Von Wölfen

  • Von Wölfen

    1.

    Verärgert musterte Anja ihren Gatten. Wie konnte man nur so verbohrt sein? „Du übertreibst Hornus. Es ist nicht halb so gefährlich wie du tust und du weißt genau das die alte Ilse auf die Lebensmittel angewiesen ist die ich ihr bringe.“
    „Soll sie doch zum Teufel fahren!“ Wütend ergriff der alte Bäckermeister einen Stuhl und stieß ihn mit solcher Wucht gegen den bereits gedeckten Tisch das, das darauf hergerichtete Geschirr nur so klirrte. „Was schert mich diese alte Schachtel? Sie ist es selber Schuld wenn sie in ihrem Alter noch darauf beharrt allein in einer Hütte außerhalb des Dorfes zu hausen. Ich werde auf jeden Fall nicht zulassen das du dein Leben wegen dem Starrsinn einer alten verwirrten Hexe aufs Spiel setzt.“ Drohend, die fetten Fäuste in die breiten Hüften gestemmt ragte er über Anja auf. Seine vor Zorn bebende Stimme klang, störend laut für die frühe Morgenstunde in der kleinen Stube, als er zu einer weiteren Tirade ansetze.“ Du glaubst wohl du kannst hier machen was du willst. Aber eines sage ich dir, mit deinem Starrsinn kommst du bei mir nicht weit. Du wirst keinen Fuß in diesen verfluchten Wald setzen, FERTIG.“
    Einen Moment später hatte er sich wieder unter Kontrolle, tätschelte seiner Frau zärtlich
    die von Wut gerötete Wange und strich ihr liebevoll eine schweissnasse Haarsträhne aus der Stirn.“ Versteh mich doch mein Engel“, flüsterte er, „ ich will dir nichts böses, ich habe Angst um dich. Ich will nicht das dir, dem Licht meines Lebens, etwas zustösst.
    Ungestüm und für Hornus unerwartet schlug Anja seine Hand beiseite. Ihre grünen Augen funkelten entschlossen als sie ihm antwortete.
    „Ilse hat sich das Bein gebrochen, sie wird sterben wenn ich mich nicht um sie kümmere. Oder glaubst du eine von den abergläubischen Dörflerinnen wird sich ihrer erbarmen? Du kannst sagen was du willst, ich werde Ilse nicht wegen der lächerlichen Furcht meines ängstlichen Gatten verhungern lassen.“
    KlATSCH! Anja hatte den Schlag nicht kommen sehen und taumelte nun überrascht und erschrocken zurück, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Hornus hatte sie noch nie geschlagen.“ Das nimmst du zurück Weib! Ich lasse mich nicht von meiner Frau einen Feigling schimpfen. Geh jetzt auf dein Zimmer und sinne über deine unüberlegten Worte nach.“
    Anja wusste wann sie verloren hatte. Den Hass auf ihren anmaßenden Ehemann niederkämpfend der in diesem Moment in tobte trat sie zögernd auf ihn zu. „Es tut mir leid mein Gemahl“, murmelte sie mit demütig gesenktem Kopf. „Verzeih mir meine verletzenden Worte.“
    Ohne sich zu rühren ließ Hornus die Umarmung seiner Frau über sich ergehen. „ Auf dein Zimmer Frau, JETZT!“
    Ohne ein Wort zu erwidern wandte sie sich um und verließ die Stube. Doch in ihrem Kopf reifte ein gefährlicher Entschluss.

  • 2.

    Langsam senkte sich der rot glühende Sonnenball gen Erde und tauchte den Wald in sein goldenes Licht. Leise raschelte der Wind in den Zweigen und strich sacht über das kurze braun-weiße Fell des jungen Rehbocks, der gemächlich auf einer kleinen Lichtung äste. Trotz der scheinbaren Ruhe waren die Ohren des Bockes gespitzt und sein Blick suchte, während er genüsslich das frische Blattwerk zwischen den Zähnen zerrieb, die Umgebung nach Gefahr ab. Doch entging seiner Aufmerksamkeit der Wolf, der dicht auf den Boden gepresst, die gelben Augen hungrig funkelnd auf seine Beute fixiert, durch das Unterholz schlich. Ein leises Lüftlein wehte den Geruch von Gefahr in seine Nase und der junge Rehbock schreckte auf. Kurz hob er witternd den Kopf, um sich dann mit einem grazilen Sprung in den Wald zu retten. Doch seine Reaktion kam zu spät. Lautlos hatte sich der Jäger seinem Opfer nah genug genähert um jetzt mit einem Sprung die Distanz zwischen sich und seinem Abendessen zu überwinden. Ein schriller Schrei löste sich aus der Kehle des überraschten Bocks als nadelspitze Zähne seine Kehle zerfleischen. Hilflos zuckend lag er am Boden, während sein Blut den Boden tränkte. Der Wolf begann zu fressen.
    Als Stunden später der nun nur noch als grauer Schatten erkennbare Wolf seine Mahlzeit beendet hatte, war die Nacht schon auf leisen Sohlen den Horizont empor gekrochen und hüllte den Wald in dämmrige Dunkelheit.
    Wie eine niemals verblassende Narbe am sonst makellosen Sternenhimmel stand der Mond rund und voll über dem Wald und tauchte die Spitzen der Tannen in silbernes Licht. Das sanfte Rauschen der Äste wenn wieder ein leichtes Lüftchen seinen Weg durch die Zweige suchte, war das einzige Geräusch, das die Stille erfüllte.
    Auf leisen Pfoten verließ der Wolf die kleine Lichtung und verschwand in der Dunkelheit des Waldes. Nur der Mond war Zeuge, wie sich im Schein seines silbernen Lichts die Krähen um den Kadaver des jungen Hirschbocks versammelten. Bald erfüllte das gierige, streitende Krächzen der schwarzen Aasfresser die Stille des Waldes.
    In der nahen Siedlung, wo man die Zeichen zu deuten verstand, verschlossen
    abergläubische Bauern Fenster und Türen.
    >Doch hörst du mein Junge die Krähen streiten wenn der Mond voll am Himmel steht, so verschließe wohl weißlich Tür und Tor, denn noch in der selben Nacht wird Blut fließen.<

    Später in der Nacht war das streitende Krächzen der schwarzen Aasvögel längst verstummt und der zerhackte Kadaver lag wieder allein auf der Lichtung, getaucht in das bleiche Licht Lunas.
    Schwarze, undurchdringliche Dunkelheit hatte den Wald umfangen und weder der Glanz der am Himmel funkelnden Sterne noch der blasse Schein des Mondes drang durch das dichte Geäst. Erst als plötzlich mit beunruhigender Schnelligkeit schwarze Wolken aufzogen und kräftige Windstöße die Wipfel der Bäume durchschüttelten, drang das nunmehr zu bizarren Schatten verkommene Licht der himmlischen Beleuchtung bis auf den Waldboden und sorgte dort für ein beängstigend, bedrohliches Lichterspiel.
    Rasch nahm der Wind an Stärke zu, fuhr mit neugewonnener Kraft heulend durch das Geäst der Waldriesen und zerriss mit erbarmungsloser Wut das leuchtende, von den Zeiten liebevoll gefärbte Baumkleid. Wie halbverrottete Skelette ächzten die nunmehr nackten Zweige unter der vernichtenden Kraft des Sturms und sorgten für ein Geräusch, als hätten sich die toten Körper schon längst Verstorbener, aus ihren Gräbern erhoben und wären nun auf dem Vormarsch, um Tod und Verderben über ihre Mitmenschen zu bringen.
    Der letzte helle Schein der Himmelsdekoration war währenddessen schon längst von
    der Nacht verschluckt worden.

  • Hi

    Jack London habe ich nie gelesen... Aber mit ihm verglichen werde ich trotzdem gerne. *G* "Der Jäger" ist auf gar keinen Fall gestorben. Habe da im Moment nur eine Kreativitätskrise. Diese Geschichte hier schreibe ich eigentlich in der Mittagspause für eine Kollegin die meinen Stil Klasse findet und Wölfe mag... Dachte mir aber das ihr euch auch für sie interessieren könntet.

    cya

  • 3.

    Ein Geräusch. Der keuchende Atem eines Menschen, fast vollständig vom Sturm verschlungen aber existent. Stolpernde Schritte einer jungen Frau am Ende ihrer Kräfte, aber Panik und Angst trieben sie vorwärts. Weder Pfad noch Weg fanden sich unter ihren Füßen als sie sich, am Ende ihrer Kraft, durch das Unterholz kämpfte. Nadelspitze Dornen rissen die
    Bleiche Haut ihrer Beine auf und von überall legten sich ihr Ranken als gefährliche Stolperfallen in den Weg. Fast konnte man meinen der Wald sei entschlossen sein "Opfer" nicht entkommen zu lassen. Kaum sichtbar fürs Auge, zog sich die Spur dunkelroten Blutes durch den Wald, stets auf der Spur der Fliehenden bleibend und so eine unmissverständliche
    Fährte legend. Kalter Schweiß rann ihren Körper hinunter und ihr Herz schlug, als wollte es
    sich mit seinen Schlägen einen Weg durch den viel zu engen Brustkorb bahnen. Doch gönnte sich die blonde Frau keine Pause. Immer wieder suchten ihre grünen, vor Angst flackernden Augen die Umgebung nach eventuellen Gefahren ab, doch nichts als nächtliche Dunkelheit war um sie. Also schleppte sie sich weiter durch das undurchdringliche Dunkel des Waldes, immer noch in der Hoffnung den Schrecken jener Nacht doch noch entkommen zu können. Als schließlich die Knie unter dem Gewicht ihres Körpers nachgaben hatte sie den Waldrand fast erreicht, doch bemerkte sie die rettenden Lichter des nahen Dorfes nicht mehr. Kraftlos stützte sie zu Boden und die dichte Masse dunklen Grüns schlug über ihr zusammen. Noch lange war ihr hilfloses, irres Gelächter zu hören das den Wald erfüllte und sogar den Sturm übertönte, bis es irgendwann erstarb.

    Schon bei den ersten, schüchtern hinter dicken Wolken hervor lukenden, Sonnenstrahlen waren die Dorfbewohner aufgebrochen um im nahen Wald nach der Vermissten zu suchen. Doch war ihre Suche bisher erfolglos verlaufen. Anja, die junge gutaussehende Frau des Bäckermeisters schien wie vom Erdboden verschluckt.
    Schweigend und mit vor Sorge gezeichneten Gesichtern bewegten sich die Dörfler schweigend und mit großer Vorsicht durch den Wald, aus Angst zu wecken, was letzte Nacht erwacht und doch besser schlafen sollte. Als plötzlich der spitze Schreckensschrei eines noch recht jungen Mädchens durch den morgendlichen Wald klang schraken Sie zusammen. Rasch, aber immer noch darauf bedacht nicht mehr Aufsehen als nötig zu erregen bewegten
    sich die Dörfler durch das Unterholz in die Richtung aus der, der Schrei erklungen war. Schließlich an der Stelle angelangt, wo sich erst vor wenigen Stunden das Schicksal eines Menschen besiegelt hatte, versammelten sie sich sprachlos, ob des grausigen Anblicks, um die Leiche der jungen Frau, oder das was von ihr übrig war. Zwischen einigen besonders großen Exemplaren des riesigen Farnteppichs, lag in einer riesigen Pfütze blutroten Lebenselixiers die junge Bäckerin. Aus der vor Angst verzerrten Maske des Schreckens, die einmal das hübsche Gesicht einer jungen Frau gewesen war, starrten zwei grüne, vor namenlosem Schrecken weit aufgerissene Augen zu den Baumwipfeln empor. Würgend und schaudernd wandten sich die Dörfler ab, nicht fähig den Anblick des entstellten Leibes länger zu ertragen. Rasch breiteten zwei Männer eine Decke über den Leichnam und der mitgebrachte Pfarrer ermahnte zu einem kurzen Gebet. Das hölzerne Kreuz erhoben rezitierte er die alten heiligen Worte. Als die ersten Tropfen ihn trafen und seine Glatze herunter perlten hielt er sie im ersten Moment für Regen.

  • 4.

    Seit ihm der süßliche Geruch des Todes in die Nase gedrungen und er das Raubtier gewittert hatte, das nun erwacht war und sein Territorium zurück beanspruchte, war er gelaufen. Wohl wissend das es nicht teilen würde und in seinem Hass nicht zwischen Mensch und Tier unterscheiden konnte.
    Schließlich, als er befand der Gefahr weit genug entronnen zu sein, hielt er in seinem unermüdlichen Trab inne. Aufmerksam lauschte er mit zuckenden Ohren nach eventuellen Verfolgern, bevor er sich schnaufend in einer kleinen Erdkuhle zur Ruhe legte. Friedlich vor sich hindösend, nur ab und an von zu real gewordenen Alpträumen aus dem Schlaf geschreckt, verbrachte er den Tag im Schatten der riesigen Tannen.
    Erst als die Sonne als rot glühende Scheibe hinterm Horizont verschwand und die heraufziehende Nacht ihren Schleier, dämmriger Dunkelheit, über den Wald warf schreckte er, von einigen vorlauten Spatzen aus dem Schlaf gerissen, auf. Flach auf den Boden gedrückt verharrte er und beobachtete aus funkelnden, gelben Augen die beiden Störenfriede. Doch die beiden Jungvögel,
    die noch so ausgelassen die letzten Strahlen der Sonne für ein kleines Spiel nutzten, beginnen nicht den Fehler, der sie hätte nur allzu rasch zu einem unfreiwilligen Imbiss für den hungrigen Wolf werden lassen.
    Noch während er lauernd in der Kuhle kauerte kamen die unerwünschten Gedanken wieder. Wohin sollte er fliehen? Denn Flucht war es auch wenn er sich das nur höchst ungern eingestand. Er war schon zu alt um sich noch einmal ein neues Rudel zu suchen nachdem sein erstes ausgelöscht worden war. Gerade als er wieder drohte in die schwarzen Tiefen der Trauer um sein totes Rudel zu sinken fasste er einen Entschluss. Er würde umkehren und sich dem wiedergekehrten Feind stellen, der einst seine Familie getötet und sein Glück
    zerstört hatte. Bevor hervorkriechende Ängste seinen gefassten Entschluss ins Wanken bringen konnten sprang er auf und verschwand als grauer Schatten zwischen den Bäumen.

    5.

    Pater Fitzpatrick war ein zutiefst gläubiger Mensch. Es mangelte ihm nicht an Gott vertrauen und sein Glaube gab ihm die Kraft selbst mit ausweglos erscheinenden Situationen fertig zu werden. So blieb er auch tapfer im "Regen" stehen, das hölzerne Kreuz segnend erhoben und betete für die Seele der braven Bäckersfrau.
    Erst die panischen Schreie der Umstehenden rissen ihn aus seinem Trance ähnlichen Zustand, in den er des öfteren verfiel wenn er innig betete.
    Als er im ersten Moment noch leicht benommen die Augen aufschlug, hielt er die klebrige Nässe die seinen Nacken hinunter rann für Schweiß und rechnete den rötlichen Nebel, der seinen Blick verschleierte, der Erschöpfung zu, die ihn des öfteren nach einem Gebet heimsuchte. Erst der süßliche Geruch nach Blut, der ihm in nicht gekannter Intensität anhaftete, ließ ihn vollends zur Besinnung kommen und den Frevel sehen der sein Gebet gestört hatte.
    Vielleicht war es gerade die Angst die ihn nicht wanken ließ. Oder aber die Ungeheuerlichkeit des Sakrilegs verlieh ihm die Kraft den Blick zu heben und dem Bösen die Stirn zu bieten.
    Hochaufgerichtet, das Kreuz wie ein Schwert zum Schlag erhoben verharrte er an Ort und Stelle, während kaltes Blut seinen krummen Rücken hinunter rann und den Boden unter ihm in Matsch verwandelte. Als gerade in diesem Moment die ersten Sonnenstrahlen den Waldboden erreichten und die gespenstische Szene in rötliches Licht tauchten, bauschte ein einzelner Windstoß seinen schwarzen Umhang auf und ließ ihn wie ein Paar gigantischer Flügel seinen dürren Leib umflattern. Den vor gerechtem Zorn lodernden Blick auf die versammelte Menge gerichtet musste er wie ein dem Licht entstiegener Racheengel wirken.


    Franzios, ein etwa 15 jähriger Bursche, war stets ein gelehriger und gehorsamer Schüler gewesen. Sein Interesse hatte insbesonders den Naturwissenschaftlichen Fächern und Latein gegolten. Für Pater Fitzpatrick war es immer eine besondere Freude gewesen den schier unstillbaren Wissensdurst des Knaben, auch nach Ende des allgemeinen Unterrichts, zu
    befriedigen. Als Franzios nun vor 2 Tagen das Kloster verlassen hatte, um seine Eltern in der nicht weit entfernt liegenden Stadt zu besuchen, hatte er sich noch höflich distanziert, wie zwischen Schüler und Lehrer üblich, in froher Erwartung strahlend, von Fitzpatrick verabschiedet. Gern hätte Fitzpatrick ihn in den Arm genommen und an sich gedrückt, denn auch wenn er es nie zugegeben hätte, war Franzios doch so etwas wie ein Sohn für ihn gewesen. Doch die Formen mussten gewahrt werden und so blieb es bei einem kräftigen Händedruck und guten Wünschen für die bevorstehende Reise. Noch eine ganze Weile war Fitzpatrick auf dem leeren Hof stehen geblieben und hatte der hochaufgeschossenen Gestalt des Jungen nachgeschaut, während sie am Horizont rasch kleiner wurde. Damals war er noch so lebendig gewesen.

  • Hi Leuz

    So... Ich habe die Geschichte in einem Anfall von Arbeitswut nocheinmal komplett überarbeitet. Dachte das sage ich hier mal kurz...

    Fortsetzung kommt, aber erst morgen.

    cya

  • Hi

    Das ist natürlich ziemlich ungünstig... Vielleicht verrätst du mir wo die Probleme liegen damit ich helfen kann...
    cya

    PS: Nachschub kommt doch erst morgen.