Ich möchte Euch eine Episode aus dem Leben meiner phexischen Halbelfe Eleonora präsentieren, die in einer ganz besonderen Nacht unterwegs ist.
Die Geschichte wurde geschrieben als Hintergrundgeschichte, um den Charakter in meiner DSA-Gruppe vorzustellen.
Über Lob, aber vor allem auch Kritik würde ich mich freuen.
Viel Spaß beim Lesen, ich hoffe doch, dass sich das Durchhalten lohnt
Im dritten Post ist der Text ebenfalls als PDF-Dokument angehängt, da kann man es denke ich besser lesen.
Eine Samtpfote in Almada
Das Moos war feucht vom Regen am Morgen, es hing in dicken Strähnen die Fassade herab. Sofern
zu solch später Nachtstunde noch Menschen auf der Straße waren, hätten sie das Kratzen der
Stiefelabsätze sicherlich gehört. Doch dem war nicht so, weder waren außer einigen schläfrigen
Bütteln Menschen auf den verschlammten Straßen, noch waren die Absätze zu hören, denn
Eleonora verstand ihr Handwerk. Auf fünf Schritt Höhe war sie bereits die Ostwand des
Handelskontors emporgeklettert, suchte sicheren Halt zwischen den sorgsam gearbeiteten Steinen
der Fassade. Jede noch so kleine Unebenheit nutze ihr, sie näherte sich ihrem Ziel unablässig.
Im Schatten des Praiostempels unweit des Marktplatzes stand das Kontor prächtig dar, die Fassade
strahlte förmlich Reichtum und Macht aus, und eben an dieser kletterte sie nun empor, gehüllt in
schwarzes Leder, das die Strahlen des Madamals aufsog und nicht erkennen ließ, dass jemand sich
erdreistete, Hand anzulegen an den Kammern des Kontors.
„Nur noch ein Schritt und ich bin an der Luke“ dachte sich Eleonora und wagte einen Blick zur
Seite in Richtung des Balkons von dem aus sie ihre nächtliche Tour gestartet hatte. Der Wind wehte
hier stärker als am Boden und trieb ihr das silberfarbene, strähnige Haar immer wieder ins Gesicht,
sodass es an ihren rosanen, verschwitzten Wangen klebte. Ihre katzengleichen Augen verengten sich
und sie atmete tief ein. „Schon wieder vergessen … Mein Haarband liegt auf dem Nachttisch. Ganz
ruhig, noch ein kleines Stück und du hast es geschafft, einfach ruhig weiter nach oben.“
Nach wenigen Augenblicken kletterte sie weiter, ihrem Ziel entgegen. Als sie auf Höhe der Luke
angekommen war, verharrte sie erneut und lauschte ins Innere des Kontors. Zwei Stimmen waren
zu hören, dumpf streiften die unverständlichen Worte an Eleonoras Ohren. „Also so wie jede Nacht,
zwei Wachen im Vorraum, die Lagerräume hinten sind unbewacht. Wenn sie wüssten, dass ihre ach
so tolle Prunkfassade eine willkommene Einladung ist“ dachte sie lächelnd und schob sich flink
durch die Luke ins Innere des Gebäudes. Wohliges Schaudern wallte durch ihren zarten Körper und
ließ ihr ein leises Stöhnen entweichen. Das war es, wonach sie jede Nacht aufs neue jagte, die
Gefahr und der Reiz, ihre Fähigkeiten bis aufs Äußerste zu testen und an ihre Grenzen zu gelangen.
Und nun war es wieder so weit. Die Fassade war ein Kinderspiel, der Auftakt eines grandiosen
Beutezuges. Sie ließ sich fallen, schloss die Augen und zählte, 21 22, bei 23 drehte sie sich um ihre
eigene Achse und landete auf dem Eichendielenboden, nicht lauter als ein fallendes Bündel
Pergament. Die Augen noch immer geschlossen, lauschte sie in den Raum hinein, sie war allein, die
Stimmen hatten sich nicht bewegt, sie war nun auf gleicher Höhe mit ihnen, das verriet ihr das
schwache Echo, das über den Boden auf sie zurollte.
Von den Plänen die sie sich kurz zuvor angeschaut hatte, wusste sie, dass es von ihrem Einstieg bis
zum Lagerraum für die rahjanischen Luxusgüter 30 Schritt waren, der Raum, in dem sie sich befand
maß zehn in der Länge und vier in der Breite, ein kleiner Flur also, der im hinteren Kontorbereich
den Übergang zum Kutschenlager und dem Verladehof bildete.
Mit federnden Schritten schlich sie vorwärts den Flur entlang. Ein lautes Lachen ließ sie erstarren,
die Stimmen näherten sich dem Flur. „Verphext nochmal!“ dachte sie und suchte nach einem
Versteck. Vom Flur gingen vier Türen ab, eine in den Vorraum, von dem aus die Stimmen kamen,
eine ins Besprechungszimmer, eine in den Hof und die vierte in den hinteren Teil des Kontors mit
den begehrten Waren. Schwere Schritte hallten über den Dielenboden, der Türknauf drehte sich und
eine der Wachen öffnete die Tür. Ein dicklicher, kahlköpfiger Mann schob sich in den Flur, „Haha,
ja das war ein wirklich gutes Spiel. Ich trete kurz aus“ und schlenderte den Flur entlang, just da, wo
vor drei Augenblicken noch Eleonora gestanden hatte. Im Gebälk der Decke hing eine keuchende
Eleonora.
„Das ist grade noch einmal gut gegangen. Dieser Trottel, stört meinen nächtlichen Spaziergang“.
Sie wartete ab, bis die Wache in der Tür zum Hof verschwunden war und schwang sich dann zurück
auf den Boden. „Wie lange braucht dieser Ochse wohl zum pinkeln?“
Eiliger, aber nicht lauter als zuvor, lief sie zur Tür, die in den hinteren Teil des Kontors führte.
Schritte am anderen Ende des holzgetäfelten Flures waren nicht zu hören, ihr sollte also genügend
Zeit bleiben. Mit flinken Fingern knackte sie das Schloss und öffnete die Tür.
Eine kleine Kerze flackerte mit letzter Kraft an der Wand des fein ausgestatteten Raumes. Der
Boden war mit dicken, reich verzierten Teppichen ausgelegt und die Wände mit feiner Seide
behangen. Freude wallte in Eleonora auf, sie hatte es fast geschafft, jetzt musste sie nur noch die
richtige Kiste finden und ihr Objekt der Begierde mitnehmen.
Mit einem leisen Klicken schloss sie die Tür und schaute sich im Raum um. Allerlei Kisten standen
an den Wänden und in der Mitte, mit schweren Schlössern abgesperrt oder nur lose mit
Lederschnüren transportbereit gemacht. Umso schmuckvoller die Truhen, desto teurer der Inhalt,
hieß es allgemein. Doch davon ließ sich Eleonora nicht blenden, sie hatte das Kontor einige Tage
lang beobachtet und wusste, dass die Luxushändler aus dem Horasreich ihre Waren meist in
schlichten Truhen verschickten, sollte doch eine edle Verpackung den Inhalt nicht minderwertig
erscheinen lassen.
In der Mitte des Raumes hatte sie derweil beim Durchsehen der Kisten die gesuchte gefunden, auf
dem dunklen Eichenholz war ein schlichter Kandelaber eingebrannt. Das Handelshaus, dem diese
Kiste gehörte, handelte mit allerlei Waren, die für rauschende Feste unerlässlich waren, vom
Silberleuchter bis zum brokatbestickten Zelt boten sie alles an.
Genüsslich öffnete sie die Lederschnüre an der Kiste und schob den Deckel nach oben. Innen war
die Kiste mit Samt ausstaffiert und mit einem Holzgitter als Transportschutz versehen. In schlichten
Leinentüchern gewickelt lagen dort Goldleuchter und kleine Figürchen. Eines der Pakete erregte
sofort ihre Aufmerksamkeit, sie nahm es heraus und öffnete das Wachsiegel, das das Tuch fixierte.
Neugierig befreite sie ihre Beute vom Tuch und, wie sie bereits an der Form erkennen konnte, kam
eine schwarz schimmernde Katze zum Vorschein. Sie war aus Onyx fein gearbeitet und besaß eine
Anmut, wie sie der Künstler nicht besser hätte einfangen können, die Statue wirkte lebendig und
würdevoll, ihr angedeutetes kurzes Fell meinte eine Aranierin als Vorbild gehabt zu haben. Eleonora
streichelte verträumt entlang der Statue und verstaute sie in ihrer Tasche.
Doch das war nicht, nach dem sie gesucht hatte. Es gab nur eine Kiste mit dem Brandzeichen, doch
eigentlich hätten hier zwei oder drei stehen müssen. „Verphext noch eins! Auf der Kutsche windtags
habe ich sie doch noch gesehen. Sie lagern doch den ganzen Krempel in diesem Raum?“ Sie wurde
ungeduldig, so wollte sie doch so schnell wie möglich auf dem Weg nach Hause sein mit ihrer
Beute. Aber wo waren die anderen Kisten? Kopfschüttelnd und die Haare zurück auf die Schulter
werfend riss sie sich aus ihren Gedanken. Vielleicht war es doch in der Kiste, nur nicht so
offensichtlich wie der Rest. Eilig räumte sie die Kiste aus und öffnete die restlichen versiegelten
Pakete. Neben zwei weiteren Katzenstatuen, die sie mit verzogener Miene beinahe fallen ließ –
„wie hässlich!“ – waren noch zwei silberne Leuchter und eine aus dickem Glas fein geschliffene
Weinkaraffe verstaut. Hätte sie mehr Platz in ihrer Tasche gehabt, so wäre die Karaffe in eben dieser
verschwunden. Dem Licht entgegen drehte Eleonora das Gefäß und betrachtete das geschliffene
Muster. Wellenförmige Linien flossen auf der Oberfläche, die im Fackelschein wie feurige Wogen
waberten. Ein echtes Meisterwerk! Daraus würde ihr yaquirer Lieblingstropfen wohl noch besser
schmecken. Das Flammenmeer verebbte als sie die Karaffe in das Leinentuch einwickelte. „Die
muss ich unbedingt mitnehmen, so ein Stück findet man nicht in jedem Kontor, das man
ausnimmt!“. Mit ihrem Dolch schnitt sie die Lederbänder an der Kiste ab und verknotete das
Leinentuch, sodass die Karaffe sicher an ihrer Tasche angebunden werden konnte.
Vorsichtig stellte sie die Tasche auf den Boden, den Dolch noch in der Rechten. Ihre Augen
huschten zwischen der Samteinlage in der Kiste und dem Messer hin und her. Erneut beugte sie sich
zur Kiste herab und zog die Lederhandschuhe aus, ihre Finger waren verschwitzt, das
Festklammern am Balken zuvor hatte ihr viel Kraft gekostet, war sie doch mit einem beherzten
Sprung ins Gebälk geflohen. Die Handschuhe hinter sich werfend fuhr Eleonora mit den feuchten
Fingerspitzen über die Stoffeinlage. Die Nähte waren sauber gearbeitet und der Stoff war an den
Seiten bereits rau und abgewetzt, die Kiste war nicht zum ersten Mal im Einsatz. Als ihre Finger
entlang des Bodens streiften, hielt sie plötzlich inne und befühlte den Stoff erneut. Er fasste sich
flauschiger an als an den Seiten und der Übergang zwischen den Stoffbahnen an der Seite und
denen am Boden der Kiste waren nicht so fein gearbeitet wie die Nähte an den Innenseiten der
Kiste.
Ihr fielen nicht zum ersten Mal in dieser Nacht die Haare ins Gesicht, sie riss den Kopf hoch und
schüttelte ihre widerspenstige Mähne zurück auf den Rücken. Ein scharfer Seufzer entfuhr ihrer
Nase und sie schloss die Augen für einen kurzen Augenblick. So konnte sie einfach nicht
konzentriert arbeiten, jedwede vermeidbare Ablenkung musste vorher ausgemerzt werden, vor
allem solche, die von der eigenen Ausrüstung drohten. Langsam einatmend öffnete sie wieder die
Augen, sie durfte keine Fehler machen, nicht jetzt, wo sie doch schon im Kontor war. Sie schritt zu
einer anderen Truhe herüber und schnitt behände ein weiteres Stück Lederband ab. Den Dolch mit
den Zähnen festhaltend verknotete sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz und steckte sich den
Zopf unter das Lederhemd, die Haare klebten zwar an der verschwitzen Haut doch das störte
weniger. Nun konnte sie weiterarbeiten.
Lächelnd beugte sie sich wieder zur verdächtigen Kiste herab und schnitt den Stoff am Boden
vorsichtig auf. Der Geruch von Leim und Eichenholz stieg ihr in die Nase. Sie packte zwei
Stoffzipfel und riss das Samttuch heraus. Die mit Fusseln und Leim bedeckten Bodenbretter kamen
zum Vorschein. Nichts, kein Versteck oder ein doppelter Boden. Wütend rammte sie den Dolch in
das Holz. „Wo habt ihr stinkenden Ochsen es nur hingepackt?“ War es doch in einer der
Schreibstuben? Sie zog das Messer aus dem Holz und wollte es gerade zurück in die Schneide
stecken, als ihr Blick auf ein helles Stück Holz fiel, bedeckt von einer Schicht aus Leim und
Stoffresten. Das war doch keine Eiche, wie die restlichen Bretter? Sie fuhr entlang des verleimten
Zwischenraumes. Ihre Laune besserte sich schlagartig, hatte sich ihre bisherige Arbeit scheinbar
gelohnt. Warum auch immer die Bretter ausgetauscht wurden, würde die Lösung sie näher zu den
beiden anderen, verschwundenen Kisten führen? Wenn die Bretter eingesetzt wurden, weil die Kiste
kaputt war, so hätte man erneut haltbare Eiche verbaut und kein weiches Holz, scheinbar Pappel.
Ob Pappel oder nicht, die Holzstücke mussten raus! Erneut rammte Eleonora ihren Dolch in das
Holz entlang des Übergangs zwischen den beiden verschiedenen Brettern. Sie schabte den Leim aus
den Ritzen und versuchte, das hellere Holz herauszuhebeln. Mühsam zerfaserte sie die weichen
Holzteile und lockerte sie aus dem hölzernen Griff der Eichenbretter. „Zum ersten Mal brauche ich
meinen Dolch mehr als meine Dietriche“ flüsterte sie und hebelte ein letztes Mal mit dem Dolch am
Holz, bis sich das Mittelstück mit einem leisen Quietschen tatsächlich löste und sie mit ihren
Fingern darunter fassen konnte und herausnahm. Die Holzplatte war an der Unterseite mittig
abgeschabt und so bildete sich ein Hohlraum, der sich durch die ebenfalls ausgeschälte Kuhle im
Bodenbrett noch vergrößerte. Darin lag ein Päckchen, in Wachspapier eingeschlagen und mit
weißem Siegel verschlossen. Es war fast so groß wie ihre Handfläche und eiförmig. Eleonora
betrachtete das Paket und roch daran, Wachs, Leim und ein unbekannter Geruch stiegen ihr in die
Nase. Es stank mittlerweile aus der Kiste so stark nach Leim, dass sie ihre streikende Nase rümpfte.
Der dritte Duft roch nicht unangenehm, leicht nach vertrockneter Pflanze. Das Siegel zeigte eine
Prägung, ein aufsteigenden Pferd, darunter ein Zeichen, scheinbar ein Buchstabe, doch das Siegel
war hier zu schwach um es genauer zu deuten.
Vorsichtig brach sie das Siegel und öffnete das Wachspapier. Eine dunkle, getrocknete Masse kam
zum Vorschein, wohl eine getrocknete Pflanze. Behutsam nahm sie ein wenig von der Masse
zwischen die Finger, sie konnte Pflanzenfasern erkennen, die Masse war grob zerrieben. „Was ist
das denn? Da wollte wohl jemand seine nächste Feier auflockern, oder ist es keine Droge sondern
ein Gift?“. Als ihr das letzte Wort im Kopf verhallte, bröselte sie die Pflanzenfasern zurück auf das
Wachspapier und wischte sich die Finger am herausgeschnittenen Samttuch ab. Ihre Haut sah
unverändert aus, sie spürte ihre Finger noch und fühlte sich wie zuvor, einzig ihr Herz pochte
schneller und sie schwitzte stärker. War es die Aufregung, der Schock oder doch eine Vergiftung?
Bange Augenblicke folgten, in denen sie auf ihre Finger starrte und ihrem Herzklopfen lauschte.
Langsam beruhigte sich hier Puls und sie atmete auf. Sie musste lachen, Phex sei Dank scheinbar
doch kein Gift, und wenn, dann wirkte es sehr langsam, sodass sie sicherlich noch zurück in
Sicherheit kam und sich genauer untersuchen lassen konnte.
Das Päckchen ruhte auf ihrer Handfläche, was sollte sie nun tun, das Pflanzenkraut mitnehmen und
ihrem Meister bringen oder hier lassen? Wenn sie es mitnähme, dann würde sie es gut verkaufen
können. Aber sie könnte aus ihrer Situation noch mehr schöpfen. Ein Plan reifte in Eleonoras Kopf
heran, Nutze jede Gelegenheit, hallte die Stimme ihres Meisters in ihren Ohren. Genau das war es
jetzt, eine günstige Gelegenheit. Sie wendete das Päckchen und betrachtete das Siegel, es war nicht
mittig gebrochen, sondern ein Stück unterhalb des geprägten Pferdes. Vorsichtig faltete sie das
Wachspapier zusammen und ging herüber zur Fackel an der Wand. In den Flammen erhitzte sie die
Schneide ihres Dolches und strich damit behutsam über die Bruchkante des Siegels, sodass das
Wachs in den Riss floss und ihn verschwinden ließ. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk, der Bruch
war kaum noch zu sehen. Dass das Siegel in der unteren Hälfte von vorn herein nicht perfekt war,
tat sein übriges.
Das Päckchen war jetzt also wieder unverdächtig, fehlte nur noch der Kistenboden. Zurück an der
Kiste knabberte Eleonora nervös auf ihrer Unterlippe herum, wie konnte sie nun das Loch im Boden
wieder so flicken, dass nichts auffiel, wenn die Kiste geöffnet wurde und das scheinbar verbotene
Päckchen herausgenommen wird? Das Holzbrett, das sie heraus gehebelt hatte, war nur leicht
beschädigt, es würde ein größerer Spalt zwischen dem Brett und den Balken zurück bleiben, wenn
sie es wieder einsetzte. Doch was sollte sie mit dem Samttuch machen? Es war immerhin heil
geblieben, als sie es heraus gerissen hatte.
Wieder steckte sie den Kopf in die nach Leim stinkende Kiste, legte das Päckchen zurück in den
Hohlraum und setzte das Holzbrett ein. Nachdenklich kratzte sie etwas Leim vom Boden auf, setzte
sich auf den Kistenrand und rollte den Brocken in der Hand zwischen ihren Fingern hin und her.
Der Klumpen wurde weich durch ihre Körpertemperatur. Sie musste bald los, sie war schon zu
lange im Kontor und bestimmt würden die Wachen noch einen Rundgang durch die Räume machen.
Der Leim klebte leicht an ihren Fingern. Angewidert schaute sie auf ihre Finger. „Die Fackel! Phex
sei Dank!“ wie vom Fuchs gebissen sprang Eleonora von der Kiste auf und eilte zur Wand, nahm
die Fackel erneut aus der Halterung und hielt den Leimklumpen an die Flamme. Der Leim wurde
blasenwerfend flüssig und klebte wieder leicht, es stank noch erbärmlicher wie in der Kiste als der
Leim verbrannte. Der Dampf reizte ihren Hals und sie musste husten.
„Na dann, auf ans Werk“ dachte sie und ging zurück zur Kiste mit der Fackel in der Hand. Wieder
erhitzte sie ihr Messer und strich mit der warmen Klinge über den leimbedeckten Kistenboden. Der
Leim floss auseinander und verteilte sich, füllte die Spalten zwischen den Brettern auf. Einige
Augenblicke hockte sie neben der Kiste, erhitzte die Klinge, strich über den Boden und schaute den
feinen Flüsschen zu wie sie sich verbreiteten. Als der Leim gut verteilt war, nahm sie schnell das
Samttuch in die Hand, strich auch dort ein, zwei Mal mit der Klinge an der Unterseite entlang und
legte dann das Tuch vorsichtig in die Kiste. „Hoffentlich klappt es, der Leim haftet nicht mehr so
gut“ bangte Eleonora.
Unruhig strich sie mit der Hand über das Tuch, glättete die Falten und steckte die Enden möglichst
nah an die Ränder der seitlichen Stoffbahnen. Die Stoffkante, durch die sie das Versteck finden
konnte, war wieder sichtbar. „Perfekt“ jubelte sie innerlich, ihr Plan schien zu funktionieren, das
Samttuch war einigermaßen fest auf dem Boden geklebt. Wenn einer, der nicht wusste, wie die
Kiste zuvor genau ausgesehen hatte, diese betrachtete, würde er nicht vermuten, dass der Hohlraum
entdeckt worden wäre.
Zufrieden strich sie einige Male über den Stoff, sie hatte zwar keine Probe von den Pflanzenresten
herausgenommen, doch hatte sie sich den Geruch, die Farbe und die grobe Struktur genauestens
gemerkt. Sie wusste auch, welches Zeichen das Handelshaus trug, das die Kiste angeliefert hatte.
Wenn das alles nicht ihren Meister, den Grauen, beeindrucken würde, dann gab es nichts, was dies
konnte. Triumphierend schob Eleonora die Holzrahmen in die Kiste und legte die Katzenstatuen
sowie die Kerzenleuchter zurück. Sollte es doch ruhig auffallen, dass etwas aus der Kiste gestohlen
wurde, die Panik darüber wird hoffentlich blind machen, wenn jemand den Hohlraum überprüft.
Sorgsam sammelte sie die Holzspäne und Leimreste auf und streifte ihre Handschuhe wieder an.
Ihre Tasche mit der angebundenen Karaffe schlang sie sich um ihre Schulter, dabei spürte sie die
Katzenstatue im Beutel. Zufrieden lächelnd ging sie zur Tür in den Flur herüber.
Wie lange sie doch im Raum gewesen war, sicherlich waren die Wachen wieder zusammen am
Eingang. Angespannt lauschte Eleonora an der Tür in den Gang hinein, Schritte waren keine zu
hören. Langsam öffnete sie die Tür und spähte in den Flur, sie zuckte zusammen als es schlagartig
dunkler wurde. Eine Fackel an der Wand war zischend erloschen, im flackernden Licht zeichnete
sich eine kleine Rauchsäule ab. Stimmen drangen nun wieder dumpf an ihre Ohren, kamen sie in
ihre Richtung?
Schnell schloss sie die Tür und lauschte in den Flur. Eine Tür wurde geöffnet und schwere Stiefel
schlurften über den Boden. Ein Pfeifen erfüllte den Flur. „Hachja, he, Thorben! Hier is ne Fackel
aus. Hol doch mal eine. Ich geh ma noch ne Runde im Hof, das Ferdoker treibt so!“ kernig lachend
stand der Mann noch einen Augenblick im Flur, dann setzte wieder das Schlurfen ein. Wieder hörte
Eleonora eine Tür, das Schlurfen wurde leiser. „Jah, du fauler Hund! Geh du ruhig pissen. Is ja nicht
so, dass wir beide hier bezahlt werden, immer nur am trinken. Du solltest mal zum Medicus gehen,
deine Blase ist so klein wie vonnem goldgelocktem Balg!“. Ein weiteres Stiefelpaar in schnellerem
Schritt näherte sich dem Flur. Der Lichtschein, der unter der Tür hindurch schien, wurde heller.
„Komm mach schnell! Wir müssen die Runde noch zu Ende würfeln, Phex is mir gewogen, ich
habbn Lauf!“ brüllte der Zweite, murmelnd ging er durch die Tür zurück in den Eingangsbereich.
„Komm mach schon, wie lange brauchst du denn?“ nervös wartete Eleonora, bis sich die Tür zum
Innenhof hin öffnete und die schlurfenden Schritte sich aufmachten zurück zum Würfelbecher.
Behutsam öffnete Eleonora erneut die Tür. Sie wollte weiter, ihre Aufgabe war noch nicht beendet.
Unruhe machte sich breit. Die Stimmen waren wieder da, wo sie sein sollten. Jetzt war der Weg frei
zu den Geschäftsräumen, wo sie hoffentlich das finden würde, weswegen sie losgegangen war. Eilig
schlich sie in Richtung Eingangsbereich und bog dann zu den Schreibstuben ab. Hoffentlich war es
da, sonst müsste sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Immerhin war ihre Tour bisher gut
gelaufen, doch ihre Aufgabe war nur erfüllt, wenn sie es zum Grauen brachte.
Sie packte den Knauf der Stubentür und drehte ihn – die Tür war verschlossen. „Wer hätte das
gedacht, ich habe doch noch etwas Spaß heute Abend“ grinste Eleonora und fingerte ein paar
Dietriche aus ihrer Tasche. Das Schloss war keine Herausforderung, zwar nicht der billigste
Schund, aber scheinbar vertraute man fest auf die beiden Saufnasen im Vorraum. Eindeutig ein
Fehler bei den vielen einladenden Dachluken. Fünf Augenblicke später klickte das Schloss und die
Tür sprang auf.