Die perversen Pinguine des Dr. George Murray Levick

  • Welches Rollenbild Professoren oder Professorinnen privat bevorzugen, sei ihnen unbenommen. Niemand verlangt dass ihre Beziehungen modern oder unmodern, gleichberechtigt oder abhängig oder sonst wie sind. Das geht den Staat wirklich nichts an, wie unschwer aus dem Paragraph 1523 zu erkennen ist, der bis 1958 in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch vorhanden war:

    »Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten ...«

    Was unter der »Herstellung der Gemeinschaft« zu verstehen ist, verdeutlicht ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1966 :

    »Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen (...) versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet. (...) Deshalb muss der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, aber auch nicht, die Gewährung des Beischlafs als ein Opfer zu bejahen, das er den legitimen Wünschen des anderen um der Erhaltung der seelischen Gemeinschaft willen bringt, jedenfalls darauf verzichten, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form auszusprechen.«

    (Seltsamerweise gab es nie ein entsprechendes Urteil, dass den Mann auf auf eine ebensolche Handlungsweise festlegt und ihm Konsequenzen für den Fall der Nichteinhaltung auferlegt.)

    Andere Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches legten fest, dass ein Mann das Arbeitsverhältnis seiner Frau auch gegen ihren Willen kündigen kann:

    »Hat sich die Frau einem Dritten gegenüber zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung verpflichtet, so kann der Mann das Rechtsverhältniß ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn er auf seinen Antrag von dem Vormundschaftsgerichte dazu ermächtigt worden ist. Das Vormundschaftsgericht hat die Ermächtigung zu ertheilen, wenn sich ergiebt, daß die Thätigkeit der Frau die ehelichen Interessen beeinträchtigt.« (Sehr alte deutsche Rechtschreibung)

    Auch konnte er sie zur Führung seines (!) Haushalts zwingen:

    »Die Frau ist ... berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten.«

    Besonders schön war auch folgende Generalklausel:

    »Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu ...«

    Zu lange her? Wie wäre es mit dem Transsexuellengesetz? Hier musste 2008 das Bundesverfassungsgericht feststellen, dass die Bestimmung

    »Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie ... nicht verheiratet ist« (§ 8 Abs. 1 TSG; Hervorhebung durch mich)

    irgendwie nicht so ganz mit unserer Verfassung vereinbar ist. Und 2012 lehnte der Bundestag in Namentlicher Abstimmung ein Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen des gleichen Geschlechts ab.

    Bis auf die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern sind die entsprechenden Gesetze längst geändert worden. Jedes mal gegen den Widerstand von Männern, die einem traditionellen Familien- oder Frauenbild anhingen, obwohl es in keiner Gesetzesänderung darum ging, dass Frauen die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft ablehnen müssen oder dass Männer gezwungen werden, gleichgeschlechtliche Partnerschaften einzugehen, ja nicht einmal, dass eine Partnerschaft partnerschaftlich sein muss.

    Es wurden nur nach und nach alle Bestimmungen beseitigt, die Männern einseitig bevorteilten.

    Frauen in der Wissenschaft (wie auch sonst im Beruf) immer noch systematisch benachteiligt. Dass es nicht an ihrer mangelnden Qualifikation liegt, sehe ich als erwiesen an und andere Gründe wurden nicht vorgebracht und genau deshalb muss der Staat jetzt wieder ordnend eingreifen. Jeder Widerstand dagegen zeigt - damals wie heute - wie notwendig es ist.

    Auch damit es unerheblich wird, ob Professoren pauschal oder ganz konkret fähig oder unfähig sind, andere Lebensentwürfe zu akzeptieren oder diese ignorieren.

  • In vielem stimme ich dir zu, dass der Staat jedoch "ordnend eingreifen muss", sehe ich nicht unbedingt so. In den von dir genannten Beispielen ging es um klare gesetzliche Benachteiligungen, die aufgehoben wurden. Das ist eine Staatsaufgabe - im Umgang der Menschen miteinander sehe ich das differenzierter. In allen Berufsgruppen ein 50:50 Verhältnis - sowohl bei Teil- als auch bei Vollzeit - erzwingen zu wollen, ist mir zu dogmatisch, unterwirft den Menschen der Ökonomie und gibt der Krake Staat mMn noch mehr Einfluss - ich finde, er hat schon viel zu viel.
    Wir scheinen übereinzustimmen, dass es Benachteiligungen gibt, unterscheiden uns aber wohl, welches Ziel anzustreben ist (Gleichheit oder Gleichberechtigung) und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Ich fand die Diskussion gut, vermute aber, dass wir unsere Positionen erschöpfend ausgetauscht haben.

    ich wäre ja perfekt, wenn ich nicht so bescheiden wäre....

  • Antwort auf den aktuellen Post:


    Frauen in der Wissenschaft (wie auch sonst im Beruf) immer noch systematisch benachteiligt. Dass es nicht an ihrer mangelnden Qualifikation liegt, sehe ich als erwiesen an und andere Gründe wurden nicht vorgebracht und genau deshalb muss der Staat jetzt wieder ordnend eingreifen. Jeder Widerstand dagegen zeigt - damals wie heute - wie notwendig es ist.

    Das Problem ist: Ich wüsste nicht, wie sich feststellen lassen könnte, ob Frauen durch gesellschaftliche Zwänge von wissenschaftlicher Arbeit abgehalten werden oder im Durchschnitt weniger Interesse an wissenschaftlicher Arbeit haben. Nochmal: Ich weiß nicht, was zutrifft. Wenn konkrete Ungerechtigkeiten angeprangert werden ist das das Eine, aber auf Verdacht jede Häufung der Geschlechter als Diskriminierung zu deuten erscheint mir ähnlich falsch. So einfach ist soziale Interaktion nicht.

    Auch damit es unerheblich wird, ob Professoren pauschal oder ganz konkret fähig oder unfähig sind, andere Lebensentwürfe zu akzeptieren oder diese ignorieren.

    Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst.

    Non serviam!

    Beherrscher des Kophtanischen Imperavi nach Zant...
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    2 Mal editiert, zuletzt von the_BlackEyeOwl (29. September 2015 um 23:58)

  • Antwort auf diesen älteren Post:

    Ich antworte morgen ausführlich

    "Morgen" ist jetzt beinahe zwei Wochen her, und die orki-downtime ist nicht der einzige Grund. Je nun, hier also:

    Ich behaupte, diese Zahlen lassen sich nur durch eine Diskriminierung und massive Benachteiligung von Frauen erklären. Ich behaupte weiterhin, dass es keine Gründe gibt, die diese Benachteiligung rechtfertigen. (...) Was ist gegen die ungerechtfertigte Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts zu tun?

    Gegen klare Diskriminierung wie in den erwähnten Gesetzen? Schleunigst ändern. Aber "Ungerechtfertigte Diskriminierung"... klammheimlich ein Pleonasmus. Blödes Beispiel, aber sowas meine mit "gut schreiben", nicht viel mehr oder weniger. Denn eine valide Frage ist: Was ist in deinen Augen gerechtfertigte Ungleichbehandlung? Was ist, wenn es doch andere Gründe gibt? Ich weiß, dass ich nicht weiß was stimmt - aber du anscheinend.

    Und ich meine gelesen zu haben, dass ihr das anders seht. Ohne Sätze aus dem Zusammenhang reißen zu wollen, kann ich die Aussage »[...] aber du schreibst gut genug, um manche validen Argumente und Einwände nicht aufkommen zu lassen [...]« nur so verstehen, dass es biologische Gründe für die Benachteiligung von Frauen gibt, denn dass es diese nicht gibt, war die Kernaussage meines ersten Beitrags. Dieser Eindruck wurde durch »Wenn Kinder per Definition aufgrund von biologischen Unterschieden anders beurteilt werden - kann das so ein schlechtes Kriterium sein?« noch verstärkt.

    Erste Annahme meinerseits: Unterschiede in Verhalten, gesellschaftlicher Position o.ä. könnten nicht nur in Diskriminierung zu finden sein, sondern auch in !durchschnittlich! anderem Denken, Fühlen, Wünschen. Das dann könnte sich in der Neurologie widerspiegeln - und schon hat man einen biologischen Unterschied. Das ist der grobe Gedankengang, den man bestmöglich falsifizieren sollte, bevor man eine Gleichbehandlung durchsetzt. Es ist immer mit gewaltigem Risiko verbunden, eine zukünftige Gesellschaft nach einem aktuellen Ziel verformen zu wollen. Übrigens eines der großen ethnischen Probleme beim Designerbaby... ich ändere die langfristige genetische Entwicklung mit aktuell wünschenswerten Eigenschaften im Blick. Nicht das Gottspielen ist die Hybris, sondern der Gedanke, dass derzeitige Vorstellungen absolut sind.

    Auf die »allgemein anerkannte Ungleichbehandlung von Kindern aufgrund von biologischen Merkmalen« möchte ich gesondert eingehen, dafür ist es mir heute zu spät.

    Ich bitte darum, ich weiß nicht, wo ich selbst anfangen sollte. Stimmst du mit mir überein, dass Kinder nicht die vollen Menschenrechte haben? Was rechtfertigt diese Ungleichbehandlung?

    Irgendetwas passiert auf dieser höheren Qualifikationsstufe, die es Frauen schwerer macht, ihren Anteil zu halten.

    Ja. Im schlimmsten Fall ist Diskriminierung der Grund - aber ist diese Denke alternativlos? Ich denke, das könnte ein logischer Fehlschluss sein.

    Das Argument, dass dadurch die Qualität in den Wissenschaften sinkt, lasse ich solange nicht gelten bis so viele schlechte Professorinnen berufen wurden, wie wir jetzt schon schlechte Professoren haben.

    Das hat mir zwar ein Schmunzeln entlockt, aber Unrecht (Ungeeignete in hohen Positionen) mit Unrecht (!mögliche! Gleichbehandlung von Ungleichem) zu rechtfertigen...


    *beschwörungsgewandanleg* Wo ist eigentlich teddypolly? Ich würde zu gerne ihr Gedanken und Kenntnisse hierzu zu hören.

    Non serviam!

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    11 Mal editiert, zuletzt von the_BlackEyeOwl (30. September 2015 um 12:50)

  • Was ist ein Eisvogel-Eddie? Klingt nach durchtriebenen Feilschern spezialisiert auf Tiere der Roten Liste.

    Eisvogel-Ed und seine Freunde

    Klingt dann aber viel anrüchiger als es ist. Gemeint waren einfach nur diese @ bzw AT bzw Ed Teile am Anfang meiner Nachricht (nein, ich werd mich jetzt nicht mit dem korrekten Setzen der Bindestriche rumärgern, soll ich denn schon wieder unter Stress stehen und die letzten 3 Wochen hinfällig machen)?!

    Und: Japp, jetzt hab ich auch die 150 voll und wieder ne Wette gewonnen - ist das Leben nicht schön?

  • Ich nehme die Aussagen »Ich wüsste nicht, wie sich feststellen lassen könnte, ob Frauen durch gesellschaftliche Zwänge von wissenschaftlicher Arbeit abgehalten werden oder im Durchschnitt weniger Interesse an wissenschaftlicher Arbeit haben.«

    und »Unterschiede in Verhalten, gesellschaftlicher Position o.ä. könnten nicht nur in Diskriminierung zu finden sein, sondern auch in !durchschnittlich! anderem Denken, Fühlen, Wünschen«

    jetzt ernst und bringe sie in Verbindung mit den realen Zahlen aus dem Fachbereich Medizin der Universität Mainz und frage, in welchem Maße sich Frauen und Männer unterscheiden müssen, um den Frauenanteil von 15% an den Professuren zu erklären. Ich gehe weiterhin davon aus, dass egal ob es sich um Interesse, Fleiß, intellektuelle Fähigkeit, mathematisches Verständnis (OK, nicht in der Medizin), räumliches Vorstellungsvermögen oder sonst eine andere Eigenschaft handelt, für eine Professur eine überdurchschnittliche Ausprägung notwendig ist, so dass in der Grafik nur Menschen rechts von der blauen Linie hierzu befähigt sind: nv6.png

    Und jetzt ganz konkret: Gibt es Beweise, dass sich Interesse, Fleiß, intellektuelle Fähigkeit, mathematisches Verständnis, räumliches Vorstellungsvermögen oder sonst eine andere Eigenschaft zwischen den Geschlechtern so unterschiedlich sind, dass es den hier grafisch verdeutlichten Frauenanteil von 15% rechtfertigt? nv7.png

    Weiterhin ist zu klären, was dazu geführt hat, dass vor 1962 keine Frau das für eine Professur notwendige Interesse, den Fleiß, die intellektuelle Fähigkeit, das mathematisches Verständnis, das räumliches Vorstellungsvermögen oder sonst eine notwendige Eigenschaft hatte, dies aber heute der Fall ist. Auch zu klären ist, welche Veränderung einer fest mit dem Geschlecht verbundenen Eigenschaft führte dazu, dass heute mehr Frauen als Männer studieren, im 19. Jahrhundert dagegen der Anteil der Frauen bei weniger als einem Prozent lag, wenn ihnen nicht pauschal eine geistige Inferiorität unterstellt wurde.

    Dass sich diese Veränderungen biologisch erklären lassen ist trivial. Niemand - zumindest hoffe ich das - wird heute noch den vehementen Kampf von Vertretern des Fachs Biologie gegen Zulassung von Frauen zum Studium ›ihres‹ Fachs und die kategorische Ablehnung des Frauenstudium durch Max Planck als gerechtfertigt ansehen. Es fällt leicht, hier die historische Diskriminierung von Frauen zu erkennen.

    Aber seltsamerweise gelingt das nicht, wenn es um die noch bestehende Diskriminierung geht. Jetzt wird mutmaßt, dass es Gründe geben könnte, die die Unterschiede erklären. Und diese Gründe werden wie vor hundert Jahren bei den Frauen gesucht und sei es, dass ihnen einfach weniger Interesse unterstellt wird. Willkommen im 19. Jahrhundert!

    Und jetzt zu den Kindern: Natürlich besitzen sie die vollen Menschenrechte. Aber genauso wenig wie erwachsene Menschen aufgrund von bestimmten Eigenschaften - derer jeder Mensch verlustig gehen kann - sondern durch positive Setzung oder mit anderen Worten: Weil wir es so wollen. Und natürlich werden sie gerechtfertigt diskriminiert, d.h als Gruppe von erwachsenen Menschen unterschieden. Denn ihre Fähigkeiten müssen sich - nachweislich - noch entwickeln und sie sind (auch deshalb) - nachweislich - schutzbedürftiger. Mit zunehmendem Alter werden ihnen mehr und mehr Rechte zugestanden und Pflichten auferlegt, wovon aber in begründeten Fällen abgewichen werden kann, wie es sich z.B. in der Anwendung des Jugendrechts auf volljährige Menschen zeigt.

    .

    In den nächsten Tagen habe ich sehr viel zu tun, es kann sein, dass ich erst Mitte nächster Woche wieder zum Schreiben komme.

    Ach ja, noch eines: Dem »Staatskraken« setze ich entgegen:

    Nur sehr reiche und privilegierte Menschen können sich einen schwachen Staat leisten.
  • Gibt es Beweise, dass sich Interesse, Fleiß, intellektuelle Fähigkeit, mathematisches Verständnis, räumliches Vorstellungsvermögen oder sonst eine andere Eigenschaft zwischen den Geschlechtern so unterschiedlich sind, dass es den hier grafisch verdeutlichten Frauenanteil von 15% rechtfertigt?

    Nein. Höchstwahrscheinlich nicht. Aber gibt es Beweise dafür, dass die genannten Fähigkeiten gleich verteilt sind? Ist es überhaupt möglich, so etwas zu "beweisen"? Aktuell sicher nicht. Sollte man dem logischen Fehlschluss anheimfallen, dass ein historischer Frauenanteil von 0% durch Diskriminierung zwingend einen exakt die Geschlechterverteilung in der Bevölkerung spiegelnden ohne Diskriminierung nach sich zieht? Ich denke nicht, aber vor der Einführung einer Quote sollte man sich da sicher sein. Eine Quote kann auch gewaltig schief gehen - das habe ich oben ausgeführt meine ich. Ein-Kind-Politik anyone?

    Ich will nicht sagen, dass wir mit 15% auch nur in der Nähe von Gerechtigkeit sind, aber die Beseitigung der vielen konkreten Geschlechterdiskriminierungen auf allen Seiten wäre mir lieber als pauschale Quoten.


    Und natürlich werden sie gerechtfertigt diskriminiert, d.h als Gruppe von erwachsenen Menschen unterschieden. Denn ihre Fähigkeiten müssen sich - nachweislich - noch entwickeln und sie sind (auch deshalb) - nachweislich - schutzbedürftiger.

    Nun mag es sein, dass ich im Folgenden juristische Fachbegriff fehlinterpretiere, aber ich bin nicht nur kein Biologe, sondern auch kein Jurist - und mein Wissen über Patentrecht ist hier eher unbrauchbar denke ich. :iek:
    Theoretisch begründen kann ich deine gerechtfertigte Diskriminierung hier nicht. Artikel 2.1 des Grundgesetzes spricht vom Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, solange niemand anderes dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Artikel 2.2 sagt etwas von unverletzlicher Freiheit wenn nicht gesetzlich anders geklärt. Aber die Anwendung dieser Grundrechte auf Kinder wird auf Verdacht eingeschränkt. Es muss nicht nur nicht erst nachgewiesen werden, dass sie weniger entwickelt und schutzbedürftiger als Erwachsene sind - es kann im Einzelfall nicht einmal widerlegt werden, diese Möglichkeit besteht nicht. Erwachsene können gesetzlich wie Kinder behandelt werden - Kinder niemals wie Erwachsene.

    Ganz abgesehe von der Schwammigkeit von "nicht ausreichend entwickelt" und "schutzbedürftig" hast du aber natürlich damit Recht, dass die Diskriminierung unterhalb eines bestimmten Alters, das je nach Kind verschieden ist, nötig ist. Die aktuellen, hochstarren Grenzen sind allerdings ungerecht. Würde "Kind" nicht vorbeigehen gäbe es längst Pedonisten.


    Ich sehe den Staat nicht als Kraken. Und dein letzter Satz ist im Rahmen unserer aktuellen Gesellschaft sicher nicht falsch.


    Bis dann!

    Non serviam!

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    3 Mal editiert, zuletzt von the_BlackEyeOwl (2. Oktober 2015 um 01:35)

  • Ob es Beweise dafür gibt, dass alle genannten Eigenschaften und Fähigkeiten nicht mit dem Geschlecht korrelieren? Die Frage kann ich angesichts einer Entwicklung von einer de facto Studierverbot für Frauen zu einem Frauenanteil von über 65% in den Erstsemestern im Fachbereich Medizin in etwas mehr als hundert Jahren nicht ernst nehmen. Es gibt keine Möglichkeit, diese Veränderung durch Veränderungen am Genom oder durch geschlechtsspezifische Vererbung zu erklären.

    Entweder sind die Geschlechter in den für ein Studium notwendigen Eigenschaften gleich oder die Frauen wären heute noch ebenso ungeeignet, wie vor hundert Jahren. Dann wäre es ein Verbrechen, sie überhaupt zum Studium zuzulassen. Und sollten sich dann nicht signifikante Unterschiede in der Mortalität von Patientinnen und Patienten von Ärzten und - in diesem Fall dann wohl eher Opfern - von Ärztinnen feststellen lassen?

    Wer spricht denn von pauschalen Quoten, so wie es der ARD-Runkfunkrat tat, als er allen ernstes verkündete, dass in Zukunft 20 Prozent aller Tatorte von weiblichen Regisseuren gedreht werden sollen und auf Nachfrage nicht einmal zu sagen wusste, wie er auf diesen Wert kam? Wie wäre es mit einer Quote auf Neueinstellungen? Mit einer Quote, die das Geschlechtsverhältnis bei der jeweils niedrigen Qualifikationsstufe berücksichtigt, wie es das Kohortenmodell vorsieht? Mit einer Kombination dieser Möglichkeiten und Regelungen, die immer wieder überprüft werden, damit nicht etwas »gewaltig schiefgeht«?

    Und wieso steht eine Quote einer Beseitigung der vielen konkreten Geschlechterdiskriminierungen im Wege? Nach allen Erfahrungen ist genau das Gegenteil der Fall: Bestehende konkrete Geschlechterdiskriminierungen werden durch nichts schneller beseitigt, als durch die Einführung einer Quote. Ein Beispiel gefällig? Nicht leichter als das: Norwegen. Die Einführung einer Frauenquote von 40 Prozent in den Aufsichtsräten hat nicht zum Absturz der norwegischen Wirtschaft geführt, aber zu einer Interessanten Erfahrung: Ab einer kritischen Masse von ungefähr 30 bis 35 Prozent veränderte sich das Verhalten in allen betroffenen Einrichtungen und pauschale Unterstellungen von Eigenschaften aufgrund des Geschlechts verschwanden. Die Quote war so erfolgreich, dass sie jetzt nicht mehr gebraucht wird. Gar nicht so schlecht, oder?

  • Mir widerstrebt die staatlich festgelegte Quote, weil sie eben eine staatliche Zwangsmaßnahme ist und in die Rechte der Bürger eingreift - in diesem Falle des der Verfügung über das eigene Eigentum: mir als Aktionär gehört ein Unternehmen (teilweise), warum darf ich nicht frei bestimmen, wer dieses leitet (Vorstand) bzw. kontrolliert (Aufsichtsrat)? Es gibt einen Konflikt zwischen zwei Grundrechten - Eigentum vs. Diskriminierungsverbot - und mMn nach kein absolut "falsch" oder "richtig" bei der Entscheidung, ob die Ungerechtigkeit so groß ist, dass sie den Eingriff des Staates in ein Grundrecht erfordert, sondern man kann zu unterschiedlichen Abwägungen kommen, wie wir es offensichtlich tun.

    Außerdem besteht auch bei Quoten die Gefahr, dass Ungerechtigkeit erzeugt wird - sowohl im Einzelfall - die sehr geeignete Frau kann nicht in den Vorstand des Modekonzerns einrücken, da ein Quotenmann gebraucht wird - als auch in der Gruppe. Angenommen, 50% der Studienabgänger in Medizin seien Frauen*, dann muss das mMn nicht zwangsweise dazu führen, dass irgendwann 50% aller Chefarztpositionen von Frauen besetzt werden und dies dann "gerecht" wäre. Wie werden bei Quoten Unterschiede berücksichtigt, die auftreten können (z.B. ungleiche Verteilung von Berufspausen wegen Erziehungszeiten), aber auf der freiwillen Entscheidung des Einzelnen beruhen? Konsequenterweise könnte der Staat dann gleich noch weiter eingreifen und Zwangselternpausen o.ä. vorschreiben - eine Horrorvorstellung für mich. Eine Quote setzt auch voraus, dass es keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, was die Bedeutung der beruflichen Karriere in der persönlichen Lebensplanung betrifft - was zumindest auf die Gruppe im unten zitierten Artikel* nicht zutrifft. Eine Quote geht auch davon aus, dass es keine Verhaltensunterschiede zwischen den Gruppen gibt, die den Aufstieg auf der Karriereleiter beeinflussen, oder sie ignoriert diese, falls es sie denn überhaupt geben sollte - ich habe keine Daten dazu, dies ist ein spekulatives Argument.
    Anstatt staatlicher Zwangsmaßnahmen bevorzuge ich Förder- und Mentoringprogramme (ich bin selbst Mentor, s.o.), Verbesserungen der Rahmenbedingungen (Kinderbetreuung, Wiedereinsteiger(innen)programme, Teilzeitarbeitmöglichkeiten u. ä.), noch stärkeres Bewusstmachen der Problematik**- das geht schon auf der Eigenebene los: wenn ich als Vorgesetzter unbewusst mein "jüngeres Selbst" fördere, dann werde ich wahrscheinlich eher Mitarbeiter des eigenen Geschlechtes bevorzugen usw.


    Mein Fazit aus dem Beitrag oben bleibt: wir sind uns einig, dass es Diskriminierung gibt, diese moralisch "falsch" ist und deshalb beendet werden sollte - über den Weg dahin herrscht Uneinigkeit.


    * der Frauenanteil ist schon lange höher. Hierzu ein älterer Artikel Deutsches Ärzteblatt: Arztberuf: Die Medizin wird weiblich (21.03.2008) , der auch noch ein paar andere Punkte beleuchtet.

    ** und sei es durch Diskussionen wie dieser auf einer FANTASYplattform ;)

    ich wäre ja perfekt, wenn ich nicht so bescheiden wäre....

    6 Mal editiert, zuletzt von Eisvogel (9. Oktober 2015 um 07:37)

  • 1789: Nur unter dem Eindruck der französischen Revolution stimmt der Verband der Deutschen Manufakturen der Einführung der 168 Stundenwoche für Arbeiterinnen und Arbeiter zu. Als Ausgleich für diese kaum hinnehmbare Härte wird allerdings bestimmt, dass die Arbeitsleistung objektiv gemessen wird: Nur wer die gleiche Leistung bringt, wie die jungen, gut ausgeruhten und satten Arbeiter da vorne, hat auch Anspruch auf den vollen Lohn, alles andere wäre eine Gleichbehandlung von Ungleichen und damit ein unannehmbarer staatlicher Eingriff.

    1848: Um einen Schulterschluss der Arbeiter mit der reaktionären Aristokratie zu vermeiden, wird von den Protagonisten der bürgerlichen Revolutionen von 1948 zähneknirschend die 82 Stunden Woche hingenommen, wohl wissend, dass dies zum Untergang des Abendlandes führen wird, was sich 1870 in der Einführung der 72 Stundenwoche bestätigt.

    1878: Ein weiterer Schlag in das Gesicht des hart sein Kapital arbeiten lassenden Kapitalisten: Obwohl gemeinhin kein Kapitalist ursächlich verantwortlich für die Schwangerschaft von Arbeiterinnen war, wurde ein dreiwöchiges Beschäftigungsverbot nach der Niederkunft der Wöchnerin erlassen. Der Kompromissvorschlag, aufgrund mangelnder Arbeitsfähigkeit eine Kündigung auszusprechen - selbstverständlich zusammen mit dem Recht, sich nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erneut bewerben zu dürfen - wurde nicht nur abgelehnt, sondern sogar die Fortzahlung des Lohns gesetzlich festgelegt. Dieses asoziale Akt kann nur als Kapitulation der Politik vor der erstarkenden Sozialdemokratie verstanden werden. Gegen den heftigsten Widerstand der Kirchen, wurden nicht einmal die unehelich niederkommenden Frauen von dieser Regelung ausgenommen.

    Heute: Geknebelt durch unzählige Gesetze, wird der Kapitalist in kaum noch zu überbietender Weise in seiner Freiheit eingeschränkt. Leider keine Horrorvorstellung, sondern bittere Realität! Der kreative Akt der Mehrwertakkumulation wird künstlich durch Pausen - Z w a n g s p a u s e n - unterbrochen, unabhängig davon, ob dies für die Arbeiterin oder den Arbeiter sinnvoll, notwendig oder von diesen überhaupt gewünscht wird. Wieder wird Ungleiches gleich behandelt. Aber noch schlimmer, sogar die Ruhezeiten sind reglementiert, man kann es gar nicht deutlich genug sagen: Es werden Z w a n g s r u h e z e i t e n zwischen zwei Arbeitseinsätzen vorgeschrieben!

    2018: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem gestrigen Urteil einstimmig festgestellt, dass die dauerhafte Beschäftigung von Kleinkindern, die zu Anfang das intellektuelle Potential einer unausgeschlafenen Napfschnecke besitzen, nicht ausschließlich, ja nicht einmal überwiegend einem Elternteil zugemutet werden darf, ohne dass dies gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (A/RES/217, UN-Doc. 217/A-(III)) der UN und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten der EU ((Konvention Nr. 005 des Europarats) zu verstoßen. Nur durch eine gemeinsame Übernahme dieser Tätigkeit, wird beiden Eltern die Möglichkeit gegeben, sich weiterhin mit anderen Menschen auf einem intellektuell angemessenen Niveau zu unterhalten und zudem noch gesellschaftlich anerkannte und honorierte Tätigkeiten zu verrichten. Bei erstmaligen Verstößen und bis zur Umsetzung in nationales Recht wird das Gehalt des Elternteils, dass sich der gemeinsamen Pflichten entzieht, dem jeweils anderen als Schmerzensgeld zugesprochen. Wiederholte Verstöße werden mit Hausarrest bis hin zur Einzelhaft im Kinderzimmer (ohne Internetanschluss) geahndet. Arbeitgeber ist es verboten, die Arbeitsleistung derart verurteilter Straftäter anzunehmen.

    Natürlich greift der Staat massiv in die Freiheit des Kapitalisten ein. Leider nur oft im Nachhinein und viel zu spät:

    Seit 1980 wird Stickstoffmonoxid bei der Behandlung von schwerster Atemnot u.a. bei Frühstgeburten verwendet. Der Entdeckung dieser Wirkung war so bedeutend, dass dafür 1998 der Nobelpreis für Medizin vergeben wurde. Stickstoffmonoxid ist ein billiges Industriegas, die Behandlung kostete nur 70 Euro pro Tag. 2001 änderte sich dies. Allein die Universitätsklinik Heidelberg sollte statt 18.000 Euro auf einmal 600.000 Euro ausgeben. Und das nur, weil das Recht auf Eigentum über das Recht auf Leben gestellt wurde: Die Linde AG hatte ein EU-Patent auf Stickstoffmonoxid als medizinisches Gas erhalten. Damit war die Verwendung von Industriegasen für medizinische Anwendung automatisch verboten. Und Linde lies sich dieses staatlich garantierte Schutzrecht fürstlich entlohnen, und erhöhte den Preis um 5.000 Prozent für ein identisches Produkt. 2002 erhöhten die Firmen Chiron und Roche nach der Zuteilung eines Patents den Preis eines Hepatitis-C-Test bei Blutkonserven um 300.000 Prozent. Die Patentierung eines Gens durch die Firma Myriad blockierte jahrelang die Forschung an den Ursachen von Brustkrebs. Oder ganz aktuell: Martin Shkreli erhöht den Preis einer Dosis Daraprim von 13 auf 750 Dollar, nachdem sie die Rechte an diesem Medikament gekauft haben. All diese Beispiele haben eines gemeinsam. Sie erregten bzw. erregen so viel öffentliche Empörung, dass die Politik die Eigentumsrechte einschränkte und aktuell sogar einen Paradigmenwechsel diskutiert: Der Staat setzt in Abhängigkeit vom therapeutischen Nutzen fest, wie viel er bereit ist für ein Medikament zu bezahlen.

    Kenntnisse über die ursprüngliche Intention von Patenten und anderen staatlich garantierten Schutzrechten können hier sogar sehr hilfreich sein. Diese Rechte wurden vergeben, um Forschung und Entwicklung neuer Verfahren und Methoden zu fördern, damit diese anschließend den Menschen nützen. Tun sie dies nicht, fällt ihre Legitimation weg. Gleiches gilt für Eigentum. Sein Schutz ist sekundär, nur Mittel zum Zweck. Ein Diskriminierungsverbot ergibt sich dagegen unmittelbar aus den Menschenrechen und muss daher vom Staat durchgesetzt werden.

    Wenn der Staat nun zu der Auffassung gelangt ist, dass Kinder wichtig sind und beschließt sie zu fördern - auch durch Forderungen an die Eltern wie z.B. eine erzwungene Unterbrechung der Erwerbstätigkeit - dann kann er damit nicht eine Diskriminierung eines Geschlechts legitimieren. Nicht einmal eine, die sich nur de facto und nicht de jure ergibt, wie es Anatole France in seiner Roten Lilie mit

    »... unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.«

    auf den Punkt bringt.

    Wenn Kinder ein Karrierehindernis sein sollten; als Risiko gesehen werden, *muss* der Staat vorschreiben, dass beide Eltern sich dieses Risiko teilen, so wie sie beide auch für den Unterhalt aufkommen müssen. Kinder und eine damit verbundene Unterbrechung der Berufstätigkeit begründet keine Benachteiligung von Frauen im Beruf. Wenn es doch dazu führt, ist dies ein ungerechtfertigtes Privileg von Männern, das abgeschafft gehört.

    .

    Anatole France: Le lys rouge, 1894 (deutsch von Franziska zu Reventlow: Die rote Lilie, München 1925, S. 116. Im Projekt Gutenberg: Die Rote Lilie von Anatole France - Text im Projekt Gutenberg)

    ---

    Bildunterschrift aus dem Artikel »Die Medizin wird weiblich«: »Einbruch in die Männerdomäne – aber nur bis zu einer bestimmten Hierarchiestufe. Frauen auf dem Chefarztsessel sind noch immer die Ausnahme.«
  • Es tut mir leid, aber so führt das zu nichts mehr. Du hältst - wenn deine Posts Identität und nicht Idee sind - jede Ungleichheit zwischen den Geschlechtern für durch Diskriminierung ausgelöst, gleichzeitig forderst du die ein durch Quoten exekutiertes Diskriminierungsverbot. Blöderweise halte ich Menschen für nicht sinnvoll durch Statistik bewertbar und diese Vorgehen damit für immanent sinnlos, denn Quoten sind nach dieser meiner Denke per Definition beliebig und Diskriminierung. Erkennen des Geschlechts durch einfaches Fragen wie du es im ersten Post propagiert hast - individuelle Behandlung von Individuen als - befürworte auch ich voll, Beurteilung von Gruppenangehörigen nach Gruppendurchschnitt (deine lieben Verteilungskurven) lehne ich strikt ab, aber dann trotzdem Quoten zu befürworten halte ich für inkonsequent. Niemand soll handeln müssen wie der Gruppendurchschnitt, aber das ist kein Grund, einen möglicherweise vorhandenen Durchschnitt zur Unmöglichkeit zu erklären. Ich weiß nicht, ob dieser Durchschnitt vollständig durch Diskriminierung bedingt ist, aber schon die Gefahr, dass er das nicht ist scheint mir zu groß um "korrigierend" zu handeln. Mit konkreter Diskriminierung Einzelner hat das wenig zu tun, die festzustellen ist um Größenordnungen einfacher und sie bedächtig, eine nach der anderen zu korrigieren in meinen Augen auf Dauer erfolgversprechender.

    Meinst du, dass es so etwas wie eine a priori gültige gerechte Behandlung von Menschen gibt? Ich weiß es nicht. Aber wenn viele Menschen direkt von etwas betroffen sind, dann ist das die womöglich einzige Situation, in der ich als Liebhaber der Innovation die Evolution der Revolution vorziehe. Revolution ist in diesem Fall zu unvorhesehbar - Ford mit seiner Regenwaldsiedlung hat das letztes Jahrhundert festgestellt und Kurzweil&Crew sind aktuell auf dem besten Weg auf die gleiche Weise auf die Nase zu fallen. Ich bin nicht fatalistisch, aber die hedonistische Tretmühle ist leider Realität - wenn sich Umstände verbessern ist es allermeistens unmöglich, das zeitnahe festzustellen.

    Was die Belohnung von Leistung (schwammiger Beriff, jawohl) mit Kapitalismus zu tun hat ist mir vollkommen schleierhaft. Der Kapitalismus belohnt Leistung, aber nicht jede Belohnung von Leistung ist Kapitalismus. Und das manche Spielereien, die durch Lücken im Patentrecht und exzessives Paragraphenschubsen entstehen keine Leistungen im ursprünglich angedachten Sinn sind macht noch lange nicht das gesamte System nutzlos. Ob es das ist weiß ich nicht, meine Interesse daran ist praktisch, nicht theoretisch - geltendes Gesetz mag noch so beliebig sein, es gilt nunmal. Ja, das ist bigot, aber im Gegensatz zu technischen, mathematischen und wissenschaftlichen Entitäten sind Menschen denkende Individuen, die aus Respekt nicht wie Objekte verformt und neu kombiniert werden sollten.

    Noch deutlicher machen kann ich meinen Standpunkt nicht. Schildere du doch deine Utopie für eine Gesellschaft, dann klären sich vielleicht einige meiner Missverständnisse.

    Non serviam!

    Beherrscher des Kophtanischen Imperavi nach Zant...
    und lobet Thargunithread, die Herrin der Threadnekromantie!


  • @Scheffnow du magst in einer Diktatur leben wollen, die Frauen und Männer zwar gleich behandelt aber ihnen vorschreibt, wie sie ihr Familienleben zu gestalten haben, ich nicht.
    Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der sich jeder möglichst (nicht grenzenlos) frei entscheiden kann, wie sein Lebensentwurf aussehen soll, sei es z.B. Familie haben oder nicht, sei es Karriere machen oder nicht. Alle sollten die gleichen Chancen haben, wenn sie sich für einen Entwurf entscheiden, es darf keine Diskriminierung des Individuums geben. Wenn sie damit dem Rest der Gesellschaft nicht zur Last fallen, muss es jedem Paar unbenommen sein, zu entscheiden, wer von ihnen wann und wieviel arbeitet und mit welchem Karriereziel.
    Zwangsmaßnahmen im privaten Bereich à la "du MUSST jetzt wieder arbeiten, damit du der Wirtschaft zum Karrieremachen zur Verfügung stehst und wir ausgeglichene Verhältnisse der Geschlechter in Aufsichtsräten bekommen bzw. du MUSST jetzt zu Hause bleiben und deine Karriere als Künstler/Wissenschaftler/Sportler unterbrechen, weil Mitglieder des anderen Geschlechts das auch tun und wir ausgeglichene Verhältnisse der Geschlechter in Aufsichtsräten bekommen müssen" lehne ich vehement ab.
    Du willst Elternpaare zwingen, sich zu identischen Bedingungen im gleichen Ausmaß den Anforderungen der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, unabhängig davon, was die Individuen wollen. Ein für mich unfassbarer Eingriff in die persönliche Freiheit, der mich an Staaten der jüngeren Vergangenheit erinnert, die Freiheit der Individuen gnadenlos geopfert haben, um ein selbst definiertes, angeblich "hehres Ziel" zu erreichen.

    Du wirfst mMn Diskriminierung des Individuums und Unterschiede zwischen Gruppen in einen Topf. Angenommen, fehlende Arbeitszeit auf Grund von Kinderbetreuung wäre ein Karrierehindernis (was ich glaube und auch im Grundsatz nicht für "falsch" halte). Angenommen, bei allen heterosexuellen Paaren träfen beide Partner gleichberechtigt die Entscheidung, wer wie lange für die Kinderbetreuung zu Hause bleibt (was ich heutzutage für weitgehend umgesetzt halte, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen). Wenn sich Männer und Frauen als Gruppen gleich entscheiden würden, müsste das in mehr oder weniger ausgeglichenen Geschlechterverhältnissen bzgl. Karriere münden*. Wenn sich Männer und Frauen aber nicht gleich entscheiden würden, würde und dürfte das auch nicht in ausgeglichenen Geschlechterverhältnissen bzgl. Karriere münden. Das hat aber nichts mit Diskriminierung zu tun. Diskriminierung setzt beim Individuum ein, die Frau, die alle Bedingungen erfüllt wie ihre männlichen Mitbewerber und nur deshalb nicht befördert wird, weil sie eine Frau ist, die wird diskriminiert. Du willst für das Ziel "gleiche Verhältnisse in Aufsichtsräten (usw.)" den Individuuen ihre freie Entscheidung nehmen und sie dem Diktat dieses Zieles unterwerfen.


    Mir ist des weiteren nicht klar, warum du jetzt eine Kapitalismuskritik in diese Diskussion einbringst; wenn man auf solcher Ebene diskutieren wollte - was ich nicht will - könnte man, ähnlich am Thema vorbei argumentierend, die diversen Zwangsmaßnahmen des real vegetierenden Sozialismus anführen, um das Konzept "Staat" im Grundsatz in Frage zu stellen. Ich habe nicht postuliert, dass Freiheit grenzenlos sein sollte und der Staat keinerlei Zwang ausüben dürfe - beim hier im Faden diskutierten Thema erfolgt aus meiner Güterabwägung allerdings eine andere Handlungskonsequenz, als du sie ziehst.

    Unsere Einstellungen zu Gleichheit vs. Gleichberechtigung und Gleichheit vs. Freiheit scheinen unvereinbar zu sein: du willst, um ökonomische Gleichheit der Geschlechter zu erzielen, massiv in die Freiheit von Männern und Frauen eingreifen, ich nicht.

    PS Nebenbei erscheint mir in deiner Argumentation ein "Primat der Erwerbstätigkeit" zu bestehen, wo ist die Aufstellung, wieviel Zeit Mütter bzw. Väter mit ihren Kindern verbringen konnten und können?

    *Wir sind uns einig, dass die Chancengleichheit heute noch nicht besteht und begabte, geeignete und an Karriere interessierte Frauen leider immer noch nicht überall die gleichen Chancen haben wie ihre männlichen Wettbewerber.

    ich wäre ja perfekt, wenn ich nicht so bescheiden wäre....

    2 Mal editiert, zuletzt von Eisvogel (13. Oktober 2015 um 11:12)

  • Was ich fordere, habe ich bislang nur angedeutet. Dass es keine fixe, exakt am Bevölkerungsanteil ausgerichtete Quote ist, sollte aber spätestens bei der Erwähnung des Kohortenmodells und der Erfahrungen aus Norwegen deutlich geworden sein. Eine Quote macht sich idealerweise selbst mit der Zeit überflüssig, sorgt aber schnell dafür, dass sich eine kritische Anzahl von Frauen in einer Gruppe etabliert und verhindert allein durch Anwesenheit einer weiteren stereotypen Beurteilung von einzelnen Menschen aufgrund ihres Geschlechts. Und wenn es nur dadurch ist, dass sich zeigt, das Frauen genauso machtbesessen, borniert oder ungerecht wie Männer sind, zumindest fällt es schwer dann Frauen noch pauschal mangelnde Durchsetzungsfähigkeit,oder höhere Empathie zu unterstellen. Womit auch deulich geworden sein sollte, was ich möchte: Das Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts, sondern individuell wahr- oder sogar angenommen werden.

    Auch glaube ich nicht gefordert zu haben, dass der Staat den Menschen vorschreibt, wie sie sich privat zu verhalten haben. Aber ob ein Mensch arbeiten geht oder nicht ist, außer für eine kleine, extrem privilegierte Gruppe von Menschen, keine freie Entscheidung. Wenn das mit dem »Primat der Erwerbstätigkeit« gemeint ist, dann ist das korrekt. Selbst die Möglichkeit, dass nur ein Elternteil arbeiten geht, ist nur für eine Minderheit möglich, erfordert ein doch ein deutlich überdurchschnittliches Einkommen des anderen Partners. Wie stark dieser nicht gesetzlich fixierte Zwang ist, zeigt sich, wenn ein Partner bei der Erziehung ausfällt, aus welchen Gründen auch immer: bei allein erziehenden Menschen, konkret in der überwiegenden Zahl Frauen. Es gibt keinen einzigen Faktor, der stärker zur Armut und später zur Altersarmut beiträgt, wie sich allein um ein Kind kümmern zu müssen.

    Deshalb darf der Staat hier nicht nur eingreifen, er hat sogar die Pflicht, es zu tun. Das macht er auch, aber nicht so, wie ich es mir vorstelle. So fördert er durch seine Steuerpolitik (Ehegattensplitting) und die Privilegierung von geringfügigen, nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen asymmetrische Verteilungen der Erwerbstätigkeit in Partnerschaften, hat aber gleichzeitig das Unterhaltsrecht so geändert, dass bei Trennungen sehr schnell eine Vollerwerbstätigkeit aufgenommen werden muss.

    Wir dürften Einigkeit darüber erzielen können, wenn wir es nicht schon haben, dass die derzeitige Situation zu Lasten der Frauen besteht. Worin wir uns unterscheiden, scheint zu sein, wie damit umzugehen ist.

    In meinem Verständnis von Staat und Menschenrechten reicht es nicht aus, wenn Gesetze und Regelungen geschlechtsneutral formuliert sind, d.h. keine Diskriminierung festgeschrieben wird. Es ist immer auch zu beachten, wie sich die Anwendung eines Gesetzes auswirkt und wenn hier signifikant unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer festgestellt werden, wirkt das entsprechende Gesetz diskriminierend und ist zu ändern oder die Auswirkungen anderweitig zu kompensieren. Eine rein legalistische Sichtweise kann ich nicht akzeptieren, das mag uns voneinander unterscheiden, aber das möchte ich euch nicht unterstellen.

    Vielleicht wird in diesem Zusammenhang auch verständlich, warum ich auf die Klage, dass eine Quote die Freiheit des Aktionärs über sein Eigentum zu bestimmen, beschränkt, in der mir eigenen Weise reagiert habe. Ich konnte (und kann) es nicht nachvollziehen, dass Eigentum hier einen Rechtsstatus und Schutz erhält, der dem von Menschen gleich- oder sogar übergeordnet ist. Die von mir aufgeführten Beispiele wie die gesetzliche Begrenzung von Arbeitszeit oder das Arbeitsverbot von Schwangeren vor und nach einer Geburt haben hoffentlich nicht nur gezeigt, dass diese Freiheit sehr wohl eingeschränkt wurde, sondern auch, dass der Widerstand gegen eine Einschränkung aus unserer heutigen Sicht einfach nur noch als lächerlich zu bezeichnen ist.

    Das ich mit der derzeitig immer noch vorhandenen Privilegierung von Eigentum nicht einverstanden bin, ist anscheinend verstanden worden, wenn ich aber an die Schweiz denke, in der auf alle Einkommensarten, auch auf Kapitaleinkünfte, Mieten und Pacht Sozialabgaben bezahlt werden müssen, ohne dass es eine Beitragsbemessungsgrenze gibt, ist die Erwähnung der »Zwangsmaßnahmen des real vegetierenden Sozialismus« schon beinahe wieder lustig. Die Schweiz als Sozialistische Sowjetrepublik der vereinigten Volkskantone? So habe ich es noch nie gesehen.

    Aber noch einmal zurück zur »Zwangselternpause«: Der Staat schreibt vor, dass eine Frau vor und nach der Geburt nicht arbeiten darf. Das ist gut und richtig so und darf nicht geändert werden. Wenn der Staat aber Frauen vorschreiben kann, nach der Geburt eine Zeit lang nicht zu arbeiten, warum kann er es dann nicht Männern ebenfalls vorschreiben? Oder ist ihre Anwesenheit bei dem Kind und zur Unterstützung der Mutter nicht ebenso wichtig und sinnvoll?

    Gleichzeitig scheint eine Betreuung von Kleinstkindern durch die eigenen Eltern über diesen sehr kurzen Zeitraum hinaus gewünscht zu sein. Wie lange, darüber lässt sich trefflich streiten. Eine längere Unterbrechung der Berufstätigkeit ist aber mit Nachteilen verbunden, darüber hatten wir Einigkeit erzielt. Es ist also sehr wohl legitim, auch über längere Zwangselternpausen nachzudenken, damit diese Nachteile nicht einseitig zu Lasten der Frauen bestehen.

    Aber vielleicht gibt es ja hier auch eine ganz andere Möglichkeit: Beide Eltern - oder beide nicht, aber nicht eine oder eine allein - arbeiten bei vollem Lohnausgleich nur noch halbtags und haben einen Anspruch auf flexible Arbeitszeit. Und die Kosten hierfür werden von den Betrieben übernommen, die die vorgegebenen Quoten nicht erfüllen oder keine flexible Arbeitszeit anbieten. Alleinerziehende bekommen obendrein die Hälfte ihres Lohns zusätzlich ausgezahlt, als Ausgleich für die fehlende Hilfe des anderen Elternteils und (zumindest zum Teil) zu dessen Lasten. Und wenn es sein muss, noch einen Zuschlag vom Staat, d.h. von uns allen.

    .

    Über die Finanzierung des letztgesagten mache ich mir selbst dann keine Sorgen, wenn die Quoten überall eingehalten würden. Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland beträgt über 160.000 Euro pro Familie und Jahr. Das ist die Summe, die wir alle gemeinsam erwirtschaften. Das mittlere Einkommen einer Familie liegt aber nur bei 24.000 Euro, das Medianeinkommen noch weit darunter. Genügend Geld für alle sinnvollen sozialen Maßnahmen ist da, wir müssen es es nur nehmen. Aber das ist jetzt Kapitalismuskritik, da habt ihr recht ...

  • Eigentlich wollte ich mich völlig aus der Diskussion raushalten, aber... ich kriege es einfach nicht hin. Zuviel brennt mir auf der Zunge und will gesagt werden. 1. Freiheit:

    Was ist Freiheit? Die Wiki definiert sie als die ,Möglichkeit, ohne Zwang* zwischen allen Möglichkeiten auswählen und entscheiden zu können.'

    Mieses Deutsch, aber ich denke, da sind wir uns alle einig, dass man das so stehen lassen kann. Aber wie frei ist die Entscheidung einer Frau, nach der Geburt eines Kindes zuhause zu bleiben, und eines Mannes, die Elternzeit nicht in dem Maße in Anspruch zu nehmen, wie es ihm gesetzlich zusteht, wirklich?

    Ich stelle fest, dass

    • Menschen, die Elternzeit in Anspruch nehmen oder eine Teilzeitstelle einer vollen Stelle vorziehen, geringere Chancen haben, Karriere zu machen

    • Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer (nein, ich werde das nicht noch einmal diskutieren!)

    • die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Hausmännern und Frauen, die frühzeitig ihr Kind in die Krippe geben, recht gering ist. Da sind überholte, aber immer noch sehr wirkmächtige gesellschaftliche Normen am Werk, die man nicht unterschätzen sollte.

    Wenn also eine Frau die Entscheidung trifft, zuhause zu bleiben, ist das mitnichten eine im obigen Sinne freie Wahl, sondern (ich formuliere vorsichtig) unter Umständen das Ergebnis einer Summe von Hindernissen, die ihr in den Weg gelegt werden. Sie kann also gar nicht wirklich frei entscheiden, ob sie lieber beim Kind bleibt oder einer Erwerbsarbeit nachgehen möchte, genauso wenig, wie der Vater dies aus den oben genannten Gründen kann.

    Was das mit Kapitalismus zu tun hat? Eine ganze Menge. Jedes einzelne Individuum wird einer rücksichtslosen Verwertungslogik unterzogen. Wenn das nicht so wäre, hätten wir bereits ausreichend Betreuungsmöglichkeiten (z.B. Betriebskindergärten) und flexiblere, den Bedürfnissen der Menschen angepasste Arbeitszeiten und -verhältnisse, wir hätten ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine gerechte Gesundheitsfürsorge. Es geht nicht darum, Menschen zu Erwerbsarbeit zu zwingen, sondern darum, dass sie eine echte Wahl haben.

    nur nebenbei

    Ein zweites Beispiel zum Thema individuelle Freiheit: Keine Ahnung, ob ihr ab und an nachts mit der U-Bahn oder sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs seid. Ist euch schon einmal aufgefallen, wie wenig Frauen ab einer gewissen Uhrzeit alleine unterwegs sind? Nachts gehört der öffentliche Raum nämlich den Männern. Und das ist nicht so, weil Frauen so gerne abends zuhause bleiben. Auch hier kann keine Rede von freier Entscheidung sein.

    2. Quote:

    Nun werdet ihr sagen: ja, das sehen wir ja auch so, nur wollen wir, dass unsere Gesellschaft sich ohne gesetzliche Vorgaben ändert. Leider funktioniert das nicht. Wie viele Autofahrer fahren freiwillig nicht schneller als 120 auf der Autobahn? Wie viele Betriebe sorgen freiwillig für faire Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten? Wie viele Konzerne reduzieren freiwillig die CO²-Emissionen ihrer Autos? Und wie viele Hochschulprofessoren oder Vorstandsmänner treten freiwillig einen Schritt zurück, um eine Frau an die Spitze zu lassen?

    Genau deshalb brauchen wir gesetzliche Quoten. Weil es eben freiwillig nicht funktioniert.

    Und, da kommt sie wieder, die Kapitalismus-Kritik: in einem System, das Leistung danach definiert, wie viel barer Mehrwert durch sie geschaffen wird, wird jede nicht bezahlte Arbeit nur in Sonntagsreden gelobt, aber weder durch vom Staat garantierte Absicherung des nicht Erwerbstätigen noch durch gesellschaftlichen Status wirklich honoriert.

    Und abschließend: wie weit wollt ihr mit eurem Freiheitsbegriff gehen? Wer entscheidet darüber, wo die Grenze verläuft?

    Jeder Waffenlobbyist in den USA behauptet, dass es eine Einschränkung der Bürgerrechte bedeutet, den Besitz von Feuerwaffen einzuschränken oder gar ganz zu verbieten.

    Was ist mit der Freiheit eines südamerikanischen oder afrikanischen Bauern, dem von Monsanto verboten wird, sein eigenes Saatgut zu benutzen, weil ein Patent darauf liegt? Wessen Freiheitsrechte wiegen da schwerer?

    Dürfen wir das Recht des US-Bürgers auf Selbstverteidigung oder das Recht eines Konzerns, all das in die Gen-Forschung investierte Geld wieder zu „ernten“, einschränken?

    Ich würde meine Frage so beantworten: Freiheit darf nie die uneingeschränkte Freiheit des Stärkeren sein, den Schwächeren zu unterdrücken oder ihm zu schaden. Dort, wo sich Ungleichgewichte finden, muss der Staat eingreifen, um die Waage wieder ins Lot zu bringen.

    Scheffnow vorzuwerfen, er wolle in einer Diktatur leben, ist so absurd, dass ich darüber nur lachen kann, sonst müsste ich nämlich unhöflich werden.

    _______________________________________________

    *Hervorhebung von mir

    wir halten noch immer / die wolkenfäden fest in den händen / das versprechen: ich webe dir ein kleid aus traum und dunst und zuversicht / damit du es schön warm hast / im augenblick der zählt

    seebruecke.org

    mission-lifeline.de

    sea-watch.org

  • Ist euch schon einmal aufgefallen, wie wenig Frauen ab einer gewissen Uhrzeit alleine unterwegs sind?

    Das drehe ich mal um, wem ist das bitte nicht aufgefallen? Allerdings ist es auch Diskriminierung, alle Männer zu potentiellen Vergewaltigern zu erklären. Ob das Problem der Belästigung tatsächlich so groß ist, dass das erwähnte Verhalten gerechtfertigt ist kann ich nicht beurteilen, ich bin körperlich ein schmächtiger weißer Mann und geistig ein Mensch, habe daher keine persönliche Erfahrungen mit sexueller Belästigung.

    Nun werdet ihr sagen: ja, das sehen wir ja auch so, nur wollen wir, dass unsere Gesellschaft sich ohne gesetzliche Vorgaben ändert. Leider funktioniert das nicht.

    Ach ne? Das verlangt auch niemand. Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich sehe das fast schon als Beleidigung, wir sind nicht so naiv. Natürlich ändert sich die Gesellschaft von alleine wenn überhaupt sehr langsam, aber Beseitigung konkreter Diskriminierung (etwa Belästigung) durch Gesetze ist in meinen Augen etwas anderes als eine gesetzliche präventive Quote.

    Und wie viele Hochschulprofessoren oder Vorstandsmänner treten freiwillig einen Schritt zurück, um eine Frau an die Spitze zu lassen?

    Ist das eine Aufforderung, existierende Positionen mit gleich qualifizierten Frauen (Schwarzen, Transsexuellen - massiv diskriminierten Gruppen eben) zu besetzen, also bestehende Leute von ihrem Posten zu werfen nur mit dem Ziel, die Denkweise der Mitarbeiter Individualität würdigender (höhö, gender) zu machen? Weißt du was? Irgendwie gefällt mir der Gedanke. Allerdings müsste der Ersetzte dann entsprechend entschädigt werden, denn diese Aktion geschieht, um ein Umdenken anzuregen und ein Beispiel zu setzen, nicht, um konkrete Diskriminierung zu beseitigen. Das das eine staatliche Erziehungsmaßnahme ist und alle Mitarbeitern unter Generalverdacht stellt ist allerdings auch klar, mit der Betrachtung des individuellen Mitarbeiters ist es da nicht weit her.

    Scheffnow vorzuwerfen, er wolle in einer Diktatur leben

    Nicht meine Rede, werfe ich ihm nicht vor. Allerdings sind mir präventiv wirkende staatliche Zwangsmaßnahmen durchaus unangenehm.


    Und danke, dass du dir die Zeit nimmst. Ich dachte schon, das hier bleibt auf ewig unsere unheilige Dreieinigkeit. :lol2:

    Non serviam!

    Beherrscher des Kophtanischen Imperavi nach Zant...
    und lobet Thargunithread, die Herrin der Threadnekromantie!


    5 Mal editiert, zuletzt von the_BlackEyeOwl (13. Oktober 2015 um 19:53)

  • Es ist perfide, die Angst von Frauen Opfer von körperlicher, häufig auch sexueller Gewalt zu werden durch einen absurden Vorwurf abzuqualifizieren. Niemand behauptet, dass alle Männer Vergewaltiger sind, aber die Tatsache, dass 99 % aller Gewalttaten gegenüber Frauen von Männern verübt werden, sollte auch schmächtigen weißen Männern, die persönlich keine Erfahrung mit sexueller Belästigung haben, zu denken geben. Und um einem Vorwurf der Nichtbeachtung von Gewalt gegen Männer zuvorzukommen, sei angemerkt, dass auch Gewalt gegen Männer beinahe ausschließlich von Männern verübt wird. Auch die Tatsache, dass sich der Tatort für Gewalt zu mehr als zwei Dritteln in dem eigenen häuslichen Umfeld befindet, negiert nicht, dass von Opfern von Gewalttaten öffentliche Orte mit 25% als Tatort angegeben werden. Näheres lässt sich leicht der Studie »Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland« des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nachlesen.

    Gesetzliche Regelungen auf Individualebene sind nicht geeignet, eine Benachteiligung von Frauen bei der Vergabe von Stellen auch nur zu verringern, da dies den Nachweis der konkreten Diskriminierung durch die benachteiligte Frau erfordert. Jede Erfahrung mit dem AGG oder bei der Anerkennung von Berufskrankheiten zeigt, dass - von Formfehlern abgesehen - dieser Nachweis so gut wie nie zu führen ist. Die entsprechenden Gesetze sind alle vorhanden, vom Grundgesetz bis zur Richtlinie der EU »zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen« wenn diese Regelungen wirksam wären, dürfte es keine Benachteiligung geben.

    Gesetzliche Regelungen auf dieser Individualebene zu begrenzen und sich wirksamen Kollektivregelungen wie einer Quote zu widersetzen, ist zumindest naiv, sorgt aber sehr wirksam dafür, dass sich nichts ändert.

    Ich weiß nicht genau, was mit »Frauen (Schwarzen, Transsexuellen - massiv diskriminierten Gruppen eben)«, eigentlich dem ganzen Absatz gemeint ist. Ich kann aber sagen, was meine Reaktion darauf war: Was soll das? Das kann doch nicht wirklich da stehen. Ich kommentiere das nicht, sondern frage: Wurde nicht erkannt, dass Traumweber weder Fragen stellt, noch etwas vorschlägt, sondern das genaue Gegenteil macht? Eben damit Menschen nicht in das Dilemma kommen, sich zwischen ihrer persönlichen (ökonomischen) Existenz und sozial gewünschten Werten wie Gleichberechtigung entscheiden zu müssen, bedarf es kollektiver gesetzlicher Regeln, so wie es sie in den anderen, von ihr zuvor aufgeführten Gebieten schon gibt.

    .

    Weil angesprochen, aber abseits des eigentlichen Themas als MI:

    Präventiv wirkende staatliche Zwangsmaßnahmen sorgen unter anderem dafür, dass du nicht gegen Mosanto oder einem anderer Argarchemiekonzern klagen musst, *nachdem* du von von ihrem Gift krank geworden bist und dann noch beweisen musst, dass es genau von diesem einen Gift verursacht wurde, sondern dass es gesetzliche Grenzwerte, Kontrollen und Verbote gibt. Bist du dir sicher, dass du dir Zustände wünscht, wie in den Fracking-Zonen der USA, wo mancherorts das Trinkwasser vergiftet ist und der Nachweis nicht gelingt, welche Bohrung daran schuld ist?

  • Ja, kann das denn da wirklich stehen? Dein Wort in meinem Munde süßer denn Honig. Zu denken geben mir bei deinen Posts auch so einige Punkte... allen voran Inkonsequenz. Neben Dreistigkeit natürlich - sich der Einkastung von Menschen in ein bestimmtes Kollektiv zu widersetzen ist naiv? Angst vor Vergewaltigung als möglicherweise (keine Erfahrung mit sexueller Belästigung) unbegründet zu bezeichnen ist perfide? ad hitlerum: Ist Angst vor vergewaltigenden Flüchtlingentrupps als unbegründet zu bezeichnen auch perfide? Wo siehst du den Unterschied zwischen den Vorwürfen?

    Das ich von nicht-individuellen Urteilen über Personen basierend auf Gruppenstatistiken nicht halte habe ich schon klar gemacht. Meine persönliche Erfahrung, die hier überheblicherweise so lächerlich gemacht wird ist im Endeffekt das einzige, was ein Mensch - ja, auch du - im Bezug auf Menschengruppen hat, alles andere ist nicht sicher überprüfbares Hörensagen, denn auch persönliches Testen ist hier kein Beweis, wir sind nicht in der Physik. Meine Erfahrung beinhaltet im Übrigen durchaus konkrete Diskriminierung - aber durch andere Individuen, nicht irgendwelche vagen Gruppen.

    Körperliche Gewalt ist leichter festzustellen und zu bemerken als seelische Gewalt, schon die Fragestellung taugt nicht für allgemeine Aussagen zu Gewalt.

    Ich will die Macht des Staates nicht auf die Individualebene begrenzen, Zwangsmaßnahmen gegen Konzerne sind nicht mit solchen gegen Individuen gleichzusetzen. Konkreter als Frackingchemikalien im Trinkwasser wirds nicht, wunderbar messbar, wäre in Deutschland eine spaßige Gerichtsverhandlung. Das die sich zieht ist kein Zeichen von Lobbyismus, sondern ein Qualitätsmerkmal und der Unterschied zur Lynchjustiz.

    Was gleichzeitig ein Gegenteil von Vorschlag und Frage ist musst du mir genauer erklären. Objektives Feststellen? Jo, stell mal menschliches Denken objektiv fest. Tut mir leid, aber auch eure persönliche Erfahrung ist nicht objektiv, das ist anmaßend.

    Zitat von Scheffnow

    Gesetzliche Regelungen auf dieser Individualebene zu begrenzen und sich wirksamen Kollektivregelungen wie einer Quote zu widersetzen, ist zumindest naiv, sorgt aber sehr wirksam dafür, dass sich nichts ändert.

    Da liegt der Hund begraben (höhö). Quoten sind wirksam? Sie können leicht durchgesetzt werden, aber das heißt noch lange nicht, dass das Anfangsparadigma (Geschlechter sind gleich, nicht nur gleichberechtigt) Sinn ergibt. Zumindest ich traue mir ein Urteil hierüber nicht zu, und ich wüsste nicht, was hier Urteilskraft erhöhen könnte.

    Das Gerichtsurteile über persönliche Fälle nichts ändern ist schlicht falsch, Präzedenzurteil schimpft sich das. Letztes Beispiel ist Maximilian Schrems - da geht es schwerlich um Diskriminierung, aber mit etwas Suche würde sich mit Sicherheit ein Beispiel für ein Präzedenzurteil zur Diskriminierung finden. Aber dein Argumentationsstil in den letzten Posts ermuntert mich nicht gerade zur Suche, tut mir leid.

    Zitat von Scheffnow

    Gesetzliche Regelungen auf Individualebene sind nicht geeignet, eine Benachteiligung von Frauen bei der Vergabe von Stellen auch nur zu verringern, da dies den Nachweis der konkreten Diskriminierung durch die benachteiligte Frau erfordert.

    Ja, ganz genau. Alles andere ist auch absurd. in dubio pro reo, gel? Eine Pflicht, die Nicht-Diskriminierung zu beweisen ist lächerlich, eine Quote, die allen ohne Möglichkeit zum Beweis der Unschuld aufoktroyiert wird umso mehr. Das meine ich im Übrigen mit pauschalen Quoten.

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    6 Mal editiert, zuletzt von the_BlackEyeOwl (15. Oktober 2015 um 21:49)

  • Eigentlich will ich hier gar nichts schreiben und mein Beitrag kommt mir ob der sehr kurzen Länge doch recht lächerlich vor (Abgesehen davon, dass es etwas zu einfach klingt), aber:

    Ich glaube eine Quote ist ein Ansatz aber keine Lösung des Problems. Meiner Meinung nach spricht nichts dagegen, einem Betrieb, in dem es nachgewiesenermaßen (Dass das schwierig ist weiß ich, aber wir leben - zum Glück - in einem Rechtsstaat) zu Diskriminierung kommt, eine Quote aufzuerlegen. Das wird aber höchstens - wenn überhaupt - die Berufssituation lösen.

    Diskriminierung gegenüber Frauen ist viel tiefer in unserer Gesellschaft verwurzelt und wird schon Kindern von klein auf anerzogen/vorgelebt. Und ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie man effektiv gegen dieses Problem vorgehen könnte.

  • Ich auch nicht, aber alles mit Quoten zu belegen kann einfach nicht die Lösung sein, das ist Pest gegen Cholera.

    Und meine Posts sind so lang, weil ich mich einerseits nicht kurz fassen kann und andererseits versuche, eine Mischung aus salopp und gestelzt zu fabrizieren. Im Endeffekt bin ich davon überzeugt, dass das hier eine theoretisch Diskussion ist - wer im Alltag nicht zumindest versucht, gegen Diskriminierung vorzugehen würde sich die Zeit hierfür gar nicht erst nehmen. Und solange ich nicht überraschend Diktator irgendwo werde tut mein Geschreibsel hier wenig zur Sache. :lol2:

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