Charakter mit multipler Persönlichkeit

  • Moin,

    kurz zu meiner DSA Karriere: Ich bin erst vor kurzem tiefer in die Welt von DSA eingestiegen. Ich lese zwar schon ewig die Romane zur Spielwelt, eigene Spiele habe ich aber erst seit kurzem. Ich habe zwei mal als Meister der Gruppe agiert und war einmal Spieler.

    Ein Freund von mir überlegt gerade, was für einen neuen Anfängerchar er basteln möchte. Er kam dabei auf die Idee, einen Helden mit multipler Persönlichkeit zu erstellen. Das Ganze hat er sich folgendermaßen vorgestellt. Er würde zwei verschiedene Charakterbögen erstellen und dann bei jeder Aktion von ihm auswürfeln, welchen Bogen er nehmen soll. Weiterhin stellt er sich vor, dass nur eine der Persönlichkeiten den anderen Helden der Gruppe wohlgesonnen ist und die andere Persönlichkeit eher Probleme für die Gruppe bringt als Nutzen, quasi dass eine Seite von ihm durchaus zur Gefahr für Gruppe werden kann. Er fragte mich, was ich von der ganzen Sache halte.
    Die Idee fand ich ganz witzig, jedoch habe ich ihm geraten, das vorher lieber mit dem Meister der neu zu gründenden Gruppe abzusprechen, da er ja im Extremfall die Situation irgendwie managen muss. (stelle ich mir schwierig vor)
    Meine Frage ist jetzt, ob so ein Char überhaupt möglich ist, und ob es nicht wirklich mehr Unruhe in die Gruppe bringt, als es Sinn macht? hat schon mal jemand Erfahrung mit so was gemacht?

    Viele Grüße

    Pete

    "Lache, und die ganze Welt lacht mir dir. Weine, und du weinst allein"
    Oh Dae-su

  • Die Idee ist nicht neu und klingt auf den ersten Blick besser, als sie wirklich ist.
    Das größte Problem für das Spiel ist, dass ein solcher Charakter für die anderen Helden nicht verlässlich ist. Wieso sollten sie mit einem Wahnsinnigen reisen, der andauernd Probleme macht? Ihr Leben Jemandem anvertrauen, der schon im nächsten Augenblick nicht mehr dein Freund ist? Zwar werden viele Gruppen vom guten Willen der Spieler zusammen gehalten, doch hier sollten die Helden ihren Kameraden IG wirklich stehen lassen. Oder im nächsten Noioniten-Kloster unterbringen.

    Problematisch ist auch die Herkunft des Helden: als offensichtlich Wahnsinniger kann er keine Ausbildung absolviert haben - esseiden die zweite Persönlichkeit trat erst später auf. Dann jedoch sollte der gleiche Heldenbogen genutzt werden und lediglich die Persönlichkeit (ein rollenspielerischer Aspekt) ausgetauscht werden.
    Keinesfalls macht es aber Sinn, dass die Persönlichkeiten über unterschiedliche Talente verfügen: die Körperlichen Möglichkeiten müssen ohnehin dieselben sein, aber weshalb sollte eine Persönlichkeit über zusätzliches Faktenwissen (Wissens- und Handwerkstalente)verfügen? Da macht es höchstens Sinn, dass eine Persönlichkeit nur über einen Teil des Gesamtwissens verfügt, also beispielsweise einem um 1W6 niedrigeren TaW als den mit AP gezahlten hat. Das wäre dann aber ein wirklich großer Nachteil für den Helden.
    Mit den gleichen AP zwei unterschiedliche Helden (etwa einen stillen Gelehrten und einen zähen Axtschwinger) zu steigern ist Unsinn und führt nur dazu, dass der Held entweder nutzlos ist oder aber, das der Spieler in Versuchung gerät, stets die in der jeweiligen Situation passendere Persönlichkeit zu wählen.

    Vor allem aber benötigt der Held viel zu viel "Screentime": um glaubwürdig gespielt zu werden müsste der Meister dem Helden andauernd Szenen widmen - und die wären wohl im abergläubischen Aventurien oftmals von Vorurteilen geprägt. Der Held wäre ein Ausgestoßener, der nicht einmal über den Nachteil Randgruppe und einen niedrigen Sozialstatus abgebildet werden kann.

  • Alles klar, das hatte ich mir auch schon fast gedacht. Ist wirklich bissl unsinnig, dass der Held auf einmal Wissen und Können der anderen Persönlichkeit vergisst. Danke für die schnelle Antwort :)

    "Lache, und die ganze Welt lacht mir dir. Weine, und du weinst allein"
    Oh Dae-su

  • Neben der Regelseitigen Umsetzung hätte ich als Spielleiter da nur wenig Lust darauf, als Mitspieler eigentlich gar nicht. Denn wie schon angemerkt spiele ich dann nicht Abenteuer Y, sondern "Erlebnisse um 'Charakter multipler Persönlichkeit'". Auf Grund seines Verhaltens ist der Charakter nun mal immer und immer wieder im Mittelpunkt.

    Aber grundsätzlich geht im Rollenspiel natürlich Alles. Man könnte zum Beispiel eine Themengruppe daraus machen. Der Charakter mit multipler Persönlichkeit (CmmP) ist eigentlich irgendein wichtiger Erbe oder so etwas. Natürlich gibt es Neider und so einen Irren kann man ja nicht in eine verantwortungsvolle Position setzen, weshalb man CmmP lieber verschweigt, zu einem besonderen Heiler oder einfach aus der Schussbahn bringt. Hier setzen dann die anderen SCs ein. Eine davon ist die dicke Haudrauf, die dafür da ist im Zweifel den Kerle nieder zu schlagen. Selbstverständlich reist irgendein Geistlicher mit, um ihn zu Betreuen. Der angeheuerte Wildnisführer ist eigentlich ein Druide, der von dem Typen gehört hat und jetzt versucht irgendwas daraus zu lernen - menschlicher Geist, Beherrschungsmagie irgend so was. Als letztes reist noch der ehemalige Prügelknabe oder eine Verwandte des CmmP mit, um als Familie/Freundin auf ihn zu achten.

    Damit kann man sicher etwas machen und seinen Spaß haben, aber die anderen Spieler müssen eben mitmachen und die Idee genauso spielenswert finden.

    I ♡ Yakuban.

  • Würde man so einen Menschen nicht eher zu den Noioniten übergeben?
    Interessante Frage, wie man in Aventurien mit solchen "besessenen" umgehen würde.

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Würde man so einen Menschen nicht eher zu den Noioniten übergeben?


    Ja, das wäre so der Handlungsbogen der ersten Staffel. Der Weg von Zuhause ins Kloster, so viele gibt es ja nicht. Dabei passiert natürlich aller Hand Zeug. Zum Staffelfinale braucht man natürlich einen Cliffhanger. wie das Kloster ist verwaist, abgebrannt, besessen, von Dämonen infiltriert, etc.

    Die zweite Staffel handelt dann davon die Ordnung wieder herzustellen und die Gruppe ist sich uneinig darüber welche Persönlichkeit eigentlich die Richtige ist. Außerdem findet man beim Finale heraus wie eine Heilung funktionieren könnte. Die man dann in der dritten Staffel suchen muss.

    Sollten irgendwann die Zuschauer wegbrechen muss man einen neuen Charakter mit mehr Oberweite einführen. Vielleicht eine Elfe, die einfach nur als Babe-Faktor mitläuft - das ist zwar nicht aventurienstimmig, aber das ist dann eh schon egal. ;)

    I ♡ Yakuban.

  • Hm, das bringt mich auf eine Idee - wenn der Charakter wirklich von einem "Geist" besessen ist - nur mit Absprache mit dem SL - könnte man kurzfristig - wie für ein Abenteuerplot vorgesehen - so ein Experiment wagen.
    Betrifft natürlich nur Wissens- und Sprachtalente.

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Wer sind denn die Noioniten? Aber die Vorschläge wie man einen solchen Char doch einbinden könnte, sind auch ziemlich interessant. Da müsste aber jemand ne ganze Menge Energie in ein Abenteuer stecken, bloß damit mein Kumpel mit einem solchen Char spielen kann. Und der Char würde ja seine besondere Wesensart verlieren, wenn er geheilt wurde. Wäre also nur auf Zeit spielbar.
    Aber der Ansatz mit den Leuten die versuchen ihn zu heilen oder von wichtigen Positionen fernzuhalten, ist echt cool.

    Aber ich vermute, solche Leute wären in Aventurien nicht lange durchgekommen. Irgendein Geweihter der Zwölfe hätte sicher versucht ihn zu "heilen".

    "Lache, und die ganze Welt lacht mir dir. Weine, und du weinst allein"
    Oh Dae-su

  • Ähm, dazu brauchte es auch einen sehr erfahrenen Spieler, dem ich u.a. einen Schelm zutrauen würde.
    Hinzu kommt die Frage, wie entwickelt sich der Charakter danach weiter - und welche Schäden trägt er davon?

    Pflicht des Historikers:
    das Wahre vom Falschen, das Gewisse vom Ungewissen, das Zweifelhafte vom Verwerflichen zu unterscheiden.

    (nach Johann W. von Goethe)

    Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.

    (Vorrede der Grimms Märchen 1819)

  • Wer sind denn die Noioniten?

    Wiki-Aventurica ist Dein Freund ;)

    Ansonsten empfinde ich eher @zakkarus Idee einer Besessenheit als spielbarer als diese zwei-in-eins-Sache; wir hatten mal ähnliches, da saß dem Kollegen der Geist wortwörtlich im Nacken. War für den SL eine hervorragende Möglichkeit, verschiedene Sollereignisse ohne große Willkür im Plot unterzubringen.
    Die zwei-Char-Sache ergibt zwar sicher interessante Geschichten, der Rest der Gruppe rangiert hier aber vermutlich als Statisten, und das wird erfahrungsgemäß eher weniger geschätzt.

  • Die Noioniten sind ein Orden der Boronkirche der sich um Wahnsinnige und Geistig nicht ganz vorhandene Personen kümmert. Das geschiet sowohl durch Seelenheikunde, als auch durch betreuung und unterbringung von Leuten die sich durch ihre "Weltwahrnemung" nicht selbst versorgen können.

    (Halldor war schneller)

    mit ritterlichem Gruß
    Ebendieser

  • Ein Freund von mir überlegt gerade, was für einen neuen Anfängerchar er basteln möchte. Er kam dabei auf die Idee, einen Helden mit multipler Persönlichkeit zu erstellen.

    Ein Anfängercharakter ist so ein Held sicher nicht, schließlich muss er nicht nur einen sondern effektiv zwei Helden spielen. Spätestens wenn man dann auch noch das Wissen der beiden Helden trennen muss "Ach so das hat Persönlichkeit X ja gar nicht erlebt" "Persönlichkeit Y hat vom Auftrag überhaupt keine Ahnung und kennt auch den NSC nicht..." wird es nicht nur sehr kompliziert, sondern auch sehr störend für das Spiel. Wenn einer der beiden Helden dann auch noch ein Feind der Gruppe ist, regiert endgültig Chaos und Misstrauen.

    Weniger krass, aber immer noch verrückt genug ist ein Held mit dem Nachteil "Wahnvorstellungen" (WDH S. 273). Damit kann der Spieler ähnliche Wirkungen erzielen: Der Held könnte sich einbilden eine bestimmte Person zu sein (wie im Beispiel dort z.B. der Sohn Tar Honaks). In klaren Momenten weiß er aber sehr wohl, dass er dies nicht ist. Je nachdem wie oft und lange diese Wahnphasen sind, sollte man die GP ein wenig reduzieren (10 GP für einen dauerhaften Tar Honak Sohn mit Verfolgungswahn wäre mMn aber auch viel zu wenig).

    Denkbar ist alternativ auch ein bestimmter Auslöser (z.B. die Ursache des Traumas), welcher die Wahnpersönlichkeit die Kontrolle übernehmen lässt: z.B. wenn der Held in die Ecke gedrängt wird, hält er sich für die heilige Thalionmell... (weil seine Persönlichkeit bei einem Überfalls durch eine Übermacht einen Knacks bekommen hat und mit den Ereignissen nicht fertig wird). Auch hier sollte man die GP anpassen (je nach Häufigkeit und Art des Auslösers).

    Anders als der Held mit einer multiplen Persönlichkeit hat so ein Held keine Blackouts (weiß nicht, was passiert wenn die andere Persönlichkeit handelt) und auch keine unterschiedlichen Bögen (getrennte TAW, AP etc.). Dennoch kann der Spieler zwei verschiedene Persönlichkeiten ausspielen. Ein endgültiger Wegfall des Nachteils (über den Abbau von Nachteilen, WDS S. 169) ist nicht ausgeschlossen (z.B. wenn der Spieler irgendwann keine Lust mehr auf den Spinner hat). Wichtig ist dabei auch, dass der Held zwar glaubt eine bestimmte Person zu sein, aber diese eben nicht ist. Deshalb kann er z.B. auch noch lange keine Wunder wirken oder das Gebetsbuch auswendig, nur weil er glaubt Praiodan der Praiospriester zu sein oder plötzlich kämpfen, weil er denkt dass er der grüne Ritter von Weiden ist. "Glauben statt sein".

    Leichter zu handhabende Alternative: Wahnvorstellungen auf Basis schlechter Eigenschaften.

    Diese Lösung bietet einige Vorteile:

    1. Man hat einen konkreten Zahlenwert, der den Grad des Irrsinns ausdrückt und auf den der SL im Zweifelsfall auch proben lassen kann. Außerdem kann der Spieler freiwillig Proben ablegen, um zu sehen ob der Wahn durchbricht oder nicht.

    2. Da es sich um einen Nachteil auf Basis schlechter Eigenschaften handelt, ist auch ein Schrittweiser Abbau des Nachteils leicht umsetzbar -> z.B. wenn sich der Held in Seelenheilkundiger Behandlung befindet (nicht nur die Zustände "krank und geheilt", sondern viele Zwischenstufen). Außerdem kann sich das Krankheitsbild durch einschneidende Erlebnisse natürlich verschlechtern (schlechte Behandlungen, Erlebnisse im Abenteuer etc. -> Wert steigt).

    3. Durch die üblichen Gewichtungen (0,5 bis 2 GP pro Punkt der SE), kann man die Wahnvorstellung nach dem Grad ihrer spielerischen Bedeutung/Einschränkung flexibel bewerten.

    So haben der SL und der Spieler eine verlässliche Basis fürs Spiel und können dabei auf gängige Regeln zurück greifen!

    2 Mal editiert, zuletzt von x76 (1. März 2015 um 20:51)

  • Wow, ich bin echt begeistert was hier alles für Ideen kommen. Das mit den Wahnvorstellungen muss ich morgen mal nachlesen. Heute bin ich zu müde. Danke für die Fundstelle. Hab mir zwar vor kurzem das Buch gekauft, aber habe noch lange nicht alles durchgeschaut.
    Vielen Dank für die vielen Anregungen. Werde das mal mit ihm besprechen. Vielleicht kann er ja wirklich ne Abwandlung mit den vorgeschlagenen Alternativen und Handlungssträngen durchziehen. Und ich vermute auch, das das alles was ihr hier zu bedenken gegeben habt, schon erfahrene Spieler deutlich fordern würde. Dafür sind wir wahrscheinlich noch zu grün hinter den Ohren ;)

    "Lache, und die ganze Welt lacht mir dir. Weine, und du weinst allein"
    Oh Dae-su