Wer Ehre suchet...!

  • Ich habe diesen Geschichtsanfang vor einiger Zeit mal geschrieben und gerade auf dem Computer gefunden, erneut gelesen und er gefiel mir ganz gut. Also dachte ich, weil ich dringend eine kreative Abwechslung zum Unileben suche, poste ich es mal hier und hoffe, dass sich möglicherweise dadurch der Anreiz und die Motivation, eine Fortsetzung zu schreiben, erhöhen und mich bei Laune halten. Dabei bilde ich mir nicht ein, eine besondere schriftstellerische Begabung zu haben, aber möglicherweise gefällt es ja dem einen oder anderen. Kritik nehme ich gerne an und bin auch durchaus fähig, diese zu verarbeiten.
    Angemerkt sei, dass die Handlung zwar um einen meiner Helden und um einen Helden eines Freundes kreist, dennoch aber nicht ausgespielt wurde, sondern Teil des nach Auflösung der Heldengruppe von mir fortgesponnenen Heldenlebens (bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich Gerwulf wieder spielen konnte) ist. Insofern ist auch die Figur des Jalif in der konkreten Ausgestaltung seines Handelns hier mir anzulasten...nicht, dass lupus adamus (Jalifs ursprünglicher Spieler) sich Kritik für etwas gefallen lassen muss, das er nicht verbrochen hat. :zwinker:

    Ich werde das ganze in kleinen Einheiten posten, da das wohl angenehmer zu lesen und mitzuverfolgen ist. Also ein erster Teil:


    Gähnend blinzelte der blonde junge Mann von seinem nächtlichen Lager zum strahlend blauen Himmel hinauf. Die Hitze war bereits so unerträglich gewesen, dass sie ihm die Träume schwer und träge gemacht hatte, obwohl die Sonne sich grade erst über die Gipfel im Osten erhob. Der steinige Untergrund des Gebirges hatte sein übriges getan, um ihn seines wohlverdienten und nach der langen Reise über den Thasch auch dringend notwendigen Schlafes zu berauben. Langsam richtete er sich auf. Die Decke hatte er offenkundig -trotz der nicht unbeachtlichen Höhe, in der man das Lager aufgeschlagen hatte- schon in der Nacht von sich geworfen. Sie lag einige Schritt weit von ihm.
    Earic, sein treuer Hund, der mittlerweile die Größe eines Zwergenponies erreicht hatte, hatte die günstige Gelegenheit genutzt, eine gemütlichere Schlafstätte zu finden, und döste noch immer im Schatten eines nahen Baumes, beinahe getarnt auf der braunen Decke. Ein leises Schnarchen war zu hören.
    Es legte sich geradezu rhythmisch über das Plätschern und Rauschen des nahen Gebirgsbaches.
    Gerwulf richtete sich auf und schaute sich um. Der nackte, wohl getrimmte Oberkörper des jungen Knappen zeugte mit seinen Narben und Schrammen vom Kriegerhandwerk und von vergangenen Taten.
    Dies hätte wohl einen möglichen Betrachter nicht weiter zu verwundern gemocht, befand man sich hier doch in jenem wilden Gebirge, welches das Reich Andergast von den Svelltschen Landen und dem gefürchteten Lande der Orken trennte; und dies nun ausgerechnet in diesem Jahre 1011 nach dem Falle des Bosparanischen Kaiserreiches. Wer außer wirklich tapferen und waghalsigen Kriegern würde jetzt noch den gefährlichen Weg über den Thasch wagen, wo doch auf seiner anderen Seite das Heer der Orken den Svelltschen Städtebund binnen weniger Monate beinahe völlig überrannt und der Krieg gegen diese barbarischen Bestien das Land ins Elend gestürzt hatte? Wer würde freiwillig in jenes Land ziehen, in dem die Orken den letzten Widerstand zu brechen bereit waren und ihr Heer bereits sammelten für den Zug über den Finsterkamm hin zu dem mächtigen Kaiserreich im Süden, dem größten Reiche der Menschen?
    Und trotz alledem fiel der junge, kriegerische Körper ins Auge an diesem Morgen. Und wenn es nicht an der Gegend liegen konnte, so ist man wohl gewillt, es auf den Vergleich zu Gerwulfs Reisegefährten zurückzuführen.
    Jalif ben Said, ein Tulamide aus dem fernen Süden, einige Jahre älter als sein junger Freund, stand entblößt im kleinen Gebirgsbach und stutzte sich nach einem ausgiebigen Bad, wie die Tulamiden es ohnehin recht häufig zu nehmen pflegen, seinen Bart zurecht. Und sein von vielen gefahrvollen Reisen geschundener Körper konnte trotz aller Kraft, die er ausstrahlte, den Hang zu gutem Essen nicht verbergen.
    „Guten Morgen, Said!“ Ein zynisches, aber freundliches breites Lächeln erfüllte Jalifs gut gelauntes Gesicht von einer Wange zur anderen. Er hob seine Hände auf Höhe seines sich leicht neigenden Kopfes -eine tulamidische Grußessitte. „Mir scheint, nach all den tollkühnen Reisen deines jungen Lebens erschöpfen dich derlei wenige Tagesmärsche noch immer wie einen faulen Hund.“
    Der junge Bornländer Earic erhob sich schwerfällig und unter einigem Stöhnen von seiner Decke, einen missfälligen Blick auf die lauten Menschen werfend. Dann drehte er sich um, so dass er nicht mehr zu ihnen und in die Sonne gucken musste, und ließ sich mit einem dumpfen Geräusch wieder auf die Decke fallen.
    „Verzeih, Earic! Du warst mitnichten gemeint.“, versetzte Jalif spöttisch.
    Gerwulf grinste ihn an. Dann brachen beide in ein -für diese frühe Morgenstunde- sehr heiteres Gelächter aus.
    Ein Gelächter, das an den Hängen dieses unwirtlichen Gebirges wie das Sprudeln einer Quelle in der Wüste klang -erfrischend, aber fremd.

  • Ja, fremd ist wohl das passende Wort für dieses Schauspiel; und ebenso sollte es auch in den Ohren jenes Mannes klingen, der, wie die Götter es gefügt hatten, just an diesem Morgen unweit dieses illustren Grüppchens seinen ermüdenden Marsch nach einer kurzen Rast soeben fortzusetzen gedachte. Die ganze Nacht hindurch war er gewandert. Denn die Eile, die ihn trieb, war stärker als die verlockende Schwärze der Nacht gewesen. Und so hatte der dunkle Gott des Schlafes denn auch Erbarmen mit ihm gehabt und sich seiner nicht bemächtigt.
    Doch wollen wir der Geschichte Lauf nicht vorgreifen! Verweilen wir also noch für einige Augenblicke in jenem Tal, wo der Knappe Gerwulf und sein tulamidischer Freund Jalif -ihr Nachtlager bereits abgebrochen- den mühsamen Marsch über das Gebirge wieder aufnahmen. Gerwulf, das helle, blonde Haar ihm in Strähnen bis auf die Schultern fallend, ritt auf einer dunklen Stute, einem Pferd, das einem adeligen Knappen mittelreichischer Herkunft mitnichten zu Ehre gereicht hätte, wohl nicht einmal standesgemäß genannt werden könnte. Nein, kein heruntergekommener Ackergaul, aber eben doch ein sehr gewöhnliches Reitpferd.
    Also im ganz eigentlichen Sinne für den Betrachter vollkommen uninteressant, sobald er den neben Gerwulf reitenden Tulamiden sehen konnte. Dieser saß hoch auf einem prächtigen rassig-schwarzen Pferd, dessen Anmut und Kraft jeden seiner Schritte zu einer Schau tulamidischer Pferdezucht werden ließ. Der muskulöse Körper vermittelte ebenso wie die tänzelnden, gezügelten Schritte das feurige und unbändige Temperament dieser wundervollen Stute.
    Doch auch Jalif hatte sein prächtiges Pferd für den beschwerlichen Weg nicht geschont. Die Satteltaschen waren, obwohl bereits einiges an Futter für die Tiere gebraucht worden war, noch gut gefüllt und die Sättel, die zusammengerollten Decken und die berucksackten Reiter verlangten den Pferden all ihre Kräfte ab. Aber das Thaschgebirge ist unwegsam und kaum ein Pfad schlängelt sich zwischen den Gipfeln hindurch. In diesem Tale hier mit einem der seltenen Gebirgsbäche konnte man mal wieder ein Stück weit reiten, doch den Großteil des Weges musste man die Pferde ohnehin führen.
    Um die Runde zu vervollständigen, war da noch der große hellbraune Hund, mit seinem mittellangen Fell, der schwarzen, stumpfen Schnauze und einem Körperbau, der einem kleinen Bären alle Ehre gemacht hätte. Dieser trottete, die morgendliche Schlaftrunkenheit noch nicht gänzlich aus den Gliedern verbannt, gemütlich neben Gerwulfs Pferd her.
    Der Gebirgsbach, obwohl nicht besonders groß zu dieser Jahreszeit, bahnte sich seinen Weg durch das kleine Tal. Er hatte im Laufe der Jahrhunderte bereits eine Kluft in den Berg gehöhlt, so dass er sich links des Pfades, der langsam aber stetig anstieg, recht bald in einer Schlucht verlor. Von der gegenüber liegenden Felswand rannen gelegentlich kleine Wasserfälle in die Tiefe. Noch standen hier Bäume, doch die Luft war bereits merklich dünner geworden und die ausgetrockneten Rinnsale zeugten vom Unbill, den die kälteren Jahreszeiten dieser Region bald wieder bringen würden.
    Langsam schlängelte sich der Pfad den nächsten Berg hinauf. Ein merkwürdiger Anblick war dies: Der Berg streckte sich vor ihnen hin, eigentlich nicht allzu hoch im Vergleich zu den umstehenden Gipfeln, aber ganz oben wurde er steil wie der Hut eines gelehrten Magiers, als recke er sich mit letzter Kraft dem Himmel und der Praiosscheibe entgegen. Der Pfad aber, der sich auf dem immer steinigeren Untergrund zunehmend verlor, wand sich links an dem Berg vorbei und gab den Blick frei auf ein weiteres Tal und weitere, unendlich scheinende Gipfel.
    Jalif ließ seinen Blick über die kommenden Berge schweifen. Er hatte erwartet, dass sie bald auf einen Passweg oder wenigstens auf ein Zeichen der Zivilisation stoßen müssten. So weit konnten der Finsterkamm und Greifensteyn nicht mehr sein. Doch die Endlosigkeit des Gebirges ernüchterte all seine Hoffnungen. Er versuchte sich noch einmal an der Sonne zu orientieren. Es waren in den letzten Tagen kaum Wolken am Himmel gewesen. Sollte er sich dennoch so sehr geirrt haben? Die Sonne stand noch nicht allzu hoch zu seiner Rechten, zwar vom Berg verdeckt, aber dennoch gut auszumachen. Demnach müsste man sich in dem nächsten Tal am besten östlich halten, wenn der Weg dort begehbar wäre.
    Jalif stockte. Er kniff seine Augen zusammen. War dort…?

  • „Sag Gerwulf, sollte Earic uns nicht als Wachhund dienen?“ Jalif betrachtete mit belustigtem Argwohn und doch mit leichter Sorge in der Miene den von der Hitze und den langen Märschen erschöpften Hund. „Da hat er wohl noch einiges zu lernen. Dort vorn reflektiert das Sonnenlicht an etwas Eisernem.“
    Er nickte den Weg entlang hin zu jenem Punkt, an dem er sich dem Tal öffnete. Einige Krüppelkiefern und Lärchen standen dort zu einem Grüppchen zusammen, thronend am Wegesrand über dem unter ihnen wieder beginnenden Wald. Nun, der Begriff Wald mag hier ein Bild hervorrufen, dem das karge Thaschgebirge selbst hier im Osten nicht gerecht zu werden vermag. Sprechen wir von Wald, so ist eher eine etwas ausgedehntere Fläche eines Sträucherdickichts, durchsetzt von wenigen lichten Nadelbäumen gemeint.
    Doch Gerwulf konnte nichts Verdächtiges sehen und auch Earic schlich noch immer neben ihm her, ohne Gefahr zu wittern. Allein die Erfahrung, dass Jalifs Augen oft Dinge wahrnahmen, die ein anderer noch lange nicht ausmachen konnte, veranlasste den Knappen den Sitz seines Schwertes zu prüfen und sein Schild, das an Palinais, seines Pferdes, Flanke gebunden war, zu lockern.
    Doch sollten dies schon die Orks sein, so wäre jedes Rüsten ein verzweifelter Akt des Wahns. Hier oben und ganz allein war kein Sieg gegen eine Übermacht an Orkspähern möglich. Aber man befand sich noch immer im Thasch und die Orks mussten noch meilenweit entfernt im Svellttal sein. Vielleicht gab es hier einige Stämme, die nicht zu den großen Heeren gestoßen waren? Oder sollten das Svellttal bereits gefallen sein? Die Berichte über die Heerscharen der Orks waren erschreckend, doch ein solch schneller Sieg über die Städte des Nordens schien ausgeschlossen.
    Forschend wanderte Jalifs Blick über die umliegenden Bergrücken. Zu ihrer Linken war der Weg durch die Schlucht, in der der Bach rauschte, ebenso versperrt wie zu ihrer Rechten durch einen massigen, grauen Gipfel. Der Abgrund linkerhand verlor weiter in Richtung des folgenden Tals an Gefälle und wurde lieblicher. Es hatte den Anschein, dass der Bach sich dort vorne von ihrem Weg trennen würde. Doch noch immer war der Abhang zu steil für die Reittiere und die dornenbesetzten Sträucher, die seine Flanke zierten, waren nicht sehr geeignet, die Baumgruppe schnell und sicher zu umgehen.
    „Einen anderen Weg gibt es nicht, Sahib. Wir können nur umkehren und andere Pfade suchen oder wir nehmen es mit diesem Hinterhalt auf.“ Jalif hatte sein Pferd ein wenig gezügelt, ließ es aber weiterhin langsam voranschreiten. „Nicht anhalten, sonst schöpft man Verdacht! Unser größter Vorteil mag sein, dass man uns für arglos hält.“
    Schweigend blickte Gerwulf den Pfad entlang. Es bedurfte keiner Erwiderung. Ein Umkehren kam nicht in Betracht. Die Vorräte würden nicht ewig reichen und dieses Gebirge war ebenso verräterisch wie tödlich. Jeder weitere Tag in seinen Höhen würde sie näher an den Abgrund führen, den die unseligen Kreaturen ebenso wie die Verzweiflung und der Hunger bedeuten konnten. Was auch immer dort wartete, es konnte nicht schlimmer sein als jene qualvollen Tode, von denen die Märchen und Geschichten unten in Andergast erzählten. Wer einmal eine Nacht im Thasch verbrachte, insbesondere eine Neumondnacht, fand nie wieder heraus. Er musste in den scharfen Gebirgshöhen elendig verrückt werden und zugrunde gehen in der steten Hoffnung, von einem wilden Tier, einem Ork oder einer Harpyie gefunden und seines Leides erlöst zu werden. Gerwulf glaubte nicht an derlei Geschichten. Das einfache Volk malte sich gerne gefährliche Gegenden zu verwunschenen aus und es erschien ihm unritterlich, sich von solchem Aberglauben ängstigen zu lassen. Indes ehrenhaft war der Rückweg allemal nicht. Im Svellttal brauchte man jeden verfügbaren Kämpfer und noch immer wusste Gerwulf nicht, ob nicht auch seine Herrin sich dort den Orks zum Kampf stellte. Allein deshalb musste er nach Lowangen gelangen.
    Der Ritterkodex nannte als eines der obersten Ehrgebote die Loyalität. Doch für Gerwulf bedurfte es dieses Gebotes nicht. Es war nicht immer so gewesen, doch die Liebe, die er für seine Herrin empfand, war stärker als sein Streben nach ritterlicher Vervollkommnung. Möglicherweise war sogar gerade dies die Perfektion ritterlicher Tugenden, dass man sie nicht aus Pflicht erfüllte, sondern aus seinem Herzensgrund und dem rondrianischen Stolz heraus; dass man eins wurde mit den Geboten der Göttin.
    Liebe? War es wirklich Liebe, die ihn an seine Herrin band, oder nicht vielmehr die Eigensucht und die Zweifel? Er brauchte Antworten, die nur sie ihm geben konnte. Und das machte ihn, sie in manchen Augenblicken eher hassen, denn lieben.
    Gerne wäre Gerwulf jenen Fragen, die ihm im Zusammenhang mit seiner Herrin und der Suche nach Ritterlichkeit in den letzen Monden so regelmäßig überkamen, jetzt weiter nachgegangen. Es fiel ihm sogar zunehmend schwerer in den letzten Wochen, die Zweifel und die Verzagtheit, die all dies in ihm hervorrief, nicht überhand nehmen zu lassen. Doch sein Körper reagierte wie der eines alten erfahrenen Reckens auf die drohende Gefahr. Alle Muskeln spannten sich an, verdrängten die Gedanken an etwas anderes als die Wahrnehmung der Umgebung und die Augen tasteten aufmerksam den vor ihnen liegenden Weg ab. Dabei saßen beide Recken scheinbar gelassen im Sattel. Ein möglicher Angreifer würde ihre Obacht kaum bemerken können.

  • Und, geht es noch weiter? :)

    Insgesamt würde ich mir etwas genauere Beschreibungen der Protagonisten wünschen. Ich kenne Gerwulfs Haarfarbe und dass er recht kräftig gebaut ist, aber sonst wenig mehr über ihn, Jalif, oder auch den Hund.
    Das mehr über die Hintergründe kommt, warum sie im Einzelnen unterwegs sind (für Gerwulf wurde es ja angedeutet), gehe ich mal von aus, dass das später kommt?
    Ansonsten wurde ja gerade an einer spannenden Stelle aufgehört: Nur weiter so.^^


    Als Interessensfrage: Wo ist denn Jalifs Kamel hin, auf der er früher geritten ist?

  • Ich nehme es mir zu Herzen! Bin gerade mit den Gedanken bei einem anderen Helden und kriege mich nicht wirklich darauf fokussiert, aber da ja offenbar jemand mitliest, raffe ich mich vielleicht in nächster Zeit mal auf.
    Das Kamel wurde, soweit ich weiß, dann doch gestrichen und gegen ein Pferd getauscht bei sich ergebender Gelegenheit.