Char aus einer Parallelwelt?

  • So, ich könnte mal eure Meinungen gebrauchen. Mir kam grade bei der erneuten Lektüre von "Mit Geistermacht und Sphärenkraft" die Idee, einen Charakter zu erschaffen, der aus einer Parallelwelt durch eine Annäherung der Zeitachsen oder gar durch die Feenwelt, was ihm vielleicht eher als Traum erschien, in das uns bekannte Aventurien versetzt wurde.
    Der Divergenzpunkt soll noch nicht allzuweit zurückliegen, aber dem Charakter und seiner Umwelt schon viele Möglichkeiten bieten.
    Meine Idee: Als Kind im Orkensturm gelebt. Der Divergenzpunkt ist die Schlacht auf den Silkwiesen. Das Mittelreich verliert in der Parallelhistorie deutlich und Gareth fällt. Die Orks gewinnen den Orkensturm und die Menschen, so sie können, fliehen oder werden versklavt. Der Held wird im Widerstand aufgezogen und ausgebildet.
    Dann wird er (mglw. Vorteil Feenfreund) durch die Feenwelt, was er für einen Tagtraum hält, in unser Aventurien versetzt. Im Laufe seines Heldenlebens kann er so die Geschichte neu ergründen, vielleicht auch die Geschichte seines Alteregos, das gestorben ist, vielleicht gar an Umständen (Mord), die ihn zur Rache bewegen. Er wird die "neue" Welt zu lieben beginnen und sich gleichzeitig in "seine Welt" zurückwünschen, die zwar mglw. finsterer ist, aber dennoch seine Heimat und vielleicht seiner Hilfe bedarf.

    Was haltet ihr von der Idee? Ist sie zu übertrieben? Ich fände es sehr interessant, bin aber normalerweise niemand, der für eine Heldengeschichte gleich mit Parallel- und Feenwelten aufwarten will. Mich würden Meinungen und Anregungen interessieren.
    Danke!

  • Wir hatten mal einen Spieler, der einen Charakter aus einer Parallelwelt erschaffen hatte, in der ein Ableger des Boparanischen Imperium (also Römer) noch existierte. Er hat sich einen Zenturio gebastelt und in unsere Gruppe gebracht. Es war keine gute Idee und letztendlich mußt er die Gruppe verlassen (hatte vor allem persönliche Gründe - aber die Idee mit dem Zenturio war trotzdem nicht gut!)

    Dein Idee könnte hingegen funktionieren. Zum einen Spielst du nicht in einer Parallelwelt, sondern in einer sogenannten Alternativwelt.
    Parallelwelten existieren neben der Welt von DSA in eine anderen Sphäre, z.B. eine Globule. Für sie gelten ganz andere Regeln, wie für Dere.
    Alternativwelten sind hingegen grundsätzlich die selbe Welt wie Dere, es gab nur ein historisches Ereignis, das anders verlief und die Geschichte änderte (sogenannte Konvergenzpunkt). Da bei deiner Idee der Konvergenzpunkt nicht sehr weit zurück liegt, wird dein Charakter nicht sonderlich fremdartig sein. Die Kaiser bis zu Kaiser Hal sind ihm bekannt und auch in seiner Welt ist Kaiser Hal bei einem Jagdausflug verschwunden. Nach der Schlacht auf den Silkwiesen erlebte dein Held hingegen, wie die Orks das Mittelreich unterjochten, was eine prägenden Einfluß auf ihn hatte.

    Das Dilemma, in dem dein Held steckt, hast du recht schön dargestellt: Das heutige Aventurien macht auf ihn einen viel lebenswerteren Einfluß, als das Reich der Orks aus dem er stammt (wobei ich das angesichts der Ereignisse um Borbarad bezweifeln möchte). Andererseits kann es aber auch Dinge geben, die ihn an seine Zeitlinie binden, z.B. eine Familie, zu der er wieder zurückkehren will.

    Ich empfehle dir mal den Roman "Der Große Süden" von Ward Moore zu lesen. Er spielt in einer Alternativwelt, in der die Südstaaten den Bürgerkrieg gewonnen haben. Der Protagonist strandet schließlich in unserer Welt, während seine Frau in seiner Welt zurückbleibt.

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)

  • Danke, der Roman hört sich interessant an.
    Nur um kurz die Begrifflichkeiten (für alle) zu klären: Das Mit Geistermacht und Sphärenkraft gibt als Begriff hierfür Parallelwelt an - im Gegensatz zu Globulen oder Nebenwelten- und der Zeitpunkt in der Geschichte, in dem die Zeitachsen divergieren, nennt sich hier Divergenzpunkt. Was ja aber allerdings keine Rolle spielt und nur angemerkt sei zur unmissverständlichen Diskussion.

  • Ich habe wegen der Begriffe nochmal nachgeschlagen. Der Begriff "Alternativweltgeschichten" scheint in der Literatur recht streng abgegrenzt zu sein:

    Sie spielen in unsere Welt, nur hat die Geschichte ab einem bestimmten Punkt (dem Divergenzpunkt) einen anderen Verlauf genommen. Der Begriff
    Parallelwelt ist nicht so streng abgegrenz. Er beschreibt einfach eine Welt, die von unserer Welt getrennt ist und parallel dazu exisitiert (wenn auch nur fiktiv). Sogesehen ist (fast) jede Rollenspielwelt (besonders die klassische Fantasy) eine Parallelwelt.

    So gesehen ist der Szenariovorschlag von Arnadil literarisch gesehen etwas ungewöhnlich: Eine Alternativweltgeschichte, die in einer Parallelwelt angesiedelt ist.

    Hier noch zwei weitere Alternativweltgeschichten, die ich gelesen habe:

    Stephen Baxter: Anti-Eis
    Durch die Entdeckung von Antimaterie im frühen 19. Jahrhundert (das sogenannte Anti-Eis) nimmt die Industrielle Revolution einen anderen Verlauf. Während des Krimkrieges 1854 setzt Großbritannien, das als einziges Land Zugriff auf Anti-Eis hat, eine Antimaterie-Waffe ein, um die Stadt Sevastopol zu zerstören. Danach ist Großbritannien die unbestrittene Vormacht in der Welt.
    1870 bahnt sich ein Krieg zwischen Frankreich und Preussen an. Ned Vicar, ein ein junger Attaché im Auswärtigen Amt findet sich ein einem Spionage-Wettkampf zwischen französischen Freischärlern und preussischen Agenten, die alle an Anti-Eis herankommen wollen.

    Robert Harris: Vaterland
    1964. Nazi-Deutschland hat den Krieg gewonnen und beherrscht nun Europa. Wenige Tage vor Führers Geburtstag wird die Leiche eines Parteibonzen aus der Havel gezogen. SS-Kripofahnder Xaver März untersucht den Fall und kommt dabei dem größten Verbrechen in der Geschichte der dritten Reiches auf die Spur. Doch die Gestapo will eben jene Spuren verwischen und geht dabei nicht gerade zimperlich vor.

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)

  • Ich finde, das hört sich sehr gut an. Probleme fürs Rollenspiel sehe ich kaum. Die übrigen Aventurier würden den Helden einfach für einen Verrückten oder Märchenonkel halten, wenn er mit seiner Geschichte hausieren ginge, aber das ist schließlich keine wirklich spielstörende Konsequenz. Müßte er nicht eigentlich auch irgendwann am eigenen Verstand zweifeln? Das stelle ich mir auch ganz spannend vor!

    Ich habe einen Magier, der an der vor ca. 500 Jahren in Havena ausgebildet wurde und unter ungeklärten magischen Umständen ins heutige Aventurien versetzt wurde. Der Typ weiß auch nicht mehr so recht, was eigentlich wahr ist. Davon abgesehen gerät er eben in die üblichen Abenteuer und muß nur öfter mal (peinlich!) nachfragen, wer gerade regiert, welche Länder im Krieg liegen usw.

  • In "Über den Greifenpaß" gibt es sogar den Vorschlag am Rande, in einer Feenwelt einen neuen SC einzuführen, den es vor sehr langer aventurischer Zeit dorthin verschlagen hat und jetzt eben in das Aventurien der Gegenwart gelangt (dank der anderen SC).

    Es ist natürlich schon eine abgedrehte Hintergrundgeschichte, die auch etwas Fingerspitzengefühl erfodert, aber ebenfalls definitiv etwas anderes ist und von daher sehr interessant, solange die Fremdartigkeit Aventuriens für ihn bestehen bleibt.

    Kleiner Exkurs (ich mag alternative Geschichte^^)
    Weitere Bücher, die sich mit alternativer Geschichte beschäftigen, neben den genannten (Anti-Eis kannte ich bislang nicht):
    Harry Turtledove: How Few Remain (gibt es nicht in deutscher Übersetzung): General Lees verloren gegangene Order über seine Truppenaufstellung vor Fredericksburg wurden rechtzeitig gefunden von den eigenen Leuten statt von Nordstaatlern und daraufhin gewann der Süden (einmal mehr^^) den Bürgerkrieg und 20 Jahre später stehen sich Norden und Süden einmal mehr im Bürgerkrieg gegenüber (und wer daher nicht noch alles lebt).

    Martin Cruz-Smith: Der andere Sieger: Nach der Schlacht am Little Big Horn gelang es Sitting Bull, die dprt beteiligten Stämme zusammenzuhalten und noch weitere zu vereinen - und im 20. Jahrhundert gibt es neben den USA auf dem norsdamerikanischen Kontinent einen mächtigen Indianerstaat.

    Carl Amery: An den Feuern der Leyermark: 1866 wird ein Restposten aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, Rifles, bestellt - nichtsahnend, daß daß nicht nur die Gewehre, sondern auch die Schützen bezeichnet. Preußen hat so keine Chance gegen diese 560 Söldner auf der Seite Bayerns und die Leyermark (Bayern) wird zum bedeutensten Staat Mitteleuropas.

    Philip K. Dick: Das Orakel vom Berge: Davon ausgehend, daß Deutschland und Japan den 2. Weltkrieg gewonnen haben und die USA unter sich aufteilten. Die Deutschen praktizieren weiterhin ihren Rassismus, die Japaner entwickeln sich zu einer toleranteren Besatzungsmacht und sogar dulden einen Autoren, der ein Buch über die Überlegung schreibt, wenn Deutschland und Japan den 2. Weltkrieg verloren hätten.

    Herausragend sind aber einfach die beiden Anthologien: Alexanders langes Leben und Stalins früher Tod
    sowie
    Wenn Napoleon bei Waterloo gewonnen hätte.
    Alternative Geschichte wurde bereits von den Römern geschrieben (Titus Livius) und auch Churchill hat sich Gedanken darüber gemacht und in beiden Anthologien wird die unsere Geschichte von der Alten Geschichte bis zum 2. Weltkrieg neu gesponnen, wenn eine bestimmte Sache geschehnen oder auch nicht geschehen wäre.

  • Hmm, die Sache mit Borbarad ist natürlich ein guter Einwand. Dafür bräuchte man eine gute Idee, warum er nicht zurückgekehrt ist in der Parallelwelt... bzw. eigentlich brauche ich sie nicht, weil mein held es ohnehin niemals wissen wird. Aber es wäre ja schon besser, wenn einem selbst die Logik der Geschichte ersichtlich bliebe.
    Ansonsten ist das Feedback ja erstaunlich positiv. Freut mich sehr.

    Ich habe grade mal einen Erschaffungstest gewagt. Als Profession habe ich Jäger gewählt, weil der Held, Erik Halwinger ist sein Name, eher ein Kundschafter im Widerstand gewesen sein soll, aber durchaus an Hinterhälten und kämpferischen Aktionen beteiligt (hauptsächlich als Schütze). Daher passt Jäger von den Werten her am besten.

    Ich bin um weitere Meinungen nicht böse :zwinker:

  • Vielleicht hilft dir der Ansatz aus "Der große Süden" bei dem Rückkehrdilemma:

    Spoiler anzeigen

    Der Protagonist gelangt mittels einer Zeitmaschine vom Jahr 1944 in das Jahre 1863. Dort verändert er den Verlauf der Schlacht von Gettysburg, die in seiner Zeitlinie von den Südstaaten gewonnen wurde. Dadurch wird aber die Zeitmaschine nie erfunden und er ist in unserer Zeitlinie (in der der Norden bei Gettysburg gewann) gestrandet.

    @Schattenkatz

    Der Roman "An den Feuern der Leyermark" hört sich sehr interessant an. Wenn die Amerikaner das Repetiergewehr verwendeten (das 10 Schuß ohne Nachladen erlaubte) wäre dies tatsächlich ein technischer Vorteil gegenüber den Preussen, die über ein Hinterladergewehr verfügten, das in unserer Geschichtslinie den entscheidenden Vorteil in der Schlacht von Königsgrätz brachte.

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)

  • Spoiler anzeigen

    Wobei der Autor dabei anscheinend einen fehler gemacht hat: Wenn die Zeitmaschine nie erfunden wurde, dann hätte die Hauptfigur auch gar nicht in die Vergangenheit reisen können, und die Erfindung der Zeitmaschine verhindern können, wass dann wieder zur Folge hat....

    Kann mir jemadn folgen*G* Das Ganze nennt man ein Zeitparadoxon, wenn ich mich nicht irre

  • Ich habe einen neuen Thread eröffnet, in dem wir über Alternativweltgeschichten und die Logik von Zeitreisen diskutieren können.

    [url=http://forum.orkenspalter.de/index.php/topic,6827.0.html]http://forum.orkenspalter.de/index.php/topic,6827.0.html[/url]

    Diskussionen, die nicht mit SCs aus Alternativwelten zu tun haben, sollten dort fortgeführt werden.

    Seid wachsam gegenueber den Maechtigen und der Macht, die sie vorgeben, fuer euch erwerben zu muessen! (Kurt Tucholsky)