88) – und das ist nicht dem iberischen Einschlag in die Gesamtbevölkerung geschuldet: Spanier (13. Platz, 13,85) haben einen eher Kurzen. Die Aussage, vorbildgebende Ethnien hätten einen langen Pimmel, ist also kein Klischee. Schade, dass der Verlag diesen einen unglücklichen einen Fehler einräumenden Satz geschrieben hat! Vielleicht hätte Herr Masberg vor seinem Torjubel sonst selber einmal das Internet bemüht. Da die von der Norm abweichende genitale Größe weder ab- noch aufwertend verwandt wird, bleibt an der Verwendung dieses phenotypischen Merkmals meines Erachtens nur eines auszusetzen: ein irdischer Parameter wird überhaupt als Vorlage kopiert. Wer das für DSA ablehnt, kennt leider das Spiel überhaupt nicht und verwundert niemanden mit der Aussage, sich darin nicht zu Hause zu fühlen.
- Die Analyse von Michael Masberg „wann habt Ihr was in welcher Reihenfolge gedacht, was macht Euch angeblich wie betroffen und hier wollen wir uns noch einmal auf die Schulter klopfen“ ist im Detail und in der Länge erbärmlich und kindergartentauglich. Er muss wirklich sehr wütend sein, aber das entschuldigt seine Ausfälle für mich nicht.
Dass der Verlag sich z.B. auch von der anderen Seite als ‚schwul‘ beschimpfen lassen muss, ist für Masberg nicht nur kein Argument, es macht aufgrund einer von ihm entdeckten Argumentationsfolge sogar den Verlagskritiker verdächtig, homophob zu sein, das finde er sehr perfide.
Ich dagegen lese in seinen Ausführungen, ich dürfe mich nicht wundern in die braune Ecke gestellt zu werden, wenn ich Worte von denen nutze, mit denen ich nicht verglichen werden möchte. Jedes Wort, zumindest das ich verwende, ist von mir. Wenn Herr Masberg seinen Gegner bloß rassistische Nachplapperei attestiert, passt seine Überschrift, dann hat er in der Tat nichts verstanden. Und beschimpft besser nicht andere wegen perfider Beleidigungen.
Sich selber zu zitieren oder zu verlinken, um eine These zu unterstützen; hätte der Künstler das dem Verlag wortakrobatisch unter die Nase gehalten? Naja. Schwamm drüber.
- Als vorübergehenden cool down wieder eine inhaltliche Überlegung, in diesem Fall zum Kurzgeschichtenband ad WdV. Amir Honak und die sexuelle Gewalt. Scharfe Kritiker des Sexismus bei Ullisses sind immer ganz
gute Käufergut informiert; ich muss einräumen, dass ich mir Ficken-Kurzgeschichten nicht zugelegt habe. Vielleicht habe ich auch eine Download-notification, aber meine Neugier hält sich in Grenzen. Was mich irritiert – allein vom Hörensagen: die Verschiebung des Vorfalls vom üblichen Mann vs Frau zu Mann vs Mann wird nicht wahrgenommen. Autorin Lieschen hat genau das getan, was ich an ihrer Stelle getan hätte: sie hat Rollen neu besetzt, um genau nicht die Fresse im #metoo-style poliert zu bekommen. Darüber hinaus hat sie die Fiktion in die geträumte Fiktion verschoben, da hat Herr Masberg Recht, das ist nicht so doll.Was spricht aber eigentlich grundsätzlich gegen die Darstellung sexueller Gewalt?
Ich bin unbedingt in unserer Gesellschaft ein Freund der sexuellen Selbstbestimmung. Ich bin aber auch ein Freund der körperlichen Unversehrtheit, des Schutzes des Eigentums, der informationellen Freiheit, des Rechtes auf Meinungsäußerung u.v.a.m. Alle diese Rechtsgüter werden im Rollenspiel in steter Folge mit Füßen getreten oder doch eher blutig abgestochen. Es regt sich dagegen für mich wahrnehmbar kein Protest. Finden da diejenigen, die eine Darstellung sexueller Gewalt ablehnen, denn in echt häusliche Gewalt, Faustrecht usw. in Ordnung, oder wie ist das zu verstehen?
Ein einfacher sexueller Übergriff selbst ohne erzwungenen Beischlaf kann schwer ermessbare Qualen nach sich ziehen. D’accord. Aber wer kann ermessen, welche Qualen es nach sich zieht, wenn das Sicherheitsgefühl durch einen Wohnungseinbruch zerstört wird. Wenn bei einer Schlägerei ein Auge verloren geht oder bei einem besoffenen Wagenrennen beide Beine. Das ist aber alles egal, wenn es bloß in einer Geschichte steht. Und deshalb! - genau deshalb kann ich die Menschen nicht ernstnehmen, die im Rollenspiel erstens mit zweierlei Maß messen und zweitens für sich in Anspruch nehmen, dem Stein der Weisen die Rücksichtnahme und Empathie erklärt zu haben.
- Frauen und Männer haben gleiche Rechte. Hier und dort. Gleich sind sie aber so überhaupt nicht. Ich schätze mal – 80% der Fantasy-Spieler sind männlich, davon sind 80% heterosexuell und finden nackte Frauen schöner als nackte Männer. Eine zugegeben eher kleine nicht repräsentative Umfrage meinerseits hat außerdem ergeben, dass 0% der heterosexuellen Frauen einen Penis schön finden oder häufiger sehen wollen, einen Porno einem Liebesfilm vorziehen oder Mr. Darcy aus Stolz & Vorurteil würden widerstehen können. 100% von ihnen finden es richtig, auch - und nicht zu viele Quoten-Schwänze und -Homopaare zu sehen, 100% von ihnen finden es gut, dass in DSA-Büchern unaufdringlich abwechselnd die Geschlechter verwendet werden. Et c'est ca.
Wenn es sexistisch ist, das Publikum mit dem zu bedienen, was es sehen möchte, dann ist ‚sexistisch‘ vielleicht gar kein schlimmes Schimpfwort? Bisher dachte ich immer, Sexisten - das wären Frauengeringachter und Schlechtbehandler, aber vielleicht sind es nur Menschen, Verkäufer wohlmöglich mit dem Zeiger auf dem durchschnittlichen Zeitgeist. Und wenn das so wäre, dann wären diejenigen, die ihnen Schimpf und Schande entgegenschleudern, in der Tat bloß Gutmenschen.
Wahrscheinlich, deshalb bettelt Masberg so genannt zu werden; wahrscheinlich ist einer, der in der besprochenen Literatur den erlebten Sexismus ablehnt, bloß ein armer Gutmensch. (wikipedia: „[…] Benutzer des Begriffs unterstellen Personen oder Personengruppen mit betont moralischer Grundhaltung ein fehlgeleitetes beziehungsweise zweifelhaftes Verhalten.“) Ja. Das mach ich dann mal:
Wenn ich laut Michael Masberg: „einer stinkenden rassistischen, sexistischen und unmenschliche Masse“ angehöre, dann ist es meines Erachtens recht und billig, dem Gegenüber fehlgeleitetes und zweifelhaftes Verhalten vorzuwerfen. Mehr als er kann man nicht darum betteln, nicht gehört zu werden - aber das ist ja auch nur das finale Gekotze eines offenbar langen & unschönen gegenseitigen Nichtverstehens.
- Auf gehobenerem Niveau haben mich andere Vorträge getroffen. Z.B. wurde offenbar ermittelt, dass die Moha-Kultur in WdV als kulturell minderwertig dargestellt und als einzige Menschenkultur ohne feste Prinzipien dargestellt wird. Das ist zunächst einmal unwahr. Kaum begegnet sind mir die Menschen-Kulturen der Norbarden, Nivesen und einiger Barbaren; Moha oder Waldmenschen-Abschnitte findet man in steter Regelmäßigkeit, abwertendes habe ich darin aber nicht gefunden. Ich finde es z.B. ein eher freundliches Kulturmerkmal, wenn berichtet wird, dass Waldmenschen dem genetischen Erbe wenig Bedeutung beimessen. Richtig ist, dass es nur für Moha eine sexkulturelle Würfeltabelle gibt. Wenn man schlecht von den Autoren denken möchte, findet man darin ohne Weiteres eine sexuelle Beliebigkeit der 'wilden Ficker'. Irritierend ist dabei jedoch, dass die Kritiker ja gerade die Vielfalt der sexuellen Strömungen bedacht wissen wollen – eine strenge Traviakirche müsste demnach von ihrer Wut getroffen und eine besonders diverse Kultur gelobt werden? Die Kritik erscheint im Gesamtkontext wenig konsistent.
Nun kommt aber ein Telefonat zum Tragen, das vor ca. 3 Wochen bei mir einging. Eine Befragung getragen von der Stiftung Mercator zum Thema Migration. Viele Fragen waren einfach. Ich halte mich - auch und in der Tat - für "menschenfreundlich und liberal". Ein Fragentyp war schwer:
1 keine Zustimmung – 5 volle Zustimmung:
„Die mitteleuropäische Kultur ist der afrikanischen Kultur überlegen?“
„Die mitteleuropäische Kultur ist der arabisch orientalischen Kultur überlegen?“
„Die christliche Kultur ist der islamischen Kultur überlegen?“
Na, Freunde der Selbstherrlichkeit? Wie viele Punkte gebt Ihr den Fragen?
Ich habe mich entschieden, der Realität ins Gesicht zu sehen: ich wäre nicht geprägt von meiner Kultur, ich wäre nicht einmal in ihr, wenn ich sie nicht für überlegen hielte.
Und hier bricht die Weltbetrachtung zwischen den Kritikern und den Verteidigern des Druckerzeugnisses, des Verlages und des gesamten Spieles entzwei.
Weil ich meine Kultur überlegen finde, geringschätze ich die Angehörigen einer anderen Kultur nicht! Ich sehe Konflikte, die durch kulturellen Zusammenprall entstehen. Ich bin bereit meine Werte verbal zu verteidigen. Und wenn ich dafür Worte wähle, hört Michael Masberg nur braunes Grölen. Schade.
Für alle anderen, falls man eine niedrige Zustimmung gewählt hat: „Ist ein Frauenbild mit Beschneidungsriten unserem Frauenbild ebenbürtig?"
Ja, die Frage ist schon wieder in sich rassistisch. Beantworte sie trotzdem.
Wir können langsam zurück kommen zu DSA.
Die Setzungen in dieser Welt sind 30 Jahre alt. Und sie sind unbenommen voller Klischees und Vereinfachungen. Die Kritiker der Verlagsstrategie wünschen sich eine Weiterentwicklung der Weltbeschreibung im Sinne rücksichtsvoller und empathischer Werte. (Ich habe als Protest gegen diesen vermeintlichen Fortschritt aus dem Redaktions-Zitat die Geisteshaltung progressiv ausgeschnitten!) Was das nämlich genau wäre, wird vermutlich nicht einmal jemand benennen können. Sind 50% Schwänze und 50% Vaginas in einem Buch eigentlich ein erstrebenswertes Ziel? Nein, aber sich über ein Ungleichgewicht zu empören, ist auf jeden Fall cool. Hat ein deutsches Rollenspiel eigentlich eine besondere Verantwortung - im selben Maße wie ein amerikanischer Ableger desselben, farbige Menschen in den gleichen kulturellen Kontext zu setzen wie helle Hauttypen? Nein, ein deutsches Rollenspiel hat zunächst eine besondere Verantwortung, Religionsgemeinschaften mit gleichem Existenzrecht neben einander aufzuzeigen.
Ich spreche wirklich jedem DSA-Spieler, -Autor und -macher das Recht ab, meine kulturelle Gesinnung zu bewerten oder in seinem wohl ebenfalls subjektiven Wertemaßstab öffentlich zu verurteilen. Ich begrüße nunmehr den Weggang der Autoren, die sich über diese Fragen mit dem Verlag überworfen haben und ich kann verstehen, dass die Redaktion wie vom Donner gerührt mit so viel überheblicher Besserwisserei nicht recht umzugehen vermag. Ich bestätige Michael Masberg in seiner Befürchtung, dass ich mich nach der Lektüre beider Stellungnahmen, harscher denn je gegen seine angebliche Empathie positioniere. Nur ist der Text des Verlages dafür nicht verantwortlich!
So enttäuscht war ich selten.
Meine subjektive Kritik an WdV wäre, dass bei Verbot der Prostitution der Prostituierten eine Strafe droht, dem Freier aber nicht.
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