Umgang mit Geweihten

  • Recht und Gerechtigkeit sind nicht identisch, und wenn ich mich recht entsinne (ich habe nicht nachgeschaut) sind Praioten dem (geltenden) Rest verpflichtet.

    Da kann man doch seinen Charakter wunderbar differenzieren und Hadern lassen: ist Praios nicht der Gerechtigkeit und die Praioskirche dem Recht verpflichtet?

    Ich mag sowas :D

  • Ich finde es macht Geweihte schon fehlbar, so ein Kodex macht sie besonders fehlbar, jedenfalls dann, wenn es ein umfassender (z.B. der der Rondrianer^^) ist, denn der Geweinte verlässt seinen Tempel, Kopf und Herz voll mit Idealen und Geboten, was gut und richtig ist und wie er sich verhalten soll, egal, was kommt - und dann kommt etwas, die Realität, die nicht zulässt, alle diese Gebote und Pflichten gleichermaßen und gleichzeitig in jeder Situation zu erfüllen. Er wird damit konfrontiert, dass Idealen nachstreben eine schwere Last sein kann, weil mann sie voraussichtlich eben nicht immer erfüllen kann, egal, wie sehr man bestrebt ist, das zu tun, immer und immer wieder.
    Denn man selber ist nur ein Mensch mit endlichen Kräften und Möglichkeiten und Schwächen.

    Geweihte sind fehlbar, aber wenn sie direkte Adjutanten und Gesandte des Gottes sind, von diesem absolut durchleuchtet und geprüft, dann fehlt eben auch der Gott ständig oder nimmt Kollateral-Schäden abwinkend in Kauf. Diese Sicht mag ich nicht teilen. Ebenso wenig sehe ich Geweihte als isolierte Tempelkinder. Ich denke viele von denen haben durchaus einen sehr realen und pragmatischen Bezug zum Leben. Das was du beschreibst wären für mich weltfremde Klosterkinder.

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  • Was den Glauben an die Zwölfgötter angeht mal ein gedanklicher Anstoß aus anderer Richtung.

    Der Glaube ist mit Abstand nicht zwingend so unerschütterlich wie man vielleicht auf Anhieb denken mag. Die Götter bekommen erstmal einen Freifahrtschein dadurch das es sie zumindest anscheinend gibt. Ich sage anscheinend, weil man sie ja nicht sehen kann. Das ihre Geweihten über große Wunderkräfte verfügen ist offenkundig, aber das trifft auch auf Magier zu.
    Allerdings ist das mit dem Glauben so eine Sache. Realer Glaube ist Konditionierung aufgeplfanzt auf neurologische Prädisposition. Die Evolution selbst spielt da auch mit rein. Aventurische Götter brauchen das so aber gar nicht, denn da es sie ja gibt muss niemand überzeugt werden, trotz völliger Abwesenheit von Anhaltspunkten. Auch eine neurologische Prädisposition ist unnötig, weil der Glaube hier nie Einbildung ist. Genau genommen glaube gar niemand in Aventurien an die Götter. An Stelle des Glaubens tritt (vermeintliches) Wissen. Auch die Frage ob es Evolution so auf Dere gab ist ein Thema für sich, aber ich will das hier mal ignorieren.

    Der Glaube in Aventurien hat es damit dennoch ungemein leicht und weil er es so leicht hat musste er zu keiner Zeit strukturelle Härte entwickeln.
    Ein nicht religiöses Beispiel: Europäer die in die Karibik kamen im 16./17. Jahrhundert wurden in der Masse ungemein faul und arbeitsscheu, einfach weil es so problemlos möglich war zu überleben. Einfach so und mit enorm wenig Arbeit. Man konnte notfalls einfach im Freien schlafen, es war nie kalt und auch Essen gab es überall zumindest grundlegend in Form von Fisch, Bananen und Cocosnüssen. Für die Kolonialmächte war das ein Problem, denn es machte selbst einfache Dinge wie ein altes Fort in Schuß zu setzen, zu einem Kraftakt der Motivationskunst.

    Das legt aber nun den Schluß nahe, bezogen auf den Glauben in Aventurien, dass dieser sehr viel leichter zu erschüttern ist als realer Glaube. Wenn mein Gott mich nämlich augenscheinlich nicht erhört, mir nicht hilft und mich leiden lässt, was nutzt er mir dann? Ob er mächtig ist oder nicht spielt keine Rolle, wenn seine Macht mir nicht sichtbar ist und mir nichts nutzt.
    Schlimmer noch! Ich glaube ja nicht nur das es einen Gott gibt. Ich weiß das es viele gibt. Auch außerhalb meines Pantheons. Wenn mein Glaube an meinen Lieblingsgott und das restliche Pantheon erschüttert wird, also richtig schwer erschüttert wird, dann ist es für mich viel leichter ad-hoc umzusatteln auf etwas gänzlich anders.

    Ich denke genau das ist in den Schattenlanden passiert und genau das passiert auch mit dem Namenlosen. Die Bereitschaft den eigenen Glauben abzuwerfen und ins Gegenteil zu verkehren ist viel stärker in Aventurien, einfach weil die Götter so viel näher, persönlicher und realer sind. Die Gegenspieler sind es damit schließlich auch. Obendrein befriedigt es ein tief sitzendes Bedürfnis vieler Menschen: Das nach Rache. Wir rächen uns gern für Schmähungen, selbst kleinster Art. Wenige können das Gegenteil behaupten ohne zumindest zum Teil zu lügen und wir sind oft sogar bereit Nachteile und Schaden für uns selbst sehenden Auges in Kauf zu nehmen, wenn es uns die ersehnte Vergeltung ermöglicht oder sie zumindest in Aussicht stellt. Das haben psychologische Studien zweifelsfrei nachgewiesen.

    Aus diesem Kern erwächst dann Dämonenanbetung, Gefolgschaft des Namenlosen und andere Formen von Apostasie. Es gibt Mensch die Macht sich an Gott zu rächen. Einem, mehreren, völlig egal. Das kann für einen Menschen der sich verraten und machtlos fühlt eine ungemein erhebende Option darstellen. Sehr verführerisch.

    Zumal: Solange ich meine Seele nicht tatsächlich und leibhaftig verkauft habe, solange ich noch kein Paktierer bin, gibt es immer den Rückweg zum Glauben zurück zu kehren und Abbitte zu leisten. Zumindest theoretisch.

    Die reine Apostasie ist in Aventurien soweit es mir bekannt ist, anders als real z.B. im Islam, weder mit der Todesstrafe belegt, noch zwingend mit ewiger Verdammnis gestraft. Sonst könnte die Hälfte aller Kulturen das Mittelreich nicht bereisen und fast die Hälfte aller die denken Zwölfgöttergläubig zu sein wären es im Sinne einer Apostasie-orientierten Abgrenzung vermutlich nicht.

    Ein Beispiel für Apostasie ist übrigens in Handelsherr und Kiepenkerl erwähnt, bei der Beschreibung von Räubern, die laut Buch neuerdings verstärkt blutrüstig und mörderisch vorgehen und sich oft rekrutieren aus Wehrbauern, Söldnern und Flüchtlingen, die in den Schwarzen Landen den Glauben an die göttliche Ordnung verloren haben. Zumindest glaube ich das es HuK war. Ich schau sicherheitshalber nochmal nach wenn ich nicht mehr im Büro bin. Davon abgesehen das ich von HuK nicht wirklich überzeugt bin ist es eine Erwähnung die sich mit anderen Quellen gut deckt.

    Einem Geweihten würde es da nicht gut ergehen. Er ist schließlich das wandelnde und verwundbare Symbol dessen was man strafen möchte.

  • In anderen Worten gibt es bei euch Geweihte - von Phex einmal abgesehen, da gehört das im Prinzip zum Programm - die zumindest teilweise auch auf ihren Vorteil bedacht sind, solange das dem Aspekt ihrer Gottheit nicht vollständig widerspricht.


    In meinem Aventurien sind Geweihte auch nur Menschen, aber durch die Götter vorausgewählte. Das heißt nicht, dass sie unfehlbar sind, aber im Schnitt entsprechen sie dann doch mehr den Idealen ihrer Kirche als Alrik Normal-Aventurier. Das gilt aber für alle Kirchen: Auch Phex ist nicht Gott der Arschlöcher und ihm und seinen Geweihten geht es nicht um die eigene Bereicherung, sondern um die Herausforderung. Eine Phexgeweihte, die stiehlt, um reich zu werden, erfährt gerade die Verführung durch den erzdämonischen Widerspieler Phexens.

    Aber neben solchen höheren Mächten gibt es auch einfach den menschlichen Faktor, dass Geweihte vielleicht Dinge tun, von denen sie glauben, sie würden ihrer Gottheit entsprechen, obwohl dies gar nicht der Fall ist.

    Letztendlich läuft es auf folgendes Hinaus: Wäre ist möglich, dass Menschen, die keine Perspektive mehr sehen, auch ihren Glauben an die Kirchen (nicht aber unbedingt an die Götter) soweit verlieren, dass sie vor dem Angriff auf Geweihte nicht mehr aus religiösen Gründen zurückschrecken?

    Insgesamt sollte das eher selten sein, da einerseits die Geweihten im Schnitt eben doch gute Menschen sind und jemand dann ja konsequent jahrelang nur die schlechten Seiten einer Kirche hätte mitbekommen müssen. Aber prinzipiell gilt: Ja. In meinem Aventurien würden dann aber die Götter eine Gruppe Helden vorbeischicken, um die Situation wieder auszubügeln.